Entscheidungsdatum
09.04.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W284 2286356-1/3E
W284 2286352-1/3E
W284 2286350-1/3E
W284 2286348-1/3E
W284 2286320-1/3E
W284 2286346-1/3E
W284 2286354-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , 6.) XXXX , geb. XXXX , 7.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Syrien, die minderjährigen Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, alle vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2023, Zl. 1.) XXXX , 2.) XXXX , 3.) XXXX , 4.) XXXX , 5.) XXXX , 6.) XXXX und 7.) XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 2.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 3.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 4.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 5.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 6.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , 7.) römisch XXXX , geb. römisch XXXX , alle StA. Syrien, die minderjährigen Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer vertreten durch die Erstbeschwerdeführerin, alle vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH (BBU), gegen Spruchpunkt römisch eins. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.12.2023, Zl. 1.) römisch XXXX , 2.) römisch XXXX , 3.) römisch XXXX , 4.) römisch XXXX , 5.) römisch XXXX , 6.) römisch XXXX und 7.) römisch XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.A)
Die Beschwerden gegen Spruchpunkt römisch eins. der angefochtenen Bescheide werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der volljährigen Zweitbeschwerdeführerin, der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin, des minderjährigen Viertbeschwerdeführers, des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers, des minderjährigen Sechstbeschwerdeführers und der minderjährigen Siebtbeschwerdeführerin.
Die Beschwerdeführer reisten gemeinsam unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellten am 09.11.2022 Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.
Am 10.11.2022 fand unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch die Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt.
Die Erstbeschwerdeführerin führte zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass in Syrien Krieg herrsche und sie zu ihrem Ehemann nach Österreich wolle. Im Fall einer Rückkehr habe sie Angst vor der Zukunft.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen an, dass es in Syrien keine Sicherheit und keine Zukunft gebe. Sie wolle die Schule abschließen.
Die Drittbeschwerdeführerin führte zu ihren Fluchtgründen aus, dass es keine Sicherheit in Syrien gebe und die Wirtschaftslage sehr schlecht sei. Im Fall einer Rückkehr habe sie Angst vor der Zukunft.
Am 13.09.2023 erfolgte unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin, der volljährigen Zweitbeschwerdeführerin, der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin und des minderjährigen Viertbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (infolge: BFA).
Die Erstbeschwerdeführerin führte zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen aus, dass sie im Jahr 2020 Syrien verlassen habe, da die Lage schlecht gewesen sei. Zudem habe sie an einer Demonstration teilgenommen. Sie könne nicht nach Syrien zurückkehren, da einige Cousins von ihr in Raqqa durch die Kämpfe und den Krieg ums Leben gekommen seien. Wenn ihre Kinder älter werden, würden sie auch zum Militär eingezogen werden. Die Kurden hätten ihr Gebiet übernommen. Die Erstbeschwerdeführerin legte ihren Personalausweis vor.
Die Zweitbeschwerdeführerin brachte vor, dass sie aufgrund der fehlenden Sicherheit das Land verlassen habe. Zudem seien junge Damen und Buben einberufen worden. Ihre Familie sei von Frauen aufgesucht worden, die versucht hätten, sie zum Kampf zu überreden. Die Zweitbeschwerdeführerin habe abgelehnt. Die Frauen hätten sie nicht dazu zwingen können.
Die Drittbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt an, dass sie das Land wegen des Krieges und der fehlenden Sicherheit verlassen habe. Zudem seien die Mädchen einberufen worden. Im Fall einer Rückkehr würde die Drittbeschwerdeführerin einberufen werden. Sie würde töten müssen oder getötet werden. Einberufen worden sei sie nie.
Der Viertbeschwerdeführer brachte zu seinen Fluchtgründen vor, dass er Syrien aufgrund des Krieges verlassen hätten und jeder der Waffen tragen könne, einberufen werde. Im Fall einer Rückkehr würde man ihn einberufen und er würde Waffen tragen müssen. Wenn er einberufen werde, müsse er töten oder werde getötet. Probleme habe er in Syrien nie gehabt.
Vorgelegt wurden Auszüge aus dem Personenstandsregister und dem Familienregister sowie eine Heiratsurkunde jeweils in Kopie.
2. Mit den angefochtenen Bescheiden der Erst- bis Siebtbeschwerdeführer vom 19.12.2023 wies das BFA die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).2. Mit den angefochtenen Bescheiden der Erst- bis Siebtbeschwerdeführer vom 19.12.2023 wies das BFA die Anträge der beschwerdeführenden Parteien auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihnen den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Die Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass die Erstbeschwerdeführerin nicht habe glaubhaft machen können, dass sie in den Fokus des syrischen Regimes geraten sei. Zudem sei festzuhalten, dass wenn die Teilnahme an einer Demonstration im Jahr 2016 der Wahrheit entsprechen würde, die Erstbeschwerdeführerin weitere vier Jahre ohne Probleme in einem von den Kurden kontrollierten Gebiet hätte leben können. Ferner sei die Demonstration friedlich gewesen und ihre Personalien seien nicht aufgenommen worden. Das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich der Aufforderung von Frauen, sich ihnen anzuschließen, habe sie in keiner Weise bei der Erstbefragung kundgetan. Zudem habe sie zu diesem Vorbringen keine gezielten Angaben machen können. Die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin in Syrien zudem nie politisch aktiv oder Mitglied einer politischen Partei gewesen. In Bezug auf die Drittbeschwerdeführerin sei eine asylrelevante Verfolgung bzw. Verfolgungsgefährdung aufgrund der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt worden. Die Drittbeschwerdeführerin sei mit gerade einmal 13 Jahren aus Syrien ausgereist. Ihr Vorbringen, wonach Mädchen in Syrien einberufen worden wären, seien bloß Vermutungen und Mutmaßungen. Konkrete Vorfälle gegen die Drittbeschwerdeführerin habe es in Syrien zu keinem Zeitpunkt gegeben. Der Viertbeschwerdeführer sei zum Ausreisezeitpunkt gerade einmal elf Jahr alt gewesen und sein Vorbringen beruhe auf Befürchtungen und Mutmaßungen. Konkrete Vorfälle gegenüber dem Viertbeschwerdeführer habe es zu keinem Zeitpunkt in Syrien gegeben. Keiner der Beschwerdeführer habe im Heimatstaat Probleme aufgrund der Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit gehabt. Sonstige Probleme mit den Behörden hätten sie auch nicht gehabt. Da das Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin nicht glaubhaft gewesen sei, werde hinsichtlich der Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer auf die Entscheidung der Erstbeschwerdeführerin verwiesen.
3. Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führten ergänzend aus, dass alleinstehenden Frauen in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt und Belästigung ausgesetzt seien. Zudem bliebe neben der Gefährdung durch sexualisierte Gewalt und Kampfhandlungen die Zwangsrekrutierung von Kindern ein zentrales Problem im Syrienkonflikt. Für den im Jahr 2009 geborenen Viertbeschwerdeführer (in der Beschwerde: Drittbeschwerdeführer) bestehe in zwei Jahren die Verpflichtung, die für den Wehrdienst vorbereitenden Tätigkeiten auszuführen und anschließend den Wehrdienst anzutreten. Schließlich werde den Beschwerdeführern auch aufgrund der Asylantragstellung im Ausland sowie ihrer illegalen Ausreise eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Zudem wären aufgrund der Zugehörigkeit zum Familienvater und der Gefahr einer Reflexverfolgung Feststellungen zu treffen gewesen. 3. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieser Bescheide erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und führten ergänzend aus, dass alleinstehenden Frauen in Syrien aufgrund des Konfliktes einem besonderen Risiko von Gewalt und Belästigung ausgesetzt seien. Zudem bliebe neben der Gefährdung durch sexualisierte Gewalt und Kampfhandlungen die Zwangsrekrutierung von Kindern ein zentrales Problem im Syrienkonflikt. Für den im Jahr 2009 geborenen Viertbeschwerdeführer (in der Beschwerde: Drittbeschwerdeführer) bestehe in zwei Jahren die Verpflichtung, die für den Wehrdienst vorbereitenden Tätigkeiten auszuführen und anschließend den Wehrdienst anzutreten. Schließlich werde den Beschwerdeführern auch aufgrund der Asylantragstellung im Ausland sowie ihrer illegalen Ausreise eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Zudem wären aufgrund der Zugehörigkeit zum Familienvater und der Gefahr einer Reflexverfolgung Feststellungen zu treffen gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Beschwerdeführer führen die im Erkenntniskopf genannten Namen und Geburtsdaten. Sie sind syrische Staatsangehörige, gehören der arabischen Volksgruppe an und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Arabisch. Die Erstbeschwerdeführerin heiratete im Jahr 2004 XXXX , geboren am XXXX. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin stellte am 26.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 01.09.2022 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).1.1. Die Beschwerdeführer führen die im Erkenntniskopf genannten Namen und Geburtsdaten. Sie sind syrische Staatsangehörige, gehören der arabischen Volksgruppe an und bekennen sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Arabisch. Die Erstbeschwerdeführerin heiratete im Jahr 2004 römisch XXXX , geboren am römisch XXXX. Der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin stellte am 26.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 01.09.2022 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in der Folge: BVwG) vom 25.08.2023 wurde die gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen Kinder. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in der Folge: BVwG) vom 25.08.2023 wurde die gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer sind ihre gemeinsamen Kinder.
Die Beschwerdeführer stammen aus Tal Abyad im Gouvernement Ar-Raqqa und lebten dort bis zu ihrer Ausreise. Ar-Raqqa (Gouvernement Ar-Raqqa) steht unter Kontrolle der kurdisch geführten SDF (Syrian Democratic Forces – Syrische Demokratischen Kräfte der selbsternannten Selbstverwaltungsregion, auch Autonomous Administration of North and East Syria – AANES). Tal Abyad steht unter der Kontrolle der Türkei bzw. ihr nahestehender Milizen (SNA). Das syrische Regime ist in den genannten Gebieten nicht in der Lage, die Wehrpflicht durchzusetzen oder Oppositionelle zu verhaften.
Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund. Die Zweitbeschwerdeführerin benötigt Insulin. Die Dritt- bis Siebtbeschwerdeführer sind gesund.
Im Jahr 2020 reiste die Erstbeschwerdeführerin mit ihrem Ehemann und den sechs Kindern in die Türkei ein. Anschließend kam zunächst der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin nach Österreich. Ende 2022 reiste der Rest der Familie (Erst- bis Siebtbeschwerdeführer) - zum Zwecke der Familienzusammenführung - illegal nach Österreich ein.
Mit Bescheiden vom 19.12.2023 wurde den Beschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:
Die Beschwerdeführer verließen Syrien – neben dem Zweck der Familienzusammenführung – wegen der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkrieges. Die Beschwerdeführer waren in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.
Der Erstbeschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration. Sie ist aufgrund der Teilnahme an einer Demonstration nicht ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten. Im Fall ihrer Rückkehr nach Syrien, insbesondere in die Herkunftsregion Tal Abyad ist die Erstbeschwerdeführerin nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Der volljährigen Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin droht keine Zwangs- bzw. Kinderrekrutierung durch die Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien. Sie sind in der Vergangenheit keinem Rekrutierungsversuch durch die kurdische SDF/YPG ausgesetzt gewesen. Ihnen wird seitens der kurdischen Autonomiebehörden keine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Die SDF/YPG hat darüber hinaus keine Einflussmöglichkeit in Tal Abyad im Gouvernement Ar-Raqqa und ist in diesem Gebiet nicht in der Lage, intendierte Rekrutierungen durchzusetzen.
Die Beschwerdeführerinnen sind zudem in Syrien keinem maßgeblichen Risiko von psychischen und physischen Eingriffen in ihre körperliche Integrität oder Lebensgefahr allein aufgrund ihres Geschlechtes ausgesetzt. Da der in Österreich lebende Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Vater der Zweit- bis Siebtbeschwerdeführer ebenfalls keinen Flüchtlingsstatus, sondern gleichsam den eines subsidiären Schutzberechtigten genießt, wären die Beschwerdeführerinnen bei einer (hypothetischen) Rückkehr nach Syrien im Familienverband nicht als alleinstehend anzusehen. Die Erstbeschwerdeführerin könnte daher in Syrien auf die Unterstützung ihres Ehemannes zurückgreifen. Auch die Zweit-, Dritt und Siebtbeschwerdeführerin könnten in Syrien auf die Unterstützung ihres Vaters zurückgreifen. Somit sind sie im Falle einer Rückkehr nicht als alleinstehend anzusehen und keiner Gefahr einer Verfolgung aufgrund einer Zugehörigkeit zur Gruppe der alleinstehenden Frauen in Syrien ausgesetzt. Frauen sind in Syrien keiner systematischen Gefahr einer Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt.
In Syrien ist für männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes gesetzlich verpflichtend. Der gerade erst 15-jährige Viertbeschwerdeführer ist in Syrien weder von Zwangs- oder Kinderrekrutierung betroffen, noch besteht ein reales Risiko vom syrischen Regime zum Militärdienst einberufen zu werden.
In Syrien besteht in Gebieten unter der Kontrolle der kurdischen SDF (YPG) ein verpflichtender Wehrdienst (Selbstverteidigungspflicht) für Männer, die 1990 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Der gerade erst 15-jährige Viertbeschwerdeführer ist in Syrien weder von Zwangs- oder Kinderrekrutierung betroffen, noch besteht ein reales Risiko von der kurdischen SDF (YPG) zum Militärdienst einberufen zu werden.
Den Beschwerdeführern droht ferner keine Zwangs- oder Kinderrekrutierung durch die Syrian National Amy (in der Folge: SNA). Sie legt Zivilisten in den von ihr kontrollierten Gebieten keine Wehrpflicht auf. Die Beschwerdeführer sind in ihrer Heimatregion somit nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr ausgesetzt von der SNA rekrutiert zu werden.
Die Beschwerdeführer sind im Falle der Rückkehr auch nicht der Gefahr ausgesetzt, vom Islamischen Staat (IS) mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Die minderjährigen Beschwerdeführer sind im Falle einer Rückkehr nach Syrien keiner sonstigen konkret und individuell gegen sie gerichtete Gefahr oder Verfolgung ausgesetzt.
Die Beschwerdeführer waren nicht politisch tätig, sind nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Sie haben in Syrien keine Straftaten begangen und wurden nicht verhaftet.
Ebenso wenig droht den Beschwerdeführern allein aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Ausreise oder der Asylantragstellung die Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Die minderjährigen Fünft- bis Siebtbeschwerdeführer brachten keine individuellen Verfolgungsbefürchtungen vor.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024:
Sicherheitslage
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Türkische Militäroperationen in Nordsyrien
"Operation Schutzschild Euphrat" (türk. "F?rat Kalkan? Harekât?")
Am 24.8.2016 hat die Türkei die "Operation Euphrates Shield" (OES) in Syrien gestartet (MFATR o.D.; vgl. CE 19.1.2017). Die OES war die erste große Militäroperation der Türkei in Syrien (OR o.D.). In einer Pressemitteilung des Nationalen Sicherheitsrats (vom 30.11.2016) hieß es, die Ziele der Operation seien die Aufrechterhaltung der Grenzsicherheit und die Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) im Rahmen der UN-Charta. Außerdem wurde betont, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) sowie die mit ihr verbundene PYD (Partiya Yekîtiya Demokrat) und YPG (Yekîneyên Parastina Gel) keinen "Korridor des Terrors" vor den Toren der Türkei errichten dürfen (CE 19.1.2017). Obwohl die türkischen Behörden offiziell erklärten, dass die oberste Priorität der Kampf gegen den IS sei, betonen viele Kommentatoren und Analysten, dass das Ziel darin bestand, die Schaffung eines einzigen von den Kurden kontrollierten Gebiets in Nordsyrien zu verhindern (OR o.D.; vgl. TWI 26.3.2019, SWP 30.5.2022). Die Türkei betrachtet die kurdische Volksverteidigungseinheit (YPG) und ihren politischen Arm, die Partei der Demokratischen Union (PYD), als den syrischen Zweig der PKK und damit als direkte Bedrohung für die Sicherheit der Türkei (SWP 30.5.2022).Am 24.8.2016 hat die Türkei die "Operation Euphrates Shield" (OES) in Syrien gestartet (MFATR o.D.; vergleiche CE 19.1.2017). Die OES war die erste große Militäroperation der Türkei in Syrien (OR o.D.). In einer Pressemitteilung des Nationalen Sicherheitsrats (vom 30.11.2016) hieß es, die Ziele der Operation seien die Aufrechterhaltung der Grenzsicherheit und die Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) im Rahmen der UN-Charta. Außerdem wurde betont, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) sowie die mit ihr verbundene PYD (Partiya Yekîtiya Demokrat) und YPG (Yekîneyên Parastina Gel) keinen "Korridor des Terrors" vor den Toren der Türkei errichten dürfen (CE 19.1.2017). Obwohl die türkischen Behörden offiziell erklärten, dass die oberste Priorität der Kampf gegen den IS sei, betonen viele Kommentatoren und Analysten, dass das Ziel darin bestand, die Schaffung eines einzigen von den Kurden kontrollierten Gebiets in Nordsyrien zu verhindern (OR o.D.; vergleiche TWI 26.3.2019, SWP 30.5.2022). Die Türkei betrachtet die kurdische Volksverteidigungseinheit (YPG) und ihren politischen Arm, die Partei der Demokratischen Union (PYD), als den syrischen Zweig der PKK und damit als direkte Bedrohung für die Sicherheit der Türkei (SWP 30.5.2022).
"Operation Olivenzweig" (türk. "Zeytin Dal? Harekât?")
Im März 2018 nahmen Einheiten der türkischen Armee und der mit ihnen verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) im Rahmen der "Operation Olive Branch" (OOB) den zuvor von der YPG kontrollierten Distrikt Afrin ein (Bellingcat 1.3.2019). Laut türkischem Außenministerium waren die Ziele der OOB die Gewährleistung der türkischen Grenzsicherheit, die Entmachtung der "Terroristen" in Afrin und die Befreiung der lokalen Bevölkerung von der Unterdrückung der "Terroristen". Das türkische Außenministerium berichtete weiter, dass das Gebiet in weniger als zwei Monaten von PKK/YPG- und IS-Einheiten befreit wurde (MFATR o.D.). Diese Aussage impliziert, dass Ankara bei der Verfolgung der Grenzsicherheit und der regionalen Stabilität keinen Unterschied zwischen IS und YPG macht (TWI 26.3.2019). Bis März 2018 hatte die türkische Offensive Berichten zufolge den Tod Dutzender Zivilisten und laut den Vereinten Nationen (UN) die Vertreibung Zehntausender zur Folge. Von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppierungen, die mit der FSA in Zusammenhang stehen, beschlagnahmten, zerstörten und plünderten das Eigentum kurdischer Zivilisten in Afrin (HRW 17.1.2019).
"Operation Friedensquelle" (türk. "Bar?? P?nar? Harekât?")
Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump Anfang Oktober 2019 ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9.10.2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens. Im Zuge dessen riefen die kurdischen Behörden eine Generalmobilisierung aus. Einerseits wollte die Türkei mithilfe der Offensive die YPG und die von der YPG geführten Syrian Democratic Forces (SDF) aus der Grenzregion zur Türkei vertreiben, andererseits war das Ziel der Offensive, einen Gebietsstreifen entlang der Grenze auf syrischer Seite zu kontrollieren, in dem rund zwei der ungefähr 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei leben, angesiedelt werden sollen (CNN 10.10.2019). Der UN zufolge wurden innerhalb einer Woche bis zu 160.000 Menschen durch die Offensive vertrieben und es kam zu vielen zivilen Todesopfern (UN News 14.10.2019). Im Hinterland begannen IS-Zellen, Anschläge zu organisieren (GEG 3.4.2023). Medienberichten zufolge sind in dem Gefangenenlager ?Ayn Issa 785 ausländische IS-Sympathisanten auf das Wachpersonal losgegangen und geflohen (Standard 13.10.2019). Nach dem Beginn der Operation kam es außerdem zu einem Angriff durch IS-Schläferzellen auf die Stadt Raqqa. Die geplante Eroberung des Hauptquartiers der syrisch-kurdischen Sicherheitskräfte gelang den Islamisten jedoch nicht (Zeit 10.10.2019). Auch im Zuge der türkischen Militäroperation "Friedensquelle" kam es zu Plünderungen und gewaltsamen Enteignungen von Häusern und Betrieben von Kurden, Jesiden und Christen durch Türkei-nahe Milizen (ÖB Damaskus 12.2022).
Die syrische Armee von Präsident Bashar al-Assad ist nach einer Einigung mit den SDF am 14.10.2019 in mehrere Grenzstädte eingerückt, um sich der "türkischen Aggression" entgegenzustellen, wie Staatsmedien berichteten (Standard 15.10.2019). Laut der Vereinbarung übernahmen die Einheiten der syrischen Regierung in einigen Grenzstädten die Sicherheitsfunktionen, die Administration soll aber weiterhin in kurdischer Hand sein (WP 14.10.2019). Seitdem verblieben die Machtverhältnisse [mit Stand April 2023] weitgehend unverändert (GEG 3.4.2023). Die syrischen Regierungstruppen üben im Gebiet punktuell Macht aus, etwa mit Übergängen zwischen einzelnen Stadtvierteln (z. B. Stadt Qamischli im Gouvernement Al-Hassakah) (AA 29.3.2023). Nach Vereinbarungen zwischen der Türkei, den USA und Russland richtete die Türkei eine "Sicherheitszone" in dem Gebiet zwischen Tall Abyad und Ra's al-?Ayn ein (SWP 1.1.2020), die 120 Kilometer lang und bis zu 14 Kilometer breit ist (AA 19.5.2020).
"Operation Frühlingsschild" (türk. "Bahar Kalkan? Harekât?")
Nachdem die syrische Regierung im Dezember 2019 eine bewaffnete Offensive gestartet hatte, gerieten ihre Streitkräfte im Februar 2020 mit den türkischen Streitkräften in einen direkten Konflikt (CC 17.2.2021). Während des gesamten Februars führten die syrische Regierung und regierungsnahe Kräfte im Nordwesten Syriens Luftangriffe durch, und zwar in einem Ausmaß, das laut den Vereinten Nationen zu den höchsten seit Beginn des Konflikts gehörte. Auch führten die syrischen Regierungskräfte Vorstöße am Boden durch. Zu den täglichen Zusammenstößen mit nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen gehörten gegenseitiger Artilleriebeschuss und Bodenkämpfe mit einer hohen Zahl von Opfern (UNSC 23.4.2020). Nach Angriffen syrischer Streitkräfte auf Stellungen der türkischen Armee, bei denen 34 türkische Soldaten getötet wurden, leitete Ankara die Operation "Frühlingsschild" in der Enklave Idlib (INSS 4.9.2022) am 27.2.2020 ein (UNSC 23.4.2020). Die Türkei versuchte damit ein Übergreifen des syrischen Konflikts auf die Türkei als Folge der neuen Regimeoffensive - insbesondere in Form eines Zustroms von Extremisten und Flüchtlingen in die Türkei - zu verhindern. Ein tieferer Beweggrund für die Operation war der Wunsch Ankaras, eine Grenze gegen weitere Vorstöße des Regimes zu ziehen, welche die türkischen Gebietsgewinne in Nordsyrien gefährden könnten. Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) war ein - wenn auch unintendierter - wichtiger Profiteur der Operation (Clingendael 9.2021). Im März 2020 wurde ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der Türkei und Russland in Idlib unterzeichnet, das die Schaffung eines sicheren Korridors um die Autobahn M4 und gemeinsame Patrouillen der russischen und türkischen Streitkräfte vorsah (INSS 4.9.2022). Der zwischen den Präsidenten Erdo?an und Putin vereinbarte Waffenstillstand sorgte für eine Deeskalation. Es kommt aber immer wieder zu lokal begrenzten militärischen Gefechten zwischen den erwähnten Konfliktparteien (ÖB Damaskus 12.2022). Rund 8.000 Soldaten des türkischen Militärs verbleiben in der Region und unterstützen militärisch und logistisch die dort operierenden Organisationen, vor allem die Syrian National Army (SNA, ehemals Free Syrian Army, FSA) und die HTS (INSS 4.9.2022).
"Operation Klauenschwert" (türk. "Pençe K?l?ç Hava Harekât?") und von Präsident Erdo?an ankündigte Bodenoffensiven der Türkei
Ein Hauptziel der Türkei besteht darin, eine Pufferzone zu den Kräften des syrischen Regimes aufrechtzuerhalten, deren Vorrücken - ohne vorherige Absprache oder Vereinbarung - die Sicherheit der türkischen Grenze gefährden würde. Das vorrangige Ziel Russlands und des syrischen Regimes ist es, den Druck auf HTS aufrechtzuerhalten (EPC 17.2.2022). Es kommt in den türkisch-besetzten Gebieten zu internen Kämpfen zwischen von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen (AC 1.12.2022; vgl. SO 26.5.2022) und vor allem im nördlichen Teil der Provinz Aleppo, auch vermehrt zu Anschlägen seitens der kurdischen YPG. Die sehr komplexe Gemengelage an (bewaffneten) Akteuren, u. a. YPG und Türkei-nahe Rebellengruppen, die sich auch untereinander bekämpfen, führt zu einer sehr konfliktgeladenen Situation in der Provinz Aleppo und vor allem in deren nördlichem Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Erdo?an hat wiederholt angekündigt, einen 30 Kilometer breiten Streifen an der syrischen Grenze vollständig einzunehmen, um eine sogenannte Sicherheitszone auf der syrischen Seite der Grenze zu errichten (MI 21.11.2022; vgl. IT 30.5.2023), unter anderem, um dort syrische Flüchtlinge und Vertriebene, sowohl sunnitische Araber als auch Turkmenen, anzusiedeln. Dieser Prozess ist in Afrîn, al-Bab und Ra's al-'Ayn bereits im Gange (GEG 3.4.2023; vgl. NPA 5.6.2023, VOA 12.1.2023). Zuletzt konzentrierte die türkische Regierung ihre Drohungen auf die Region um Kobanê und Manbij - also die westlichen Selbstverwaltungsgebiete (MI 21.11.2022). Damit kann eine Verbindung zwischen dem Gebiet al-Bab-Jarablus und dem Gebiet Tel Abyad-Ra's al-'Ayn hergestellt werden (GEG 3.4.2023), außerdem ist Kobanê ein Symbol des kurdischen Widerstands gegen den IS (GEG 3.4.2023; vgl. ANF 29.11.2022).Ein Hauptziel der Türkei besteht darin, eine Pufferzone zu den Kräften des syrischen Regimes aufrechtzuerhalten, deren Vorrücken - ohne vorherige Absprache oder Vereinbarung - die Sicherheit der türkischen Grenze gefährden würde. Das vorrangige Ziel Russlands und des syrischen Regimes ist es, den Druck auf HTS aufrechtzuerhalten (EPC 17.2.2022). Es kommt in den türkisch-besetzten Gebieten zu internen Kämpfen zwischen von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen (AC 1.12.2022; vergleiche SO 26.5.2022) und vor allem im nördlichen Teil der Provinz Aleppo, auch vermehrt zu Anschlägen seitens der kurdischen YPG. Die sehr komplexe Gemengelage an (bewaffneten) Akteuren, u. a. YPG und Türkei-nahe Rebellengruppen, die sich auch untereinander bekämpfen, führt zu einer sehr konfliktgeladenen Situation in der Provinz Aleppo und vor allem in deren nördlichem Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Erdo?an hat wiederholt angekündigt, einen 30 Kilometer breiten Streifen an der syrischen Grenze vollständig einzunehmen, um eine sogenannte Sicherheitszone auf der syrischen Seite der Grenze zu errichten (MI 21.11.2022; vergleiche IT 30.5.2023), unter anderem, um dort syrische Flüchtlinge und Vertriebene, sowohl sunnitische Araber als auch Turkmenen, anzusiedeln. Dieser Prozess ist in Afrîn, al-Bab und Ra's al-'Ayn bereits im Gange (GEG 3.4.2023; vergleiche NPA 5.6.2023, VOA 12.1.2023). Zuletzt konzentrierte die türkische Regierung ihre Drohungen auf die Region um Kobanê und Manbij - also die westlichen Selbstverwaltungsgebiete (MI 21.11.2022). Damit kann eine Verbindung zwischen dem Gebiet al-Bab-Jarablus und dem Gebiet Tel Abyad-Ra's al-'Ayn hergestellt werden (GEG 3.4.2023), außerdem ist Kobanê ein Symbol des kurdischen Widerstands gegen den IS (GEG 3.4.2023; vergleiche ANF 29.11.2022).
Am 13.11.2022 wurde in Istanbul ein Bombenanschlag verübt, bei dem sechs Menschen starben und rund 80 verletzt wurden (AJ 22.11.2022). Die Türkei machte die YPG und PKK für den Anschlag verantwortlich, was beide Gruppierungen bestritten (AJ 24.11.2022; vgl. REU 14.11.2022). Die Türkei hat ihre militärischen Aktivitäten im Norden und Nordosten als Antwort auf den Vorfall verstärkt (ÖB Damaskus 12.2022; vgl. AJ 24.11.2022). Eine Woche nach dem Anschlag startete das türkische Militär die Operation "Klauenschwert" (AJ 22.11.2022) und führte als Vergeltungsmaßnahme eine Reihe von Luftangriffen auf mutmaßliche militante Ziele in Nordsyrien und im Irak durch (BBC 20.11.2022). Nach Angaben der SDF wurden bei den Luftschlägen auch zivile Ziele getroffen, während es sich bei den zerstörten Zielen laut türkischen Angaben um Bunker, Tunnel und Munitionsdepots handelte (Zeit 20.11.2022). Am 23.11.2022 richteten sich die türkischen Angriffe auch gegen einen SDF-Posten im Gefangenenlager al-Hol, in dem mehr als 53.000 IS-Verdächtige und ihre Familienangehörigen festgehalten werden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder aus etwa 60 Ländern (HRW 7.12.2022).Am 13.11.2022 wurde in Istanbul ein Bombenanschlag verübt, bei dem sechs Menschen starben und rund 80 verletzt wurden (AJ 22.11.2022). Die Türkei machte die YPG und PKK für den Anschlag verantwortlich, was beide Gruppierungen bestritten (AJ 24.11.2022; vergleiche REU 14.11.2022). Die Türkei hat ihre militärischen Aktivitäten im Norden und Nordosten als Antwort auf den Vorfall verstärkt (ÖB Damaskus 12.2022; vergleiche AJ 24.11.2022). Eine Woche nach dem Anschlag startete das türkische Militär die Operation "Klauenschwert" (AJ 22.11.2022) und führte als Vergeltungsmaßnahme eine Reihe von Luftangriffen auf mutmaßliche militante Ziele in Nordsyrien und im Irak durch (BBC 20.11.2022). Nach Angaben der SDF wurden bei den Luftschlägen auch zivile Ziele getroffen, während es sich bei den zerstörten Zielen laut türkischen Angaben um Bunker, Tunnel und Munitionsdepots handelte (Zeit 20.11.2022). Am 23.11.2022 richteten sich die türkischen Angriffe auch gegen einen SDF-Posten im Gefangenenlager al-Hol, in dem mehr als 53.000 IS-Verdächtige und ihre Familienangehörigen festgehalten werden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder aus etwa 60 Ländern (HRW 7.12.2022).
Türkische Regierungsvertreter signalisierten wiederholt, dass eine Bodenoffensive folgen könnte (AJ 22.11.2022, FR24 14.1.2023), wovor Russland, der Iran (AJ 22.11.2022) und die USA warnten (NPA 18.1.2023). Die USA haben zur "sofortigen Deeskalation" aufgerufen. Größte Sorge in Washington ist, dass eine türkische Offensive im Nordirak der Terrormiliz IS in die Hände spielt (RND 27.11.2022; vgl. USDOS 23.11.2022). Zellen des IS sind in Syrien immer noch aktiv. Die YPG ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS. Tausende ehemalige IS-Kämpfer sitzen in Gefängnissen, die von der Kurdenmiliz kontrolliert werden. Eine Schlüsselrolle für die türkische Syrien-Strategie spielt Russland. Präsident Wladimir Putin ist der wichtigste politische und militärische Verbündete des syrischen Machthabers Bashar al-Assad. Die russischen Streitkräfte haben die Lufthoheit über Syrien. Für eine Bodenoffensive braucht Erdo?an zumindest die Duldung Moskaus (RND 27.11.2022). Auch auf Bestreben Moskaus (FR24 14.1.2023) gibt es Normalisierungsbemühungen zwischen Ankara und Damaskus (Alaraby 25.1.2023; vgl. FR24 14.1.2023). Syriens Außenminister betonte im Mai 2023 allerdings, dass es zu keiner Normalisierung der beiden Länder kommen werde, solange die Türkei syrisches Staatsgebiet besetzt hält (Tasnim 22.5.2023). Die syrischen Kurden befürchten, dass Präsident Assad im Gegenzug für einen vollständigen Rückzug der Türkei aus Syrien einem härteren Vorgehen gegen die YPG zustimmen könnte (IT 30.5.2023). Analysten gingen Anfang 2023 allerdings davon aus, dass ein vollständiger Rückzug der Türkei in naher Zukunft aus einer Reihe von Gründen unwahrscheinlich sei und sich wahrscheinlich als äußerst kompliziert erweisen werde (Alaraby 25.1.2023).Türkische Regierungsvertreter signalisierten wiederholt, dass eine Bodenoffensive folgen könnte (AJ 22.11.2022, FR24 14.1.2023), wovor Russland, der Iran (AJ 22.11.2022) und die USA warnten (NPA 18.1.2023). Die USA haben zur "sofortigen Deeskalation" aufgerufen. Größte Sorge in Washington ist, dass eine türkische Offensive im Nordirak der Terrormiliz IS in die Hände spielt (RND 27.11.2022; vergleiche USDOS 23.11.2022). Zellen des IS sind in Syrien immer noch aktiv. Die YPG ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS. Tausende ehemalige IS-Kämpfer sitzen in Gefängnissen, die von der Kurdenmiliz kontrolliert werden. Eine Schlüsselrolle für die türkische Syrien-Strategie spielt Russland. Präsident Wladimir Putin ist der wichtigste politische und militärische Verbündete des syrischen Machthabers Bashar al-Assad. Die russischen Streitkräfte haben die Lufthoheit über Syrien. Für eine Bodenoffensive braucht Erdo?an zumindest die Duldung Moskaus (RND 27.11.2022). Auch auf Bestreben Moskaus (FR24 14.1.2023) gibt es Normalisierungsbemühungen zwischen Ankara und Damaskus (Alaraby 25.1.2023; vergleiche FR24 14.1.2023). Syriens Außenminister betonte im Mai 2023 allerdings, dass es zu keiner Normalisierung der beiden Länder kommen werde, solange die Türkei syrisches Staatsgebiet besetzt hält (Tasnim 22.5.2023). Die syrischen Kurden befürchten, dass Präsident Assad im Gegenzug für einen vollständigen Rückzug der Türkei aus Syrien einem härteren Vorgehen gegen die YPG zustimmen könnte (IT 30.5.2023). Analysten gingen Anfang 2023 allerdings davon aus, dass ein vollständiger Rückzug der Türkei in naher Zukunft aus einer Reihe von Gründen unwahrscheinlich sei und sich wahrscheinlich als äußerst kompliziert erweisen werde (Alaraby 25.1.2023).
Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)
Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Die Türkei unterstellt sowohl den Streitkräften der Volksverteidigungseinheiten (YPG) als auch der Democratic Union Party (PYD) Nähe zur von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und bezeichnet diese daher ebenfalls als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 29.11.2021).
Der Think Tank Newslines Institute for Strategy and Policy sieht auf der folgenden Karte besonders die Gebiete von Tal Rifa'at, Manbij und Kobanê als potenzielle Ziele einer türkischen Offensive. Auf der Karte sind auch die Strecken und Gebiete mit einer Präsenz von Regime- und pro-Regime-Kräften im Selbstverwaltungsgebiet ersichtlich, die sich vor allem entlang der Frontlinien zu den pro-türkischen Rebellengebieten und entlang der türkisch-syrischen Grenze entlangziehen. In Tal Rifa'at und an manchen Grenzabschnitten sind sie nicht präsent:
[…]
Der Rückzug der USA aus den Gebieten östlich des Euphrat im Oktober 2019 ermöglichte es der Türkei, sich in das Gebiet auszudehnen und ihre Grenze tiefer in Syrien zu verlegen, um eine Pufferzone gegen die SDF zu schaffen (CMEC 2.10.2020) [Anm.: Siehe hierzu Unterkapitel türkische Militäroperationen in Nordsyrien im Kapitel Sicherheitslage]. Aufgrund der türkischen Vorstöße sahen sich die SDF dazu gezwungen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet Stellung zu beziehen, um die Türkei abzuschrecken, und den Kampf auf eine zwischenstaatliche Ebene zu verlagern (ICG 18.11.2021). Regimekräfte sind seither in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent (AA 29.11.2021). Die Türkei s