TE Vfgh Beschluss 1993/3/22 G236/92

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Veröffentlicht am 22.03.1993
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung 1973

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
GewO 1973 §176
GewO 1973 §375 Abs1 Z66

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der GewO 1973 über die Geltung der bezirksweisen Abgrenzungen für das Rauchfangkehrergewerbe als Bundesgesetze bis zur Erlassung entsprechender Verordnungen durch den Landeshauptmann mangels Legitimation

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Kostenersatz wird nicht zugesprochen.

Begründung

Begründung:

1.1. Der Antragsteller ist Rauchfangkehrermeister mit dem Standort 8047 Graz, Eißlgasse 22. Er war berechtigt, im Kehrbezirk Graz 32 gemäß der Verordnung des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. Dezember 1961, LGBl. für das Land Steiermark 153/1961, idF LGBl. 31/1962 und 46/1968, über die Einteilung der Kehrbezirke für das Rauchfangkehrergewerbe der Landeshauptstadt Graz Rauchfangkehrerarbeiten zu verrichten. Mit der Kehrgebietsverordnung - Graz des Landeshauptmannes von Steiermark vom 10. Dezember 1991, Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark 545/1991, erfolgte eine Neuordnung der gebietsweisen Abgrenzung der Kehrbezirke in Graz. Diese Verordnung trat gemäß ihrem §3 Abs1 am 2. Jänner 1992 in Kraft; gleichzeitig trat gemäß Abs2 dieser Bestimmung die - als Bundesgesetz geltende - Verordnung aus dem Jahre 1961 außer Kraft.

1.2. Der Antragsteller begehrt,

"1. §375 Abs1 Gewerbeordnung idgF im Umfang von '§176 Abs1'

in eventu

2. §375 Abs1 Gewerbeordnung idgF im Umfang von 'Bis zur Erlassung der im ... §176 Abs1 ... dieses Bundesgesetzes vorgesehenen Verordnungen'

in eventu

3. §375 Abs1 Gewerbeordnung idgF im Umfang von 'Bis zur Erlassung der im §21, §22 Abs3 und 6 - 9, §24 Abs2, 6 und 8, §53 Abs3, §62 Abs4, §69 Abs1 und 2, §70 Abs1, §71

Abs1, §73 Abs2 und 3, §82 Abs1 und 2, §138 Abs3, §176

Abs1, §177 Abs1 und 2, §198 Abs1, §216 Abs2, §218

Abs1, §252 Abs1, §257, §283 Abs3, §330 Abs2, §331

Abs1 und 2, §349 Abs3, §351 Abs5 und §352 Abs13 dieses Bundesgesetzes vorgesehenen Verordnungen bleiben folgende Rechtsvorschriften im bisherigen Umfang unbeschadet der Bestimmungen des §374 Abs2 und soweit nicht durch dieses Bundesgesetz eine diesbezügliche Regelung getroffen wird, und zwar als Bundesgesetze, in Geltung:

. ...

66. die auf Grund des §42 der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Gewerbeordnung erlassenen bezirksweisen Abgrenzungen für das Rauchfangkehrergewerbe;'

in eventu

              4.              §375 Abs1 Gewerbeordnung idgF zur Gänze"

aufzuheben.

Seine Antragslegitimation begründet er damit, daß die Änderung der Grenzen seines Kehrbezirkes aufgrund der angefochtenen - der Verfassung widersprechenden - gesetzlichen Bestimmung erfolgt sei, die seine Rechtssphäre verletzt habe, weil eine Änderung des Kehrgebietes zu einer Veränderung des Personenkreises führe, mit welchem er gemäß §172 Abs1 leg.cit. verpflichtet sei, zu einem gesetzlichen Höchsttarif zu kontrahieren. Dieser Kontrahierungszwang gehe weit über das sachlich gerechtfertigte Maß hinaus und beeinträchtige ihn unverhältnismäßig in seiner Vertragsfreiheit, weil er insbesondere verpflichtet sei, die in §172 Abs1 GewO genannten Tätigkeiten auch bei wesentlich weiteren Anfahrtswegen als bisher zu dem gesetzlichen und im übrigen trotz der Erweiterung des Kehrbezirkes unveränderten Höchsttarif durchzuführen. Darüber hinaus sei seine "ausschließliche Berechtigung, in dem bisher als Kehrbezirk Graz 32 bezeichneten Gebiet die Rauchfangkehrerarbeiten auszuführen, gegenstandslos geworden."

Er vermeint, die in §375 Abs1 GewO enthaltene Ermächtigung des Landeshauptmannes, ein Bundesgesetz durch Erlassung einer Verordnung außer Kraft treten zu lassen, widerspreche sowohl dem rechtsstaatlichen als auch dem demokratischen Prinzip und der "verfassungsmäßig verankerten Beschränkung der Normsetzungsbefugnis der Verwaltung".

2.1. Die hier maßgeblichen Regelungen der GewO 1973 lauten:

§172 Abs1 GewO 1973:

"§172. (1) Der Konzessionspflicht unterliegen das Reinigen, Kehren und Überprüfen von Rauch- und Abgasfängen, von Rauch- und Abgasleitungen sowie von den dazugehörigen Feuerstätten. Insoweit Rauchfangkehrer durch landesrechtliche Vorschriften zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet werden, nehmen sie öffentliche Aufgaben wahr."

§176 Abs1 (in der hier maßgeblichen Fassung nach dem 2. Jänner 1992 - vgl. ArtVI Abs2 der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. 399/1988) und Abs2 GewO 1973:

"§176. (1) Der Landeshauptmann hat, wenn es aus Gründen der Feuerpolizei zweckmäßig ist, durch Verordnung eine gebietsweise Abgrenzung für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes zu verfügen. In einer solchen Verordnung sind die Grenzen der Kehrgebiete so festzulegen, daß innerhalb eines Kehrgebietes die wirtschaftliche Lebensfähigkeit von mindestens zwei Rauchfangkehrerbetrieben mit mindestens je zwei hauptberuflich beschäftigten Arbeitnehmern gewährleistet ist. Erfordert der im zweiten Satz festgelegte Grundsatz infolge der topographischen Verhältnisse und der Siedlungsdichte in einem Gebiet die Festlegung eines Kehrgebietes in einer Größe, die die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes durch unverhältnismäßig lange Anfahrtswege erschweren würde, kann der Landeshauptmann ein Kehrgebiet nur für einen Rauchfangkehrerbetrieb einrichten.

(2) Für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes in Gebieten, für die eine gebietsweise Abgrenzung verfügt worden ist, dürfen nur Konzessionen erteilt werden, die die Ausführung von Kehrarbeiten auf das betreffende Kehrgebiet einschränken. Bei Gefahr im Verzug oder im Fall eines Auftrages gemäß §175 ist jedoch die Verrichtung von Kehrarbeiten auch außerhalb des Kehrgebietes zulässig. Wird die Abgrenzung des Kehrgebietes nach der Erteilung der Konzession geändert, dann gilt die Konzession als auf das geänderte Kehrgebiet eingeschränkt, in dem der Standort der Konzession liegt."

§375 Abs1 Z66 leg.cit.:

"§375. (1) Bis zur Erlassung der im ... §176 Abs1, ... dieses Bundesgesetzes vorgesehenen Verordnungen bleiben folgende Rechtsvorschriften im bisherigen Umfang unbeschadet der Bestimmungen des §374 Abs2 und soweit nicht durch dieses Bundesgesetz eine diesbezügliche Regelung getroffen wird, und zwar als Bundesgesetze, in Geltung:

...

66. die auf Grund des §42 der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Gewerbeordnung erlassenen bezirksweisen Abgrenzungen für das Rauchfangkehrergewerbe;

..."

2.2. Wie unter Punkt 1.1. dargetan, sind die durch §375 Abs1 Z66 GewO 1973 auf Gesetzesstufe gehobenen Regelungen über die bezirksweisen Abgrenzungen für das Rauchfangkehrergewerbe Graz aus dem Jahre 1961 durch §375 Abs1 GewO 1973 iVm. §3 Abs2 der Kehrgebietsverordnung - Graz 1991 am 2. Jänner 1992 außer Kraft getreten.

3. Der Antrag erweist sich schon auf Grund folgender Erwägungen als unzulässig:

Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, daß der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch das angefochtene Gesetz - im Hinblick auf dessen Verfassungswidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, daß das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, daß das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Aus dem Wortlaut des Art140 Abs1 letzter Satz B-VG (arg. "verletzt zu sein behauptet" und nicht etwa "verletzt worden zu sein behauptet") ergibt sich, daß die bekämpfte Gesetzesstelle zumindest zum Zeitpunkt der Antragstellung (noch) eine behauptete und tatsächlich vorliegende (nachteilige) rechtliche Wirkung für den Antragsteller haben muß, mag auch das Gesetz inzwischen außer Kraft getreten sein (Art140 Abs4 B-VG).

Auch eine am Sinn dieser Verfassungsbestimmung orientierte Auslegung führt zum selben Ergebnis: Der Zweck des Individualantrages besteht darin, daß die behauptete Rechtsverletzung durch Aufhebung der bekämpften Gesetzesstelle beseitigt wird. Würde sich also trotz Aufhebung der angefochtenen Gesetzesbestimmung für die Rechtsposition des Antragstellers nichts ändern, kommt ihm die Antragslegitimation nicht zu (vgl. VfSlg. 12413/1990, 12447/1990, VfGH 10.10.1991, G258/91).

Dies ist hier der Fall.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 27.2.1992, G320/90, ausgesprochen, daß es seit dem Inkrafttreten von auf Grund des §176 GewO 1973 idF der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. 399, erlassener Verordnungen des Landeshauptmannes zur gebietsweisen Abgrenzung für die Ausübung des Rauchfangkehrergewerbes ausgeschlossen ist, daß §375 Abs1 Z66 GewO 1973 für einen Antragsteller, der vom Geltungsbereich einer derartigen Verordnung umfaßt sei, (noch) unmittelbar wirksam ist. Die den Antragsteller betreffende Verordnung vom 10. Dezember 1991, Grazer Zeitung - Amtsblatt für die Steiermark 545/1991, trat gemäß ihrem §3 Abs1 am 2. Jänner 1992 in Kraft. Die vom Antragsteller behaupteten Eingriffe in seine Rechtssphäre durch §375 Abs1 GewO 1973 lagen daher, und zwar sowohl hinsichtlich der Regelung insgesamt als auch hinsichtlich der alternativ bekämpften Wortfolgen, bereits im Zeitpunkt der Antragstellung nicht (mehr) vor, weshalb ihm die erforderliche Legitimation zur Anfechtung fehlt. Sein Antrag war deshalb insgesamt zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 12227/1989, VfGH 26.2.1991, V166/90, 10.10.1991, G258/91).

4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob einer sachlichen Erledigung des Antrages (auch noch) andere Prozeßhindernisse entgegenstünden.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden. Der Kostenspruch gründet sich auf §65a VerfGG, der den Kostenzuspruch im Verfahren nach Art140 B-VG nur für den Fall des Obsiegens des Antragstellers vorsieht.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag, Gewerberecht, Rauchfangkehrergewerbe, Kehrbezirke, Übergangsbestimmung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:G236.1992

Dokumentnummer

JFT_10069678_92G00236_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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