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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde der G Leder und Extrakte in N, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 25. Jänner 1995, Zl. Ge-213122/1-1995/Pan/Neu, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit wegen Endigung eines Pachtverhältnisses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schreiben vom 23. November 1994, das sowohl an die Beschwerdeführerin als auch an die G-Ges.m.b.H. gerichtet war, legte die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen zu der von der G-Ges.m.b.H. angezeigten Verpachtung der Gewerbeberechtigungen "Lederfabrik" und "fabriksmäßige Erzeugung von Gerbemitteln und einschlägigen Hilfsmitteln sowie fabriksmäßige Erzeugung chemisch-technischer Hilfsstoffe, wie Binde-, Füll-, Klebe- und Isoliermittel" an die Beschwerdeführerin ihre Rechtsansicht dar, wonach das durch die Anzeige der Übertragung der Ausübung der Gewerbe entstandene Recht der Beschwerdeführerin zur Ausübung dieser Gewerbe durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der G-Ges.m.b.H. erloschen sei. Außerdem sei die Gewerbeberechtigung der G-Ges.m.b.H. mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. November 1994 rechtskräftig entzogen worden. Auch dadurch sei der entsprechenden Gewerbeausübung durch die Beschwerdeführerin die Grundlage entzogen und eine bescheidmäßige Erledigung des bereits eingeleiteten Verfahrens betreffend den Widerruf der Verpachtung daher entbehrlich geworden. Dies werde zur gefälligen Kenntnisnahme mit der Einladung mitgeteilt, unverzüglich die entsprechenden Schritte zur Herstellung der rechtlichen Ordnung in die Wege zu leiten, widrigenfalls die Behörde angehalten wäre, entsprechende verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen im Sinne der §§ 366 bis 368 GewO 1994 ins Auge zu fassen bzw. Zwangsmaßnahmen nach § 360 leg. cit. zu verfügen. Gleichzeitig erließ die Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen eine Erledigung folgenden Wortlautes:
"Verständigung
über die Übertragung der Ausübung des Gewerbes
an einen Pächter sowie über die Endigung der
Ausübung des Gewerbes durch den Pächter
Gewerbeinhaber G-Ges.m.b.H.
Gewerbeberechtigung Fabriksmäßige Erzeugung von
Gerbemitteln und einschlägigen
Hilfsmitteln sowie fabriksmäßige
Erzeugung chem.techn. Hilfsstoffe, wie
Binde-, Füll-, Klebe- und Isoliermittel
Geschäftsführer Dkfm. G, ..., österr. Staatsbürger,
wh. in N 6
Standort: N 6
Pächter: G, Leder und Extrakte
Geschäftsführer:
Vor- und Familienname Dkfm. G
geboren am ...
Staatsangehörigkeit Österreich
Wohnungsanschrift N 6
Die Übertragung der Ausübung des Gewerbes an den Pächter wurde zur Kenntnis genommen mit Bescheid vom 27. Juni 1994, Zl. Ge10-180-1994-Kr.
Tag der Rechtswirksamkeit der Übertragung: 12. April 1994
Die Ausübung dieses Gewerbes durch den Pächter ist mit Wirkung vom 19. April 1994 (Datum der Konkurseröffnung über das Vermögen der G-Ges.m.b.H.) beendet.
Ergeht an: ...."
Die gegen diese Erledigung erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit dem Bescheid vom 25. Jänner 1995 gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Begründung zurück, die in Rede stehende Verständigung stelle eine Benachrichtigung über das Löschen eines Pachtverhältnisses aus dem Gewerberegister dar. Da entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verständigung von der Löschung einer Gewerbeberechtigung im Gewerberegister keinen Bescheid darstelle und die gegenständliche Verständigung einer derartigen Verständigung über die Löschung einer Gewerbeberechtigung gleichzuhalten sei, liege im gegenständlichen Fall kein erstinstanzlicher Bescheid vor, sodaß auch dagegen kein Rechtsmittel ergriffen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in den Rechten auf "Nichterklärung der Beendigung der Verpachtung des Gewerbes" und auf "Entscheidung in der Sache" verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt sie vor, die in Rede stehende Erledigung der Behörde erster Instanz trage zwar entgegen der Bestimmung des § 58 Abs. 1 AVG nicht die Bezeichnung als "Bescheid", doch schade dies dem Bescheidcharakter nicht. Es sei darin die bescheidausstellende Behörde, das Datum und auch der Adressat, an den sich der Bescheid richte, angegeben. Es werde darin der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die Ausübung eines Gewerbes als Pächter beendet sei. Dadurch werde spruchgemäß über ein bestehendes Rechtsverhältnis abgesprochen. Es handle sich somit um einen verbindlichen Feststellungsbescheid. Dem Bescheid mangle es zwar an der Begründung und einer Rechtsmittelbelehrung, die jedoch keine notwendigen Voraussetzungen für die Einstufung eines Schriftstückes als Bescheid seien. Schließlich sei die Verständigung unterfertigt worden. Im übrigen gebe es keine Bestimmung im Gewerberecht, wonach die Gewerbebehörde befugt wäre, über die Beendigung eines Pachtvertrages abzusprechen, wenn die gewerberechtlichen Voraussetzungen für die Verpachtung erfüllt seien. Eine Pachtvereinbarung sei ein zivilrechtlicher Vertrag. Die Behörde sei nicht befugt, über das Bestehen von zivilrechtlichen Verträgen Feststellungsbescheide zu erlassen. Insofern sei die belangte Behörde auch unzuständig gewesen. Schließlich habe ausschließlich der Masseverwalter darüber zu entscheiden, ob ein Pachtverhältnis von der Masse als Rechtsnachfolger weiter aufrechterhalten werde oder nicht. Die Gewerbebehörde sei darüber nicht entscheidungsbefugt. Der Bescheid sei also auch inhaltlich rechtswidrig.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. N.F. Nr. 9458/A, dargelegt hat, schließt das Fehlen der Bezeichnung einer behördlichen Erledigung als "Bescheid" nicht zwingend deren Bescheidcharakter aus. Allerdings kann auf die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nur dann verzichtet werden, wenn sich aus dem Spruch eindeutig ergibt, daß die Behörde nicht nur einen individuellen Akt der Hoheitsverwaltung gesetzt hat, sondern auch, daß sie normativ, also entweder rechtsgestaltend oder rechtsfeststellend, eine Angelegenheit des Verwaltungsrechtes entschieden hat. Der normative Inhalt muß sich aus der Formulierung der behördlichen Erledigung, also in diesem Sinne auch aus der Form der Erledigung, ergeben. Hingegen kann die Wiedergabe einer Rechtsansicht, von Tatsachen, der Hinweis auf Vorgänge des Verfahrens, Rechtsbelehrungen und dgl. nicht als verbindliche Erledigung, also nicht als Spruch im Sinne des § 58 Abs. 1 AVG gewertet werden.
Im Lichte dieser Rechtsprechung, von der abzugehen der Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung sieht, vermag der Verwaltungsgerichtshof der Rechtsansicht der belangten Behörde, es handle sich bei der in Rede stehenden Erledigung der Erstbehörde lediglich um eine Verständigung über Vorgänge im Gewerberegister, nicht beizutreten.
Dem eingangs wiedergegebenen Wortlaut dieser Erledigung kann zunächst in keiner Weise entnommen werden, daß damit auf Vorgänge im Gewerberegister Bezug genommen wird. Die Berufung der belangten Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 21. September 1988, Zl. 88/03/0036, geht daher schon deshalb fehl, weil in diesem Erkenntnis lediglich ausgesprochen wurde, daß die Verständigung von der Löschung im Gewerberegister nicht als Bescheid zu qualifizieren ist.
Da somit die Formulierung der in Rede stehenden behördlichen Erledigung ungeachtet ihrer Bezeichnung als "Verständigung" über deren normativen Inhalt als Feststellung eines Rechtsverhältnisses keinen Zweifel offen läßt, war es verfehlt, wenn die belangte Behörde dieser Erledigung den Bescheidcharakter aberkannte und dementsprechend die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurückwies (vgl. auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Juni 1972, VfSlg. 6730).
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Einhaltung der Formvorschriften Inhalt des Spruches Diverses Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Mangelnder Bescheidcharakter Bescheidbegriff AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995040072.X00Im RIS seit
20.11.2000