TE Bvwg Erkenntnis 2024/4/30 W146 2277943-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2024
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Entscheidungsdatum

30.04.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W146 2277943-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2023, 1313309710/222032372, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2023, 1313309710/222032372, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang römisch eins. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 28.06.2022 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich der Erstbefragung des Beschwerdeführers am 29.06.2023 gab er an, dass in Syrien Krieg herrsche und er nicht zum Militärdienst wolle. Er habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung.

Am 15.02.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er an, er sei in XXXX geboren und aufgewachsen in XXXX . Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe bei der Erstbefragung als letzte Wohnsitzadresse XXXX angegeben, gab er an, nein, er habe nur gesagt, dass er dort geboren und registriert worden sei. Er habe nur 2 Brüder und 2 Schwestern. Seine Eltern seien im Februar 2013 durch einen Luftangriff getötet worden. Der Beschwerdeführer sei nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei gewesen. Er habe keine Probleme in seiner Heimat gehabt.Am 15.02.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er an, er sei in römisch XXXX geboren und aufgewachsen in römisch XXXX . Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe bei der Erstbefragung als letzte Wohnsitzadresse römisch XXXX angegeben, gab er an, nein, er habe nur gesagt, dass er dort geboren und registriert worden sei. Er habe nur 2 Brüder und 2 Schwestern. Seine Eltern seien im Februar 2013 durch einen Luftangriff getötet worden. Der Beschwerdeführer sei nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei gewesen. Er habe keine Probleme in seiner Heimat gehabt.

Die Frage nach seinem Fluchtgrund gestaltete sich wie folgt:

"F: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß.

A: Militärdienst.

F: Können Sie dazu mehr sagen?

A: Ich habe kein Militärbuch bekommen.

F: Weiter.

A: Das ist alles.

F: Gibt es noch weitere Gründe, weshalb Sie Syrien verlassen haben?

A: Nein.

F: Welches Problem gibt es mit dem Militärdienst und dem Militärbuch?

A: Nachdem ich Syrien verlassen habe, waren sie bei uns und haben nach mir gefragt.

F: Können Sie mir darüber mehr erzählen? Wer war da, wann, wieso, was ist passiert?

A: Das syrische Regime war da.

F: Weiter.

A: Das ist alles.

F: Frage wird wiederholt. Nehmen Sie sich dafür Zeit. Erzählen Sie alles, was Ihnen dazu

einfällt.

A: Es waren Leute von dem Militär bei meinem Bruder. Sie haben nach mir gefragt. Das

war vor zwei Monaten.

F: Passierte das mehrmals oder einmal?

A: Das erste Mal vor zwei Monaten.

F: Weiter.

A: Mein Bruder hatte gemeint, dass ich in Europa leben würden und sie haben dann gemeint, auch wenn ich hundert Jahre in Europa leben würde und dann nach Syrien zurückkehren würde, dann müsste ich den Militärdienst ableisten.

F: Bekam Ihr Bruder etwas Schriftliches?

A: Nein. Schriftliches gibt es dazu nicht in Syrien.

F: Weshalb wurde nun plötzlich nach Ihnen gefragt. Sie sind seit zehn Jahren im wehrdienstfähigen Alter.

A: Sie machen nun eine Statistik, weil sie herausfinden wollen, wieviele Männer von Syrien weggegangen sind und keinen Militärdienst geleistet haben.

F: War nun der Zweck der Nachfrage eine Erhebung, wo Sie sich aufhalten, wegen der Statistik oder ging es um eine Rekrutierung?

A: Sie machen momentan diese Statistik. Wenn sie dann jemanden zu Hause erwischen, nehmen sie ihn gleich mit zum Militärdienst."

Auf die Frage, warum er nicht von der Möglichkeit sich vom Militärdienst freizukaufen, Gebrauch gemacht habe, gab der Beschwerdeführer an:

"Weshalb sollte ich dem Regime Geld zahlen, das meine Mutter und meine Schwester umgebracht hat?"

Auf die Frage, was der Beschwerdeführer konkret im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte, gab er an, er habe Angst vor dem Militärdienst.

Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe bei der Erstbefragung angegeben, sein Vater würde in Syrien leben, gab er an, nein, er habe gesagt, dass sein Vater verstorben sei. Er könne nicht nachweisen, dass er aus XXXX stamme.Auf Vorhalt, der Beschwerdeführer habe bei der Erstbefragung angegeben, sein Vater würde in Syrien leben, gab er an, nein, er habe gesagt, dass sein Vater verstorben sei. Er könne nicht nachweisen, dass er aus römisch XXXX stamme.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (III.).Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (römisch III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei muslimisch. Er habe in XXXX , XXXX , gelebt. Er leide an keiner lebensbedrohlichen Krankheit. Begründend wurde ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei muslimisch. Er habe in römisch XXXX , römisch XXXX , gelebt. Er leide an keiner lebensbedrohlichen Krankheit.

Es werde festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer im wehrdienstfähigen und wehrdienstpflichtigen Alter befinde. Es sei ihm jedoch möglich, sich vom Militärdienst und Reservemilitärdienst durch die Bezahlung einer Gebühr offiziell befreien zu lassen. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr für den Militärdienst einberufen oder von staatlichen Institutionen inhaftiert werden würde. Es könne unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung festgestellt werden.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in XXXX geboren sei und in XXXX gelebt habe. Er habe 7 Jahre die Schule in Syrien besucht und anschließend mit seinem Vater in deren Landwirtschaft bis zu seiner Ausreise gearbeitet. Im September 2017 sei er in die Türkei geflüchtet, wo er sich 4 Jahre illegal aufgehalten habe, ehe er weiterreiste, um nach Österreich zu gelangen. Der Beschwerdeführer fürchte bei seiner Rückkehr nach Syrien aufgrund einer Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime getötet zu werden bzw. jemand anderen töten zu müssen. Zudem fürchte er aufgrund seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung in Österreich und seiner (zumindest unterstellten) oppositionellen Einstellung asylrelevante Verfolgung.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides wurde durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in römisch XXXX geboren sei und in römisch XXXX gelebt habe. Er habe 7 Jahre die Schule in Syrien besucht und anschließend mit seinem Vater in deren Landwirtschaft bis zu seiner Ausreise gearbeitet. Im September 2017 sei er in die Türkei geflüchtet, wo er sich 4 Jahre illegal aufgehalten habe, ehe er weiterreiste, um nach Österreich zu gelangen. Der Beschwerdeführer fürchte bei seiner Rückkehr nach Syrien aufgrund einer Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime getötet zu werden bzw. jemand anderen töten zu müssen. Zudem fürchte er aufgrund seiner illegalen Ausreise, seiner Asylantragstellung in Österreich und seiner (zumindest unterstellten) oppositionellen Einstellung asylrelevante Verfolgung.

In Syrien bestehe ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer war zum Ausreisezeitpunkt im Alter von 23 Jahren sohin wehrdienstpflichtig. Bis zur Ausreise im September 2017 habe sich der Beschwerdeführer versteckt gehalten. Überdies sei zu jenem Zeitpunkt sein Heimatort unter Kontrolle der FSA gestanden. Verwiesen werde darauf, dass 2011 bis 2017 XXXX unter Kontrolle der Freien Syrischen Armee gewesen sei, folglich keine Rekrutierungen durch die syrische Armee stattgefunden hätten. Als das syrische Regime 2017 jedoch die Kontrolle über XXXX zurückerlangt habe, habe der Beschwerdeführer prompt das Land verlassen.In Syrien bestehe ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Der Beschwerdeführer war zum Ausreisezeitpunkt im Alter von 23 Jahren sohin wehrdienstpflichtig. Bis zur Ausreise im September 2017 habe sich der Beschwerdeführer versteckt gehalten. Überdies sei zu jenem Zeitpunkt sein Heimatort unter Kontrolle der FSA gestanden. Verwiesen werde darauf, dass 2011 bis 2017 römisch XXXX unter Kontrolle der Freien Syrischen Armee gewesen sei, folglich keine Rekrutierungen durch die syrische Armee stattgefunden hätten. Als das syrische Regime 2017 jedoch die Kontrolle über römisch XXXX zurückerlangt habe, habe der Beschwerdeführer prompt das Land verlassen.

Am 03.04.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Rechtssache im Beisein des Beschwerdeführers und seiner Vertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Anlässlich der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er in XXXX geboren und aufgewachsen sei und dort immer gelebt habe. Auf die Frage, warum im Personalausweis dann XXXX als Geburtsort angegeben sei, gab der Beschwerdeführer an, da die Vorfahren von dort stammen würden, würden die Dokumente dort ausgestellt. Bis 2017 habe er in XXXX gelebt und sei dann in die Türkei gereist. Die Ausreise sei im September 2017 gewesen, weil das syrische Regime XXXX eingenommen habe. Auf Vorhalt, XXXX sei schon im Juni 2017 von der syrischen Armee erobert worden, gab der Beschwerdeführer an, er sei zunächst nach XXXX zu seiner Schwester geflohen und von dort in die Türkei. Am 03.04.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Rechtssache im Beisein des Beschwerdeführers und seiner Vertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nahm an der Verhandlung nicht teil. Anlässlich der Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er in römisch XXXX geboren und aufgewachsen sei und dort immer gelebt habe. Auf die Frage, warum im Personalausweis dann römisch XXXX als Geburtsort angegeben sei, gab der Beschwerdeführer an, da die Vorfahren von dort stammen würden, würden die Dokumente dort ausgestellt. Bis 2017 habe er in römisch XXXX gelebt und sei dann in die Türkei gereist. Die Ausreise sei im September 2017 gewesen, weil das syrische Regime römisch XXXX eingenommen habe. Auf Vorhalt, römisch XXXX sei schon im Juni 2017 von der syrischen Armee erobert worden, gab der Beschwerdeführer an, er sei zunächst nach römisch XXXX zu seiner Schwester geflohen und von dort in die Türkei.

Auf die Frage, warum der Beschwerdeführer nicht in XXXX im Kurdengebiet geblieben sei, gab er an, er habe nicht die ganze Zeit bei seiner Schwester bleiben können, er hätte dort nichts gehabt und auch keine Unterkunft. Auf die Frage, warum der Beschwerdeführer nicht in römisch XXXX im Kurdengebiet geblieben sei, gab er an, er habe nicht die ganze Zeit bei seiner Schwester bleiben können, er hätte dort nichts gehabt und auch keine Unterkunft.

Auf den Vorhalt, ob es nicht sein könne, dass der Beschwerdeführer in XXXX geboren sei und dort gelebt habe und dass er hier im Verfahren sage, dass er aus dem syrischen Hoheitsgebiet komme, um einen Fluchtgrund zu haben, gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe immer in XXXX gelebt und sei dort geboren; sie hätten dort Grundstücke und das Elternhaus sei dort. Er könne es sich nur so erklären, weil der Ausweis in XXXX ausgestellt worden sei, dass diese Ortschaft auch als Geburtsort angegeben sei.Auf den Vorhalt, ob es nicht sein könne, dass der Beschwerdeführer in römisch XXXX geboren sei und dort gelebt habe und dass er hier im Verfahren sage, dass er aus dem syrischen Hoheitsgebiet komme, um einen Fluchtgrund zu haben, gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe immer in römisch XXXX gelebt und sei dort geboren; sie hätten dort Grundstücke und das Elternhaus sei dort. Er könne es sich nur so erklären, weil der Ausweis in römisch XXXX ausgestellt worden sei, dass diese Ortschaft auch als Geburtsort angegeben sei.

Auf die Frage, warum der Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit des Freikaufs vom Militärdienst in Anspruch nehme, gab er an, er möchte kein Geld an das syrische Regime zahlen, damit dieses die Bevölkerung töte. Auf die Frage seiner Rechtsvertretung, ob er hinreichend Vermögen habe, um sich freizukaufen, gab der Beschwerdeführer an, ja er habe Geld, aber möchte niemanden zahlen, der seine Landsleute töte.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien sowie Angehöriger der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis (Sunnit) und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist ledig und kinderlos. Zwei Brüder und zwei Schwestern leben unbehelligt in XXXX , eine verheiratete Schwester mit ihrem Ehemann unbehelligt in XXXX .Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien sowie Angehöriger der arabischen Volksgruppe mit moslemischem Religionsbekenntnis (Sunnit) und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist ledig und kinderlos. Zwei Brüder und zwei Schwestern leben unbehelligt in römisch XXXX , eine verheiratete Schwester mit ihrem Ehemann unbehelligt in römisch XXXX .

Der Beschwerdeführer behauptet aus XXXX zu stammen, das unter Kontrolle des syrischen Regimes steht. XXXX wurde am 03.06.2017 von der syrischen Armee erobert.
Der Beschwerdeführer behauptet aus römisch XXXX zu stammen, das unter Kontrolle des syrischen Regimes steht. römisch XXXX wurde am 03.06.2017 von der syrischen Armee erobert.

Der Beschwerdeführer verließ laut seinen Angaben Syrien im September 2017. Seither hielt er sich nicht mehr in Syrien auf. Er war in Syrien in der Vergangenheit keiner individuellen Bedrohung bzw. Verfolgung ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer hatte im Vorfeld seiner Ausreise keine Kontakte zum syrischen Regime.

Der Beschwerdeführer hat den Grundwehrdienst in der syrischen Armee nicht abgeleistet. Es liegt keine aktuelle Einberufung des Beschwerdeführers zu den syrischen Streitkräften vor. Der Beschwerdeführer hat nicht behauptet, dass er den syrischen Militärdienst verweigern würde. Der Beschwerdeführer weist keine glaubhaft verinnerlichte politische Überzeugung gegen die syrische Regierung oder gegen den Dienst an der Waffe an sich auf.

Ihm droht bei einer Rückkehr insbesondere keine Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer Desertation bzw. Wehrdienstverweigerung oder einer (ihm seitens des syrischen Regimes unterstellten) oppositionellen Gesinnung. Im Fall seiner Rückkehr nach Syrien ist der Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt, aus den genannten Gründen von der syrischen Regierung mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Der Beschwerdeführer war in Syrien nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung geraten. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet.

Auch aufgrund seiner Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich droht dem Beschwerdeführer nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer Inhaftierung und Folter aufgrund der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung.

Auch sonst ist der Beschwerdeführer nicht der Gefahr ausgesetzt, aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Syrien mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Der Beschwerdeführer ist 30 Jahre alt und hat den Wehrdienst für das syrische Regime noch nicht abgeleistet. Er hat bislang kein Militärbuch erhalten und wurde keiner Musterung unterzogen. Die Wehrdienstverweigerung stellt nicht das einzige Mittel dar, mit dem der Beschwerdeführer einer Ableistung des Wehrdienstes und der damit allenfalls verbundenen Beteiligung an Kriegsverbrechen entgehen kann.

Das syrische Gesetz sieht für männliche syrische Staatsbürger, die - wie der Beschwerdeführer - im Ausland niedergelassen sind, die Möglichkeit vor, sich durch die Zahlung einer Gebühr dauerhaft von der Wehrpflicht zu befreien.

Der Beschwerdeführer besitzt laut seinen Angaben ausreichende finanzielle Mittel, um die Wehrersatzgebühr zu leisten. Ihm steht die Möglichkeit offen, das diesbezügliche Verfahren entweder selbst über eine syrische Botschaft in Europa abzuwickeln oder im Wege eines Stellvertreters in Syrien erledigen zu lassen. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines syrischen Personalausweises. Ihm ist es darüber hinaus möglich, über eine syrische Vertretungsbehörde einen syrischen Reisepass zu erlangen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die syrischen Behörden Personen, die sich vom Wehrdienst freigekauft haben (selbst wenn dies nicht zeitnah nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters erfolgte), eine oppositionelle Gesinnung unterstellen oder diese trotz der entrichteten Wehrersatzgebühr systematisch bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit dennoch zum Wehrdienst einziehen. Es liegen auch keine Anhaltspunkte vor, dass dies im Fall des Beschwerdeführers erfolgen würde.

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass ihm die Leistung einer Wehrersatzgebühr möglich ist; er lehnt dies jedoch ab, weil er keinen finanziellen Beitrag zur Unterstützung des syrischen Militärs und der von diesem begangenen Verbrechen gegen Zivilisten leisten möchte.

Zur Lage im Herkunftsstaat:

Auszug aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 9, 17.07.2023:

Politische Lage

Letzte Änderung: 10.07.2023

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023).

Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).

Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).

Sicherheitslage

Letzte Änderung: 11.07.2023

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach eine politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 70 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 29.3.2023). Die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) veröffentlichte eine Karte mit Stand Dezember 2022, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind. Es gibt Gebiete, in denen mehr als Akteur präsent ist (UNCOI 1.2023)

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023).

Die CoI stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den Vereinten Nationen benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Mitte des Jahres 2016 hatte die syrische Regierung nur ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der 'wichtigsten' Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt, kontrolliert (Reuters 13.4.2016). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht ausgerüstet und können gerade abseits der großen Konfliktschauplätze nur begrenzt militärische Kontrolle ausüben (AA 29.3.2023).

Das Regime, Pro-Regime-Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defense Forces - NDF), bewaffnete Oppositionsgruppen, die von der Türkei unterstützt werden, die Syrian Democratic Forces (SDF), extremistische Gruppen wie Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) und IS (Islamischer Staat), ausländische Terrorgruppen wie Hizbollah sowie Russland, Türkei und Iran sind während des Jahres im Land in den bewaffneten Konflikt involviert (USDOS 20.3.2023) [Anm.: zu israelischen und amerikanischen Militäraktionen siehe u.a. Unterkapitel Gouvernement Deir ez-Zor / Syrisch-Irakisches Grenzgebiet und Unterkapitel Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien]. Es kann laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts im gesamten Land jederzeit zu militärischer Gewalt kommen. Gefahr kann dabei einerseits von Kräften des Regimes gemeinsam mit seinen Verbündeten Russland und Iran ausgehen, welches unverändert das gesamte Staatsgebiet militärisch zurückerobern will und als Feinde betrachtete „terroristische“ Kräfte bekämpft. Das Regime ist trotz begrenzter Kapazitäten grundsätzlich zu Luftangriffen im gesamten Land fähig, mit Ausnahme von Gebieten unter türkischer oder kurdischer Kontrolle sowie in der von den USA kontrollierten Zone rund um das Vertriebenenlager Rukban an der syrisch-jordanischen Grenze. Nichtsdestotrotz basiert seine militärische Durchsetzungsfähigkeit fast ausschließlich auf der massiven militärischen Unterstützung durch die russische Luftwaffe und Einheiten Irans, bzw. durch seitens Irans unterstützte Milizen, einschließlich Hizbollah. Wenngleich offene Quellen seit August 2022 den Abzug militärischer Infrastruktur (insb. Luftabwehrsystem S-300) vermelden, lassen sich Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine auf die russische Einsatzfähigkeit in Syrien bislang nicht substantiieren. Die Menschenrechtsorganisation Syrians for Truth and Justice (STJ) behauptet, dass Russland syrische Söldner u.a. aus den Streitkräften für den Kampfeinsatz in der Ukraine abwirbt. Unter Bezug auf syrische Militärangehörige sowie Familien der Söldner spricht STJ von 300 syrischen Kämpfern, die im Zeitraum Juni bis September 2022 nach Russland oder Ukraine verlegt worden seien. Mehrere von ihnen seien laut einer unbestätigten Mitteilung der rekrutierenden al-Sayyad Company for Guarding and Protection Services, welche der russischen Wagner-Gruppe zugeschrieben wird, gefallen (AA 29.3.2023). Russland hatte noch z.B. im Oktober 2022 seine Luftangriffe in der Provinz Idlib verstärkt (ICG 10.2022).

Auch wenn die militärische Rückeroberung des gesamten Staatsgebietes erklärtes Ziel des Regimes bleibt, zeichnet sich eine Rückeroberung weiterer Landesteile durch das Regime derzeit nicht ab. Im Nordwesten des Landes werden Teile der Gouvernements Lattakia, Idlib und Aleppo durch die von den Vereinten Nationen als Terrororganisation eingestufte Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) sowie Türkei-nahe bewaffnete Gruppierungen kontrolliert. Die Gebiete im Norden und Nordosten entlang der Grenze zur Türkei stehen in Teilen unter Kontrolle der Türkei und der ihr nahestehenden bewaffneten Gruppierungen und in Teilen unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) und in einigen Fällen auch des syrischen Regimes (AA 29.11.2021).

Im Jahr 2022 hielten die Kämpfe im nördlichen Syrien mit Beteiligten wie den Regimetruppen, den SDF, HTS sowie türkischen Streitkräften und ihren Verbündeten an (FH 9.3.2023). Türkische Militäroperationen gegen die Arbeiterpartei Kurdistan (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) umfassen gelegentliche Gefechte an der syrisch-türkischen Grenze (ICG 2.2022). Am Vorabend des 20.11.2022 begann die türkische Luftwaffe eine Offensive in Nordsyrien unter dem Namen 'Operation Claw-Sword', die nach türkischen Angaben auf Stellungen der Syrischen Demokratischen Kräfte und der syrischen Streitkräfte abzielte, aber auch ein Behandlungszentrum für Covid-19, eine Schule, Getreidesilos, Kraftwerke, Tankstellen, Ölfelder und eine häufig von Zivilisten und Hilfsorganisationen genutzte Straße traf (HRW 7.12.2022). Die Türkei führte seit 2016 bereits eine Reihe von Offensiven im benachbarten Syrien durch (France 24 20.11.2022). Bei früheren Einmärschen kam es zu Menschenrechtsverletzungen (HRW 7.12.2022). Die türkischen Militäroperationen trieben Tausende Menschen in die Flucht und stellten 'eine ernste Bedrohung für ZivilistInnen' in den betroffenen Gebieten dar. Kämpfe zwischen den pro-türkischen Gruppen ermöglichten Vorstöße der HTS (FH 9.3.2023). Im Nordwesten Syriens führte im Oktober 2022 das Vordringen der HTS in Gebiete, die unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten Gruppen standen, zu tödlichen Zusammenstößen (ICG 10.2022).

Im Gouvernement Dara'a kam es 2022 weiterhin zu Gewalt zwischen Regimekräften und lokalen Aufständischen trotz eines nominellen Siegs der Regierung im Jahr 2018 und eines von Russland vermittelten 'Versöhnungsabkommens'. Eine allgemeine Verschlechterung von Recht und Ordnung trägt in der Provinz auch zu gewalttätiger Kriminalität bei (FH 9.3.2023).

Das syrische Regime, und damit die militärische Führung, unterscheiden nicht zwischen Zivilbevölkerung und „rein militärischen Zielen“ (BMLV 12.10.2022). Human Rights Watch kategorisiert einige Angriffe des syrisch-russischen Bündnisses als Kriegsverbrechen, die auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen könnten. In Idlib mit seinen über drei Millionen Zivilbevölkerung kommt es trotz eines wackeligen Waffenstillstandes demnach weiterhin zu verbotenen Angriffen durch das Bündnis. Auch die von den USA angeführte Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) verletzte internationales Recht durch unterschiedslose Luftschläge in Nordostsyrien, welche zivile Todesopfer und Zerstörung verursachten (HRW 13.1.2022).

Seit Beginn 2023 wurden mit Stand 1.5.2023 auch 258 ZivilistInnen durch andere Akteure (als dem Regime) getötet, somit 75 Prozent aller zivilen Toten in diesem Jahr. Viele von ihnen wurden beim Trüffelsuchen getötet, und dazu kommen auch Todesfälle durch Landminen. Außerdem bietet die Unsicherheit in vielen Gebieten ein passendes Umfeld für Schießereien durch nicht-identifzierte Akteure (SNHR 1.5.2023).

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Letzte Änderung: 13.07.2023

Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 % (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 % des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022). Im November 2022 kontrolliert die Regierung die meisten größeren Städte des Landes, darunter die Großstädte Damaskus, Aleppo, Homs und Hama (CRS 8.11.2022; vgl EUAA 9.2022). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) (Anm.: siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage). Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 % (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 % des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022). Im November 2022 kontrolliert die Regierung die meisten größeren Städte des Landes, darunter die Großstädte Damaskus, Aleppo, Homs und Hama (CRS 8.11.2022; vergleiche EUAA 9.2022). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) Anmerkung, siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage).

Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Auch innerhalb einzelner Regionen unterscheidet sich die Lage von Ort zu Ort und von Betroffenen zu Betroffenen. Somit ist eine pauschale Lagebeurteilung nicht möglich (AA 29.3.2023).

Die Sicherheitslage zwischen militärischen Entwicklungen und Menschenrechtslage

Ungeachtet der obigen Ausführungen bleibt Syrien bis hin zur subregionalen Ebene territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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