Entscheidungsdatum
21.05.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W166 2282744-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2023, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.02.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.11.2023, Zl. römisch XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.02.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein damals minderjähriger syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 13.11.2022 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch an, dass er syrischer Staatsangehöriger und Muslim sei. Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Araber an, seine Muttersprache sei Arabisch, er stamme aus XXXX im Gouvernement Al Hasaka und sei ledig. In Syrien habe der Beschwerdeführer neun Jahre die Schule besucht. Seinen Wohnort habe er im Jahr 2022 verlassen und sei zu Fuß in die Türkei geflüchtet. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen.Bei seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch an, dass er syrischer Staatsangehöriger und Muslim sei. Der Beschwerdeführer gehöre der Volksgruppe der Araber an, seine Muttersprache sei Arabisch, er stamme aus römisch XXXX im Gouvernement Al Hasaka und sei ledig. In Syrien habe der Beschwerdeführer neun Jahre die Schule besucht. Seinen Wohnort habe er im Jahr 2022 verlassen und sei zu Fuß in die Türkei geflüchtet. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen.
Am 16.10.2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion Wien, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, seiner gesetzlichen Vertretung, dem Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, sowie einer Vertrauensperson einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, am XXXX im Dorf XXXX im Gouvernement Al Hasaka geboren und aufgewachsen zu sein. Er sei sunnitischer Muslim und gehöre der Volksgruppe der Araber an. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Seine Mutter, sein Vater sowie seine vier Brüder lebten in Syrien. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer wiederholt an, er habe Syrien verlassen, da dort Krieg herrsche. Weiters führe die FSA, der IS, und die Kurden Zwangsrekrutierungen durch. An der Seite der genannten Gruppierungen sowie dem syrischen Regime wolle er nicht kämpfen, da er weder töten noch getötet werden wolle. Weiters sei sein Zwillingsbruder im März oder April 2021 bei einem Checkpoint angehalten und von den Kurden zwangsrekrutiert worden. Die Bemühungen der Familie, nachzuweisen, dass dieser noch minderjährig sei, hätten nicht überzeugen können, sodass er eine viermonatige Trainingseinheit absolviert, daraufhin zehn Tage Urlaub erhalten und diesen zuhause verbracht habe. Anschließend sei dem Bruder des Beschwerdeführers eine Falle gestellt worden, da ihm im Rahmen des Telefonats von den kurdischen Kräften gesagt worden sei, dass er das Geld für die vier Monate erhalten werde. Jedoch sei der Zwillingsbruder von den Kurden gefangen genommen und in den Bezirk Al Korean gebracht worden, wo in weiterer Folge Krieg zwischen dem IS und den Kurden ausgebrochen sei. Danach sei er wieder nach Hause geschickt worden und verstecke sich seither im Dorf XXXX . Weiters gebe es Angriffe ausgehend von den Türken und er mache sich Sorgen um seine Familie. Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der Beschwerdeführer an, er fürchte eine Zwangsrekrutierung durch die Kurden sowie dem syrischen Militär.Am 16.10.2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion Wien, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, seiner gesetzlichen Vertretung, dem Magistrat der Stadt Wien, Kinder- und Jugendhilfe, sowie einer Vertrauensperson einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, am römisch XXXX im Dorf römisch XXXX im Gouvernement Al Hasaka geboren und aufgewachsen zu sein. Er sei sunnitischer Muslim und gehöre der Volksgruppe der Araber an. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Seine Mutter, sein Vater sowie seine vier Brüder lebten in Syrien. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer wiederholt an, er habe Syrien verlassen, da dort Krieg herrsche. Weiters führe die FSA, der IS, und die Kurden Zwangsrekrutierungen durch. An der Seite der genannten Gruppierungen sowie dem syrischen Regime wolle er nicht kämpfen, da er weder töten noch getötet werden wolle. Weiters sei sein Zwillingsbruder im März oder April 2021 bei einem Checkpoint angehalten und von den Kurden zwangsrekrutiert worden. Die Bemühungen der Familie, nachzuweisen, dass dieser noch minderjährig sei, hätten nicht überzeugen können, sodass er eine viermonatige Trainingseinheit absolviert, daraufhin zehn Tage Urlaub erhalten und diesen zuhause verbracht habe. Anschließend sei dem Bruder des Beschwerdeführers eine Falle gestellt worden, da ihm im Rahmen des Telefonats von den kurdischen Kräften gesagt worden sei, dass er das Geld für die vier Monate erhalten werde. Jedoch sei der Zwillingsbruder von den Kurden gefangen genommen und in den Bezirk Al Korean gebracht worden, wo in weiterer Folge Krieg zwischen dem IS und den Kurden ausgebrochen sei. Danach sei er wieder nach Hause geschickt worden und verstecke sich seither im Dorf römisch XXXX . Weiters gebe es Angriffe ausgehend von den Türken und er mache sich Sorgen um seine Familie. Befragt zu seinen Rückkehrbefürchtungen gab der Beschwerdeführer an, er fürchte eine Zwangsrekrutierung durch die Kurden sowie dem syrischen Militär.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 10.11.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ihm wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der (damals zum Zeitpunkt der Entscheidung) 17-jährige Beschwerdeführer aufgrund seines Alters nicht zum Wehrdienst in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord-und Ostsyrien“ verpflichtet worden sei, da die SDF die Rekrutierung von Minderjährigen verbiete und für Alterskontrollen sorge, weiters sei ein Büro für den Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten eingerichtet worden und die Zahl der Kindersoldaten in diesem Gebiet sei zurückgegangen. Somit sei eine Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers nicht maßgeblich wahrscheinlich. Dies ändere sich mit Erreichen der Volljährigkeit nicht, da sich der Beschwerdeführer im Falle einer Einziehung zur „Selbstverteidigungspflicht“ der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord-und Ostsyrien“ an keine völkerrechtswidrigen Militär- oder Kriegsaktionen beteiligen müsse und ihm bei Entziehung keine unverhältnismäßige Bestrafung, noch die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung drohe. Eine Rekrutierung durch die syrische Armee sei aufgrund der fehlenden Zugriffmöglichkeit auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers zudem nicht maßgeblich wahrscheinlich. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 10.11.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Ihm wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Beweiswürdigend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der (damals zum Zeitpunkt der Entscheidung) 17-jährige Beschwerdeführer aufgrund seines Alters nicht zum Wehrdienst in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord-und Ostsyrien“ verpflichtet worden sei, da die SDF die Rekrutierung von Minderjährigen verbiete und für Alterskontrollen sorge, weiters sei ein Büro für den Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten eingerichtet worden und die Zahl der Kindersoldaten in diesem Gebiet sei zurückgegangen. Somit sei eine Zwangsrekrutierung des Beschwerdeführers nicht maßgeblich wahrscheinlich. Dies ändere sich mit Erreichen der Volljährigkeit nicht, da sich der Beschwerdeführer im Falle einer Einziehung zur „Selbstverteidigungspflicht“ der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord-und Ostsyrien“ an keine völkerrechtswidrigen Militär- oder Kriegsaktionen beteiligen müsse und ihm bei Entziehung keine unverhältnismäßige Bestrafung, noch die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung drohe. Eine Rekrutierung durch die syrische Armee sei aufgrund der fehlenden Zugriffmöglichkeit auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers zudem nicht maßgeblich wahrscheinlich.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder-und Jugendhilfe, diese wiederum vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, mit dem am 10.12.2023 eingelangten Schreiben fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt habe. Weiters drohe dem Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung durch die SDF, da diese Rekrutierungen von Kindern durchführe und der Beschwerdeführer im Falle einer Volljährigkeit den Wehrdienst bei den Kurden sowie dem syrischen Regime ableisten müsse, was dieser verweigere. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers stehe zwar unter Kontrolle der Kurden, jedoch gebe es in Al Hasaka sowie in Qamishli Sicherheitsquadrate der syrischen Regierung, an denen Rekrutierungsbehörden ansässig seien, was die Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee für den Beschwerdeführer erhöhe. Ebenso unterstelle ihm das syrische Regime eine oppositionelle Gesinnung aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung, seiner Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet, seiner Familienangehörigkeit zu einem Wehrdienstverweigerer – seinem Bruder, seinem Aufenthalt in Europa und seiner illegalen Ausreise aus Syrien. Weiters werde ihm als Araber im Kurdengebiet von diesen ebenso eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer, gesetzlich vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Kinder-und Jugendhilfe, diese wiederum vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst, mit dem am 10.12.2023 eingelangten Schreiben fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde die Minderjährigkeit des Beschwerdeführers nicht ausreichend berücksichtigt habe. Weiters drohe dem Beschwerdeführer eine Zwangsrekrutierung durch die SDF, da diese Rekrutierungen von Kindern durchführe und der Beschwerdeführer im Falle einer Volljährigkeit den Wehrdienst bei den Kurden sowie dem syrischen Regime ableisten müsse, was dieser verweigere. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers stehe zwar unter Kontrolle der Kurden, jedoch gebe es in Al Hasaka sowie in Qamishli Sicherheitsquadrate der syrischen Regierung, an denen Rekrutierungsbehörden ansässig seien, was die Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee für den Beschwerdeführer erhöhe. Ebenso unterstelle ihm das syrische Regime eine oppositionelle Gesinnung aufgrund seiner Wehrdienstverweigerung, seiner Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet, seiner Familienangehörigkeit zu einem Wehrdienstverweigerer – seinem Bruder, seinem Aufenthalt in Europa und seiner illegalen Ausreise aus Syrien. Weiters werde ihm als Araber im Kurdengebiet von diesen ebenso eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 14.12.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 20.02.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und ein Dolmetscher für die Sprache Arabisch teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm an der Verhandlung unentschuldigt nicht teil. Eine Rechtvertretung ist nicht erschienen. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestehe, die Verhandlung an einem anderen Tag im Beisein einer Rechtsvertretung der BBU durchzuführen. Der Beschwerdeführer hat aber auf die Beiziehung eines Rechtsvertreters verzichtet und stimmte der Durchführung ohne Rechtsvertretung ausdrücklich zu. Der Beschwerdeführer wurde von der erkennenden Richterin manuduziert, zu seinem Antrag und seiner Beschwerde einvernommen und hatte Gelegenheit, den Sachverhalt umfassend darzulegen.
Mit Parteiengehör vom 18.03.2024 bzw. vom 11.04.2024 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und dem BFA das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 14.03.2024 (Version 10) und das neuerlich aktualisierte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2024 (Version 11) und räumte ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme ein. Die Parteien äußerten sich nicht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer stellte am 13.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Identität steht nicht fest, er führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX als Verfahrensidentität. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch. Er ist ledig und hat keine Kinder. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Identität steht nicht fest, er führt den Namen römisch XXXX und das Geburtsdatum römisch XXXX als Verfahrensidentität. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer besuchte neun Jahre die Schule und hat als Installateur bei seinem Vater in Syrien mitgearbeitet.
Der Beschwerdeführer ist im Dorf XXXX im Gouvernement Al Hasaka geboren sowie aufgewachsen und hat bis zu seiner Ausreise dort gelebt. Er hat sich lediglich mit seiner Familie zu Beginn des Kriegs für vier Monate im Dorf XXXX , welches sich ebenfalls im Gouvernement Al Hasaka befindet, aufgehalten. Die Region rund um das Dorf XXXX befindet sich im Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (AANES), das überwiegend von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF), insbesondere den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) kontrolliert wird. Der Beschwerdeführer ist im Dorf römisch XXXX im Gouvernement Al Hasaka geboren sowie aufgewachsen und hat bis zu seiner Ausreise dort gelebt. Er hat sich lediglich mit seiner Familie zu Beginn des Kriegs für vier Monate im Dorf römisch XXXX , welches sich ebenfalls im Gouvernement Al Hasaka befindet, aufgehalten. Die Region rund um das Dorf römisch XXXX befindet sich im Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (AANES), das überwiegend von den Demokratischen Kräften Syriens (SDF), insbesondere den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) kontrolliert wird.
Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine vier Brüder leben nach wie vor in XXXX . Die Eltern des Beschwerdeführers sowie seine vier Brüder leben nach wie vor in römisch XXXX .
Der Beschwerdeführer steht mit seiner Familie regelmäßig in Kontakt.
Im Jahr 2022 reiste der Beschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen in Österreich ein und stellte am 13.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer muss im Falle einer Rückkehr in sein Heimatdorf nicht damit rechnen zum Militärdienst des syrischen Regimes eingezogen oder aufgrund der Verweigerung des Militärdienstes verfolgt zu werden. Die Heimatregion wird von der SDF/YPG kontrolliert, dem syrischen Regime fehlt es am erforderlichen Einfluss.
Der Beschwerdeführer kann seinen Heimatort XXXX erreichen, ohne einer Gefahr durch das syrische Regime ausgesetzt zu sein, insbesondere über den Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur.Der Beschwerdeführer kann seinen Heimatort römisch XXXX erreichen, ohne einer Gefahr durch das syrische Regime ausgesetzt zu sein, insbesondere über den Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur.
Sollte der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr zum „Selbstverteidigungsdienst“ bei der kurdischen Volksverteidigungseinheit eingezogen werden, wäre er im Falle der Weigerung, dieser „Selbstverteidigungspflicht“ nachzukommen, keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.
Insgesamt ist der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion nach Syrien keiner asylrelevanten Verfolgung durch die kurdischen Streitkräfte ausgesetzt.
Weiters droht dem Beschwerdeführer keine Gefahr einer Verfolgung in Syrien wegen seiner illegalen Ausreise, seinem Aufenthalt in Europa oder seiner Herkunft aus einem oppositionellen Gebiet. Auch das Verwandtschaftsverhältnis zu seinem Bruder führt zu keiner Bedrohungslage für den Beschwerdeführer.
Der Beschwerdeführer hat im Falle einer Rückkehr nach Syrien demnach keine konkrete Gefährdung aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Rasse, Religion, Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter zu befürchten.
1.3. Zur Lage in Syrien:
Im Folgenden werden die entscheidungsrelevanten Informationen aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (Version 11) wiedergegeben:
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024). […]
Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
Letzte Änderung 2024-03-08 11:12
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).
Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021). […]
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2024-03-08 11:17
Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).
Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse
Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).
Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):
UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)
Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)
Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten
Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).
Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).
Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel