Entscheidungsdatum
12.06.2024Norm
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4Spruch
W231 2153494-2/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2024, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.04.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Birgit HAVRANEK über die Beschwerde des römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2024, Zl. römisch XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.04.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist iranischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Perser, am XXXX geboren und stammt aus Isfahan im Iran. Er reiste ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist iranischer Staatsangehöriger, Zugehöriger der Volksgruppe der Perser, am römisch XXXX geboren und stammt aus Isfahan im Iran. Er reiste ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.05.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen der am 12.05.2014 erfolgten Erstbefragung gab der BF im Verfolgung aus religiösen Gründen im Iran an.römisch eins.2. Im Rahmen der am 12.05.2014 erfolgten Erstbefragung gab der BF im Verfolgung aus religiösen Gründen im Iran an.
I.3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 12.01.2017 führte der BF diesen Fluchtgrund näher aus. Er sei Christ.römisch eins.3. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 12.01.2017 führte der BF diesen Fluchtgrund näher aus. Er sei Christ.
I.4. Mit Bescheid vom 21.03.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt II.). Es wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). römisch eins.4. Mit Bescheid vom 21.03.2017 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran nicht zu (Spruchpunkt römisch II.). Es wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 erteilt, sondern gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Iran gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch IV.).
I.5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, in der insbesondere auf den Religionswechsel des BF hingewiesen wurde.römisch eins.5. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, in der insbesondere auf den Religionswechsel des BF hingewiesen wurde.
I.6. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.02.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und erkannte dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten wegen seiner Konversion zum Christentum zu (Erkenntnis vom 15.02.2019, L 512 2153494-1).römisch eins.6. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.02.2019 gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde statt und erkannte dem BF gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten wegen seiner Konversion zum Christentum zu (Erkenntnis vom 15.02.2019, L 512 2153494-1).
I.7. Am 26.08.2022 leitete das BFA von Amts wegen das Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus des BF ein.römisch eins.7. Am 26.08.2022 leitete das BFA von Amts wegen das Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus des BF ein.
I.8. Der BF wurde in der Folge straffällig: Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18.01.2023, 44 HV 143/22b wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG schuldig erkannt und hiefür nach § 28 Abs. 4 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren und 6 (sechs) Monaten verurteilt.römisch eins.8. Der BF wurde in der Folge straffällig: Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18.01.2023, 44 HV 143/22b wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach Paragraph 28 a, Absatz eins, fünfter Fall, Absatz 4, Ziffer 3, SMG schuldig erkannt und hiefür nach Paragraph 28, Absatz 4, StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren und 6 (sechs) Monaten verurteilt.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Erkenntnis vom 11.07.2023, Zl. 20 BS 165/23w nicht Folge gegeben; das Urteil wurde am 11.07.2023 rechtskräftig.
I.9. Bei der Einvernahme durch das BFA am 21.09.2023 wurde der BF von seinem Asylaberkennungsverfahren in Kenntnis gesetzt.römisch eins.9. Bei der Einvernahme durch das BFA am 21.09.2023 wurde der BF von seinem Asylaberkennungsverfahren in Kenntnis gesetzt.
I.10. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA wurde der dem BF mit Erkenntnis vom 15.02.2019, L 512 2153494-1, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.).römisch eins.10. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA wurde der dem BF mit Erkenntnis vom 15.02.2019, L 512 2153494-1, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 aberkannt und gemäß Paragraph 7, Absatz 4, AsylG 2005 festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.).
Begründend führte die Behörde aus, dass aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des BF wegen Suchtgifthandel der BF eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle und der Asylstatus gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 zu entziehen sei. Es liege auch ein besonders schweres Verbrechen iSd § 6 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 vor. Der BF wäre zwar aufgrund seiner Konvertierung zum Christentum bei einer Rückkehr in sein Heimatland gefährdet, aber der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei ihm gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuzuerkennen, da der BF ein besonders schweres Verbrechen (Drogenhandel) verübt habe und deswegen verurteil worden sei. Gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 sei auszusprechen gewesen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 unzulässig sei; der Aufenthalt des BF sei gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG geduldet.Begründend führte die Behörde aus, dass aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des BF wegen Suchtgifthandel der BF eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle und der Asylstatus gemäß Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 4, AsylG 2005 zu entziehen sei. Es liege auch ein besonders schweres Verbrechen iSd Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 vor. Der BF wäre zwar aufgrund seiner Konvertierung zum Christentum bei einer Rückkehr in sein Heimatland gefährdet, aber der Status des subsidiär Schutzberechtigten sei ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 nicht zuzuerkennen, da der BF ein besonders schweres Verbrechen (Drogenhandel) verübt habe und deswegen verurteil worden sei. Gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, AsylG 2005 sei auszusprechen gewesen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran gemäß Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, AsylG 2005 unzulässig sei; der Aufenthalt des BF sei gemäß Paragraph 46, Absatz eins, Ziffer 2, FPG geduldet.
I.11. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte darin aus, dass die Behörde keine gesetzmäßige Gefährdungsprognose durchgeführt hätte, sie habe keine objektive und rechtmäßige Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des BF vorgenommen. Dem BF hätte der Status des Asylberechtigten nicht aberkannt werden dürfen, da ihm keine Gemeingefährlichkeit zuzusprechen sei; er sei seit einem Jahr „clean“ und sich seines Fehlverhaltens bewusst. Dem BF hätte zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden müssen.römisch eins.11. Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde und führte darin aus, dass die Behörde keine gesetzmäßige Gefährdungsprognose durchgeführt hätte, sie habe keine objektive und rechtmäßige Beurteilung des Persönlichkeitsbildes des BF vorgenommen. Dem BF hätte der Status des Asylberechtigten nicht aberkannt werden dürfen, da ihm keine Gemeingefährlichkeit zuzusprechen sei; er sei seit einem Jahr „clean“ und sich seines Fehlverhaltens bewusst. Dem BF hätte zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten erteilt werden müssen.
I.12. Am 19.03.2024 brachte der BF eine Stellungnahme ein, in welcher er im Wesentlichen angab, seine Taten zu bereuen und seit Jänner 2024 in der JA im Textilbereich zu arbeiten; er wünsche sich eine zweite Chance. Aufgrund seiner Haftsituation sei es ihm nicht möglich, Bestätigungen bezüglich seines Glaubens einzuholen, der BF verweise auf die diesbezüglich bereits im Asylverfahren vorgelegten Unterlagen.römisch eins.12. Am 19.03.2024 brachte der BF eine Stellungnahme ein, in welcher er im Wesentlichen angab, seine Taten zu bereuen und seit Jänner 2024 in der JA im Textilbereich zu arbeiten; er wünsche sich eine zweite Chance. Aufgrund seiner Haftsituation sei es ihm nicht möglich, Bestätigungen bezüglich seines Glaubens einzuholen, der BF verweise auf die diesbezüglich bereits im Asylverfahren vorgelegten Unterlagen.
I.13. Am 07.03.2024 langten Stellungnahmen des katholischen Seelsorgers und des Pastors der Freien Christengemeinde ein, die beide die christliche Glaubensüberzeugung des BF bestätigen.römisch eins.13. Am 07.03.2024 langten Stellungnahmen des katholischen Seelsorgers und des Pastors der Freien Christengemeinde ein, die beide die christliche Glaubensüberzeugung des BF bestätigen.
I.14. Am 15.04.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der der BF und seine Vertretung teilnahmen.römisch eins.14. Am 15.04.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, an der der BF und seine Vertretung teilnahmen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:römisch II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF:römisch II.1.1. Zur Person des BF:
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Isfahan, Iran geboren. Er besitzt die iranische Staatsangehörigkeit und gehört der Volksgruppe der Perser an.Der Beschwerdeführer wurde am römisch XXXX in Isfahan, Iran geboren. Er besitzt die iranische Staatsangehörigkeit und gehört der Volksgruppe der Perser an.
Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Seine Muttersprache ist Farsi, er spricht zudem Deutsch.
Der BF wuchs in der Provinz Isfahan auf, hat im Iran mehrere Jahre die Schule und die Universität besucht. Im Iran arbeitete er zuletzt als Verkäufer. Der BF hat den Iran legal verlassen.
Zu seiner Familie zählen jedenfalls seine Eltern und seine zwei Brüder. Seine Mutter und ein Bruder leben in Iran, sein Vater ist im Jahr 2022 verstorben. Seine Mutter bezieht Witwenpension und sein Bruder ist selbständig. Der BF hat Kontakt zu seiner Familie.
II.1.2. Zum Leben des BF in Österreich und zu der Verurteilung des BF:römisch II.1.2. Zum Leben des BF in Österreich und zu der Verurteilung des BF:
Der BF ist seit 10.05.2014 im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Er schloss sich in Österreich einer Kirche an, wurde am 11.01.2015 getauft und eignete sich einigermaßen fundiertes Wissen über die christliche Kirche an. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.02.2019, L 512 2153494-1 wurde ihm der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Der BF wurde in Österreich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18.01.2023, 44 HV 143/22b wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall, Abs. 4 Z 3 SMG schuldig erkannt und hiefür nach § 28a Abs. 4 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren und 6 (sechs) Monaten rechtskräftig verurteilt. Mildernd wertete das Erstgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und das „teilweise reumütige Geständnis“, erschwerend der lange Tatzeitraum zu werten.Der BF wurde in Österreich mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18.01.2023, 44 HV 143/22b wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach Paragraph 28 a, Absatz eins, fünfter Fall, Absatz 4, Ziffer 3, SMG schuldig erkannt und hiefür nach Paragraph 28 a, Absatz 4, StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 4 (vier) Jahren und 6 (sechs) Monaten rechtskräftig verurteilt. Mildernd wertete das Erstgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und das „teilweise reumütige Geständnis“, erschwerend der lange Tatzeitraum zu werten.
Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF in im Urteil näher zu bezeichneten Tatzeiträumen in den Jahren 2021 bis 2022 mehreren Personen (vier namentlich genannten und weiteren unbekannten Abnehmern) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin und Crystal Meth gewinnbringend überließ, wobei er die Straftat in Bezug auf das Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge beging.Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF in im Urteil näher zu bezeichneten Tatzeiträumen in den Jahren 2021 bis 2022 mehreren Personen (vier namentlich genannten und weiteren unbekannten Abnehmern) vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin und Crystal Meth gewinnbringend überließ, wobei er die Straftat in Bezug auf das Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (Paragraph 28 b, SMG) übersteigenden Menge beging.
Der dagegen erhobenen Berufung gab das OLG Wien keine Folge. Hervorzustreichen ist, dass das OLG fallbezogen zu dem Schluss kam, dass das Erstgericht dem „teilweise reumütige Geständnis“ ein zu großes Gewicht eingeräumt habe. Dabei betonte das OLG, dass der BF im Verfahren seine eigene Rolle möglichst gering darstellen wollte, er sämtliche Vorwürfe bis zur empfundenen Überfügung durch das Gericht leugnete und sämtliche Suchtgiftmengen kleinredete. Das OLG kam zu dem Schluss, dass dieser Milderungsgrund beim BF nur „marginale Wirkung“ haben könne (AS 174).
Zudem führte das OLG aus, dass beim BF der Milderungsgrund des bisherigen ordentlichen Lebenswandels nur „eingeschränkt angenommen“ werden könne. Dabei betonte das OLG, dass dieser Milderungsgrund nur demjenigen zugutekommen sollte, der einen bisher ordentlichen Lebenswandel geführt hat. Das sei beim BF aber nicht der Fall gewesen, zumal der BF selbst Drogen konsumiert habe, er trotz langjährigen Aufenthalts in Österreich und eines hohen Bildungsabschlusses in Österreich keiner legalen Beschäftigung nachging, sondern von Sozialleistungen lebte. Ein straffreies Leben alleine sei noch kein Wohlverhalten.
Das OLG bestätigte den Erschwerungsgrund des langen Tatzeitraumes mit Blick auf das strafbare Verhalten des BF von Juni 2021 bis August 2022, und auch deswegen, weil dem strafbaren Verhalten nur durch polizeiliche Intervention ein Ende gesetzt wurde.
Schließlich kam das OLG zu dem Schluss, dass die vom BF angestrebte Reduktion der Strafe „außerhalb jeglicher Reichweite“ sei und wies die Berufung ab (AS 177).
Der BF hat seine Strafe angetreten und ist in einer JA in Haft. Das errechnete Strafende ist der 19.03.2027.
Der BF hat aus der Haft wegen seines Drogenkonsums für eine Therapie beworben, aber noch keinen Therapieplatz zugeteilt erhalten.
Er arbeitet in der Haft, im Textilbereich. Er verneint, noch Drogen zu nehmen. Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Außerdem wurde der BF seit seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet wegen der Begehung von 14 Verwaltungsdelikten verurteilt.
Das schwerwiegende Fehlverhalten des BF und des sich daraus ableitbaren Persönlichkeitsbildes lässt auf eine sozialschädliche Neigung zur Missachtung der österreichischen Rechtsvorschriften schließen.
Der BF ist aufgrund der Schwere seiner Straftat und seines Persönlichkeitsbildes als Gefahr für die Gemeinschaft einzuschätzen.
Ein weiterer Aufenthalt des BF im österreichischen Bundesgebiet stellt eine erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar.
II.1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:römisch II.1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zum Iran (Version 7, Stand 26.01.2024):
Politische Lage
Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (FAZ 24.3.2023). Sie kombiniert republikanisch-demokratische Elemente mit einem theokratischen System (BS 23.2.2022; vgl. BPB 10.1.2020). Das Kernkonzept der Verfassung ist die „Rechtsgelehrtenherrschaft“ (velayat-e faqih). Nach schiitischem Glauben gibt es einen verborgenen Zwölften Imam, den als Erlöser am Jüngsten Gericht von Gott gesandten Muhammad al-Mahdi (BPB 10.1.2020). Gemäß diesem Prinzip soll ein schiitischer Theologe praktisch in Stellvertretung des seit dem Jahr 874 in Verborgenheit weilenden Mahdi agieren und die Geschicke des Gemeinwesens lenken (BAMF 5.2022). Darauf aufbauend schuf Ajatollah Ruhollah Khomeini 1979 ein auf ihn zugeschnittenes Amt, das über allen gewählten Organen steht, und somit die republikanischen Verfassungselemente des Präsidenten und des Parlaments neutralisiert: das Amt des „Herrschenden Rechtsgelehrten“ (vali-ye faqih), dessen Inhaber auch „Revolutionsführer“ (rahbar) genannt wird. Der Revolutionsführer übt quasi stellvertretend für den Zwölften Imam bis zu dessen Rückkehr die Macht aus (BPB 10.1.2020). Iran ist seit 1979 eine Islamische Republik (FAZ 24.3.2023). Sie kombiniert republikanisch-demokratische Elemente mit einem theokratischen System (BS 23.2.2022; vergleiche BPB 10.1.2020). Das Kernkonzept der Verfassung ist die „Rechtsgelehrtenherrschaft“ (velayat-e faqih). Nach schiitischem Glauben gibt es einen verborgenen Zwölften Imam, den als Erlöser am Jüngsten Gericht von Gott gesandten Muhammad al-Mahdi (BPB 10.1.2020). Gemäß diesem Prinzip soll ein schiitischer Theologe praktisch in Stellvertretung des seit dem Jahr 874 in Verborgenheit weilenden Mahdi agieren und die Geschicke des Gemeinwesens lenken (BAMF 5.2022). Darauf aufbauend schuf Ajatollah Ruhollah Khomeini 1979 ein auf ihn zugeschnittenes Amt, das über allen gewählten Organen steht, und somit die republikanischen Verfassungselemente des Präsidenten und des Parlaments neutralisiert: das Amt des „Herrschenden Rechtsgelehrten“ (vali-ye faqih), dessen Inhaber auch „Revolutionsführer“ (rahbar) genannt wird. Der Revolutionsführer übt quasi stellvertretend für den Zwölften Imam bis zu dessen Rückkehr die Macht aus (BPB 10.1.2020).
Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021; vgl. USDOS 20.3.2023). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 14.9.2021), ist höchste Autorität des Landes, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ernennt den Leiter des Justizwesens sowie des staatlichen Rundfunks und die Mitglieder des Schlichtungsrats (FH 10.3.2023). Ihm unterstehen auch die Islamischen Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inkl. der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. In der Hand religiöser Stiftungen und der „Garden“ liegen mächtige Wirtschaftsunternehmen, die von der infolge der US-Sanktionen wachsenden Schattenwirtschaft profitieren (ÖB Teheran 11.2021). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Die Revolutionsgarden, die direkt Revolutionsführer Khamenei unterstehen, bleiben ein militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor (AA 30.11.2022).Der Revolutionsführer (auch Oberster Führer, Oberster Rechtsgelehrter, religiöser Führer) ist seit 1989 Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche USDOS 20.3.2023). Er wird von einer Klerikerversammlung (Expertenrat) auf Lebenszeit gewählt (AA 14.9.2021), ist höchste Autorität des Landes, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und ernennt den Leiter des Justizwesens sowie des staatlichen Rundfunks und die Mitglieder des Schlichtungsrats (FH 10.3.2023). Ihm unterstehen auch die Islamischen Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inkl. der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen. In der Hand religiöser Stiftungen und der „Garden“ liegen mächtige Wirtschaftsunternehmen, die von der infolge der US-Sanktionen wachsenden Schattenwirtschaft profitieren (ÖB Teheran 11.2021). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Die Revolutionsgarden, die direkt Revolutionsführer Khamenei unterstehen, bleiben ein militärischer, politischer und wirtschaftlicher Machtfaktor (AA 30.11.2022).
Entscheidende Gremien sind der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern. Davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament bestätigt werden müssen (ÖB Teheran 11.2021). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 14.9.2021). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 11.2021; vgl. USDOS 20.3.2023), er sollte die Arbeit des Revolutionsführers kontrollieren. In der Praxis scheint er die Entscheidungen des Revolutionsführers jedoch nicht herauszufordern (FH 10.3.2023). Auch wenn der Expertenrat nominell direkt von der Bevölkerung gewählt wird, hat der Revolutionsführer indirekt Einfluss auf dessen Zusammensetzung, da der Wächterrat, der zur Hälfte vom Revolutionsführer und zur Hälfte vom (durch den Revolutionsführer eingesetzten) Leiter des Justizwesens besetzt wird, die Kandidatenauswahl dafür vornimmt und den Wahlvorgang kontrolliert (USDOS 20.3.2023). Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt unter anderem auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 11.2021). Da der Wächterrat die Kandidaten für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen (Majles oder Islamische Beratende Versammlung) überprüft und regelmäßig eine bedeutsame Anzahl an Kandidaten von der Wahl ausschließt und den Wahlvorgang kontrolliert, übt der Revolutionsführer somit indirekt Einfluss auf die legislativen und exekutiven Institutionen des Landes aus (USDOS 20.3.2023). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2020). Der Präsident ist nach dem Revolutionsführer der zweithöchste Amtsträger im Staat. Er bildet ein Regierungskabinett, das vom Parlament bestätigt werden muss (FH 10.3.2023). Das iranische Regierungssystem ist damit ein semipräsidiales und an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021). Der Präsident ist für das tagespolitische Geschäft zuständig und hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Innenund Außenpolitik des Landes (BBC 8.10.2022). Seine Macht ist allerdings vergleichsweise beschränkt (BBC 8.10.2022; vgl. BPB 10.1.2020). Der religiöse Führer hat das letzte Wort in allen staatlichen Angelegenheiten (DW 16.6.2021). Die Macht des Präsidenten wird auch durch das Parlament eingeschränkt und der Wächterrat muss neuen Gesetzen zustimmen oder kann ein Veto einlegen (BBC 8.10.2022).Entscheidende Gremien sind der vom Volk direkt gewählte Expertenrat mit 86 Mitgliedern sowie der Wächterrat mit zwölf Mitgliedern. Davon sind sechs vom Obersten Führer ernannte Geistliche und sechs von der Judikative bestimmte (klerikale) Juristen, die vom Parlament bestätigt werden müssen (ÖB Teheran 11.2021). Des Weiteren gibt es noch den Schlichtungsrat. Er vermittelt im Gesetzgebungsverfahren und hat darüber hinaus die Aufgabe, auf die Wahrung der „Gesamtinteressen des Systems“ zu achten (AA 14.9.2021). Der Expertenrat ernennt den Obersten Führer und kann diesen (theoretisch) auch absetzen (ÖB Teheran 11.2021; vergleiche USDOS 20.3.2023), er sollte die Arbeit des Revolutionsführers kontrollieren. In der Praxis scheint er die Entscheidungen des Revolutionsführers jedoch nicht herauszufordern (FH 10.3.2023). Auch wenn der Expertenrat nominell direkt von der Bevölkerung gewählt wird, hat der Revolutionsführer indirekt Einfluss auf dessen Zusammensetzung, da der Wächterrat, der zur Hälfte vom Revolutionsführer und zur Hälfte vom (durch den Revolutionsführer eingesetzten) Leiter des Justizwesens besetzt wird, die Kandidatenauswahl dafür vornimmt und den Wahlvorgang kontrolliert (USDOS 20.3.2023). Der Wächterrat hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch wesentlich mächtiger. Ihm obliegt unter anderem auch die Genehmigung von Kandidaten bei allen nationalen Wahlen (ÖB Teheran 11.2021). Da der Wächterrat die Kandidaten für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen (Majles oder Islamische Beratende Versammlung) überprüft und regelmäßig eine bedeutsame Anzahl an Kandidaten von der Wahl ausschließt und den Wahlvorgang kontrolliert, übt der Revolutionsführer somit indirekt Einfluss auf die legislativen und exekutiven Institutionen des Landes aus (USDOS 20.3.2023). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 2020). Der Präsident ist nach dem Revolutionsführer der zweithöchste Amtsträger im Staat. Er bildet ein Regierungskabinett, das vom Parlament bestätigt werden muss (FH 10.3.2023). Das iranische Regierungssystem ist damit ein semipräsidiales und an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (ÖB Teheran 11.2021). Der Präsident ist für das tagespolitische Geschäft zuständig und hat einen bedeutsamen Einfluss auf die Innenund Außenpolitik des Landes (BBC 8.10.2022). Seine Macht ist allerdings vergleichsweise beschränkt (BBC 8.10.2022; vergleiche BPB 10.1.2020). Der religiöse Führer hat das letzte Wort in allen staatlichen Angelegenheiten (DW 16.6.2021). Die Macht des Präsidenten wird auch durch das Parlament eingeschränkt und der Wächterrat muss neuen Gesetzen zustimmen oder kann ein Veto einlegen (BBC 8.10.2022).
Am 18.6.2021 fanden in Iran Präsidentschaftswahlen statt (AA 14.9.2021). Gewonnen hat die Wahl der konservative Hardliner und vormalige Justizchef Ebrahim Raisi mit mehr als 62 % der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei unter 50 % und war somit niedriger als jemals zuvor bei einer Präsidentschaftswahl in der Geschichte der Islamischen Republik. In der Hauptstadt Teheran lag die Wahlbeteiligung bei nur 26 %. Zudem wurden mehr als 3,7 Millionen Stimmzettel für ungültig erklärt (Standard 19.6.2021). Der Wettbewerb um die Wählerstimmen war stark manipuliert. Der Wächterrat hatte im Vorfeld die meisten der 600 Präsidentschaftskandidaten darunter auch 40 Frauen - abgelehnt. Drei der genehmigten Kandidaten zogen ihre Kandidatur wenige Tage vor der Wahl zurück. Die Behörden übten auf die Medien Druck aus, um kritische Berichterstattung über Raisi oder den Wahlvorgang zu verhindern (FH 10.3.2023). In Folge der Präsidentschaftswahlen vom Juni 2021 befindet sich die gesamte Befehlskette in konservativer bzw. erzkonservativer Hand (Oberster Führer, Präsident/Regierungschef, Leiter der religiösen Judikative, Regierung, Parlament, Wächterrat, Expertenrat) (ÖB Teheran 11.2021).
Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 11.2021). Die Bewerber um einen Parlamentssitz erhalten ihre Unterstützung nicht von Parteien, sondern von klerikalen und wirtschaftlichen Interessengruppen. Das Parlament ist die gesetzgebende Institution Irans. Allerdings muss bei Gesetzesvorhaben ihre Vereinbarkeit mit der islamischen Rechtstradition beachtet werden. Gesetzesvorschläge kommen von den Ministern oder den Abgeordneten. Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann vom Wächterrat so lange an das Parlament zurückverwiesen werden, bis es seinen Vorstellungen entspricht (DW 16.6.2021). Bei den Parlamentswahlen vom 21.2.2020 haben (ultra-) konservative Kandidaten knapp 80 % der Sitze im Parlament gewonnen (AA 30.11.2022). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten (FH 10.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6 %, was als die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 10.3.2023; vgl. AA 30.11.2022).Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird das Einkammerparlament, genannt Majles, mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 11.2021). Die Bewerber um einen Parlamentssitz erhalten ihre Unterstützung nicht von Parteien, sondern von klerikalen und wirtschaftlichen Interessengruppen. Das Parlament ist die gesetzgebende Institution Irans. Allerdings muss bei Gesetzesvorhaben ihre Vereinbarkeit mit der islamischen Rechtstradition beachtet werden. Gesetzesvorschläge kommen von den Ministern oder den Abgeordneten. Ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz kann vom Wächterrat so lange an das Parlament zurückverwiesen werden, bis es seinen Vorstellungen entspricht (DW 16.6.2021). Bei den Parlamentswahlen vom 21.2.2020 haben (ultra-) konservative Kandidaten knapp 80 % der Sitze im Parlament gewonnen (AA 30.11.2022). Vor der Abstimmung disqualifizierte der Wächterrat mehr als 9.000 der 16.000 Personen, die sich für eine Kandidatur angemeldet hatten, darunter eine große Anzahl reformistischer und gemäßigter Kandidaten (FH 10.3.2023). Die Wahlbeteiligung lag bei 42,6 %, was als die niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Parlamentswahl in die Geschichte der Islamischen Republik einging (FH 10.3.2023; vergleiche AA 30.11.2022).
Präsident, Parlament und Expertenrat werden also in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 30.11.2022; vgl. FH 10.3.2023, BPB 31.1.2020a). Dennoch kommt es in kaum einem anderen Land des Nahen Ostens zu derart umkämpften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die bestehenden programmatischen Differenzen zwischen prinzipientreuem Klerus und neokonservativen Technokraten, wirtschaftsliberalen Pragmatikern und klerikalen oder gar säkularen Reformern spiegeln einen Pluralismus in Iran wider, der allerdings phasenweise aufs Schärfste bedroht ist (BPB 31.1.2020a).Präsident, Parlament und Expertenrat werden also in geheimen und direkten Wahlen vom Volk gewählt. Den OECD-Standards entspricht das Wahlsystem jedoch schon aus dem Grund nicht, dass sämtliche Kandidaten im Vorfeld durch den vom Revolutionsführer und Justizchef ernannten Wächterrat zugelassen werden müssen (AA 30.11.2022; vergleiche FH 10.3.2023, BPB 31.1.2020a). Dennoch kommt es in kaum einem anderen Land des Nahen Ostens zu derart umkämpften Parlaments- und Präsidentschaftswahlen. Die bestehenden programmatischen Differenzen zwischen prinzipientreuem Klerus und neokonservativen Technokraten, wirtschaftsliberalen Pragmatikern und klerikalen oder gar säkularen Reformern spiegeln einen Pluralismus in Iran wider, der allerdings phasenweise aufs Schärfste bedroht ist (BPB 31.1.2020a).
Das Regime reagierte auch unter der moderaten Regierung von Ex-Präsident Rohani in den letzten Jahren auf die wirtschaftliche Krise und immer wieder hochkommenden Unmut und Demonstrationen mit einem harten Vorgehen gegen Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechtsaktivisten, religiöse und ethnische Minderheiten und Umweltaktivisten. Die Regierung Raisi ist noch dabei, ihre Machtstruktur auf allen Ebenen zu festigen. Sie hat jedoch bereits stärkere Einschränkungen der Meinungsfreiheit im Sinne der „islamischen Gesellschaftsordnung“ (Rolle der Frauen fokussiert auf Gebärfunktion), der Ablehnung „westlicher“ Kultur, der Unterdrückung von Kritik (Internetzensur) und eine stärkere Ausrichtung auf Russland und China und deren politische Modelle angekündigt (ÖB Teheran 11.2021).
Frauen haben das aktive Wahlrecht, werden bei der politischen Teilhabe allerdings mit bedeutsamen rechtlichen, religiösen und kulturellen Hindernissen konfrontiert. Nach Interpretation des Wächterrats verwehrt die iranische Verfassung es Frauen, die Ämter des Revolutionsführers oder Präsidenten, Funktionen im Experten-, Wächter- und Schlichtungsrat sowie mancher Richterposten anzutreten (USDOS 20.3.2023). Unter 40-Jährige, die etwa drei Viertel der iranischen Bevölkerung ausmachen, waren bislang größtenteils von jeglicher politischen Partizipation ausgeschlossen. Politische Ämter werden überwiegend von Männern der ersten Generation der Elite der Islamischen Republik - den heute über 70-jährigen Gründungsvätern - und der zweiten Generation - den heute über 60-jährigen Veteranen des Iran-Irak-Kriegs sowie Vertretern der Revolutionsgarden - regiert (BPB 31.1.2020a).
Proteste 2022/2023
Nach dem Tod der 22-Jährigen Mahsa Jîna (ihr kurdischer Vorname) Amini am 16.9.2022 (US-DOS 20.3.2023) in Gewahrsam der sogenannten Sittenpolizei (gasht-e ershâd) in Teheran (BPB 16.2.2023) aufgrund eines angeblich unkorrekt getragenen Hijabs kam es in Iran zu den größten Protesten seit Jahren (EN 1.2.2023). Während in den letzten Jahren in Iran häufig Demonstrationen stattfanden, waren die Proteste hinsichtlich ihrer geographischen Verbreitung und Dauer beispiellos (ACLED 12.4.2023).
Als Frau sunnitischer Konfession und als Kurdin verkörperte Mahsa Jina Amini alle drei Dimensionen der systematischen Diskriminierung durch die Islamische Republik: Geschlecht, Konfession und ethnische Zugehörigkeit (Posch/Chatham 5.5.2023). Die Proteste in Iran richteten sich gegen Diskriminierung und fokussierten auf Menschenrechte. Die Wut der Tausenden von Demonstranten, die auf die Straße gingen, konzentrierte sich auf die Tatsache, dass weder das Geschlecht noch die ethnische Zugehörigkeit die Ursache für den Tod eines iranischen Bürgers in Gewahrsam sein sollte, was eine eindeutige Menschenrechtsfrage darstellt (Posch 2023). Der von den Demonstranten verwendete Spruch „Frau, Leben, Freiheit“ (auf Farsi: „zan, zendegi, âzâdi“) stammt dabei ursprünglich von der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) (auf Kurdisch „jin, jîyan, azadî“). Er war zunächst unter iranischen Demonstranten im Westen zu hören. Dann begannen auch in Iran die säkularen und linken Teile der Gesellschaft, ihn zu verwenden, bevor er sich landesweit über Klassen- und ethnische Grenzen hinweg verbreitete (Posch/Chatham 5.5.2023). Die Proteste wurden insbesondere von den folgenden Gruppen getragen: Frauen, Jugendliche, Studentinnen und Studenten sowie von marginalisierten Ethnien – insbesondere Kurden und Belutschen (BPB 16.2.2023). Die auf Menschen- und Bürgerrechten basierende Agenda der Proteste konnte jedoch sowohl säkulare Teheraner aus der Mittelschicht als auch sunnitische Fundamentalisten aus den marginalisierten Grenzprovinzen Irans mobilisieren. Unter anderem kritisierten auch prominente Stimmen wie Kak Hasan Amini, einer der profiliertesten sunnitischen Geistlichen Irans, oder Moulana Abdulhamid aus Belutschistan, Führer der sunnitischen Gemeinschaft im Osten des Irans, das Regime (Posch 2023). Dieses reagierte mit massiver Repression auf die Proteste. Zeitweise wurden rund 20.000 Personen inhaftiert (BPB 16.2.2023). Bis Mitte Februar 2023 zählte die NGO Human Rights Activists News Agency (HRANA) 530 Todesopfer unter den Protestteilnehmern (DIS 3.2023; vgl. BPB 16.2.2023).Auch wurden im Rahmen der Proteste zwischen September 2022 und April 2023 rund 50 Angehörige der Basij, Revolutionsgarden und Polizei getötet (ACLED 12.4.2023), laut HRANA waren es beinahe 70 Regimekräfte (BPB 16.2.2023). Eine unbekannte Zahl von Personen, wie z.B. Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Studenten, Künstler, Akademiker, Rechtsanwälte, medizinisches Personal, das sich um Protestteilnehmer gekümmert hat, Minderjährige und Personen, die sich online an anti-Regierungsaktivitäten beteiligt haben, wurde wegen „Verbreitung von Propaganda“, „Absprachen zur Begehung von Straftaten und Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ oder „Kriegsführung gegen Gott“ sowie „Korruption auf Erden“ verurteilt, wobei diese Tatbestände vor den iranischen Revolutionsgerichten mit hohen Strafen geahndet werden (DIS 3.2023).Die Proteste zeichneten sich durch ihre Dezentralität, die Bedeutung von zivilem Ungehorsam und Flashmobs als Protestform - insbesondere durch Frauen, die ihr Kopftuch ablegen - und, wie vor allem in europäischen Debatten oft bemängelt wird, durch fehlende Organisationsund Führungsstrukturen aus (BPB 16.2.2023). Die fehlenden Führungsstrukturen waren sowohl Stärke als auch Schwäche der Proteste, bei denen das Internet und soziale Medien eine große Rolle zur Mobilisierung und Verbreitung der Protestbotschaften spielten: Einerseits machen die fehlenden Führungsstrukturen staatliche Repression schwieriger, andererseits erschweren sie auch die Herausbildung einer Bewegung, welche eine politische Alternative zum derzeitigen System darstellen könnte (FR24 16.12.2022). Bis zum Sommer 2023 sind die Straßenproteste schließlich abgeflaut und die Regierung hat beispielsweise versucht, die Strafen für Verstöße gegen die Hijab-Regeln zu verschärfen (USIP 6.9.2023). Die Islamische Republik blieb weiterhin funktionsfähig und im Zuge der Proteste konnte nicht beobachtet werden, dass eine Einheit des hochkompetitiven iranischen Sicherheitsapparats geschwächelt hätte oder sich illoyal verhalten habe (Posch/Chatham 5.5.2023). Die Regierung ist darauf bedacht, ihre Anhängerschaft zu halten, versucht aber auch, Menschen am Rande der Gesellschaft zu Anhängern der Islamischen Republik zu machen. So haben die staatlichen Medien jüngst beispielsweise neue Fernsehsendungen produziert und eine größere Anzahl von Gästen eingeladen, um heikle politische Themen zu diskutieren. Die Regierung möchte aufgeschlossen und sympathisch erscheinen, um ein gewisses Maß an Legitimität aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen. Die Regierungsvertreter sind sich allerdings darüber im Klaren, dass die Legitimität des Regimes erodiert ist, insbesondere seit der gewaltsamen Niederschlagung der landesweiten Demonstrationen, die durch den Tod von Mahsa Amini in Polizeigewahrsam im Jahr 2022 ausgelöst worden sind (USIP 17.11.2023). Die Proteste scheinen im Jahr 2023 abgeklungen zu sein, aber die dort artikulierten Missstände bleiben weiterhin bestehen (CRS 29.9.2023).Als Frau sunnitischer Konfession und als Kurdin verkörperte Mahsa Jina Amini al