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L66106 Einforstung Wald- und Weideservituten FelddienstbarkeitNorm
ABGB §473;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde 1. der E L und 2. des B L, beide in A, und 3. des Ing. P in E, alle vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 26. Februar 1992, Zl. 8-LAS 16 Le 2/4-92, betreffend Versagung der agrarbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages bezüglich Übertragung von Weiderechten (mitbeteiligten Parteien: 1. A S sen., 2. S jun. und 3. C S, alle in I, die drittmitbeteiligte Partei vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in I), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- und der drittmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Tauschvertrag vom 8. Oktober 1964 haben die Ehegatten L. (die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer) die mit ihrer Liegenschaft EZ 3, KG G., verbundenen 32/62 Anteile an der Agrargemeinschaft S., EZ 75, KG G., an Herrn K.W. im Tauschwege abgetreten. Die Absonderung der Anteilsrechte wurde agrarbehördlich genehmigt. Als Gegenleistung für diese Agraranteilsabtretung hat Herr K.W. als Alleineigentümer der S.-Alm, EZ 75, KG G., der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer das Recht der Weideausübung mit nachstehendem Wortlaut eingeräumt:
"Als weitere Gegenleistung mit einer Bewertung von S 33.000,-- räumt Herr K.W. für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitz der ihm nunmehr allein gehörigen EZ 75 KG G., S.-Alm, den Ehegatten E.L. und B.L., solange diese oder auch nur einer von diesen Miteigentümer bzw. Eigentümer der EZ 3 KG G. insgemein M. in W. ist und auch wenn sie diesen Besitz an eines ihrer Kinder übergeben oder eines ihrer Kinder von todeswegen den Besitz übernimmt, solange dieses Kind, nicht auch dessen künftiger Ehegatte, Eigentümer der EZ 3 KG G. ist, das Recht ein, unentgeltlich die S.-Alm zu den möglichen Zeiten im Hochsommer mit 10 Stück Jungrindern zu bestoßen, wobei keinerlei Recht eingeräumt wird, neue Baulichkeiten auf der S.-Alm zu errichten. Dieses eingeräumte Weiderecht erlischt sogleich, wenn die EZ 3 KG G. verkauft oder sonst veräußert wird und nicht mehr im bücherlichen oder außerbücherlichen Eigentum der drei genannten Personen steht."
Eine Verbücherung des Weiderechtes erfolgte nicht und war vertragsgemäß auch nicht vorgesehen.
Mit Eingabe vom 13. November 1989 beantragten der Drittbeschwerdeführer und dessen Ehegattin sowie die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer bei der Agrarbezirksbehörde Stainach (ABB), den Kaufvertrag vom 3. und 6. November 1989 über ein Weiderecht agrarbehördlich zu genehmigen. Aufgrund dieses Kaufvertrages sollten der Drittbeschwerdeführer und dessen Ehegattin das Weiderecht für 10 Großvieheinheiten auf der S.-Alpe, EZ 75, KG G., ohne jegliche zeitliche Beschränkung für einen bestimmt festgesetzten Kaufpreis erwerben. Im Vertrag ist eine Bindung dieser Rechte an die Liegenschaft EZ 209, KG G., als dem Drittbeschwerdeführer und dessen Ehegattin gehörender Stammsitzliegenschaft sowie die bücherliche Einverleibung (ohne Einschränkung) dieser Weiderechte bei der belasteten Liegenschaft EZ 75, KG G., vorgesehen.
Die Liegenschaft EZ 75, KG G., steht im Miteigentum der mitbeteiligten Parteien. Weder im Kaufvertrag über die Weiderechte noch in einer gesonderten Erklärung wurden von den mitbeteiligten Parteien eine Zustimmung zur Weiderechtsübertragung erteilt. Mit Schreiben vom 18. Juni 1990 teilten die mitbeteiligten Parteien im Wege ihres Rechtsvertreters den beschwerdeführenden Parteien mit, daß sie ihrer Ansicht nach die Liegenschaft EZ 75, KG G., 1977 lastenfrei erworben hätten und daher der Ausübung von Weiderechten auf dieser Liegenschaft nicht zustimmen würden.
Mit Bescheid vom 17. September 1991 wies die ABB den Antrag auf agrarbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages vom 3. und 6. November 1989 über ein Weiderecht gemäß § 48 Abs. 2, § 2 Abs. 2 und § 5 des Steiermärkischen Einforstungs-Landesgesetzes 1983 (StELG), LGBl. Nr. 1, ab. Gegen diesen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien sowie die Ehegattin des Drittbeschwerdeführers Berufung.
Mit Bescheid vom 26. Februar 1992 wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 AgrVG 1950 als unbegründet ab. In der Begründung wird ausgeführt, es handle sich bei den gegenständlichen Weiderechten nicht um Einforstungsrechte nach dem StELG 1983. Diese seien nämlich unregelmäßige Servituten im Sinne des § 479 ABGB, welche nur dem Ehepaar L. (der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer) oder einem ihrer Kinder zustehe. Hinzu komme, daß diese Dienstbarkeiten mangels Vorliegens einer agrarbehördlichen Genehmigung auch nicht als Einforstungsrechte neu begründet worden seien, was aufgrund ihrer Rechtsnatur auch gar nicht möglich wäre. Im übrigen sei dem Tauschvertrag vom 8. Oktober 1964 als weitere Gegenleistung ein Auftriebsrecht für 10 Stück Jungrinder zugrundegelegen, während Gegenstand des zur agrarbehördlichen Genehmigung beantragten Rechtsgeschäftes ein Weiderecht für 10 Großvieheinheiten auf der Liegenschaft EZ 75, KG G., sei. Die Eigentümer des dienenden Grundstückes (= die mitbeteiligten Parteien) hätten dieses einerseits lastenfrei erworben und seien andererseits nicht bereit, eine Belastung mit Weiderechten, wie im zur Genehmigung vorgelegten Kaufvertrag festgelegt, in Kauf zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die beschwerdeführenden Parteien inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Anwendung des StELG 1983 geltend machen. Sie rügen in diesem Zusammenhang, daß die Weiderechte sehr wohl (immer schon) als Grunddienstbarkeit vereinbart gewesen seien. Dies gehe schon aus dem Wortlaut der seinerzeitigen Tauschvereinbarung (aus dem Jahre 1964) hervor, die die Einräumung eines Weiderechtes "zu Gunsten des Grundstückes EZ 3, KG G., solange es im Eigentum der Ehegatten L. oder eines ihrer Kinder steht, nicht aber eine Berechtigung der Ehegatten L. oder eines ihrer Kinder vorsieht". Das Weiderecht an einem dienenden Grundstück (EZ 75, KG G./S.-Alpe) werde damit - im Sinne des § 473 ABGB - mit dem Besitz eines herrschenden Grundstückes (EZ 3, KG G.) "zu dessen vorteilhafterer und bequemerer Benützung (Weiderecht) verknüpft". Die beschwerdeführenden Parteien verweisen in diesem Zusammenhang auf zivilrechtliche Judikatur zu § 473 ABGB, wonach eine Grunddienstbarkeit, wenn sie für solange bestellt ist, als das herrschende Grundstück einer bestimmten Person (Familie) gehört, als zeitlich beschränkte, aber nicht als unregelmäßige Dienstbarkeit anzusehen ist (vgl. die bei Dittrich-Tades, Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch34, unter FN 14 zu § 473 ABGB wiedergegebene zivilgerichtliche Judikatur). Die Qualifikation der Weiderechte als unregelmäßiges Servitut sei somit unrichtig. Die beschwerdeführenden Parteien bringen weiters vor, die belangte Behörde habe - auf dem Boden ihrer unrichtigen Rechtsansicht - weder über den ursprünglichen Antrag der beschwerdeführenden Parteien, noch über den in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid eingebrachten Eventualantrag meritorisch abgesprochen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die drittmitbeteiligte Partei hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Qualifikation der im Jahre 1964 der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer eingeräumten Servitut als Grunddienstbarkeit oder als unregelmäßige Dienstbarkeit richtig gewesen wäre. Gemäß § 1 Abs. 1 Z. 1 des StELG 1983 fallen unter den Begriff der Nutzungsrechte "Weiderechte auf fremdem Grund und Boden"; eine Einschränkung ausschließlich auf Grunddienstbarkeiten ist dem Gesetz jedoch nicht zu entnehmen. Wesentlich ist die Einräumung von Weiderechten "auf fremdem Grund und Boden", was im Beschwerdefall - wenngleich eingeschränkt auf bestimmte Personen - vorliegt. Da es sich bei den im Jahre 1964 eingeräumten Weiderechten nicht um historische Nutzungsrechte im Sinne des Einleitungssatzes zu § 1 Abs. 1 StELG 1983 handelt, kann die Neubegründung solcher Nutzungsrechte nach § 2 Abs. 2 StELG 1983 nur erfolgen, wenn sie mit Rücksichten auf die Landeskultur vereinbar ist und von der Agrarbehörde genehmigt wird. Unbestritten ist, daß zur Begründung des Weiderechtes aufgrund des Tauschvertrages aus dem Jahre 1964 keine agrarbehördliche Genehmigung im Sinne des § 2 Abs. 2 StELG 1983 eingeholt wurde und auch im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde nicht vorgelegen ist.
Fehlt jedoch die agrarbehördliche Bewilligung für die Neubegründung eines Nutzungsrechtes nach dem StELG 1983, so konnte die Agrarbehörde im Beschwerdefall die begehrte Bewilligung zur Übertragung des Nutzungsrechtes von einer berechtigten Liegenschaft auf eine andere nicht bewilligen. Eine derartige Bewilligung nach § 5 Abs. 1 StELG 1983 setzt nämlich den Bestand eines Nutzungsrechtes im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 3 leg. cit. - im Beschwerdefall eines agrarbehördlich bewilligten, neu begründeten Weiderechtes - voraus. Die belangte Behörde hat daher im Ergebnis zutreffend die Berufung der beschwerdeführenden Parteien abgewiesen und somit auch - entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien - eine meritorische Erledigung über den allein Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG bildenden Antrag auf agrarbehördliche Bewilligung des Kaufvertrages über das Weiderecht vom November 1989 getroffen. Das erstmals im Berufungsverfahren vorgebrachte Begehren der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers auf Aufhebung des Tauschvertrages war nicht "Sache" des Berufungsverfahrens, sodaß dessen Nichtbehandlung im angefochtenen Bescheid nicht zu dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, wie von den beschwerdeführenden Parteien begehrt, führen kann.
Aus den dargestellten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992070082.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
09.07.2009