Entscheidungsdatum
12.06.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W268 2256295-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18.04.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris GACHOWETZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch XXXX nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18.04.2024 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. wird als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wird stattgegeben XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. wird stattgegeben römisch XXXX gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG wird römisch XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte III. bis VI. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.römisch IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte römisch III. bis römisch VI. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 26.11.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 27.11.2021 fand eine Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Am 27.04.2022 wurde eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl durchgeführt. Zu seinen Fluchtgründen brachte er im Wesentlichen vor, Atheist zu sein und aus diesem Grund von seinen Landsleuten verfolgt zu werden.
2. Mit im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ihm wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als Frist für seine freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.).2. Mit im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Ihm wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Somalia zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.) und gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG als Frist für seine freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt römisch VI.).
3. Gegen den am 20.5.2022 rechtswirksam zugestellten Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht am 14.06.2022 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsbeschlusses vom 24.01.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.
5. Am 18.04.2024 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung statt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist somalischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Darood und dem Clan der Dhulbahante an, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und spricht muttersprachlich Somalisch.
Er wurde in XXXX , Provinz Lower Shabelle (Somalia) geboren, wo er im Familienverband aufwuchs und bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat wohnhaft war. Sein Vater verstarb, als der Beschwerdeführer noch ein Kind war. Seine Familienangehörigen, konkret seine Mutter und seine Schwester, leben noch im Heimatort in ärmlichen Verhältnissen.Er wurde in römisch XXXX , Provinz Lower Shabelle (Somalia) geboren, wo er im Familienverband aufwuchs und bis zu seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat wohnhaft war. Sein Vater verstarb, als der Beschwerdeführer noch ein Kind war. Seine Familienangehörigen, konkret seine Mutter und seine Schwester, leben noch im Heimatort in ärmlichen Verhältnissen.
Der Beschwerdeführer besuchte in Somalia acht Jahre die Grundschule, er ist als Elektriker ausgebildet und hat sechs Monate in dem Beruf gearbeitet. Er ist arbeitsfähig und leidet an keinen schwerwiegenden physischen oder psychischen Erkrankungen. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Der Beschwerdeführer verließ Somalia im Juni 2020, reiste im November 2021 ins Bundesgebiet ein und stellte am 05.10.2021 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Er hält sich seither durchgehend in Österreich auf.
Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist in Somalia keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt (gewesen). Er ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und es drohen ihm weder aufgrund seiner religiösen Einstellung noch aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Clanzugehörigkeit oder aus politischen Gründen Probleme bzw. eine Verfolgung durch Privatpersonen oder die somalischen Behörden.
1.3. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Somalia:
Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seinen Heimatort ist aufgrund der dortigen prekären Versorgungslage nicht zumutbar.
Dem Beschwerdeführer stehen keine innerstaatlichen Fluchtalternativen, insbesondere in Mogadischu, offen.
1.4. Zur maßgeblichen Lage in Somalia werden nachfolgende Feststellungen getroffen (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zu Somalia, Version 6, Stand 08.01.2024):
Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2023). Auch das Maß an Kontrolle über bzw. Einfluss auf einzelne Gebiete variiert. Während Somaliland die meisten der von ihm beanspruchten Teile kontrolliert, wird die Lage über die Kontrolle geringer Teilgebiete von Puntland von al Shabaab beeinflusst - und in noch geringeren Teilen vom Islamischen Staat in Somalia - während es hauptsächlich an Clandifferenzen liegt, wenn Puntland tatsächlich keinen Zugriff auf gewisse Gebiete hat. In Süd-/Zentralsomalia ist die Situation noch viel komplexer. In Mogadischu und den meisten anderen großen Städten hat al Shabaab keine Kontrolle, jedoch eine Präsenz. Dahingegen übt al Shabaab über weite Teile des ländlichen Raumes Kontrolle aus. Zusätzlich gibt es in Süd-/Zentralsomalia große Gebiete, wo unterschiedliche Parteien Einfluss ausüben; oder die von niemandem kontrolliert werden; oder deren Situation unklar ist (BMLV 1.12.2023).
Laut einer Quelle der FFM Somalia 2023 sind Hargeysa, Berbera, Burco, Garoowe und – in gewissem Maße – Dhusamareb sichere Städte. Alle anderen Städte variieren demnach von einem Grad zum anderen. Auch Kismayo selbst ist sicher, aber hin und wieder gibt es Anschläge. Bossaso ist im Allgemeinen sicher, es kommt dort aber zu gezielten Attentaten. Dies gilt auch für Galkacyo (INGO-F/STDOK/SEM 4.2023). Laut einer weiteren Quelle sind Baidoa, Jowhar und Belet Weyne diesbezüglich innerhalb des Stadtgebietes wie Kismayo zu bewerten (BMLV 1.12.2023). Laut einer anderen Quelle sind alle Hauptstädte der Bundesstaaten relativ sicher (UNOFFX/STDOK/SEM 4.2023).
Eine Quelle gibt die Lage mit Stand 23.1.2023 folgendermaßen wieder:
PGN 23.1.2023
Eine andere Quelle vermittelt ein ähnliches Bild und verortet auch "violent events linked to al Shabaab" für das Jahr 2022:
Williams/ACSS 17.4.2023
Süd-/Zentralsomalia, Puntland
Letzte Änderung 2024-01-03 09:48
Die Sicherheitslage bleibt volatil (BS 2022a), mit durchschnittlich 234 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Monat (Zeitraum Feber-Juni 2023). Insgesamt gab es im Zeitraum 8.2.-7.6.2023 935 Vorfälle, davon 355 mit terroristischem Hintergrund. Al Shabaab führt immer wieder komplexe Angriffe durch, so etwa am 19. und 22.4. in Bud Bud und Masagway (Galgaduud) und am 26.5. in Buulo Mareer (Lower Shabelle). U.a. bei Sprengstoffanschlägen kommen Menschen ums Leben oder werden verletzt (UNSC 15.6.2023). Weiterhin führt der Konflikt zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (ÖBN 11.2022). Im o.g. Zeitraum waren 11 % der davon Betroffenen Zivilisten. Die Zahl an terroristischen Vorfällen war im ersten Quartal 2023 überdurchschnittlich. Am meisten von Sprengsätzen betroffen waren in diesem Zeitraum Mogadischu/Benadir, Lower Shabelle, Hiiraan und Lower Juba. Mogadischu wird immer wieder auch von indirektem Feuer der al Shabaab getroffen (UNSC 15.6.2023). Im Zusammenhang mit der laufenden Offensive am meisten betroffen sind Middle Shabelle, Mudug, Galgaduud und Hiiraan (ACAPS 17.8.2023; vgl. BMLV 1.12.2023). Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖBN 11.2022), während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in vielen Teilen Süd-/Zentralsomalias berichtet (AA 15.5.2023).Die Sicherheitslage bleibt volatil (BS 2022a), mit durchschnittlich 234 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Monat (Zeitraum Feber-Juni 2023). Insgesamt gab es im Zeitraum 8.2.-7.6.2023 935 Vorfälle, davon 355 mit terroristischem Hintergrund. Al Shabaab führt immer wieder komplexe Angriffe durch, so etwa am 19. und 22.4. in Bud Bud und Masagway (Galgaduud) und am 26.5. in Buulo Mareer (Lower Shabelle). U.a. bei Sprengstoffanschlägen kommen Menschen ums Leben oder werden verletzt (UNSC 15.6.2023). Weiterhin führt der Konflikt zu zivilen Todesopfern, Verletzten und Vertriebenen (ÖBN 11.2022). Im o.g. Zeitraum waren 11 % der davon Betroffenen Zivilisten. Die Zahl an terroristischen Vorfällen war im ersten Quartal 2023 überdurchschnittlich. Am meisten von Sprengsätzen betroffen waren in diesem Zeitraum Mogadischu/Benadir, Lower Shabelle, Hiiraan und Lower Juba. Mogadischu wird immer wieder auch von indirektem Feuer der al Shabaab getroffen (UNSC 15.6.2023). Im Zusammenhang mit der laufenden Offensive am meisten betroffen sind Middle Shabelle, Mudug, Galgaduud und Hiiraan (ACAPS 17.8.2023; vergleiche BMLV 1.12.2023). Die österreichische Botschaft spricht in diesem Zusammenhang von einem bewaffneten Konflikt (ÖBN 11.2022), während das deutsche Auswärtige Amt von Bürgerkrieg und bürgerkriegsähnlichen Zuständen in vielen Teilen Süd-/Zentralsomalias berichtet (AA 15.5.2023).
In den vergangenen Jahren wurden Offensiven gegen al Shabaab durchgeführt, die sich zunächst aus militärischer Sicht als erfolgreich erwiesen haben. Anfängliche territoriale Erfolge bringen aber oft eine weitaus schwierigere Herausforderung mit sich: die Stabilisierung eroberter Gebiete. Das Versäumnis, befreite Gebiete wirksam zu stabilisieren, hat wiederholt zum Rückzug von Regierungskräften geführt. Und das Versäumnis, gespaltene Gemeinschaften zu versöhnen, hat dazu geführt, dass auch in Absenz von al Shabaab neue Konflikte entstehen konnten. So wurde al Shabaab etwa im Rahmen der Operation Badbaado in Lower Shabelle in den Jahren 2019–2020 aus mehreren Städten vertrieben. Drei Jahre danach kämpft die Bundesregierung aber immer noch darum, die befreiten Gebiete zu stabilisieren. Hilfsleistungen und staatliche Dienstleistungen bleiben unzureichend und oberflächlich (Sahan/SWT 4.8.2023). Generell hat es die Bundesregierung nach wie vor nicht geschafft, die Reichweite staatlicher Institutionen in Bezug auf die Bereitstellung von Dienstleistungen für Bürger und den Schutz ihres Lebens und ihres Eigentums über Mogadischu hinaus auszuweiten (BMLV 1.12.2023). Ein Experte merkt allerdings an, dass sich sowohl die Verwaltung der Bundesregierung als auch die Bundesarmee verbessert haben, und dadurch bei der Bevölkerung der Widerstandswille gegen al Shabaab gewachsen ist (AQ21 11.2023).
ATMIS hält in Kooperation mit der somalischen Armee, regionalen Sicherheitskräften sowie mit regionalen und lokalen Milizen die Kontrolle üb