Entscheidungsdatum
19.06.2024Norm
BBG §40Spruch
W200 2291948-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. TAURER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzer/in über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 10.04.2024, Zl. 87463356600010, beschlossen:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch die Richterin Mag. TAURER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. HALBAUER als Beisitzer/in über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 10.04.2024, Zl. 87463356600010, beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß Paragraph 28, Absatz 3, 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Am 07.07.20223 stellte der Beschwerdeführer unter Vorlage von medizinischen Unterlagen und eines Bescheides der Pensionsversicherungsanstalt vom Mai 2023 über den Erhalt einer unbefristeten Invaliditätspension einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.
Das vom SMS aufgrund des Antrages eingeholte Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 27.02.2023, basierend auf einer Untersuchung des Beschwerdeführers am 30.01.2023, ergab einen GdB von 30% und gestaltet sich auszugsweise wie folgt:
„Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos.Nr.
GdB %
1
Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen
Heranziehung dieser Position mit 1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da Zustand nach Hypnotika- und Alkoholbhängigkeitssyndrom - inkludiert auch rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert und Insomnie
03.04.01
30
2
Polyneuropathie
Heranziehung dieser Position mit 1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da keine motorischen Ausfälle faßbar
04.06.01
20
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 2 erhöht nicht weiter, da keine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht.“
Nach Vorlage weiterer - unter anderem neurologischer - Unterlagen des AKH Wien, Schädelbasischirurgie, erstattete der befasste Arzt für Allgemeinmedizin am 09.04.2024 eine auf der Aktenlage basierende Stellungnahme, in der er bei seiner Einschätzung blieb.
Mit Bescheid vom 10.04.2024 wurde der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen und ein GdB von 40% festgestellt. Begründend wurde auf das eingeholte Gutachten samt Stellungnahme verwiesen.
In der dagegen erhobenen Beschwere wurde vorgebracht, dass es beim Beschwerdeführer in den letzten Monaten zu einer deutlichen Verschlechterung der motorischen Fähigkeiten, insbesondere seiner Mobilität gekommen sei. Die Einholung eines neurologischen Gutachtens wurde beantragt. Die Alkoholabhängigkeit des Beschwerdeführers bestehe seit 40 Jahren und hätte massive Auswirkungen auf seinen körperlichen und psychischen Zustand, insbesondere auf seine Gedächtnisfähigkeit.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A)
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.Gemäß Paragraph 45, Absatz 3, BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.Gemäß Paragraph 28, Absatz 3, 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben vergleiche etwa das Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (Paragraph 24, VwGVG) zu vervollständigen sind.
Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht – zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – durchzuführen (VwGH 27.01.2016, Ra 2015/08/0178).
In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123)In Paragraph 28, VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in Paragraph 28, Absatz 3, zweiter Satz leg. cit. vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts vergleiche Paragraph 37, AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (VwGH 06.07.2016, Ra 2015/01/0123)
Wie im Verfahrensgang dargestellt, haben die vom Beschwerdeführer unter Zugrundelegung von medizinischen Unterlagen geltend gemachten Erkrankungen aus dem Fachgebiet der Psychiatrie bzw. Neurologie im von der belangten Behörde eingeholten psychiatrischen Gutachten im Leiden 1 Niederschlag gefunden (Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen Zügen; Polyneuropathie), der befasste Allgemeinmediziner blieb nach Vorlage von zusätzlichen Unterlagen bei seiner Einschätzung.
Der erkennende Senat ist nach einer Durchsicht der vorgelegten psychiatrischen und neurologischen Unterlagen der Ansicht, dass die vom Allgemeinmediziner getroffene Einschätzung mit 30% unter der PosNr. 03.04.01 mit der Begründung „1 Stufe unter dem oberen Rahmensatz, da Zustand nach Hypnotika- und Alkoholbhängigkeitssyndrom - inkludiert auch rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig remittiert und Insomnie“ nicht bedenkenlos nachvollzogen werden kann, sondern dass vielmehr das SMS verpflichtet gewesen wäre, ein psychiatrisches Gutachten basierend auf einer Untersuchung unter Zugrundelegung sämtlicher vorgelegter Unterlagen einzuholen. Immerhin hatte der Beschwerdeführer selbst bei der Untersuchung angegeben, dass er gelegentlich noch Wein konsumiere und ist dem Patientenbrief des Anton-Proksch-Instituts als Therapievorschlag „Absolute Alkoholkarenz“ zu entnehmen.
Zur Polyneuropathie wurde vom Allgemeinmediziner hinsichtlich der Einstufung unter 04.06.01 ausgeführt, dass keine motorischen Ausfälle fassbar seien. Dies widerspricht nicht nur den Angaben des Beschwerdeführers, sondern auch den Angaben seiner Betreuerin des Vereins „Jugend am Werk, Begleitetes Wohnen am Schwendermarkt für Menschen mit psychischer Erkrankung“.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde im Verfahren betreffend die Ausstellung eines Behindertenpasses ein psychiatrisches und neurologisches Sachverständigengutachten basierend auf einer Untersuchung zu den unten dargelegten Fragestellungen einzuholen und die Ergebnisse unter Einbeziehung der vorgelegten medizinischen Beweismittel bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen haben.
Folgende Punkte sind zu beurteilen:
1. Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung für jede festgestellte Gesundheitsschädigung
- Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten Gesundheitsschädigungen
- Gewählte Position, wobei auf die Begründung der Wahl der Position besonders zu achten ist
- Zu Grunde gelegter Rahmensatz, wobei auf die Begründung der Einschätzung des GdB innerhalb des Rahmensatzes besonders zu achten ist
Beim Zusammentreffen mehrerer Leiden ist eine Gesamteinschätzung vorzunehmen und zu begründen.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht „im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden“ wäre, ist – angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes – nicht ersichtlich.
Von den vollständigen Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein und die Behörde im Anschluss zu entscheiden haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Behindertenpass Ermittlungspflicht Grad der Behinderung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2024:W200.2291948.1.00Im RIS seit
09.07.2024Zuletzt aktualisiert am
09.07.2024