Entscheidungsdatum
28.05.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
I403 2290378-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch: Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD XXXX vom 03.03.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.05.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. SYRIEN, vertreten durch: Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD römisch XXXX vom 03.03.2024, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.05.2024 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I., mit dem der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde, wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins., mit dem der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten abgewiesen wurde, wird gemäß Paragraph 3, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von 12 Monaten erteilt. römisch II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 stattgegeben und römisch XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer von 12 Monaten erteilt.
III. Der Beschwerde wird hinsichtlich der sonstigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.römisch III. Der Beschwerde wird hinsichtlich der sonstigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides stattgegeben und diese werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger syrischer Staatsbürger, stellte am 17.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er von seinem Grundwehrdienst bei der syrischen Armee im Jahr 2011 desertiert sei und dann bis zu seiner Ausreise in die Türkei im Jahr 2022 in seinem Heimatort gelebt habe, in dem das syrische Regime keinen Zugriff auf ihn gehabt habe. Dennoch gab er an, bei einer Rückkehr zu befürchten, von den syrischen Behörden inhaftiert oder zum Kriegsdienst gezwungen zu werden.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.03.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), und es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.). Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee abgeleistet habe und nicht desertiert sei, zudem würden im kurdisch kontrollierten Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers keine Rekrutierungen durch die syrische Armee vorgenommen. Zum subsidiären Schutz wurde ausgeführt: „Die Provinz Al Hasaka gilt als zumutbar sicher und ist gefahrenlos zu erreichen. Es besteht die Möglichkeit, bei der Einreise einen Grenzübergang von der Türkei nach Syrien ohne Wirkungsbereich der syrischen Streitkräfte oder Behördenorgane in Ihr Heimatgebiet (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien) zu verwenden.“Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.03.2024 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde ihm gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.), und es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Syrien zulässig ist (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde ihm eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt römisch VI.). Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, dass der Beschwerdeführer seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee abgeleistet habe und nicht desertiert sei, zudem würden im kurdisch kontrollierten Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers keine Rekrutierungen durch die syrische Armee vorgenommen. Zum subsidiären Schutz wurde ausgeführt: „Die Provinz Al Hasaka gilt als zumutbar sicher und ist gefahrenlos zu erreichen. Es besteht die Möglichkeit, bei der Einreise einen Grenzübergang von der Türkei nach Syrien ohne Wirkungsbereich der syrischen Streitkräfte oder Behördenorgane in Ihr Heimatgebiet (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien) zu verwenden.“
Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde vom 05.04.2024 wurden sämtliche Spruchpunkte bekämpft und vorgebracht, dass der Beschwerdeführer einerseits als Deserteur vom syrischen Regime gesucht werde und ihm im Falle seiner Rückkehr nach Syrien eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen würde und andererseits eine Rückkehr nach Syrien eine Verletzung seiner nach Art 2, 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, da er in eine existenzielle Notlage geraten würde und die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens nicht befriedigen könnte.Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde vom 05.04.2024 wurden sämtliche Spruchpunkte bekämpft und vorgebracht, dass der Beschwerdeführer einerseits als Deserteur vom syrischen Regime gesucht werde und ihm im Falle seiner Rückkehr nach Syrien eine unverhältnismäßige Bestrafung drohen würde und andererseits eine Rückkehr nach Syrien eine Verletzung seiner nach Artikel 2,, 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, da er in eine existenzielle Notlage geraten würde und die Grundbedürfnisse des täglichen Lebens nicht befriedigen könnte.
Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 16.04.2024 vorgelegt. Am 15.05.2024 fand eine mündliche Verhandlung an der Außenstelle Innsbruck statt. Der Rechtsvertretung, welche sich für die mündliche Verhandlung entschuldigt hatte, wurde eine Frist von 7 Tagen für die Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme gewährt; eine solche langte nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger syrischer Staatsbürger, welcher der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft angehört. Er wurde in XXXX im Gouvernement Deir ez Zour geboren, lebte dann aber gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen vier Kindern im nur einen Kilometer entfernten Nachbardorf XXXX , das zum Gouvernement al-Hasaka gehört.Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger syrischer Staatsbürger, welcher der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft angehört. Er wurde in römisch XXXX im Gouvernement Deir ez Zour geboren, lebte dann aber gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen vier Kindern im nur einen Kilometer entfernten Nachbardorf römisch XXXX , das zum Gouvernement al-Hasaka gehört.
In XXXX leben neben seiner Frau und seinen Kindern auch noch seine Eltern und Geschwister. Ihnen geht es geht. Die Familie ist in der Landwirtschaft tätig und verfügt über umfassenden Grundbesitz, so arbeitet etwa der Bruder des Beschwerdeführers als Viehhändler. Auch der Beschwerdeführer führte vor seiner Ausreise einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb und hielt Schafe. In römisch XXXX leben neben seiner Frau und seinen Kindern auch noch seine Eltern und Geschwister. Ihnen geht es geht. Die Familie ist in der Landwirtschaft tätig und verfügt über umfassenden Grundbesitz, so arbeitet etwa der Bruder des Beschwerdeführers als Viehhändler. Auch der Beschwerdeführer führte vor seiner Ausreise einen eigenen landwirtschaftlichen Betrieb und hielt Schafe.
Seine Herkunftsregion steht unter kurdischer Kontrolle und gehört zum Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES).
Der Beschwerdeführer leistete während der Jahre 2010/2011 seinen Militärdienst für die syrische Armee. Nach Ableistung des Grundwehrdienstes von eineinhalb Jahren wurde der Beschwerdeführer direkt zum Reservedienst eingezogen; im Rahmen eines Urlaubs verließ der Beschwerdeführer 2011 den Militärdienst, ohne entsprechend entlassen worden zu sein, und kehrte in sein Heimatdorf zurück. Dort lebte er unbehelligt bis zu seiner Ausreise im Jahr 2022. Die syrische Regierung bzw. die syrischen Militärbehörden konnten und können in seiner Heimatregion nicht auf ihn zugreifen.
In Gebieten, die unter Kontrolle der syrischen Regierung stehen, muss der Beschwerdeführer eine Verfolgung wegen der Desertion befürchten. Sein Heimatort ist für den Beschwerdeführer allerdings über den Irak erreichbar, ohne dass er in Berührung mit dem syrischen Regime kommt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer vergrößerten Schilddrüse und wurde deswegen am 22.04.2024 operiert. Seither hat er keine Beschwerden mehr; ein weiterer Eingriff ist für den 04.06.2024 geplant.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zur Lage in Al Hasaka
Das Gouvernement Hasaka liegt im Nordosten Syriens und grenzt im Norden an die Türkei, im Osten an Irak und im Westen bzw. Südwesten an die Gouvernements Raqqa und Deir Ez-Zor. Das Gouvernement ist in vier Bezirke unterteilt: Hasaka, Ras al Ain, Qamischli und al-Malikiya. Im Mai 2022 schätzte UNOCHA die Bevölkerung des Gouvernements Hasaka auf 1.206.229 Einwohner. Das Gouvernement Hasaka hat eine ethnische kurdische Mehrheit. Gebiete nördlich der Stadt Hasaka werden entweder als kurdische oder gemischte Gebiete beschrieben, während das südliche Gouvernement Hasaka als hauptsächlich von Arabern bevölkert gilt. Das Tal Tamr-Gebiet hat eine christliche Bevölkerung und die Dörfer werden von Assyrern und Armeniern bewohnt. Das Gouvernement ist auch die Heimat der Jesiden.
Nach dem Rückzug der syrischen Streitkräfte aus großen Teilen Nordostsyriens im Jahr 2012 gelang es den kurdischen Streitkräften, den Nordosten Syriens zu übernehmen und die Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens zu gründen und eigene Institutionen und Sicherheitskräfte aufzubauen. Seit 2014 sind die PYD und ihr bewaffneter Flügel, die YPG, zur wichtigsten politischen und militärischen Kraft vor Ort in der von den USA geführten Koalitionskampagne gegen den IS in Syrien geworden. Im Oktober 2019 startete die Türkei die „Operation Friedensquelle“, um die SDF/YPG von der syrischen Seite der Grenze zu vertreiben und eine „sichere Zone“ für die Umsiedlung syrischer Flüchtlinge einzurichten. Während des Referenzzeitraums stand der größte Teil von Hasaka unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte (SDF/YPG), die von US-geführten Koalitionstruppen unterstützt wurden.
Die Streitkräfte der Regierung kontrollierten mehrere Sicherheitsenklaven in und um die Städte Hasaka und Qamischli, in denen sich auch Standorte iranischer und russischer Streitkräfte befanden. Darüber hinaus erhielten die Streitkräfte der Regierung von der SDF die Erlaubnis, zwischen den von der Regierung gehaltenen und von den Kurden kontrollierten Gebieten zu passieren. Als Reaktion auf Türkeis Warnungen vor einem möglichen neuen Militäreinsatz gegen kurdische Streitkräfte in Grenzgebieten verstärkten die Streitkräfte der Regierung Mitte 2022 ihre Präsenz im nördlichen Grenzgebiet von Hasaka. Russische Truppen waren mit den Streitkräften der Regierung entlang der syrisch-türkischen Grenze und den Frontlinien zwischen den Kurden kontrollierten und von der Türkei gehaltenen Gebieten präsent. Unterdessen kontrollierte die Türkei einen Teil des nördlichen Hasaka, der zu einem Gebiet gehörte, das grob durch Ras al-Ain im Osten, Tall Abyad (Raqqa) im Westen, die syrisch-türkische Grenze im Norden und die Autobahn M4 im Süden begrenzt wurde. Dieses Gebiet wurde als „Operation Peace Spring“-Gebiet bezeichnet. Die SNA war in diesem Bereich tätig. Berichten zufolge war ISIL zunehmend in der Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) präsent.
Die Sicherheitslage im Gouvernement Hasaka wird als „unbeständig“ beschrieben, wobei weiterhin Berichte über Sicherheitsvorfälle in der Nähe von SNA-kontrollierten Gebieten oder der syrisch-türkischen Grenze, einschließlich rund um Tal Tamr, vorliegen. Die Frontgebiete von Hasaka gehörten nach wie vor zu den am stärksten vom Konflikt betroffenen Gebieten in Syrien. Seit türkische Streitkräfte im Herbst 2019 die Kontrolle über Ras al-Ain von den SDF übernommen haben, kam es in der Region Ras al-Ayn häufig zu gegenseitigen Bombenangriffen zwischen türkischen Streitkräften/SNA und den SDF. Es gab auch eine Reihe von Berichten über mutmaßliche türkische Drohnenangriffe auf SDF-Personal sowie mehrere Fälle von Drohnenangriffen, schwerem Beschuss und Schüssen durch türkische Streitkräfte, die zivile Opfer forderten. Im November 2022 startete die Türkei die Operation Claw-Sword und führte eine Reihe von Luft-, Drohnen- und Artillerieangriffen gegen SDF- und Regierungs-Militärstandorte im Gouvernement durch. Der türkische Geheimdienst startete außerdem Anfang Januar 2023 eine Sicherheitsoperation, die zur Ermordung zweier Funktionäre der mit der PKK verbündeten Marxistisch-Leninistischen Türkischen Kommunistischen Partei (TKP-ML) in ihren Häusern nördlich der Stadt Hasaka führte.
Im Gebiet der Operation Peace Spring selbst kam es im Bezugszeitraum zu einer Reihe von Sicherheitsvorfällen, darunter mehrere von türkischen Streitkräften erschossene Zivilisten, Angriffe auf Angehörige der türkischen Streitkräfte/SNA, Machtkämpfe zwischen bewaffneten Fraktionen und IED-Angriffe, die sich hauptsächlich in Wohngebieten ereigneten Bereiche und Märkte. Nach einem PKK-Angriff in Ankara (Türkiye) am 1. Oktober 2023 führte die Türkei eine Drohnenangriffskampagne durch, die mehr als 150 Orte in den Gouvernements Hasaka, Raqqa und Aleppo traf und zu mehreren Todesopfern führte. Die meisten Angriffe konzentrierten sich auf die Grenzgebiete im nördlichen Gouvernement Hasaka sowie auf die Stadt Hasaka, Qamishli und Tal Tamer. Die Angriffe richteten sich auch gegen Wasser- und Energieinfrastruktur sowie Ölanlagen im Gouvernement Hasaka. Berichten zufolge kam es im September 2023 in Stadtteilen der Stadt Hasaka zu Machtkämpfen zwischen den Streitkräften der Regierung und den Nationalen Verteidigungskräften (NDF), die zu mehreren Opfern unter der Zivilbevölkerung, Schäden an der Infrastruktur und vorübergehenden Vertreibungen führten.
Berichten zufolge haben ISIL-Angriffe in der Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) in der zweiten Hälfte des Jahres 2022 deutlich zugenommen und ereigneten sich auch im Jahr 2023. Die Vorfälle in Hasaka richteten sich gegen Mitglieder der kurdischen Kräfte für innere Sicherheit (Asayish) und der SDF sowie Zivilisten im Gouvernement. Unterdessen führten die SDF Sicherheitsoperationen gegen den IS in ländlichen Gebieten im Süden und Südosten des Gouvernements sowie in der Stadt Hasaka durch, teilweise mit Unterstützung der von den USA geführten Koalition. Die Sicherheitslage im Al-Hol-Lager, in dem mutmaßliche ISIL-Familienmitglieder untergebracht sind, wurde als „unbeständig“ beschrieben und war durch „ein hohes Maß an Gewalt, Kriminalität und sozialen Spannungen“ unter den Bewohnern gekennzeichnet, wobei es Berichte über Tötungen durch unbekannte Täter gab. Nach dem Ausbruch des Israel-Hamas-Konflikts im Oktober 2023 haben vom Iran unterstützte bewaffnete Gruppen US-Streitkräfte in Syrien mit Drohnenangriffen, improvisierten Raketen und Mörsergranaten angegriffen, unter anderem im Gouvernement Hasaka, was zu Gegenschlägen der USA führte.
ACLED verzeichnete im Zeitraum vom 1. August 2022 bis 28. Juli 2023 1.104 Sicherheitsvorfälle (durchschnittlich 21,4 Sicherheitsvorfälle pro Woche) im Gouvernement Hasaka. Von den gemeldeten Vorfällen wurden 686 als „Explosionen/ferne Gewalt“, 551 als „Kämpfe“ und 467 als „Gewalt gegen Zivilisten“ bezeichnet. Im Zeitraum vom 1. August bis 30. November 2023 wurden in Hasaka 497 Sicherheitsvorfälle registriert, was einem Durchschnitt von 28,8 Sicherheitsvorfällen pro Woche entspricht.
Sicherheitsvorfälle wurden in allen Regierungsbezirken registriert, wobei die höchste Zahl in den Bezirken Hasaka und Ras Al Ain dokumentiert wurde. In den Bezirken Malikeyyeh wurden weniger Vorfälle registriert.
Zwischen August 2022 und Juli 2023 dokumentierte SNHR 52 zivile Todesopfer im Gouvernement Hasaka. Im August – November 2023 verzeichnete das SNHR vier zivile Todesopfer. Verglichen mit den Bevölkerungszahlen vom Mai 2022 entsprach dies für den gesamten Bezugszeitraum fünf zivilen Todesopfern je 100.000 Einwohner. Im Mai 2022 gab es im Gouvernement Hasaka 331.573 Binnenvertriebene.
Die Vereinten Nationen stellten fest, dass die negativen Auswirkungen lokaler Feindseligkeiten auf das Leben von Zivilisten und wichtige zivile Infrastrukturen dazu führten, dass Zivilisten aus ihren Häusern flohen, und dass die konfliktbedingte Vertreibung der Bewohner in der gesamten nördlichen Region im ersten Halbjahr 2023 anhielt.
Laut UNOCHA wurden zwischen Januar und Dezember 2022 etwa 1.000 Personen aus Hasaka sowie 3.000 innerhalb des Gouvernements vertrieben. Ungefähr 2.000 Menschen wurden aus anderen Gouvernoraten nach Hasaka vertrieben. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 gab es etwa 135 Binnenvertriebenenbewegungen aus Hasaka und 220 Binnenvertriebenenbewegungen in das Gouvernement sowie etwa 360 Bewegungen innerhalb des Gouvernements. In Bezug auf die Rückkehr von Binnenvertriebenen verzeichnete UNOCHA im Jahr 2022 etwa 220 Rückkehrer von Binnenvertriebenen nach Hasaka und 3.640 Rückkehrer von Hasaka in andere Gouvernements. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 wurden 55 Rückkehrer von Binnenvertriebenen nach Hasaka und etwa 67 Rückkehrer aus Hasaka in andere Gouvernements registriert.
Das Gouvernement ist weitgehend mit improvisierten Minen und anderen improvisierten Geräten verseucht, die der Zivilbevölkerung schweren Schaden zufügen. Im ersten Quartal 2023 wurden im Gouvernement Hasaka 12 Todesfälle durch explosive Kriegsrückstände gemeldet. Es wurden auch zivile Opfer durch Landminenexplosionen registriert. Die türkischen Angriffe im November 2022 trafen wichtige Infrastrukturen in Teilen des Gouvernements, darunter Getreidesilos, Ölfelder und Kraftwerke, und führten dazu, dass einige Anlagen außer Betrieb waren.
Betrachtet man die Indikatoren, kann daraus geschlossen werden, dass die willkürliche Gewalt im Gouvernement Hasaka ein so hohes Ausmaß erreicht, dass es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass für einen Zivilisten, der in das Gouvernement zurückkehrt, allein aufgrund seines Aufenthaltes ein reales Risiko besteht, der in Artikel 15 Buchstabe c der Qualifikationsrichtlinie genannten ernsten Bedrohung ausgesetzt zu sein.
1.3. Zur Lage in Syrien:
Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70% des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023).
Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya YekTtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sic