Entscheidungsdatum
06.05.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W147 2280460-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , St.A. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold Moses Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25. September 2023, Zl. 1320113902/222593617, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2024 zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , St.A. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, 1020 Wien, Leopold Moses Gasse 4, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25. September 2023, Zl. 1320113902/222593617, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14. Februar 2024 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, iVm § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 24/2016, als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 33 aus 2013, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 138 aus 2017,, in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 24 aus 2016,, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG, Bundesgesetzblatt Nr. 1 aus 1930, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 22 aus 2018,, nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 17. August 2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und gab die im Spruch genannten Personalien an.
Im Zuge der am 20. August 2022 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer als Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates an, er habe Syrien am 05. Juni 2022 auf Grund des Krieges verlassen; das syrische Militär habe ihn zum Reservedienst einziehen wollen. Den Entschluss zur Ausreise habe er im Mai 2022 gefasst und sei Österreich sein Zielland gewesen, da sein Bruder hier aufhältig sei. Syrien habe er illegal, ohne Besitz eines Reisedokumentes verlassen. Sein Personalausweis, ausgestellt in XXXX , befinde sich in Syrien. Dort aufhältig seien nach wie vor seine Eltern, seine Ehegattin und seine beiden Kinder. Sein letzter Wohnsitz in Syrien sei in XXXX gewesen. Im Zuge der am 20. August 2022 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer als Grund für das Verlassen seines Herkunftsstaates an, er habe Syrien am 05. Juni 2022 auf Grund des Krieges verlassen; das syrische Militär habe ihn zum Reservedienst einziehen wollen. Den Entschluss zur Ausreise habe er im Mai 2022 gefasst und sei Österreich sein Zielland gewesen, da sein Bruder hier aufhältig sei. Syrien habe er illegal, ohne Besitz eines Reisedokumentes verlassen. Sein Personalausweis, ausgestellt in römisch XXXX , befinde sich in Syrien. Dort aufhältig seien nach wie vor seine Eltern, seine Ehegattin und seine beiden Kinder. Sein letzter Wohnsitz in Syrien sei in römisch XXXX gewesen.
2. Am selben Tag wurde das Verfahren des Beschwerdeführers zugelassen.
3. Am 18. Juni 2023 wurde der Beschwerdeführer im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die arabische Sprache vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen und gab eingangs an, mit der Einvernahme in der Sprache Arabisch einverstanden zu sein, sich gut mit dem anwesenden Dolmetscher verständigen zu können und sowohl physisch als auch psychisch zu einer Einvernahme in der Lage zu sein.
Der Beschwerdeführer bestätigte die im Zuge der Erstbefragung aufgenommenen persönlichen Daten. Er spreche arabisch, gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei Ismaili. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Frau und Kinder befänden sich derzeit in XXXX , seinem Geburts- und letzten Aufenthaltsort.Der Beschwerdeführer bestätigte die im Zuge der Erstbefragung aufgenommenen persönlichen Daten. Er spreche arabisch, gehöre der Volksgruppe der Araber an und sei Ismaili. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe zwei Kinder. Seine Frau und Kinder befänden sich derzeit in römisch XXXX , seinem Geburts- und letzten Aufenthaltsort.
Vor seiner Ausreise habe er einen eigenen Laden geführt und seinem Vater in der Landwirtschaft unterstützt. Durch den Verkauf von Gegenständen des Ladens, der nach wie vor existiere und auf seinen Namen laute, und des Verkaufs des Autos des Vaters sei seine Reise finanziert worden.
Vor seinem Berufsleben habe er neun Jahre hindurch die Schule besucht und im Jahre XXXX bis Mitte XXXX seinen Wehrdienst geleistet. Die Rekrutierungsstelle habe sich in XXXX befunden, stationiert sei er in Damaskus gewesen. Seine Tätigkeit während dieser Zeit habe darin bestanden, „im Restaurant zu arbeiten und Partys zu organisieren“. Nachgefragt nach dem Ablauf eines Tages führte der Beschwerdeführer aus: „Wenn im Saal eine Hochzeit stattgefunden hat, waren wir zuständig für einige Tische und das Essen. Und währenddessen auch für den Service. Und am Ende mussten wir auch den Saal wieder zusammenräumen.“ Eine Waffe habe er nie getragen. Auch habe er nie den Umgang mit einer Waffe erlernt, er sei sofort für Verwaltungstätigkeiten eingeteilt worden.Vor seinem Berufsleben habe er neun Jahre hindurch die Schule besucht und im Jahre römisch XXXX bis Mitte römisch XXXX seinen Wehrdienst geleistet. Die Rekrutierungsstelle habe sich in römisch XXXX befunden, stationiert sei er in Damaskus gewesen. Seine Tätigkeit während dieser Zeit habe darin bestanden, „im Restaurant zu arbeiten und Partys zu organisieren“. Nachgefragt nach dem Ablauf eines Tages führte der Beschwerdeführer aus: „Wenn im Saal eine Hochzeit stattgefunden hat, waren wir zuständig für einige Tische und das Essen. Und währenddessen auch für den Service. Und am Ende mussten wir auch den Saal wieder zusammenräumen.“ Eine Waffe habe er nie getragen. Auch habe er nie den Umgang mit einer Waffe erlernt, er sei sofort für Verwaltungstätigkeiten eingeteilt worden.
Weder der Beschwerdeführer selbst, noch jemand aus seinem Familien-, Verwandten-, Bekannten oder Freundeskreis habe im Bürgerkrieg aktiv an Kampfhandlungen teilgenommen. Auch habe er niemals Kontakt oder Probleme mit bewaffneten Gruppierungen in Syrien gehabt.
Befragt, ob der Beschwerdeführer irgendeiner politischen Ideologie eines Akteurs des syrischen Bürgerkrieges nahe bzw. positiv gegenüberstehe, antwortete der Beschwerdeführer: „Nein. Keiner ist gut.“
Auf Nachfrage erklärte der Beschwerdeführer in seinem Heimatland nicht vorbestraft oder inhaftiert gewesen zu sein und keine Probleme mit den syrischen Behörden gehabt zu haben, auch würden keine aktuellen staatlichen Fahndungsmaßnahmen bestehen. Er sei nie politisch tätig und nie Mitglied einer politischen Partei gewesen. Aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit habe der Beschwerdeführer keine Probleme gehabt. Aufgrund seines Religionsbekenntnisses habe es Schwierigkeiten gegeben, da diese eine Minderheit in Syrien darstelle. Auch seien Angehörige dieser Religion von bewaffneten Gruppierungen mit dem Tod bedroht worden. Die Regierung habe zwar versprochen, ihnen zu helfen, jedoch nichts unternommen. Seine Religion werde unterdrückt, es gebe keinen Minderheitenschutz.
Befragt nach den Gründen für das Verlassen seines Heimatstaates und seiner Antragstellung auf internationalen Schutz führte der Beschwerdeführer aus, er habe Syrien wegen des Reservedienstes verlassen. Die Polizei sei mehrmals bei ihm zu Hause gewesen und habe nach ihm gesucht. Seiner Mutter sei mitgeteilt worden, dass er aufgrund des Krieges in der Ukraine in den Reservedienst einrücken müsse. Der Beschwerdeführer habe auf keinen Fall mitkämpfen oder an diesem Krieg teilnehmen wollen. Er habe sich sehr oft am Bauernhof versteckt, manchmal beim Nachbarn. Nachdem sehr oft mehrere Kontrollen durchgeführt worden seien, habe sich der Beschwerdeführer dazu entschieden, zu fliehen.
Eine schriftliche Einberufung zum Reservedienst habe er nicht erhalten, da über zum Reservedienst einberufene Personen nur ein Polizeiprotokoll angefertigt werde.
Die Rekrutierungsversuche durch die Polizei hätten im März 2022 begonnen. Insgesamt fünf oder sechs Mal sei die Polizei bei ihm zu Hause gewesen. Jedes Mal, wenn sie das Dorf kontrolliert hätten.
Nachgefragt führte der Beschwerdeführer aus, den Laden bereits nach der ersten Kontrolle geschlossen zu haben. Sein Vater habe in weiterer Folge die Produkte geholt und weiterverkauft.
Befragt, inwiefern der Ukraine-Krieg für die Rekrutierung des Beschwerdeführers zum Reservedienst eine Rolle spiele, antwortete der Beschwerdeführer: „Da in Syrien Russland die meiste Kontrolle hat, rekrutiert Russland Kämpfer für Libyen und die Ukraine.“
Sein Militärbuch habe er in der Türkei verloren. Im Zuge der Rekrutierung sei er auch ärztlich untersucht worden. Seine nunmehrige Sehschwäche (Kurzsichtigkeit von 2 Dioptrien und Schielen) sei jedoch erst später aufgetreten, damals habe er noch keine Beeinträchtigung des Sehvermögens gehabt.
Sein letzter Kontakt mit syrischen Behörden sei im Jahre 2019 anlässlich des Ausstellens eines Auszugs des Personenstandsregisters gewesen. Probleme habe es in diesem Zusammenhang nicht gegeben.
4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 4. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005, (AsylG 2005) idgF, abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei seitens des syrischen Regimes keiner persönlichen Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt, gegen ihn bestehen keine aktuellen Fahndungsmaßnahmen. Im Falle einer Rückkehr in sein Heimatgebiet würde der Beschwerdeführer nicht zur Ableistung des Reservemilitärdienstes herangezogen werden.
Es drohe dem Beschwerdeführer in Syrien auch keine Verfolgung durch andere Verfolger. Er werde in Syrien weder aufgrund seiner Nationalität, seiner Religionszugehörigkeit noch aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit verfolgt. Auch werde er in Syrien nicht aufgrund seiner Angehörigkeit zu einer sozialen Gruppe verfolgt.
Basierend auf den Länderberichten sei davon auszugehen, dass das Interesse des Regimes betreffend eine Reservediensttätigkeit des Beschwerdeführers nicht gegeben sei. Auf Grund seiner Seh-Beeinträchtigung sei weiters davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer gegebenenfalls nicht ins Gefecht geschickt werden würde, sondern lediglich eine administrative Tätigkeit ausüben müsste. Dies wäre ihm zuzumuten, da er äußerst lange unter der Kontrolle des syrischen Regimes gelebt habe, Kontakt zu Behörden hatte und bis zu Beginn der angeblichen Rekrutierungsversuche auch keinerlei Probleme mit diesem hatte.
Das Vorbringen sei jedoch aus Sicht der belangten Behörde nicht glaubhaft. Die Rekrutierungsversuche durch die syrische Polizei hätten nach Angaben des Beschwerdeführers im März 2022 gestartet. Im Jahr 2018 oder 2019 hätte er allerdings in Syrien angeblich seinen letzten Behördenkontakt gehabt, als er – ohne Probleme - die Auszüge aus dem Personenstandsregister seiner Kinder ausstellen ließ. Hätte das syrische Regime tatsächlich Interesse an der Person des Beschwerdeführers betreffend die Ableistung des Reservedienstes, hätte dieses bereits früher, spätestens allerdings nach seinem Behördenkontakt angefangen, ihn zu rekrutieren, zumal eben durch diesen Behördenkontakt ersichtlich wurde, dass der Beschwerdeführer im durch das syrische Regime kontrollierten Gebiet lebe.
Auch würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Beschwerdeführer auf Grund einer Rückkehr „aus dem Westen“ der Gefahr der Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt sein könnte. Den landeskundlichen Feststellungen sei zu entnehmen, dass die Behandlung von Einreisenden stark vom Einzelfall abhängig sei. Dies erscheine unter Zugrundelegung der allgemeinen Lebenserfahrung als nachvollziehbar: Ein politischer Dissident, der aus dem Exil gegen die syrische Regierung vorgehe und nach Syrien zurückkehre, werde mit hoher Wahrscheinlichkeit anderes behandelt als ein syrischer Mann, der seinen Militärdienst bereits abgeleistet und keinerlei politische Tätigkeiten, weder in Syrien noch im Ausland, verrichtet habe.
Befragt zu Verfolgungshandlungen in Syrien aufgrund seiner Religionszugehörigkeit habe der Beschwerdeführer widersprüchliche Aussagen getätigt. Die direkte Frage nach Verfolgungshandlungen habe der Beschwerdeführer bejaht. Die Frage, ob er persönlich jemals von Problemen aufgrund seiner Religionszugehörigkeit betroffen gewesen wäre, habe er verneint. Anhand der Länderinformationen zu Syrien habe eine diesbezügliche Verfolgung der Person des Beschwerdeführers in Syrien amtswegig ausgeschlossen werden können. Die Volksgruppe des Beschwerdeführers entspreche die der Mehrheit der in Syrien lebendenden Syrer, während aus dem Länderinformationsblatt keine Hinweise hervorgehen würden, dass Ismaili systematisch in Syrien verfolgt werden würden.
5. Mit Verfahrensanordnung vom 25. September 2023 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU – als Rechtsberaterin amtswegig zur Seite gestellt.
6. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2023 wurde fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des im Spruch genannten Bescheides erhoben und dieser wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde würden lediglich zum Grundwehrdienst Verpflichtete bei Behördenkontakt sofort verhaftet, dies gelte jedoch nicht für zum Reservedienst Einberufene, welche eine Frist zum Antritt erhalten würden. 6. Mit Schriftsatz vom 13. Oktober 2023 wurde fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des im Spruch genannten Bescheides erhoben und dieser wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde würden lediglich zum Grundwehrdienst Verpflichtete bei Behördenkontakt sofort verhaftet, dies gelte jedoch nicht für zum Reservedienst Einberufene, welche eine Frist zum Antritt erhalten würden.
Auch ohne Einberufung drohe dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Einziehung in den Reservemilitärdienst. Bei einer Rückkehr würde der Beschwerdeführer jedenfalls in die Hände des Regimes geraten, was ihm der Gefahr von Repressionen, sexualisierter Gewalt, Inhaftierung, Folter oder Tötung aussetzen würde.
Zwar sei der Beschwerdeführer während seines Wehrdienstes auch mit administrativen Aufgaben betraut gewesen, er habe jedoch auch eine militärische Ausbildung erhalten und habe „Wachdienst“ versehen.
Beim Personenstandsregister handle es sich um eine zivile und nicht um eine militärische Behörde, weshalb eine Kontaktaufnahme mit dieser in den Jahren 2018 oder 2019 keine Probleme mit sich gebracht habe.
Unerwähnt ließ der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren, dass er in Syrien im Jahre 2012 an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen habe und er somit eine oppositionelle Gesinnung aufweise.
7. Die Beschwerdevorlage der belangten Behörde vom 16. Oktober 2023 langte am 30. Oktober 2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
8. Am 14. Februar 2024 fand im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer neuerlich zu seinen maßgeblichen Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde war in Vorfeld ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch schriftlich mitgeteilt, dass aus dienstlichen und personellen Gründen kein Vertreter entsandt werde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht feststeht, ist syrischer Staatsangehöriger, spricht Arabisch und ist der arabischen Volksgruppe sowie der Glaubensrichtung der Ismaeliten zugehörig.
Der Beschwerdeführer wurde im Jahr XXXX im Ort XXXX , einem Dorf rund XXXX von der Stadt XXXX entfernt geboren, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers stand zu seiner Ausreise und steht zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle der Regierung von al-Assad. Nach neunjährigem Schulbesuch arbeitete der Beschwerdeführer in seinem Heimatort im landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters und führte in weiterer Folge bis zu seiner Ausreise auch ein Geschäft, in dem er Autoteile und Motoren verkaufte. Der Beschwerdeführer wurde im Jahr römisch XXXX im Ort römisch XXXX , einem Dorf rund römisch XXXX von der Stadt römisch XXXX entfernt geboren, wo er bis zu seiner Ausreise lebte. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers stand zu seiner Ausreise und steht zum nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt unter der Kontrolle der Regierung von al-Assad. Nach neunjährigem Schulbesuch arbeitete der Beschwerdeführer in seinem Heimatort im landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters und führte in weiterer Folge bis zu seiner Ausreise auch ein Geschäft, in dem er Autoteile und Motoren verkaufte.
Am 5. Juni 2022 reiste der Beschwerdeführer illegal aus. Über die Türkei machte er sich auf den Weg nach Österreich, seinem Zielland.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Frau und die gemeinsamen Kinder leben, ebenso wie seine Eltern im Ort XXXX .Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Kinder. Seine Frau und die gemeinsamen Kinder leben, ebenso wie seine Eltern im Ort römisch XXXX .
Der Bruder des Beschwerdeführers befindet sich seit dem Jahr 2012 in Österreich; diesem wurde der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Seit seiner Antragstellung befindet sich der Beschwerdeführer auf Grundlage einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 sowie auf Grundlage einer befristeten Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.
Der Beschwerdeführer geht einer Erwerbstätigkeit nach und verdient durchschnittlich 1 880 Euro netto pro Monat.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst bereits abgeleistet. Während seines Militärdienstes in den Jahren XXXX bis XXXX wurde der Beschwerdeführer als „Ordonnanz“ eingesetzt und erhielt darüber hinaus keine speziellen militärischen Ausbildungen.In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst bereits abgeleistet. Während seines Militärdienstes in den Jahren römisch XXXX bis römisch XXXX wurde der Beschwerdeführer als „Ordonnanz“ eingesetzt und erhielt darüber hinaus keine speziellen militärischen Ausbildungen.
Nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes bleibt ein syrischer Mann, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Ob jemand einberufen wird, hängt entscheidend von dem Beruf, der Ausbildung, dem Rang und der Position während seines abgeleisteten Militärdienstes und der Einheit, welcher er diente, ab. Die Behörden ziehen vornehmlich Männer bis zu einem Alter von 27 Jahren ein, während Ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können.
Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst bereits abgeleistet. Er befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt mit XXXX Jahren nach wie vor im wehrfähigen Alter. Der Beschwerdeführer hat seinen Wehrdienst bereits abgeleistet. Er befindet sich zum Entscheidungszeitpunkt mit römisch XXXX Jahren nach wie vor im wehrfähigen Alter.
Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise einen Einberufungsbefehl als Reservist erhalten hat bzw. für einen Reservedienst rekrutiert wurde.
Der Beschwerdeführer wurde in Syrien weder aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht.
Dem Beschwerdeführer droht keine asylrelevante Verfolgung aufgrund der illegalen Ausreise aus seinem Herkunftsstaat oder seiner Antragstellung in Österreich.
1.3. Im Verfahren wurden folgende Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:
? Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024 (LIB)
? UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 6. aktualisierte Fassung, März 2021
? EUAA Country Guidance Syria, April 2024
1.3.1. Auszüge aus den Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 11 vom 27.03.2024:
Rechtsschutz / Justizwesen
Gebiete unter der Kontrolle des syrischen Regimes
Letzte Änderung 2024-03-08 19:51
Die syrische Verfassung sieht Demokratie (Art. 1, 8, 10, 12), Achtung der Grund- und Bürgerrechte (Art. 33-49), Rechtsstaatlichkeit (Art. 50-53), Gewaltenteilung sowie freie, allgemeine und geheime Wahlen zum Parlament (Art. 57) vor. Faktisch haben diese Prinzipien in Syrien jedoch nie ihre Wirkung entfaltet, da die Ba'ath-Partei durch einen von 1963 bis 2011 geltenden, extensiv angewandten Ausnahmezustand wichtige Verfassungsregeln außer Kraft setzte. Zwar wurde der Ausnahmezustand 2011 beendet, aber mit Ausbruch des bewaffneten Konflikts in Syrien umgehend im Jahr 2012 durch eine genauso umfassende und einschneidende „Anti-Terror-Gesetzgebung“ ersetzt. Sie führte zu einem Machtzuwachs der Sicherheitsdienste und massiver Repression, mit der das Regime auf die anfänglichen Demonstrationen und Proteste sowie den späteren bewaffneten Aufstand großer Teile der Bevölkerung antwortete. Justiz und Gerichtswesen sind von grassierender Korruption und Politisierung durch das Regime geprägt. Laut geltender Verfassung ist der Präsident auch Vorsitzender des Obersten Justizrates (AA 29.3.2023).Die syrische Verfassung sieht Demokratie (Artikel eins,, 8, 10, 12), Achtung der Grund- und Bürgerrechte (Artikel 33 -, 49,), Rechtsstaatlichkeit (Artikel 50 -, 53,), Gewaltenteilung sowie freie, allgemeine und geheime Wahlen zum Parlament (Artikel 57,) vor. Faktisch haben diese Prinzipien in Syrien jedoch nie ihre Wirkung entfaltet, da die Ba'ath-Partei durch einen von 1963 bis 2011 geltenden, extensiv angewandten Ausnahmezustand wichtige Verfassungsregeln außer Kraft setzte. Zwar wurde der Ausnahmezustand 2011 beendet, aber mit Ausbruch des bewaffneten Konflikts in Syrien umgehend im Jahr 2012 durch eine genauso umfassende und einschneidende „Anti-Terror-Gesetzgebung“ ersetzt. Sie führte zu einem Machtzuwachs der Sicherheitsdienste und massiver Repression, mit der das Regime auf die anfänglichen Demonstrationen und Proteste sowie den späteren bewaffneten Aufstand großer Teile der Bevölkerung antwortete. Justiz und Gerichtswesen sind von grassierender Korruption und Politisierung durch das Regime geprägt. Laut geltender Verfassung ist der Präsident auch Vorsitzender des Obersten Justizrates (AA 29.3.2023).
Das Justizsystem Syriens besteht aus Zivil-, Straf-, Militär-, Sicherheits- und religiösen Gerichten sowie einem Kassationsgericht. Gerichte für Personenstandsangelegenheiten regeln das Familienrecht (SLJ 5.9.2016). Der Konflikt in Syrien hat das bereits zuvor schwache Justizsystem weiter ausgehöhlt (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Unabhängigkeit syrischer Straf-, Zivil- oder Verwaltungsgerichte ist unverändert nicht gewährleistet, diese werden im Gegenteil vom Regime für politische Zwecke missbraucht. Vor allem vor Strafgerichten ist eine effektive Verteidigung in Fällen mit politischem Hintergrund praktisch nicht möglich. Immer wieder werden falsche Geständnisse durch Folter und Drohungen durch die Anklage erpresst und seitens der Gerichte weitestgehend vorbehaltlos akzeptiert (AA 2.2.2024). In Syrien vorherrschend und von langer Tradition ist die Diskrepanz zwischen dem geschriebenen Recht und der Umsetzung der Gesetze in der Praxis. Die in den letzten Jahren noch zugenommene und weitverbreitete Korruption hat diese Diskrepanz noch zusätzlich verstärkt. Die Rechtsstaatlichkeit ist schwach ausgeprägt, wenn nicht mittlerweile gänzlich durch eine Situation der Straffreiheit untergraben, in der Angehörige von Sicherheitsdiensten ohne strafrechtliche Konsequenzen und ohne jegliche zivile Kontrolle operieren können (ÖB Damaskus 1.10.2021). Richter und Staatsanwälte müssen im Grunde genommen der Ba'ath-Partei angehören und sind in der Praxis der politischen Führung verpflichtet (FH 9.3.2023).
Tausende von Gefangenen wurden monatelang oder jahrelang ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") festgehalten, bevor sie ohne Anklage oder Gerichtsverfahren freigelassen wurden, während viele andere im Gefängnis starben (USDOS 20.3.2023).
Anti-Terror-Gerichte (CTC)
2012 wurde in Syrien ein Anti-Terror-Gericht (Counter Terrorism Court - CTC) eingerichtet. Dieses soll Verhandlungen aufgrund "terroristischer Taten" gegen Zivilisten und Militärpersonal führen, wobei die Definition von Terrorismus im entsprechenden Gesetz sehr weit gefasst ist (SJAC 9.2018). Die „Terrorismus-Gerichte“ sind außerhalb des verfassungsrechtlichen Rahmens tätig (ÖB Damaskus 1.10.2021). Anklagen gegen Personen, die vor das CTC gebracht werden, beinhalten: das Finanzieren, Fördern und Unterstützen von Terrorismus; die Teilnahme an Demonstrationen; das Schreiben von Stellungnahmen auf Facebook; die Kontaktierung von Oppositionellen im Ausland; den Waffenschmuggel an bewaffnete Oppositionelle; das Liefern von Nahrungsmitteln, Hilfsgütern und Medizin in von der Opposition kontrollierte Gebiete (NMFA 5.2020).
Das Syrian Network for Human Rights (SNHR) und andere Quellen betonen, dass sowohl der Gerichtsprozess im CTC als auch die Gesetzgebung, auf deren Basis dieser Gerichtshof agiert offenkundig internationales Menschenrecht und fundamentale rechtliche Standards verletzen. Diese Verletzungen beinhalten: willkürliche Verhaftungen, unter Folter erzwungene Geständnisse als Beweismittel, geschlossene Gerichtssitzungen unter Ausschluss der Medien, das Urteilen des Gerichts über Zivilisten, Minderjährige und Militärangehörige gleichermaßen, die Ernennung der Richter durch den Präsidenten, die Nicht-Zulässigkeit von ZeugInnen der/des Angeklagten, usw. (NMFA 6.2021). Das normale juristische Prozedere gilt bei keinem der Fälle vor den CTCs. Eine Berufung gegen Urteile ist nicht möglich (BS 23.2.2022).
Mangels Definition von "Terrorismus" und mit "Terrorismus" als Generalvorwurf gegen jede Form von abweichender Meinung werden die Anti-Terrorismus-Gerichte als "politisch" kategorisiert (BS 23.3.2022), und vor allem auch viele Oppositionelle werden dabei als "Terroristen" angeführt (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Anti-Terror-Gerichte dienen insbesondere dem Zweck, politische Gegner und Personen, die sich für politischen Wandel und Menschenrechte einsetzen, auszuschalten. Demnach sollen seit Errichtung dieser Gerichte bis Oktober 2020 schätzungsweise mindestens 90.560 Fälle vor diesen Gerichten verhandelt worden sein. Dabei sollen mindestens 20.641 Gefängnisstrafen und mehr als 2.147 Todesurteile verhängt worden sein, davon der Großteil in Abwesenheit der Angeklagten. Vor diesen Gerichten sei Angeklagten in Verfahren, die oftmals nur wenige Minuten dauern, ein Rechtsbeistand verwehrt; sie würden nach glaubhaften Aussagen ehemaliger Häftlinge oftmals gezwungen, Geständnisse ohne Kenntnis des Textes blind zu unterschreiben. Viele der von diesen Gerichten Verurteilten erhielten laut SNHR Haftstrafen zwischen 10 und 20 Jahren, politische Dissidenten häufig bis zu 30 Jahre. In letzteren Fällen sei es wiederholt auch zu außergerichtlichen Hinrichtungen gekommen (AA 2.2.2024).
Undeklarierte Internierungslager, in denen unmenschliche Bedingungen vorherrschen, sind weit verbreitet. Auch Kinder und Frauen werden in diesen Internierungszentren festgehalten. Im Mai 2018 veröffentlichte die syrische Regierung Listen mit Tausenden Namen von in Internierungslagern verstorbenen Bürgern. Eine Aufklärung dieser Todesfälle steht aus (ÖB Damaskus 1.10.2021). Neben Gefängnisstrafen, Zwangsarbeit und der Todesstrafe sieht das Dekret 6372 auch vor, dass das Gericht, jeglichen beweglichen und unbeweglichen Besitz beschlagnahmen kann (SJAC 9.2018). Umfasst ist auch das Eigentum der Familien der Verurteilten und in einigen Fällen sogar ihrer Freunde (ÖB Damaskus 1.10.2021).
Militärgerichte und Feldgerichte
Militäroffiziere können ZivilistInnen sowohl vor Militärgerichte wie auch Feldgerichte stellen, in welchen es den Angeklagten an Prozessrechten fehlt. ZivilistInnen können zwar Berufung gegen die Entscheidungen von Militärgerichten einlegen, aber die Richter der Militärkammer des Kassationsgerichts sind letztlich dem Militär untergeordnet (FH 9.3.2023).
Militär-Feldgerichte sind geheime Gerichte, deren Richter Militärangehörige sind, die keinerlei Ausbildung oder juristischen Hintergrund haben müssen. Inhaftierte haben hierbei nicht die Möglichkeit, einen Anwalt zu beauftragen, und Anwälte können den Sitzungen nicht beiwohnen. Es gibt keine Möglichkeit zum Einspruch, und es fehlt an den Bedingungen für ein faires Gerichtsverfahren (NMFA 6.2021).
Ein befragter Experte beschrieb die Arbeit der Feldgerichte während aktiver Kämpfe in Kriegsgebieten folgendermaßen: "Feldtribunal" bedeutet nicht, dass es in einem großen Gebäude abseits der Front stattfindet, sondern es ist im Grunde ein Tisch mit drei Offizieren. Sie prüfen die Anschuldigungen, und es gibt eine sehr kurze Verhandlung, in der sie die Version der Geschichte des Angeklagten hören. Sie hören auch die Versionen der Offiziere und der Mitsoldaten, und wenn der Angeklagte beispielsweise des Hochverrats für schuldig befunden wird, kann er im Schnellverfahren hingerichtet werden, was bedeutet, dass er an die Wand gestellt und erschossen wird. Während des Konflikts ist es zu derartigen Fällen gekommen. Die Hinrichtungen werden üblicherweise von der Militärpolizei (ash-Shurta al-Askariya) oder dem Militärgeheimdienst durchgeführt (Üngör 15.12.2021).
Andere Gerichte
Die Verwaltung in den von der Regierung kontrollierten Gebieten arbeitet in Routineangelegenheiten mit einer gewissen Zuverlässigkeit, vor allem in Personenstandsangelegenheiten (AA 2.2.2024). Die religiösen Gerichte behandeln das Familien- und Personenstandsrecht und regeln Angelegenheiten wie Eheschließungen, Scheidungen, Erb- und Sorgerecht (IA 7.2017). Hierbei sind Scharia-Gerichte für sunnitische und schiitische Muslime zuständig. Drusen, Christen und Juden haben ihre eigenen gerichtlichen Strukturen. Für diese Gerichte gibt es auch eigene Berufungsgerichte (SLJ 5.9.2016). Manche Personenstandsgesetze wenden die Scharia unabhängig von der Religionszugehörigkeit der Beteiligten an (USDOS 20.3.2023).
Die anhaltende Regierungskampagne zur Konfiszierung von Land und Häusern oder Beschlagnahmung ohne adäquate Entschädigung macht Land- und Immobilienbesitzrechte zu einem sensiblen Thema, bei dem die Justiz nicht unabhängig ist. In diesen Fällen dienen die Gerichte dazu, die Einziehung des Besitzes im Namen des Kampfes gegen "Terrorismus" zu legitimieren. BürgerInnen im Ausland riskieren, dass ihr Besitz beschlagnahmt wird, wenn sie vom Regime mit der Opposition in Verbindung gebracht werden und haben kaum Einspruchsmöglichkeiten. Die Verfügungen zur Durchführung der Konfiszierung werden nur in lokalen Zeitungen bekannt gegeben und sind so vom Ausland nicht zugänglich. Die Kläger müssten persönlich (bei Einsprüchen) in solchen Fällen zugegen sein (BS 23.3.2022).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29884854, Zugriff 15.2.2024
? AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Auswärtiges Amt, Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2089904/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_Lage_in_der_Arabischen_Republik_Syrien_%28Stand_M%C3%A4rz_2023%29%2C_29.03.2023.pdf, Zugriff 14.4.2023
? BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069699/country_report_2022_SYR.pdf, Zugriff 11.3.2023
? FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2023 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2023, Zugriff 10.3.2023
? IA - International Alert (7.2017): 'Most of the Men want to leave': Armed groups, displacement and the gendered webs of vulnerability in Syria, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Gender_VulnerabilitySyria_EN_2017.pdf, Zugriff 11.3.2023
? NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2022)): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2081724/Country+of+origin+information+report+Syria.pdf, Zugriff 11.3.2023
? NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/reports/2021/06/14/country-of-origin-information-report-syria-june-2021/EN-AAB-Syrie-juni-2021.pdf, Zugriff 11.3.2023
? NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2020): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2038451/2020_05_MinBZ_NLMFA_COI_Report_Syria_Algemeen_ambtsbericht_Syrie.pdf, Zugriff 11.3.2023
? ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (1.10.2021): Asylländerbericht Syrien 2021 (Stand September 2021), https://www.ecoi.net/en/document/2066258.html, Zugriff 23.11.2022
? SJAC - The Syria Justice and Accountability Centre (9.2018): Return is a Dream - Options for Post-Conflict Property Restitution in Syria, https://syriaaccountability.org/content/files/2022/04/Property-Restitution-Report-Final-Web-1--4-.pdf, Zugriff 23.11.2022
? SLJ - Syrian Law Journal (5.9.2016): An Overview of the Syrian Court System, https://www.syria.law/index.php/overview-syrian-court-system/, Zugriff 10.3.2023
? Üngör, U?ur Ümit - Professor f. Geschichte, Universität Amsterdam/NIOD Institute (15.12.2021): Interview, via Videocall
? USDOS - USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 14.4.2023
Gebiete außerhalb der Kontrolle des Regimes unter HTS- oder SNA-Dominanz
Letzte Änderung 2024-03-08 19:52
In Gebieten außerhalb der Kontrolle des syrischen Regimes ist die Lage von Justiz und Verwaltung von Region zu Region und je nach den örtlichen Herrschaftsverhältnissen unterschiedlich (AA 2.2.2024). In von oppositionellen Gruppen kontrollierten Gebieten wurden unterschiedlich konstituierte Gerichte und Haftanstalten aufgebaut, mit starken Unterschieden bei der Organisationsstruktur und bei der Beachtung juristischer Normen. Manche Gruppen folgen dem (syrischen) Strafgesetzbuch, andere folgen dem Entwurf eines Strafgesetzbuches auf Grundlage der Scharia, der von der Arabischen Liga aus dem Jahr 1996 stammt, während wiederum andere eine Mischung aus Gewohnheitsrecht und Scharia anwenden. Erfahrung, Expertise und Qualifikation der Richter in diesen Gebieten sind oft sehr unterschiedlich und häufig sind diese dem Einfluss der dominanten bewaffneten Gruppierungen unterworfen (USDOS 11.3.2020). Auch die Härte des angewandten islamischen Rechts unterscheidet sich, sodass keine allgemeinen Aussagen getroffen werden können (ÖB Damaskus 1.10.2021).
Doch werden insbesondere jene religiösen Gerichte, welche in (vormals) vom Islamischen Staat (IS) und von Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) [Anm.: HTS wird von den Vereinigten Staaten aufgrund ihrer Verbindungen zu Al Qa'ida als ausländische Terrororganisation eingestuft (CRS 8.11.2022)] kontrollierten Gebieten Recht sprechen, als nicht mit internationalen Standards im Einklang stehend charakterisiert (ÖB Damaskus 1.10.2021). Die Gerichte extremistischer Gruppen verhängen in ihren religiösen Gerichten harte Strafen wegen in ihrer Wahrnehmung religiösen Verfehlungen (FH 9.3.2023). Urteile von Scharia-Räten der Opposition resultieren manchmal in öffentlichen Hinrichtungen, ohne dass Angeklagte Berufung einlegen oder Besuch von ihren Familien erhalten können (USDOS 20.3.2023).
Das Gebiet unter Kontrolle der von der Türkei unterstützten syrischen Oppositionsgruppen wird von der "Syrischen Interimsregierung" (Syrian Interim Government - SIG) verwaltet. Das Justizsystem ist hauptsächlich mit erfahrenem Personal als Richter, Staatsanwälte und Anwälte besetzt, aber die Justiz gilt als direkt und indirekt unter Einfluss der türkischen Streitkräfte und ihrer lokalen syrischen Verbündeten stehend. Implizit werden Korruption und Schikanen durch diese von der Justiz toleriert. Gleichzeitig wird gegen jegliche Opposition zur SIG oder der türkischen Präsenz strikt vorgegangen. Neben einem zivilen Justizsystem gibt es auch eine Militärjustiz, welche für militärische Strafverfahren und für das Militärpersonal zuständig ist (NMFA 5.2022).
In Idlib übernehmen quasi-staatliche Strukturen der sogenannten „Errettungs-Regierung“ der HTS Verwaltungsaufgaben (AA 2.2.2024) und verfügen auch über eine Justizbehörde. Die Gruppe unterhält auch geheime Gefängnisse. Die HTS unterwirft ihre Gefangenen geheimen Verfahren, den sogenannten "Scharia-Sitzungen". In diesen werden die Entscheidungen von den Scharia- und Sicherheitsbeamten (Geistliche in Führungspositionen der HTS, die befugt sind, Fatwas [Rechtsgutachten] und Urteile zu erlassen) getroffen. Die Gefangenen können keinen Anwalt zu ihrer Verteidigung hinzuziehen und sehen ihre Familien während ihrer Haft nicht (NMFA 6.2021). Die COI (die von der UNO eingesetzte Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic) stellt in ihrem Bericht vom Februar 2022 fest, dass durch HTS und andere bewaffnete Gruppierungen eingesetzte, rechtlich nicht legitimierte Gerichte Urteile bis hin zur Todesstrafe aussprechen. Dies sei als Mord einzustufen und stelle insofern ein Kriegsverbrechen dar (AA 2.2.2024).
Für ganz Syrien gilt, dass nicht gewährleistet ist, dass justizielle und administrative Dienstleistungen allen Bewohnern und Bewohnerinnen in gleichem Umfang und ohne Diskriminierung zugutekommen (AA 2.2.2024). Willkürliche Verhaftungen, summarische Gerichtsverfahren und extralegale Strafen finden durch alle Kriegsparteien statt (FH 9.3.2023).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29884854, Zugriff 15.2.2024
? CRS - Congressional Research Service [USA] (8.11.2022): Armed Conflict in Syria: Overview and U.S. Response, https://sgp.fas.org/crs/mideast/RL33487.pdf, Zugriff 11.3.2023
? FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2023 - Syria, https://freedomhouse.org/country/syria/freedom-world/2023, Zugriff 10.3.2023
? NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2022)): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2081724/Country+of+origin+information+report+Syria.pdf, Zugriff 11.3.2023
? NMFA - Netherland Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (6.2021): Country of origin information report Syria, file, https://www.ecoi.net/en/document/2058351.html, Zugriff 11.3.2023
? ÖB Damaskus - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (1.10.2021): Asylländerbericht Syrien 2021, https://www.ecoi.net/en/document/2066258.html, Zugriff 11.3.2023
? USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089061.html, Zugriff 14.4.2023
? USDOS - United States Department of State [USA] (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2026345.html, Zugriff 11.3.2023
Nordost-Syrien
Letzte Änderung 2024-03-08 19:53
In Gebieten unter Kontrolle der sogenannten „Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien“ übernimmt diese quasi-staatliche Aufgaben wie Verwaltung und Personenstandswesen (AA 2.2.2024). Es wurde eine von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geführte Verwaltung geschaffen, die neben diesen Rechtsinstitutionen auch eine eigene Polizei, Gefängnisse und Ministerien umfasst (AI 12.7.2017). Das Justizsystem in den kurdisch kontrollierten Gebieten besteht aus Gerichten, Rechtskomitees und Ermittlungsbehörden (USDOS 20.3.