TE Vfgh Erkenntnis 1993/3/22 B1109/92

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Veröffentlicht am 22.03.1993
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Vlbg GVG §5 Abs2

Leitsatz

Keine Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten durch die Abweisung eines als Antrag auf nachträgliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung der Errichtung bestimmter Gebäude auf einem land- und forstwirtschaftlichen Grundstück gedeuteten Antrags

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Beschwerdeführer (ungarische Staatsangehörige) haben den vorgelegten Verwaltungsakten zufolge seit dem Jahre 1957 mehrere Grundstücke im Ausmaß von etwa 10 ha zur landwirtschaftlichen Nutzung gepachtet. Der Viehstand beträgt nach ihren Angaben "60 Schafe, 2 Kühe, 3 Rinder und 40 Schweine". Im Jahre 1957 seien von den Beschwerdeführern auf dem 1137 m2 großen Grundstück Nr. 2132/2, GB Wolfurt, (einem der Pachtgrundstücke) mehrere landwirtschaftliche Gebäude (Hütten) errichtet worden.

Am 1. Juli 1991 stellten die Beschwerdeführer bei der Grundverkehrs-Landeskommission für Vorarlberg ein "Grundverkehrsansuchen", das die Behörde als Antrag um (nachträgliche) grundverkehrsbehördliche Genehmigung zur Einräumung des Rechtes der Bauführung auf dem erwähnten Grundstück deutete.

Die Behörde versagte mit Bescheid vom 4. Dezember 1991 gemäß §5 Abs2 des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes, LGBl. 18/1977, idF LGBl. 63/1987, (im folgenden kurz: Vlbg. GVG), die begehrte Genehmigung.

b) Der Grundverkehrssenat des Landes Vorarlberg wies mit Bescheid vom 24. Juni 1992 die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Berufung gemäß §66 Abs4 AVG iVm §5 Abs2 Vlbg. GVG ab und begründete seine Entscheidung nach dem Hinweis, daß die Beschwerdeführer nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen und daher gemäß §1 Abs3 Vlbg. GVG als Ausländer gälten, im wesentlichen wie folgt:

"Gemäß §5 Abs2 GVG ist ein Rechtserwerb durch Ausländer nur zu genehmigen, wenn land- und forstwirtschaftliche Interessen nicht verletzt werden, staatspolitische Interessen nicht beeinträchtigt werden und am Rechtserwerb ein kulturelles, volkswirtschaftliches oder soziales Interesse besteht.

Gemäß §20 Grundverkehrsgesetz, LGBl. Nr. 18/1977, unterliegen Rechtsgeschäfte, über die vor dem 20.6.1954 nicht im Sinne des Grundverkehrsgesetzes, BGBl. Nr. 251/1937, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 123/1946, rechtskräftig entschieden ist, den Bestimmungen dieses Gesetzes, auch wenn sie vor dessen Wirksamkeit abgeschlossen wurden.

Gemäß ArtII lita des Grundverkehrsgesetzes ist dieses Gesetz auf alle Rechtserwerbe, die nach seinem Inkrafttreten erfolgen, mit der Maßgabe anzuwenden, daß Rechtserwerbe, die nach bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen genehmigt wurden, als nach diesem Gesetz genehmigt gelten.

Die Einräumung des Rechtes zur Bauführung auf einem Grundstück bedarf jedenfalls seit dem Jahre 1954 der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde (§3 Grundverkehrsgesetz, LGBl. Nr. 15/1954). Seit der Änderung des Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 37/1971, können gemäß §3 Abs1 litb Grundverkehrsgesetz nur mit Genehmigung der Behörde das Baurecht im Sinne des Baurechtsgesetzes sowie andere Rechte, welche die Errichtung von baulichen Anlagen auf fremdem Grund gestatten, eingeräumt werden.

Gemäß §3 Abs1 litb GVG können nur mit Genehmigung der Behörde Rechte, welche die Errichtung von baulichen Anlagen auf fremden Grund gestatten, eingeräumt werden.

Bei den bestehenden Gebäuden auf dem gegenständlichen Grundstück ist es aufgrund der Aktenlage nicht leicht zu ermitteln, wann sie errichtet worden sind. Eine genaue Prüfung dieser Frage kann jedoch unterbleiben, weil aufgrund des Ermittlungsverfahrens anzunehmen ist, daß sie jedenfalls nach dem Jahre 1955 errichtet wurden und - wie dargelegt - die Einräumung des Rechtes zur Bauführung auf einem fremden Grundstück jedenfalls seit dem Jahre 1954 der Genehmigung der Grundverkehrsbehörde bedarf und gemäß ArtII lita GVG das Grundverkehrsgesetz auf alle Rechtserwerbe, die nach seinem Inkrafttreten erfolgen, anzuwenden ist, zudem die gegenständliche Bauführung nicht nach bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen genehmigt wurde. Die Grundverkehrs-Landeskommission hat daher zu Recht ihre Zuständigkeit zur Genehmigung des gegenständlichen Rechtserwerbes in Anspruch genommen.

Da die Berufungswerber - wie dargelegt - als Ausländer gelten, bedarf der gegenständliche Rechtserwerb der Voraussetzungen des §5 Abs2 lita - c GVG. Ein kulturelles oder volkswirtschaftliches Interesse wurde nicht behauptet und ist im Verfahren auch nicht zu Tage getreten. Die gegenständliche Berufung scheint auf ein soziales Interesse abzustellen:

Der Grundverkehrssenat verkennt nicht, daß die beiden Berufungswerber derzeit ein Einkommen aus ihrer landwirtschaftlichen Tätigkeit erzielen. Entsprechend den Darlegungen der Grundverkehrs-Landeskommission in der Begründung des angefochtenen Bescheides ist jedoch Voraussetzung für die Genehmigung des Rechtserwerbes ein Interesse, welches über die privaten Beweggründe der Vertragsparteien hinausgeht. Die Realisierung des Rechtsgeschäftes muß von solcher allgemeiner Bedeutung sein, daß es der Erfüllung sozialer oder volkswirtschaftlicher Interessen dient. Gerade dies ist jedoch beim gegenständlichen Rechtserwerb nicht der Fall und wurde auch nicht behauptet. Dazu kommt, daß die Berufungswerber die gegenwärtige landwirtschaftliche Tätigkeit nur noch weitere zwei Jahre selber fortsetzen wollen und sie Pensionszahlungen in zusammen nicht unbedeutender Höhe ab November 1992 bzw. ab dem Jahre 1994 erwarten.

Da schon die Voraussetzungen des §5 Abs2 litc GVG für den Grunderwerb nicht vorlägen, erübrigt sich, eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen des §5 Abs2 GVG."

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 (Abs1) B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, "insbesondere im Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz wegen denkunmöglicher Gesetzesanwendung sowie im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wegen unzutreffender Inanspruchnahme einer behördlichen Zuständigkeit", weiters der Sache nach die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (nämlich des §20 und des ArtII des Vlbg. GVG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der Grundverkehrssenat als jene Behörde, die den bekämpften Bescheid erlassen hat, erstattete eine Gegenschrift, in der begehrt wird, die Beschwerde kostenpflichtig aufzuheben.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.a) Die Beschwerdeführer bringen zunächst vor, die Behörde habe über einen Antrag entschieden, den sie gar nicht gestellt hätten; sie habe also eine ihr nicht zukommende Kompetenz in Anspruch genommen und damit das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

b) Eine andere Deutung des Inhaltes ihres Antrages als der vom Grundverkehrssenat angenommene ist ausgeschlossen. Unter Punkt 3. des formularmäßigen Grundverkehrsansuchens ist als Gegenstand des Rechtsgeschäftes das in Rede stehende Grundstück, auf dem sich verschiedene landwirtschaftliche Gebäude befänden, die von den Beschwerdeführern errichtet worden seien, angeführt. Auch unter Punkt 5. ("Erwerbszweck") wurden von den Beschwerdeführern die von ihnen auf fremdem Grund errichteten landwirtschaftlichen Gebäude angegeben, was darauf hinweist, daß sie für die Errichtung dieser Gebäude die grundverkehrsbehördliche Genehmigung beantragen wollten.

Vor allem aber ist auf der ersten Seite des Formulars das Wort "Bauführung" unterstrichen, sodaß der Antragstitel wie folgt zu lesen ist:

"Grundverkehrs-Ansuchen um Genehmigung für nachstehenden Rechtserwerb: Bauführung".

Die Beschwerdeführer haben im übrigen in ihrer Berufung dieser bereits von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommenen Deutung des Antragsinhaltes nicht widersprochen.

Die Beschwerdeführer wurden mithin im Grundrecht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt.

2.a) Die Beschwerdeführer meinen weiters, der Grundverkehrssenat habe völlig verfehlt das Vorliegen sozialer und volkswirtschaftlicher Interessen verneint. Könnten sie den Landwirtschaftsbetrieb nicht fortführen (was ohne die Gebäude ausgeschlossen sei), so wären sie mittellos und fielen der Sozialfürsorge anheim.

b) Die oben wiedergegebene Einschätzung der Behörde mag für die Beschwerdeführer zu Härten führen; denkunmöglich ist sie nicht. Die Behörde meint, das öffentliche Interesse daran, daß Ausländer keine Bauwerke auf landwirtschaftlichem Grund errichten, überwiege das Interesse der Beschwerdeführer, ihren Betrieb noch zwei Jahre fortzuführen; diese Beurteilung ist zumindest vertretbar. Die Annahme der Behörde, die Beschwerdeführer würden ab 1992 bzw. 1994 ohnehin Pensionszahlungen erhalten, ist substantiiert; die Beschwerdeführer treten ihr nicht entgegen.

Es liegt also auch keine Verletzung des Eigentumsrechtes vor.

Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes scheidet aus, weil die Beschwerdeführer nicht österreichische Staatsbürger sind.

3.a) Schließlich werden in der Beschwerde noch Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §20 Vlbg. GVG sowie des ArtII Vlbg. GVG (gemeint offenbar: ArtII der GVG-Novelle LGBl. 63/1987) vorgebracht: Eine Bestimmung, die eine Rückwirkung für einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren anordne, widerspreche dem Prinzip des Vertrauens auf wohlerworbene Rechte und sei deshalb gleichheitswidrig. Anfang der sechziger Jahre wäre die Einräumung eines Rechtes zur Bauführung jedenfalls zu genehmigen gewesen, da weder Interessen iS des §3 des Vlbg. Ausländergrunderwerbsgesetzes, LGBl. 33/1962, noch solche iS des §5 Abs1 des Vlbg. GVG 1954, LGBl. 15, beeinträchtigt gewesen seien.

b) Auf diese Bedenken ist nicht einzugehen; die von den Beschwerdeführern kritisierten Bestimmungen sind nämlich nicht präjudiziell:

aa) §20 Vlbg. GVG lautet:

§20

"Rechtsgeschäfte, über die vor dem 20. Juni 1954 nicht im Sinne des Grundverkehrsgesetzes, BGBl. Nr. 251/1937, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 123/1946, rechtskräftig entschieden ist, unterliegen den Bestimmungen dieses Gesetzes, auch wenn sie vor dessen Wirksamkeit abgeschlossen wurden."

Diese Bestimmung findet sich bereits im Vlbg. GVG, LGBl. 15/1954, (s. dessen §23 Abs2), und wurde seither nicht novelliert. Das GVG wurde lediglich mehrmals wiederverlautbart ("neu kundgemacht").

Der in Rede stehende Rechtserwerb (Bauführung auf fremden Grund) erfolgte - wie die Beschwerdeführer selbst ausführen) im Jahre 1957, also erst nach dem 20. Juni 1954; er wird mithin von §20 Vlbg. GVG nicht erfaßt.

bb) ArtII der GVG-Novelle 1987 bestimmt:

"Artikel II

Übergangsbestimmungen

Dieses Gesetz ist auf alle Rechtserwerbe, die nach seinem Inkrafttreten erfolgen, mit der Maßgabe anzuwenden, daß

a) Rechtserwerbe, die nach bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen genehmigt wurden, als nach diesem Gesetz genehmigt gelten,

b) im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Gesetzes zu beenden sind,

c) die im ArtI Z. 8 (§§9 Abs2 und 10 Abs3)

festgesetzte Frist frühestens im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes zu laufen beginnt."

Unter der in der Einleitung des ArtII enthaltenen Wortfolge "Dieses Gesetz" ist die GVG-Novelle 1987 zu verstehen, die mit Ablauf des 30. Dezember 1987 in Kraft trat. Zu diesem Zeitpunkt war der bereits 1957 erfolgte Rechtserwerb weder nach bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen genehmigt gewesen (lita) noch darüber ein Verfahren anhängig (litb). Die in der litc erwähnten Bestimmungen betreffen die Frist von drei Monaten ab Vertragsabschluß, innerhalb deren ein Antrag einzubringen ist.

Die Verpflichtung, um Genehmigung des 1957 (angeblich) erfolgten Rechtserwerbes anzusuchen, war zum erwähnten Zeitpunkt längst eingetreten (vgl. §3 Abs1 litb GVG 1954 bzw. dessen Wiederverlautbarung, LGBl. 48/1962).

Der Verfassungsgerichtshof hegt unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles keine Bedenken dagegen, daß ein stets genehmigungspflichtiger Rechtserwerb, der rechtswidrigerweise der Behörde nicht angezeigt wurde, nach den derzeit geltenden Vorschriften beurteilt wird, und nicht nach der seinerzeit (1957) geltenden Rechtslage, auch wenn diese für die Beschwerdeführer günstiger gewesen sein mag.

4. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurden. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß sie in ihren Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

6. Die von der obsiegenden Behörde begehrten Kosten waren nicht zuzusprechen, weil ihr nach §88 VerfGG ersatzfähige Kosten (etwa Reisekosten) nicht erwachsen sind.

Schlagworte

Ausländergrunderwerb, Auslegung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:B1109.1992

Dokumentnummer

JFT_10069678_92B01109_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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