Entscheidungsdatum
25.04.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W257 2279385-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Spruchpunkt I., vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Herbert MANTLER, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Spruchpunkt römisch eins., vom römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.04.2024, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (nunmehr „BF“) stellte am 07.06.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 08.06.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Er führte aus, dass er syrischer Staatsangehöriger, islamischen Glaubens und verheiratet zu sein. Seine Muttersprache sei Arabisch und er gehöre der arabischen Volksgruppe an. Er habe die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung erhalten und zuletzt keinen Beruf ausgeübt. Er stamme aus XXXX . Dort wären seine Ehefrau, seine beiden Söhne sowie sechs Schwestern und sechs Brüder noch aufhältig. Zwei Brüder würden in Deutschland leben, zwei weitere in Saudi-Arabien.1. Der Beschwerdeführer (nunmehr „BF“) stellte am 07.06.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 08.06.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Er führte aus, dass er syrischer Staatsangehöriger, islamischen Glaubens und verheiratet zu sein. Seine Muttersprache sei Arabisch und er gehöre der arabischen Volksgruppe an. Er habe die Grundschule besucht, keine Berufsausbildung erhalten und zuletzt keinen Beruf ausgeübt. Er stamme aus römisch XXXX . Dort wären seine Ehefrau, seine beiden Söhne sowie sechs Schwestern und sechs Brüder noch aufhältig. Zwei Brüder würden in Deutschland leben, zwei weitere in Saudi-Arabien.
Syrien habe legal im Jahr 2014 in den Libanon verlassen. Neun Jahre danach sei über Syrien und die Türkei und in Europa über Serbien und Ungarn nach Österreich gekommen. Österreich sei aufgrund der Familienzusammenführung sein Zielland gewesen.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF aus, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe. Er müsse seit 2016 seinen Militärdienst ableisten. Er möchte wegen des Krieges nicht zurückkehren und seine Familie nachholen.
2. Am 12.05.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nunmehr „BFA“) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er nach eingehender Belehrung, dass er den Dolmetscher gut verstehe. Er gab an über eine Rechtsvertretung am 27.02.2023 eine Säumnisbeschwerde eingebracht zu haben, um sein Verfahren beschleunigen zu können. Nach weitere Rechtsbelehrung zog der BF seine Säumnisbeschwerde zurück. Danach gab der BF an, gesund zu sein und legte seinen syrischen Personalausweis sowie Kopien seines Militärbuches vor. Er werde auch einen Auszug aus dem Familienregister vorlegen, habe diesen aber heute nicht dabei.
Er stamme aus dem Dorf XXXX , in XXXX in der Provinz Aleppo. Er sei mit seiner Cousine seit 2019 verheiratet. Er habe diese im Libanon geheiratet. Er sei in täglichen Kontakt mit seiner Familie, die nach wie vor im Libanon lebe.Er stamme aus dem Dorf römisch XXXX , in römisch XXXX in der Provinz Aleppo. Er sei mit seiner Cousine seit 2019 verheiratet. Er habe diese im Libanon geheiratet. Er sei in täglichen Kontakt mit seiner Familie, die nach wie vor im Libanon lebe.
Den Entschluss Syrien zu verlassen, habe er bereits im Jahr 2011 getroffen. Im Dezember 2014 habe er Syrien legal in den Libanon verlassen. Zuvor habe er einen Aufschub vom Militärdienst gehabt. Er habe sich bis dahin an seinem Heimatort aufgehalten. Dieser sei derzeit unter kurdischer Kontrolle. Im Mai 2022 sei er für kurze Zeit schlepperunterstützt nach Syrien zurückgekehrt, um sich einen Schlepper in die Türkei organisieren zu können. Im Libanon, wo er als Maler gearbeitet habe, habe er keine Bürgen mehr gehabt und hätte abgeschoben werden können. In anderen Ländern Europas habe er keinen Asylantrag gestellt, weil es dort keine Familienzusammenführungen gebe.
Er habe zehn Jahre die Grundschule besucht und Berufsausbildung/Berufserfahrung als Maler und Bauarbeiter. Er stellte richtig, dass vier Schwestern und zwei Brüder in Syrien leben würden. Zwei Brüder und zwei Halbbrüder würden in Deutschland und Saudi-Arabien leben.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der BF im Wesentlichen aus, dass er seinen Militärdienst bei der syrischen Armee, zumal sein Aufschub nicht verlängert worden wäre. Sonstige Fluchtgründe habe er nicht. Er habe auch nicht an bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen. Sein Militärdienstbuch befinde sich im Original in Syrien. Er sei damals vom Dorfvorsteher mündlich einberufen worden. Zweimal habe er einen Aufschub erhalten, weil er sich zu Maturaprüfungen angemeldet habe. Wenn er nach Syrien zurückgeschickt werden, werde er zum Militär eingezogen und an die Front geschickt. In seinem Heimatdorf würde er von den Kurden rekrutiert werden. Er habe sich nicht vom Militärdienst freikaufen wollen, weil er diese Regierung nicht finanzieren wolle. Abgesehen davon würde er im Heimatort von den Kurden der Regierung übergeben werden, weil diese zusammenarbeiten würden. Auf Vorhalt, dass die Kurden nur bis 24 rekrutieren würden, vermeinte der BF, dass diese ein Schriftstück an die Familie geschickt hätten, diese könne er aber nicht vorlegen, weil die Kurden nur mündliche Einberufungsbefehle erteilen würden. Sie würden diesen schriftlichen Befehl nicht aushändigen.
In Österreich wolle er Deutsch lernen und als Maler arbeiten. Auf Vorhalt der Länderberichte verzichtete der BF im Rahmen der Einvernahme auf eine Stellungnahme.
Danach erfolgte die wortwörtliche Rückübersetzung und der BF bestätigte, dass alles richtig aufgenommen worden wäre. Er wurde auch über den weiteren Verlauf des Verfahrens aufgeklärt. Er habe nichts mehr hinzuzufügen und den Dolmetscher einwandfrei verstanden. Danach bestätigte er mit seiner Unterschrift die Richtigkeit und Vollständigkeit der Niederschrift.
3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2023, zugestellt am 14.08.2023 durch Hinterlegung, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2023, zugestellt am 14.08.2023 durch Hinterlegung, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Angaben zur Identität und Herkunft des BF durch seine Angaben und vorgelegten Dokumente zwar glaubwürdig gewesen seien, jedoch es sich aus seinen Angaben ergebe, dass er von den syrischen Streitkräften weder einberufen worden noch eine Zwangsrekrutierung ausgesetzt gewesen sei. Sein Herkunftsort stehe unter kurdischer Kontrolle. Abgesehen davon habe der BF im Libanon auch nicht um internationalen Schutz angesucht, obgleich er dort gearbeitet und eine Familie gegründet habe. Auch sprächen seine Reiseroute und das Auswählen eines gezielten Landes zur Stellung eines Asylantrages, bei Durchquerung von zahlreichen sicheren Staaten, gegen eine tatsächliche Verfolgung. Sonstige Gründe, die eine asylrechtlich relevante Verfolgung nach sich ziehen würde, wären seitens des BF nicht vorgebracht worden. Im Falle einer Rückkehr in seinen Heimatort hätten die syrischen Behörden keinen Zugriff auf den BF. Da die Kurden, die den Heimatort den BF kontrollieren wurden, nur bis von 18 bis 24 rekrutieren würden, begründe eine mögliche Einberufung zu kurdischen Streitkräften ebenfalls keinen asylrechtlich relevanten Tatbestand.
Der BF habe keine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft machen können und Syrien aufgrund des Krieges und der schlechten Sicherheitslage verlassen. Es sei jedoch nicht hervorgekommen, dass der BF einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der GFK ausgesetzt gewesen sei und solche auch zukünftig nicht zu erwarten wäre. Der BF habe keine individuelle Verfolgungshandlung glaubhaft machen können.
Aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage in seinem Herkunftsstaat sei dem BF, unter der Berücksichtigung der EMRK, subsidiärer Schutz in Österreich und somit ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht von einem Jahr zu gewähren gewesen.
4. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde dem BF am 10.08.2023 die BBU GmbH als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.4. Mit Verfahrensanordnung gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG wurde dem BF am 10.08.2023 die BBU GmbH als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.
5. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 01.09.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte und durch seine nunmehrige Vertretung, der BBU GmbH, erhoben wurde. Als Beschwerdegründe wurden die Verletzung von Verfahrensvorschriften und mangelnde Beweiswürdigung sowie mangelhafte Länderfeststellungen geltend gemacht.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 01.09.2023 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte und durch seine nunmehrige Vertretung, der BBU GmbH, erhoben wurde. Als Beschwerdegründe wurden die Verletzung von Verfahrensvorschriften und mangelnde Beweiswürdigung sowie mangelhafte Länderfeststellungen geltend gemacht.
Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, weil der BF sehr wohl eine begründete Furcht vor einer Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee angeführt habe. Es sei den Länderberichten zu entnehmen, dass Männer im wehrpflichtigen Alter einer asylrechtlich relevanten Bedrohung in Syrien ausgesetzt wären, zumal willkürlich Festnahmen, Misshandlungen, Folter oder verschwinden lassen in Syrien weit verbreitet wären, vor allem gegen Personen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden würden. Die Schwelle, als oppositionell betrachtet zu werden, sei sehr gering, weshalb eine Weigerung des Wehrdienstes sehr wohl bereits darunterfallen würde, als oppositionell angesehen zu werden. Im Übrigen fehle es auch an einer einheitlichen Praxis, wie eine Person zum Wehrdienst einberufen werde. Auch in von den Kurden kontrollierten Gebiete wurden Personen, die ab 1998 geboren worden wären, zum Militärdienst einberufen werden.
Spätestens bei der Einreise nach Syrien würde der BF ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten. Diese hätten Listen von Personen, die illegal das Land verlassen hätten. Der BF falle daher unter das Risikoprofil vermeintlich in Opposition zur Regierung stehend und das des Wehrdienstverweigerers. Daher sei der BF auch der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die syrische Regierung ausgesetzt. Alleine, dass er aus XXXX stamme und er in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, würde ausreichen, dass ihm die syrische Regierung eine politische Gesinnung unterstellen würde.Spätestens bei der Einreise nach Syrien würde der BF ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten. Diese hätten Listen von Personen, die illegal das Land verlassen hätten. Der BF falle daher unter das Risikoprofil vermeintlich in Opposition zur Regierung stehend und das des Wehrdienstverweigerers. Daher sei der BF auch der Gefahr einer Zwangsrekrutierung durch die syrische Regierung ausgesetzt. Alleine, dass er aus römisch XXXX stamme und er in Österreich einen Asylantrag gestellt habe, würde ausreichen, dass ihm die syrische Regierung eine politische Gesinnung unterstellen würde.
Außerdem habe es die belangte Behörde unterlassen, zu ermitteln über welchen Grenzübergang der BF nach Syrien einreisen könne und ob er seinen Heimatort gehfahrlos erreichen könne.
Der BF sei als oppositionell zu betrachten und der Gefahr einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt. Da die Angaben des BF glaubhaft gewesen wären, zumal diese mit den Länderberichten vereinbar gewesen wären und der BF auch einigen Risikogruppen nach UNHCR angehören würde, habe der BF glaubhaft gemacht, dass er aus asylrechtlich relevanten Gründen sein Heimatland verlassen habe.
Der BF habe sich nachvollziehbar darauf berufen habe, dass er aus Angst vor einer Zwangsrekrutierung geflohen sei. Daher habe der BF im Wesentlichen gleichbleibend ausgeführt, dass er aus wohlbegründeter Furcht sein Heimatland verlassen habe. Dass der BF seinen Militärdienst nicht angetreten habe, würde bei seiner Einreise festgestellt werden. Dies hätte zur Folge, dass er vom syrischen Regime als „oppositionell“ betrachtet werden würde. Als Militärdienstverweigerer drohe dem BF in Syrien eine asylrechtlich relevante Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Wehrdienstverweigerer. Er wäre aufgrund dieser Weigerung als Regimegegner angesehen. Aufgrund seiner unterstellten politischen Gesinnung als Wehrdienstverweigerer würde daher eine asylrechtlich relevante Verfolgung vorliegen, weshalb der angefochtene Bescheid mangelhaft sei. Es wurde beantragt der Beschwerde stattzugeben und dem BF des Asylberechtigten zuzuerkennen. Ebenfalls wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
7. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 09.10.2023 vorgelegt und sind am 11.10.2023 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen.
8. Mit Schreiben vom 04.04.2024 gab die Rechtsvertretung des BF eine Stellungnahme ab, dass der BF aus einer Region stamme, die zwar von den Kurden kontrolliert werde, auf die aber auch die syrische Armee Einfluss habe. So würde die syrische Regierung an Checkpoints Wehrpflichtige ausfindig machen und zum Wehrdienst eskortieren. Daher drohe dem BF eine Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime auch an seinem Herkunftsort. Ebenso wurde ein Schriftstück über seinen Aufschub vom Militärdienstaus dem Jahr 2014 vorgelegt.
9. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 09.04.2024, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF, ebenso wie seine Rechtsvertretung, persönlich teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde verzichtete, mit Schreiben vom 02.04.2023 entschuldigt, auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
Nach eingehender Belehrung und Verzicht auf Verlesung des Aktes gab der BF an, dass als Speisenlieferant vom 31.08.2023 bis 15.02.2024 gearbeitet habe. Er habe festgestellt, dass seine Deutschkenntnisse nicht ausreichen würden und daher habe er aufgehört und sich bei einem Deutschkurs angemeldet, der am 06.05.2024 beginnen würde.
Seine bisherigen Aussagen würden der Wahrheit entsprechen, nur wolle er richtigstellen, dass die kurdischen Behörden mit einem Befehl zu ihm gekommen wären, dies jedoch ein Festnahmebefehl gewesen wäre, den man Festgenommenen nicht übergeben würde. Ebenso habe der Dolmetscher nicht erwähnt, dass er gesagt habe, dass sein Wohnort ca. 4 km von der vom Regime kontrollierten Seite der Grenze entfernt sei. Dass seine Eltern durch ein Bombardement ums Leben gekommen wären, sei auch nicht in der Niederschrift festgehalten worden. Den Dolmetscher habe er damals gut verstanden.
Es wurde die Lage des Heimatdorfs des BF, das sich ca. 25 km südlich von der Stadt XXXX , in der Region XXXX , befinde, dem BF vorgehalten und dieser bestätigte die Lage. Nach Einsicht in https://syria.liveuamap.com/ wird festgehalten, dass dieses Gebiet ist unter der Kontrolle der Kurden sei. Der BF sei dort aufgewachsen.Es wurde die Lage des Heimatdorfs des BF, das sich ca. 25 km südlich von der Stadt römisch XXXX , in der Region römisch XXXX , befinde, dem BF vorgehalten und dieser bestätigte die Lage. Nach Einsicht in https://syria.liveuamap.com/ wird festgehalten, dass dieses Gebiet ist unter der Kontrolle der Kurden sei. Der BF sei dort aufgewachsen.
Er sei verheiratet. Seine jüngeren Brüder Geburtsjahr 2009 und 2011 würden in Syrien leben. Ein Bruder lebe in Saudi-Arabien und drei weitere Brüder in Deutschland.
Zu seinem Fluchtgrund gefragt, führte der BF aus, dass er nach dem Ablauf seines studienbedingten Aufschubes vom syrischen Militär seinen Militärdienst antreten hätte müssen. Dies lehne er, aufgrund der kriminellen Aktivitäten, ab. Er sei am 08.12.2014 in den Libanon gegangen, um den Militärdienst nicht antreten zu müssen.
In XXXX sei er damals in eine theologische Schule gegangen. Seine Frau lebe im Libanon.In römisch XXXX sei er damals in eine theologische Schule gegangen. Seine Frau lebe im Libanon.
Auf der Weiterreise nach Europa habe er eine Woche lang in Syrien an der syrisch-türkischen Grenze aufgehalten. Es sei am Grenzübergang XXXX gewesen. Es sei offiziell nie in Syrien gewesen, aber der wenn man in die Türkei wolle, verlaufe der Weg zwangsläufig durch Syrien. Dadurch, dass ich Syrien illegal betreten habe und danach Syrien illegal verlassen habe er offiziell als gar nicht anwesend gegolten.Auf der Weiterreise nach Europa habe er eine Woche lang in Syrien an der syrisch-türkischen Grenze aufgehalten. Es sei am Grenzübergang römisch XXXX gewesen. Es sei offiziell nie in Syrien gewesen, aber der wenn man in die Türkei wolle, verlaufe der Weg zwangsläufig durch Syrien. Dadurch, dass ich Syrien illegal betreten habe und danach Syrien illegal verlassen habe er offiziell als gar nicht anwesend gegolten.
Den Libanon habe er verlassen, weil dort auch syrische Flüchtlinge zwangsrekrutiert werden würden, um in Syrien zu kämpfen. Abgesehen davon kontrolliere die Hizbollah den Libanon mit großem Ausmaß und die habe ihren Unmut an den syrischen Flüchtlingen ausgelassen.
In der Türkei habe er sich zwei Wochen illegal aufgehalten. Die beiden in Syrien lebenden Brüder wären noch nicht wehrpflichtig. Mit seiner Frau sei er fast täglich in Kontakt. Er habe vier Schwestern und eine Halbschwester, warum er allerdings anfangs eine in der Türkei lebende Schwester, mit der er vor drei Tagen Kontakt gehabt hätte, nicht erwähnt habe, könne er sich nicht erklären. Ein Halbbruder lebe in Saudi-Arabien, zwei weitere in Deutschland. Ein Bruder lebe ebenfalls in Deutschland.
Im Falle einer Rückkehr nach Syrien befürchte er die Konsequenzen seiner Flucht, was bis zur Todesstrafe reichen könnte. Sollte es nicht dazu kommen, dann würde er zwangsrekrutiert werden und müsste die kriminellen Tätigkeiten des syrischen Regimes unterstützen.
Er befürchte, sowohl von den Kurden als auch von dem syrischen Regime zwangsrekrutiert zu werden. Bei dem syrischen Regime sei es ganz sicher, bei den Kurden werde man vor die Wahl gestellt. Entweder man kämpfe mit ihnen oder man werde aufgrund eines Kooperationsabkommens mit dem syrischen Regime an die Behörden des syrischen Regimes ausgeliefert.
Das syrische Regime Einfluss habe nicht nur über sein Dorf Einfluss, sondern über das gesamte Gebiet. Die Zusammenarbeit mit den Kurden laufe auf höchster Ebene. Es gebe auch in den kurdischen Gebieten Kooperationsbüros für das syrische Regime. Ca. 5 km außerhalb seines Dorfes sei ein Checkpoint für die syrische Armee. Er kenne noch weitere Ortschaften in seiner Nähe, wo es Checkpoints der syrischen Armee gebe.
Es wird ein Bericht vom 07.09.2023, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in XXXX in das Verfahren eingebracht. Die Rechtsvertretung verweist im Gegenzug auf die aktualisierte UN-Karte von Juni 2023, welche auch im aktuellen LIB zu Syrien vom 14.03.2024 (mit geringen Änderungen vom 27.03.2024) zitiert werde, wonach sich die Region um XXXX im Einflussbereich des syrischen Regimes befinde, woraus folge, dass das syrische Regime auch auf den Herkunftsort des BF Zugriff habe.Es wird ein Bericht vom 07.09.2023, Anfragebeantwortung zu Syrien: Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in römisch XXXX in das Verfahren eingebracht. Die Rechtsvertretung verweist im Gegenzug auf die aktualisierte UN-Karte von Juni 2023, welche auch im aktuellen LIB zu Syrien vom 14.03.2024 (mit geringen Änderungen vom 27.03.2024) zitiert werde, wonach sich die Region um römisch XXXX im Einflussbereich des syrischen Regimes befinde, woraus folge, dass das syrische Regime auch auf den Herkunftsort des BF Zugriff habe.
Er wolle nicht für das syrische Regime kämpfen, weil dies ein diktatorisches und korruptes Regime sei. Es sei für den Tod seiner Eltern und vieler anderer seiner Landsleute verantwortlich. ist.
Zu den übersandten Länderberichten gebe es seitens des BF keine Einwände.
Danach erfolgte der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß § 29 Abs. 3 VwGVG.Danach erfolgte der Schluss der mündlichen Verhandlung. Die Verkündung der Entscheidung entfiel gemäß Paragraph 29, Absatz 3, VwGVG.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, trägt den im Spruch erwähnten Namen, ist am XXXX in Syrien geboren worden, Araber und sunnitischer Moslem. Er befindet sich nicht in medizinischer Behandlung und ist gesund. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, trägt den im Spruch erwähnten Namen, ist am römisch XXXX in Syrien geboren worden, Araber und sunnitischer Moslem. Er befindet sich nicht in medizinischer Behandlung und ist gesund. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.
In Syrien leben noch zwei minderjährige Brüder. Sein vier (Halb-)Brüder sind in Deutschland und Saudi-Arabien aufhältig. Des Weiteren hat der BF noch vier Schwestern und eine Halbschwester.
Er verfügt über eine zehnjährige Schulbildung. Er hat Arbeitserfahrung als Maler und Bauarbeiter. Er hat den Militärdienst bei der syrischen Armee noch nicht absolviert.
Syrien hat der BF im Dezember 2014 verlassen. Er hat danach bis 2022 im Libanon gelebt und ist über Syrien und die Türkei nach Europa gekommen. Über Serbien und Ungarn ist er nach Österreich gekommen, wo er am 07.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Seine Reise wurde schlepperunterstützt durchgeführt, wobei Österreich sein Zielland gewesen ist.
Er stammt aus der Ortschaft XXXX , das sich in der Nähe von XXXX befindet. Zuletzt hat er sich in Syrien in seinem Heimatdorf aufgehalten. Diese steht derzeit unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte.Er stammt aus der Ortschaft römisch XXXX , das sich in der Nähe von römisch XXXX befindet. Zuletzt hat er sich in Syrien in seinem Heimatdorf aufgehalten. Diese steht derzeit unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte.
Dem BF wurde Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2023 der der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
1.2. Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Syrien keine asylrelevante Verfolgung aus dem von ihm geltend gemachten oder aus anderen Gründen.
Der BF befindet sich im wehrpflichtigen Alter. Er hat den verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Die syrische Regierung ist in der Herkunftsregion des BF ( XXXX ) nicht in der Lage, Männer im wehrpflichtigen Alter zum verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee zwangsweise einzuberufen. Der BF befindet sich im wehrpflichtigen Alter. Er hat den verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Die syrische Regierung ist in der Herkunftsregion des BF ( römisch XXXX ) nicht in der Lage, Männer im wehrpflichtigen Alter zum verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee zwangsweise einzuberufen.
Der Herkunftsort des BF befindet sich im Gebiet der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria – AANES) und somit unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte. Die Einreise in dieses Gebiet ist über einen nicht von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzübergang auf dem Landweg möglich.
Die AANES ratifizierte im Juni 2019 ein Gesetz zur "Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, welchen Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen. Am 04.09.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren (geboren 1998 oder später) beschränkt. Entsprechend der aktuellen gesetzlichen Regelung unterliegt der 29-jährige BF aufgrund seines Lebensalters nicht mehr der Wehrpflicht in seiner kurdisch kontrollierten Herkunftsregion. Eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Zwangsrekrutierung des BF durch kurdische Kräfte besteht nicht. Dem BF droht somit bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Gefahr der Verfolgung bzw. der Zwangsrekrutierung seitens der kurdischen Milizen.
Auch durch andere Gruppierungen – etwa den YPG oder PKK - droht dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Rekrutierung oder eine asylrelevante Verfolgung.
Die Gefahr einer dem BF in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden asylrelevanten Verfolgung aufgrund seines sunnitischen Glaubensbekenntnisses oder seiner arabischen Volksgruppenzugehörigkeit kann nicht festgestellt werden.
Der BF war nicht politisch tätig, ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung und ist auch sonst nicht in das Blickfeld der syrischen Regierung oder anderer Konfliktparteien geraten.
Ebenso droht dem BF auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner illegalen Ausreise aus Syrien und seiner Asylantragstellung in Europa bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und im Ausland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.
Die Heimatregion des BF ist ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar.
Es kann auch keine sonstige Gefahr einer Verfolgung des BF im Falle seiner Rückkehr nach Syrien festgestellt werden.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Die Länderfeststellungen zur Lage in Syrien basieren auf nachstehenden Quellen:
? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (LIB, Version 11). Da zur Verhandlung am 09.04.2023 geladen (OZ 3) und in dieser Ladung seitens des BVwG erwähnt wurde, dass auf die letzte Fassung der Länderinformationen der Staatendokumentation Bezug genommen werde (dies war zu diesem Zeitpunkt die Version 10 vom 14.03.2024), erging nach der Verhandlungsverständigung am 02.04.2024 ein Schreiben an den Beschwerdeführer, zumal am 27.03.2024 eine aktuellere Fassung des Länderinformationsblatt der Staatendokumentation verlautbart wurde. Der Beschwerdeführer wurde darüber informiert, dass künftig auf diese nunmehr letzte Fassung vom 27.03.2024 in der Entscheidung Bezug genommen werde (OZ 5).
In diesem wurden eine Vielzahl von Berichten diverser allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt werden und in welchem auch konkret auf die regelmäßig beauftragten Anfragebeantwortungen zur aktuellen Situation bzw. spezifischen Fragestellungen Bezug genommen wurde, verwiesen. Ergänzend brachte das BVwG in der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2024 den die Accord-Anfragebeantwortung zu Syrien: „Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Regierung in Manbidsch (Provinz Aleppo) [a-12201-1]“ vom 07.09.2023 in das Verfahren ein.
Der BF erstattete in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme hierzu, denn er verwies auf die aktualisierte UN-Karte von Juni 2023, welche auch im aktuellen LIB zu Syrien vom 27.03.2024 zitiert werde, wonach sich die Region um XXXX im Einflussbereich des syrischen Regimes befindet, woraus folgt, dass das syrische Regime auch auf den Herkunftsort Zugriff habe. Eine sonstige Stellungnahme zu den Länderberichten wurde nicht mehr abgegeben.Der BF erstattete in der mündlichen Verhandlung eine Stellungnahme hierzu, denn er verwies auf die aktualisierte UN-Karte von Juni 2023, welche auch im aktuellen LIB zu Syrien vom 27.03.2024 zitiert werde, wonach sich die Region um römisch XXXX im Einflussbereich des syrischen Regimes befindet, woraus folgt, dass das syrische Regime auch auf den Herkunftsort Zugriff habe. Eine sonstige Stellungnahme zu den Länderberichten wurde nicht mehr abgegeben.
Wie beweiswürdigend noch auszuführen sein wird, konnte der BF mit seiner Stellungnahme vom 04.04.2024 und den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung den im Beschwerdeverfahren herangezogenen Länderberichten nicht entgegentreten.
1.2. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Aus dem ins Verfahren eingeführten „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, Version 11, veröffentlicht am 27.03.2024“ ergibt sich wie folgt:
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Letzte Änderung 2024-03-08 11:06
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (A