Entscheidungsdatum
02.05.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W260 2269035-1/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2024, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX , geboren am römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.02.2024, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX alias römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.10.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Bei seiner Erstbefragung am 13.10.2021 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch an, dass er syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem wäre. Er sei 19 Jahre alt und stamme aus XXXX , XXXX , Syrien. Seine Eltern und Geschwister würden im Libanon leben. Er habe Syrien im Jahr 2011 legal mit dem PKW in den Libanon verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass die Lage in Syrien sehr schlecht sei. Es herrsche Krieg, gebe keine Sicherheit, keine Zukunft und kein gutes Leben. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben. 2. Bei seiner Erstbefragung am 13.10.2021 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch an, dass er syrischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem wäre. Er sei 19 Jahre alt und stamme aus römisch XXXX , römisch XXXX , Syrien. Seine Eltern und Geschwister würden im Libanon leben. Er habe Syrien im Jahr 2011 legal mit dem PKW in den Libanon verlassen. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass die Lage in Syrien sehr schlecht sei. Es herrsche Krieg, gebe keine Sicherheit, keine Zukunft und kein gutes Leben. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben.
3. Am 16.01.2023 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA oder belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch. Dabei brachte der Beschwerdeführer zuerst vor, er habe bei der Erstbefragung angegeben, dass er Syrien aufgrund des Militärdienstes verlassen habe, was jedoch nicht protokolliert worden sei. Er sei zu Besuch bei seinem Vater im Libanon gewesen als der Krieg begonnen habe und habe nicht mehr zurückreisen können. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er bei seiner Ausreise keinen Fluchtgrund gehabt habe, aufgrund seines Alters aber nunmehr wegen dem Militärdienst gesucht werde. In Bezug auf den Freikauf könne man dem syrischen Regime nicht vertrauen. Im Falle einer Rückkehr würde er als Landesverräter angesehen, zwangsrekrutiert oder inhaftiert und in weiterer Folge getötet werden.
Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerdeführer seinen syrischen Reisepass und Teilnahmebestätigungen im Original sowie die Personalausweise seiner Eltern und einen Zivilregisterauszug jeweils in Kopie vor. Die Dokumente wurden als Kopie zum Akt genommen.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.02.2023 hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.02.2023 hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine asylrelevante individuelle, ihn persönlich betreffende Verfolgung drohe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer lebe seit 2011 nicht mehr in Syrien und habe daher die Möglichkeit gehabt, sich vom syrischen Militärdienst freizukaufen. Es bestehe daher kein reales Risiko in Syrien zum Militärdienst eingezogen zu werden.Begründend führte die Behörde zu Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine asylrelevante individuelle, ihn persönlich betreffende Verfolgung drohe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer lebe seit 2011 nicht mehr in Syrien und habe daher die Möglichkeit gehabt, sich vom syrischen Militärdienst freizukaufen. Es bestehe daher kein reales Risiko in Syrien zum Militärdienst eingezogen zu werden.
5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin ergänzte er sein Vorbringen und gab an, dass ein Verwandter Leiter bei der SDF sei und dieser von der Regierung als Oppositioneller gesucht werde. Ferner brachte er zusammengefasst vor, dass er im Falle einer Rückkehr zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen werden würde und sich an völkerrechtswidrigen Handlungen beteiligen müsste, was er ablehne. Es gebe keine Garantie dafür, dass man nach Bezahlung der Befreiungsgebühr nicht doch zum Militärdienst eingezogen werden würde. Zudem könne er sich die Gebühr nicht leisten und darüber hinaus wolle er die syrische Regierung nicht durch Bezahlung der Gebühr unterstützen. Ferner bestehe die Gefahr, dass ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise, seiner Wehrdienstentziehung und aufgrund seiner Asylantragstellung in Österreich sowie als sunnitischer Araber eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werden würde. 5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin ergänzte er sein Vorbringen und gab an, dass ein Verwandter Leiter bei der SDF sei und dieser von der Regierung als Oppositioneller gesucht werde. Ferner brachte er zusammengefasst vor, dass er im Falle einer Rückkehr zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen werden würde und sich an völkerrechtswidrigen Handlungen beteiligen müsste, was er ablehne. Es gebe keine Garantie dafür, dass man nach Bezahlung der Befreiungsgebühr nicht doch zum Militärdienst eingezogen werden würde. Zudem könne er sich die Gebühr nicht leisten und darüber hinaus wolle er die syrische Regierung nicht durch Bezahlung der Gebühr unterstützen. Ferner bestehe die Gefahr, dass ihm aufgrund seiner illegalen Ausreise, seiner Wehrdienstentziehung und aufgrund seiner Asylantragstellung in Österreich sowie als sunnitischer Araber eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werden würde.
6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 23.03.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 19.02.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.
Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters und einer Dolmetscherin für die arabische Sprache zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt. Ein Vertreter der belangten Behörde ist entschuldigt nicht erschienen.
In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden folgende Unterlagen in das gegenständliche Verfahren vom Bundesverwaltungsgericht eingebracht:
- Kartenausschnitt der Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Beilage ./I)
- Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, in der Fassung vom 17.07.2023, Version 9 (Beilage ./II)
- Themendossier zu Syrien vom 16.01.2024 (Beilage ./III)
- schriftlich vorbereitete Stellungnahme der Vertretung des Beschwerdeführers (Beilage ./IV)
8. Die Verhandlungsschrift vom 19.02.2024 samt Beilagen wurde der belangten Behörde zur Kenntnisnahme übermittelt.
9. Mit Schreiben vom 18.03.2024 wurden den Parteien des Verfahrens die aktualisierten Länderinformationen der Staatendokumentation zu Syrien, Version 10 vom 14.03.2024, im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Es langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer führt den Namen römisch XXXX und das Geburtsdatum römisch XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch.
Der Beschwerdeführer ist in XXXX , im Gouvernement XXXX , geboren und aufgewachsen. Zu Kriegsbeginn befand sich der Beschwerdeführer mit seiner Familie im Libanon und konnte aufgrund des Kriegsausbruches nicht nach Syrien zurückreisen. Der Beschwerdeführer ist in römisch XXXX , im Gouvernement römisch XXXX , geboren und aufgewachsen. Zu Kriegsbeginn befand sich der Beschwerdeführer mit seiner Familie im Libanon und konnte aufgrund des Kriegsausbruches nicht nach Syrien zurückreisen.
Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat in Syrien drei Jahre lang die Schule besucht, diese jedoch nicht abgeschlossen. Im Libanon arbeitete der Beschwerdeführer acht Jahre lang als Mechaniker.
Seine Mutter, seine Schwestern und ein Bruder sind im Libanon aufhältig, sein Vater ist in Belgien aufhältig und einer seiner Brüder wurde nach Syrien abgeschoben.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, XXXX , im Gouvernement XXXX , steht unter der Kontrolle des syrischen Regimes. Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers, römisch XXXX , im Gouvernement römisch XXXX , steht unter der Kontrolle des syrischen Regimes.
Für männliche syrische Staatsangehörige zwischen 18 und 42 Jahren ist die Ableistung eines Wehrdienstes in Syrien gesetzlich verpflichtend. Im Alter von 18 Jahren werden junge Männer einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Die Namen der einberufenen Männer sind in einer Datenbank erfasst. Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen lediglich für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit einer Zwangsrekrutierung rechnen.
Der Beschwerdeführer hat den Wehrdienst noch nicht abgeleistet und ist von diesem nicht befreit. Aktuell ist der Beschwerdeführer gesund und befindet sich im wehrpflichtigen Alter. Er hat kein Militärbuch und keinen schriftlichen Einberufungsbefehl erhalten.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Heimatregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die reale Gefahr, von Grenzkontrollposten oder in der Folge bei einer der zahlreichen militärischen Straßenkontrollstellen verhaftet und zum Wehrdienst in der syrischen Armee eingezogen zu werden.
Soldaten, die in der syrischen Armee dienen, werden in Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen verwickelt, da das syrische Regime das Kriegsrecht oder das humanitäre Recht nicht achtet. Der Beschwerdeführer wäre im Fall einer Zwangsrekrutierung gezwungen zu Kriegsverbrechen beizutragen.
Der Beschwerdeführer verweigert die Ableistung des Militärdienstes mit der Begründung, dass er niemanden töten und die Regierung nicht unterstützen will, da er diesem gegenüber oppositionell eingestellt ist. Im Falle einer Weigerung würde er zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre.
Die Tatsache, dass die syrische Regierung Wehrdienstverweigerung als Ausdruck politischen Dissens betrachtet (auch in Kombination mit den, den Betroffenen drohenden, völlig unverhältnismäßigen Sanktionen), kann nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie dem Betroffenen wegen seiner Wehrdienstverweigerung eine oppositionelle Gesinnung (zumindest) unterstellt, beim Beschwerdeführer ist diese auch tatsächlich vorhanden.
Der Onkel des Beschwerdeführers ist Brigadeführer bzw. Leiter der FSA, welche in Opposition zur syrischen Regierung steht. Die Familie des Beschwerdeführers ist somit der syrischen Regierung als regimekritisch bekannt und ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr eine individuelle gegen ihn gerichtete Verfolgung wegen der Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung zu erwarten hätte.
Grundsätzlich ist die (im Gesetz verankerte) Möglichkeit für Syrer mit Wohnsitz im Ausland vorgesehen, sich durch Zahlung einer Befreiungsgebühr vom Ableisten des Militärdienstes freizukaufen. Das Leisten der Befreiungsgebühr ist dem Beschwerdeführer jedoch finanziell und aufgrund seines Onkels nicht möglich.
Der Beschwerdeführer hätte bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine individuelle gegen ihn gerichtete Verfolgung wegen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung zu erwarten.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Betreffend die Lage in Syrien werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024 (Version 11) enthaltenen Informationen der Entscheidung zugrunde gelegt.
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024). Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu int