Entscheidungsdatum
21.05.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L508 2272771-1/27E
L508 2272765-1/25E
L508 2272770-1/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Libanon, vertreten durch Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2024, zu Recht erkannt:1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch XXXX , geb. römisch XXXX , Staatsangehörigkeit: Libanon, vertreten durch Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2024, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon zuerkannt.Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 idgF der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 idgF wird römisch XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres erteilt.
Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.Die Spruchpunkte römisch III. bis römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Libanon, vertreten durch Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2024, zu Recht erkannt:2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der römisch XXXX , geb. römisch XXXX , Staatsangehörigkeit: Libanon, vertreten durch Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2024, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon zuerkannt.Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 idgF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 idgF wird römisch XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.
Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.Die Spruchpunkte römisch III. bis römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
3) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Libanon, vertreten durch Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2024, zu Recht erkannt:3) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der römisch XXXX , geb. römisch XXXX , Staatsangehörigkeit: Libanon, vertreten durch Asyl in Not, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.01.2024, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon zuerkannt.Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 idgF der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon zuerkannt.
Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 idgF wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 idgF wird römisch XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer eines Jahres erteilt.
Die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.Die Spruchpunkte römisch III. bis römisch VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Der Erstbeschwerdeführer (nachfolgend: BF1) ist mit der Zweitbeschwerdeführerin (nachfolgend: BF2) in aufrechter Ehe verheiratet, die volljährige Drittbeschwerdeführerin (nachfolgend: BF3) ist die leibliche Tochter des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige aus dem Libanon und der arabischen Volksgruppe sowie als maronitische Christen der syrisch-maronitischen Kirche von Antiochien zugehörig. Die Beschwerdeführer reisten Mitte Oktober 2021 gemeinsam legal aus dem Libanon aus und etwa Mitte Oktober 2021 in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 19.10.2021 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz stellten.
2. Am Tag der Antragstellung erfolgte eine Erstbefragung nach dem AsylG der Beschwerdeführer durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts. Die Beschwerdeführer gaben zu ihren Fluchtgründen zu Protokoll, dass die Drittbeschwerdeführerin an einer stark ausgeprägten Form von Polymyalgia Rheumatica (Muskelrheumatismus) leide und es im Libanon keine entsprechenden Behandlungsmöglichkeiten gebe. Die Zweitbeschwerdeführerin verwies zudem darauf, dass es aufgrund der prekären Lage im Libanon ein Problem mit der Verfügbarkeit von Medikamenten gebe und weder sie noch der Erstbeschwerdeführer eine Krankenversicherung hätten.
3. Ein Abgleich im VIS System des Bundesministeriums für Inneres ergab, dass dem Erstbeschwerdeführer und der Drittbeschwerdeführerin von der italienischen Botschaft in Beirut Schengen-Visa für zehn Tage im Zeitraum von 09.10.2021 bis 02.11.2021 erteilt worden waren.
4. Betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 12.11.2021 Aufnahmegesuche gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) an Italien. Im Fall der Zweitbeschwerdeführerin wurde das Aufnahmegesuch auf Art. 11 Dublin III-VO gestützt.4. Betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 12.11.2021 Aufnahmegesuche gemäß Artikel 12, Absatz 4, der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (= Dublin III-VO) an Italien. Im Fall der Zweitbeschwerdeführerin wurde das Aufnahmegesuch auf Artikel 11, Dublin III-VO gestützt.
5. Mit Schreiben vom 31.01.2022 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der italienischen Dublinbehörde mit, dass die Zuständigkeit wegen Unterlassung einer fristgerechten Antwort auf die österreichischen Aufnahmegesuche in den Fällen aller drei Beschwerdeführer auf Italien übergegangen sei.
6. Mit Stellungnahme vom 23.03.2022 legten die Beschwerdeführer dar, dass die BF3 an einer fortgeschrittenen Rheuma Arthritis leide und ausgeprägte Gehbehinderungen habe. Sie habe Prothesen rechtes Knie und Hüfte beidseits. Weiterhin seien bei ihr Osteoporose, Skoliose, Polygelenksathrose, arterielle Hypertonie, Schlafstörungen und Angststörung diagnostiziert. Wie aus den der Stellungnahme beigefügten Arztbriefen zu entnehmen sei, benötige sie eine Dauertherapie und eine Person für die Betreuung. Bei der BF2 bestünde ein Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung und leide sie unter Schluckbeschwerden. Aktuell habe sie eine Verletzung am rechten Knie nach einem Sturz und Gehbeschwerden. Der BF1 leide an Panikattacken, Schlafstörungen, Angstzuständen, Stiatusis Hepatitis, Schwindelattacken, arterieller Hypertonie, chronischer Lumbalgie, Adipositas und Hypertriglyceridämie. Besonders aufgrund der Schwere der Rheuma-Erkrankung der BF3 sowie der weiteren körperlichen und psychischen Erkrankungen aller, die auf die Hilfe und Unterstützung durch den in Österreich lebenden Bruder des BF1 angewiesen seien, würde eine Außerlandesbringung eine unmenschliche Behandlung an sich und einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben aller Beschwerdeführer darstellen. Zwischen den Beschwerdeführern und dem in Österreich lebenden Bruder des BF1 bestünde nämlich ein Abhängigkeitsverhältnis wegen der bestehenden körperlichen und psychischen Krankheiten aller Beschwerdeführer. Die intensive familiäre Bindung, die sich durch das Abhängigkeitsverhältnis noch verstärke, lasse ihr schützenswertes Interesse an einem Verbleib in Österreich gegenüber Interessen an einer Außerlandesbringung nach Italien überwiegen. In der Anordnung der Außerlandesbringung der Familienmitglieder wäre eine Verletzung von Artikel 8 EMRK zu erachten.
Der Stellungnahme ist ein Konvolut an medizinischen Unterlagen bezüglich der Beschwerdeführer angeschlossen.
7. Am 24.03.2022 wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur beabsichtigten Ausweisung nach Italien einvernommen.
8. Der BF3 wurde zu ihrer beabsichtigten Ausweisung nach Italien mit Note des BFA ein Fragenkatalog übermittelt und im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit eingeräumt, hierzu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Von dieser Möglichkeit machte die BF3 Gebrauch.
9. Anfang April 2022 erfolgte eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren bezüglich der Beschwerdeführer, wobei von der Gutachterin, Dr. XXXX , MSc, - die vorgelegten medizinischen Befunde interpretierend - ausgeführt wurde, dass eine Überstellung der Familie möglich sei, wenn bezüglich der BF3 die Medikamente – insbesondere die rheumaspezifischen Medikamente Arava, Doloquine, Actemra sowie die Infusionen mit Risendronate - gewährleistet seien und die Kosten der Medikamente die Behandlung nicht in Frage stellen würden, diese also im Zielland bereitgestellt werden könnten. Auch bezüglich der BF2 sei eine Überstellung vertretbar, wenn eine adäquate Behandlung im Zielland gewährleistet sei - sprich auch ein ungehinderter Zugang zum Gesundheitssystem bestünde. Eine Begleitung durch medizinisches Fachpersonal bzw. durch einen Arzt sei aus derzeitiger Sicht – nach Durchführung einer Blutdruckkontrolle beim BF1 - nicht erforderlich. Ansonsten seien – abgesehen von der Empfehlung zu einer schonenden Reise und Einhaltung der nötigen Pausen aufgrund der körperlichen Beeinträchtigng der BF3 – aus ärztlicher Sicht keine weiteren Aspekte bezüglich der BF3 zu beachten. Was die BF2 betreffe, so sollte aus ärztlicher Sicht eine Ablärung der Autoimmunkrankheit abgewartet werden. Eine Schilddrüsen-Szinitgraphie bzw. eine spezifische Behandlung an einer Spezialabteilung für Autoimmunkrankheiten bzw. bei einem Hormonspezialisten werde dringend geraten.9. Anfang April 2022 erfolgte eine gutachterliche Stellungnahme im Zulassungsverfahren bezüglich der Beschwerdeführer, wobei von der Gutachterin, Dr. römisch XXXX , MSc, - die vorgelegten medizinischen Befunde interpretierend - ausgeführt wurde, dass eine Überstellung der Familie möglich sei, wenn bezüglich der BF3 die Medikamente – insbesondere die rheumaspezifischen Medikamente Arava, Doloquine, Actemra sowie die Infusionen mit Risendronate - gewährleistet seien und die Kosten der Medikamente die Behandlung nicht in Frage stellen würden, diese also im Zielland bereitgestellt werden könnten. Auch bezüglich der BF2 sei eine Überstellung vertretbar, wenn eine adäquate Behandlung im Zielland gewährleistet sei - sprich auch ein ungehinderter Zugang zum Gesundheitssystem bestünde. Eine Begleitung durch medizinisches Fachpersonal bzw. durch einen Arzt sei aus derzeitiger Sicht – nach Durchführung einer Blutdruckkontrolle beim BF1 - nicht erforderlich. Ansonsten seien – abgesehen von der Empfehlung zu einer schonenden Reise und Einhaltung der nötigen Pausen aufgrund der körperlichen Beeinträchtigng der BF3 – aus ärztlicher Sicht keine weiteren Aspekte bezüglich der BF3 zu beachten. Was die BF2 betreffe, so sollte aus ärztlicher Sicht eine Ablärung der Autoimmunkrankheit abgewartet werden. Eine Schilddrüsen-Szinitgraphie bzw. eine spezifische Behandlung an einer Spezialabteilung für Autoimmunkrankheiten bzw. bei einem Hormonspezialisten werde dringend geraten.
10. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.05.2022 wurden die Anträge aller drei Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 12 Abs. 2 iVm Art. 22 Abs. 7 (betreffend Erstbeschwerdeführer und Drittbeschwerdeführerin) bzw. gemäß Art. 11 iVm Art. 22 Abs. 7 (betreffend Zweitbeschwerdeführerin) Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte I.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten II. der Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.10. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.05.2022 wurden die Anträge aller drei Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß Paragraph 5, Absatz eins, AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Artikel 12, Absatz 2, in Verbindung mit Artikel 22, Absatz 7, (betreffend Erstbeschwerdeführer und Drittbeschwerdeführerin) bzw. gemäß Artikel 11, in Verbindung mit Artikel 22, Absatz 7, (betreffend Zweitbeschwerdeführerin) Dublin III-VO für die Prüfung dieser Anträge zuständig ist (Spruchpunkte römisch eins.). Unter den jeweiligen Spruchpunkten römisch II. der Bescheide wurde gegen die Beschwerdeführer die Außerlandesbringung gemäß Paragraph 61, Absatz eins, Ziffer eins, FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß Paragraph 61, Absatz 2, FPG ihre Abschiebung nach Italien zulässig ist.
11. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 27.05.2022 fristgerecht Beschwerde an das BVwG.
12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2022 wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 erster Satz BFA-VG stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz wurden zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben. 12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18.11.2022 wurde der Beschwerde gemäß Paragraph 21, Absatz 3, erster Satz BFA-VG stattgegeben, die Verfahren über die Anträge auf internationalen Schutz wurden zugelassen und die bekämpften Bescheide behoben.
13. Nach Zulassung der Verfahren wurden der BF1 und die BF2 am 18.01.2023 und die BF3 am 20.01.2023 vor dem BFA niederschriftlich von dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Organwalter einvernommen. Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte der BF1 im Wesentlichen dar, dass er bei einer libanesischen Einheit zur Verteidigung des Libanon gewesen sei. Im Libanon gebe es keine Regierung, kein Wasser, keinen Strom und keine ärztliche Behandlung. Diese Einheit kämpfe für diese Anliegen. Die Situation sei immer noch sehr schlecht. Er sei von 1983 bis 1991 Mitglied, aber seit 1991 als Barkeeper berufstätig gewesen. 1984 hätten sie in Beirut gegen Amal - eine schiitische Organisation - gekämpft. Die letzten fünf Jahre sei er „stark“ gegen die Hisbollah gewesen. Diese hätten gewusst, wer er sei und welche Rolle er gehabt habe. Einmal sei er in Beirut gewesen und habe eine Verkehrsstrafe bezahlen wollen. Dann sei plötzlich ein Fahrzeug neben ihm gestanden und ein bewaffneter Mann sei ausgestiegen. Dieser habe eine Pistole in der Hand gehabt, ihm in den Fuß geschossen und gesagt: „Heute dein Fuß und das nächste Mal dein Kopf“. Die Kugel habe sein Bein durchdrungen und der Knochen sei gebrochen. Zudem hätte er telefonische Bedrohungen erhalten und sei auch seine Tochter krank. Diese leide an einer Muskelerkrankung. Er sei dann psychisch krank geworden, weil ihn so viel im Kopf beschäftige. Die letzten vier Monate im Libanon habe seine Tochter wegen der Unruhe im Staat keine medizinische Behandlung mehr erhalten. Die BF2 erklärte, dass sie auch seit zehn Jahren Mitglied der „Lebanese Forces Party“, wie ihr Ehegatte, sei. Sie hätte sich in der Sozialhilfe betätigt. Wenn jemand nicht kochen habe können, dann hätte sie geholfen. An Kampfhandlungen habe sie nicht teilgenommen. Befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates gab die BF2 zu Protokoll, dass die Gründe ihr Ehegatte erzählt habe. Dieser habe Probleme mit der Hisbollah und sie würde sich auf diese Gründe beziehen. Auch die gesundheitliche Situation ihrer Tochter sei ein weiterer Grund. Die BF3 gab wiederum, befragt nach dem Grund für das Verlassen des Heimatstaates, zu Protokoll, dass ihr Vater in Gefahr sei und von Hisbollah bedroht werde. Des Weiteren sei ihre Gesundheitssituation und ihre gefährliche Krankheit der Grund. Wenn sie keine Medikamente bekommen würde, dann könne sie daran ersticken. Auch habe sie vor ein paar Tagen die Nachricht erhalten, dass eine Bekannte daran verstorben sei. Im Libanon gebe es kein Leben mehr, keinen Strom und kein Wasser.
Weitere Angaben zu den behaupteten Problemen machten der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin und die Drittbeschwerdeführerin nach entsprechenden Fragen und Vorhalten durch den Leiter der Amtshandlung.
Im Zuge der Einvernahme legten der BF1 und die BF2 - jeweils - einen Ausweis der politischen Partei Forces Libanaises (nachfolgend: FL) vor.
14. Im Zuge der Stellungnahme vom 02.02.2023 legten die Beschwerdeführer im Wege ihrer gewillkürten Vertretung dar, dass der BF1 bezüglich seiner Reaktivierung um die Zeit der Freilassung des Anführers der FL klarstellen wolle, dass sich dies 2005 und nicht wie in der Einvernahme protokolliert 2002 abgespielt habe. Die zweite Richtigstellung betreffe die Ausschreitungen am 14.10.2021. Hier seien sechs Mitglieder auf Seiten der Hisbollah verstorben, nicht wie in der Einvernahme protokolliert auf Seiten der FL. Diesbezüglich sei - im Hinblick auf mögliche - wie die zuvor erwähnten - Unklarheiten auf die ungewöhnliche Art der Übersetzung hinzuweisen. Einerseits habe sich der Dolmetscher während der Einvernahme mit dem BF1 - offenbar aufgrund gesundheitlicher Probleme kontinuierlich an den Kopf gegriffen, zurückgelehnt und gestöhnt. Diese Situation habe den BF1 verunsichert, welcher duch seine diagnostizierten psychischen Beschwerden ohnehin nicht leicht mit der Drucksituation umgehen könne, über traumatische Erlebnisse zu berichten. Die geplante Einvernahme der BF3 sei dann auf Bitte des Dolmetschers verschoben worden, was für die schwierigen Umstände der Einvernahme spreche. Andererseits habe der Dolmetscher regelmäßig in allen drei Einvernahmen mit den Beschwerdeführern in arabischer Sprache diskutiert, was für den Leiter der Amtshandlung sowie den Vertreter der Beschwerdeführer nicht verständlich und somit nicht nachvollziehbar gewesen sei. Dies sei vom Leiter der Amtshandlung auch mehrmals unterbunden worden. In der verschobenen dritten Einvernahme hätten sie dann eine Arabisch sprechende Vertrauensperson mitgenommen, die die Ungereimtheiten bestätigen habe können. Der gewillkürten Vertretung habe die Vertrauensperson diesbezüglich berichtet, der Dolmetscher habe zu ihr gemeint, er wäre Palästinenser. Der BF1 habe sich bemüht die Umstände möglichst klar zu formulieren. Mit Blick auf die Umstände der Einvernahme und seine psychische Gesundheitssituation sei dies auch bei der Bewertung der Aussagen zu würdigen. Ferner wurde das bisherige Vorbringen des BF1 teilweise wiederholt und auszugsweise zur Untermauerung des Vorbringens auf historische Länderinformationen bzw. diesbezügliche Links zur LF und Hisbollah (AS 606 – 610 im Akt 2272771-1) verwiesen. Abschließend wurden noch auszugsweise Länderinformationen bzw. diesbezügliche Links zur medizinischen Versorgung, Grundversorgung und zur wirtschaftlichen Situation zitiert (AS 610 f im Akt 2272771-1).
15. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023 wurde der jeweilige Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Libanon gemäß § 46 FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkte III. bis V.). Gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). 15. Mit den angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2023 wurde der jeweilige Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (Spruchpunkt römisch eins.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch II.). Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG 2005 erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG 2005 unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in den Libanon gemäß Paragraph 46, FPG 2005 zulässig ist (Spruchpunkte römisch III. bis römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
Dem ausreisekausalen Vorbringen der Beschwerdeführer bezüglich der Gewährung von Asyl wurde - abgesehen vom Verlassen des Libanons zwecks medizinischer Behandlung der BF3 - im Rahmen der Beweiswürdigung die Glaubhaftigkeit versagt.
In der rechtlichen Beurteilung wurde jeweils begründend dargelegt, warum der von den Antragstellern vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wider die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe.In der rechtlichen Beurteilung wurde jeweils begründend dargelegt, warum der von den Antragstellern vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des Paragraph 3, AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd Paragraph 8, Absatz eins, AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wider die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung in den Libanon gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb gemäß Paragraph 55, Absatz 1 bis 3 FPG eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestehe.
16. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2023 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.16. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.04.2023 wurde den Beschwerdeführern gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
17. Die Beschwerdeführer erhoben gegen die oa. Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl fristgerecht mit einem gemeinsamen Schriftsatz vom 18.05.2023 in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.
17.1. Im Rahmen des Schriftsatzes wurde zunächst beantragt,
- eine mündliche Verhandlung durchzuführen;
- den Beschwerdeführern den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen;
- hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen und eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu gewähren;
- hilfsweise die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären
- hilfsweise die hier angefochtenen Entscheidungen aufzuheben und die Angelegenheit zur Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens an das BFA zurückzuverweisen;
- die Befangenheit des entscheidenden Organwalters festzustellen;
- ein medizinisches Gutachten bezüglich der Schusswunde des BF1 durchzuführen.
17.2. In der Folge wurde - nach kurzer Wiedergabe des Sachverhalts und des bisherigen Verfahrensgangs - erstmals dargelegt, dass bei der BF2 und der BF3 erschwerend hinzukomme, dass ihnen als nichtmuslimische Frauen und Angehörige eines Oppositionellen die unzumutbare Beschneidung ihrer Rechte drohe sowie im Fall von etwaigen Vergeltungsakten wider den BF1, sie auch einem entsprechend hohen Risiko von Folter und, spezifisch sexueller, Gewalt ausgesetzt seien.
17.3. Was die Befangenheit des Organwalters betreffe, so habe dieser verschiedene Beweismittel des BF1 und der BF3 (insbesondere medizinische Unterlagen, eine Todesanzeige sowie die augenscheinliche Schussverletzung des BF1) nicht in den Akt nehmen wollen und habe diese in späterer Folge auch nicht gewürdigt. Er habe den Beschwerdeführern bereits zu Beginn der Einvernahme Lügen vorgeworfen und sie während deren Vorbringen regelmäßig unterbrochen. Er habe die Einvernahme mit einem gesundheitlich beeinträchtigten und verfahrenswidrig handelnden Dolmetscher geführt. Außerdem habe er die Vertrauensperson zunächst nicht zur Einvernahme zugelassen und diese erst nach hitziger Diskussion teilnehmen lassen. Er habe gravierendes Unwissen bezüglich des Umgangs mit psychischen Erkrankungen und Vorurteile bezüglich der erkrankten Menschen mit Angewiesenheit auf Unterstützung gezeigt. Er habe Suggestivfragen an die Beschwerdeführer gestellt und deren Angaben regelmäßig unterbrochen, da er diese für unwichtig gehalten habe. Der Referent habe wiederholt willkürlich in schädlicher Weise gegenüber den Beschwerdeführern und deren Verfahren gehandelt, womit wohlbegründete Zweifel an der vollen Unbefangenheit bestünden. Dennoch habe der Organwalter eine Entscheidung im vorliegenden Verfahren zu Lasten der Beschwerdeführer getroffen.
17.4. In der Folge wurde moniert, dass die Einvernahme durch mangelhafte Verfahrensführung nicht darauf hingewirkt habe, dass alle erheblichen Angaben gemacht oder vervollständigt worden seien. Der Organwalter habe diesbezüglich ein Desinteresse an der Fluchtgeschichte an den Tag gelegt und die Beschwerdeführer immer wieder unterbrochen, um zu betonen, dass er der Länderexperte wäre und die von den Beschwerdeführern vorgebrachten Umstände nicht erheblich für die Fluchtgeschichte seien. Dieses Verhalten habe die Beschwerdeführer sichtlich verunsichert und habe das Vorbringen der Fluchtgeschichte in zeitlicher Reihenfolge mittels verschiedener zusammenhangloser Vorhalte und Suggestivfragen verhindert. Der Dolmetscher habe sich den Beschwerdeführern als Angehöriger der muslimischen Palästinenser erkenntlich gemacht, was zu einer sofortigen Einschüchterung der Beschwerdeführer geführt habe. Zudem habe der Dolmetscher die Beschwerdeführer in Diskussionen über die gemachten Angaben verwickelt, da er, wie auch von der Arabisch sprechenden Vertrauensperson bestätigt, laut eigenen Angaben die Situation im Libanon „anders“ wahrnehmen würde. Diesbezüglich wäre hervorzuheben, dass die Hisbollah und die Separatisten in Palästina auf derselben Seite kämpfen würden und die Hisbollah die Bevölkerung in Palästina gegen Israel unterstütze und viele Menschen dort ein anderes Bild von der Hisbollah hätten als ein christlicher Libanese, welcher im Konflikt mit dieser stehe. Ein Dolmetscher durch einen Angehörigen der Verfolgergruppe sei nicht zur Ermittlung des Fluchtvorbringens geeignet und verletze das Recht auf Parteiengehör. Im Anschluss wurden jeweils nähere Ausführungen zur vermeintlichen Mangelhaftigkeit der Einvernahme des BF1, der BF2 und der BF3 getroffen (AS 709 - 719 im Akt 2272771-1).
17.5. Das BFA habe die augenscheinliche Schussverletzung nicht in die Beweiswürdigung einbezogen. Damit sei die Ermittlung des relevanten Sachverhalts mit einem Verfahrensfehler behaftet.
17.6. Am 02.02.2023 habe die gewillkürte Rechtsvertretung eine Stellungnahme bei der belangten Behörde eingebracht, in der auf die mangelhafte Stellungnahme und Erläuterungen von Unklarheiten eingegangen worden sei. Das BFA habe die Stellungnahme und ihre Argumente bzw. Beweismittel in der Beweiswürdigung nicht behandelt. Die Mängel der Einvernahme seien nicht erwähnt worden, insbesondere die Ausnahmesituation eines Dolmetschers aus Palästina, welcher mit dem christlichen Libanesen in der Einvernahme diskutiere, was der Organwalter auch in der Einvernahme mehrmals unterbrechen habe müssen. Erwähnt sei dabei insbesondere die Konfliktsituation zwischen den Palästinensern und den christlichen Libanesen. Ebenfalls sei auf die Ungereimtheiten der Übersetzung nicht eingegangen worden. In der Gesamtschau müsse hier auch der Abbruch der Einvernahme erwähnt werden, auf welchen in der Stellungnahme eingegangen worden sei und den die Beweiswürdigung nicht behandelt habe. Der Dolmetscher sei während der hitzigen Diskussionen mit dem BF1 immer kränklicher geworden, habe sich ständig auf den Kopf gegriffen, nach hinten gelehnt und dabei gestöhnt, worauf der Organwalter in der Pause gemeint habe, dieser hätte Probleme mit dem Herz. Diese für einen diagnostiziert traumatisierten und psychisch kranken Asylwerber verunsichernde und damit unzumutbare Situation der Einvernahme sei ebenfalls nicht behandelt worden. Die unzumutbare Situation sei durch den Organwalter mit Suggestivfragen (siehe Protokollierung im Anhang) sowie verwirrende Zeitsprünge und mangelhafte Vorhalte verschlimmert worden, weswegen in der Stellungnahme die Geschehnisse und ihre Schlüssigkeit in zeitlicher Reihenfolge hervorgehoben worden seien. Dabei sei auf die Umstände der Fluchtgeschichte eingegangen worden. Die belangte Behörde habe die Stellungnahme und ihr Beweisvorbringen nicht in die Beweiswürdigung einbezogen. Damit sei die Ermittlung des relevanten Sachverhalts mit einem weiteren Verfahrensfehler behaftet.
17.7. Unter auszugsweiser Zitierung der vom BFA herangezogenen Länderinformationsquellen wurde ferner moniert, dass die Behörde die Plausibilität der politischen Aktivitäten im Libanon, des Angriffs auf den BF1 und der gewalttätigen Auseinandersetzung im Oktober 2021 nicht in Bezug zu den bekannten Länderfeststellungen gesetzt habe. Ebenso wenig habe das BFA das Vorbringen des BF1 mit den historischen Tatsachen über die LF in Beziehung gesetzt. Es handle sich somit um eine mangelhafte, da unvollständige, Beweiswürdigung. Ferner wurde unter auszugsweiser Zitierung der vom BFA herangezogenen Länderinformationsquellen ausgeführt, dass sich das BFA weder mit der schweren Erkrankung der BF3 in Zusammenhang mit der Versorgungskrise im Libanon noch mit der allgemeinen humanitären Lage auseinandergesetzt habe. Dabei handle es sich um einen schweren Verstoß gegen das Non-Refoulement Gebot.
17.8. Ferner wurde ausgeführt, dass die vorliegenden Berichte keine spezifischen Informationen zur Rolle der LF, insbesondere zu den aktiven Zeiten des BF1, geben würden. Zudem bedürfe es spezifischer Informationen zur Situation und Bedrohung der christlichen Maroniten außerhalb deren Herkunftsgebiete und zur Machtausdehnung der Hisbollah. Außerdem bedürfe es Informationen über die Versorgungslage in diesem Krisengebiet, insbesondere im Hinblick auf die spezielle Krankheit der Tochter. In diesem Zusammenhang wurde auszugsweise zur Untermauerung des Vorbringens auf (historische) Länderinformationen bzw. diesbezügliche Links zum Bürgerkrieg im Libanon und zur Zedernrevolution sowie zur LF und zu den Aktivitäten der Hisbollah verwiesen. Die Behörde habe sich nicht ausreichend mit der Lage im Herkunftsstaat mit spezifischem Blick auf die Situation des BF1 auseinandergesetzt. Die Länderberichte würden keine Informationen zur spezifischen Bedrohungssituation von schwer erkrankten Menschen enthalten. Zudem keine Information zur Krankheit der BF3 und deren Behandlungsmöglichkeiten. Die Behörde habe die notwendigen Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten der BF3, etwaige freie Kapazitäten sowie den Einfluss der Hisbollah nicht ermittelt.
Darüber hinaus wurde auszugsweise zur Untermauerung des Vorbringens auf Länderinformationen bzw. diesbezügliche Links zur humanitären Krise im Libanon und zu frauenspezifischer Gewalt verwiesen. Das BFA habe sich nicht mit der spezifischen Bedrohungssituation der besonderen Vulnerabilität der Beschwerdeführerinnen in Zusammenhang mit frauenspezifischer Gewalt auseinandergesetzt. Dabei handle es sich ebenfalls um einen schweren Verstoß gegen das Non-Refoulement Gebot.
17.9. In der Folge wurden Überlegungen zu den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheiden getroffen.
17.10. Das BFA erkenne aufgrund der fehlenden Gewissheit nicht die Glaubhaftmachung der vorgebrachten Bedrohung. Damit unterstelle sie dem Begriff der Glaubhaftmachung einen rechtswidrigen Inhalt. Die Behörde erkenne aufgrund der unangemessenen Einschätzung nicht das Ausmaß der Gefahr. Damit unterstelle sie sowohl dem Terminus der begründeten Furcht vor Verfolgung als auch dem Terminus der realen Gefahr einer Verletzung der in Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention garantierten Menschenrechte einen rechtswidrigen Inhalt. 17.10. Das BFA erkenne aufgrund der fehlenden Gewissheit nicht die Glaubhaftmachung der vorgebrachten Bedrohung. Damit unterstelle sie dem Begriff der Glaubhaftmachung einen rechtswidrigen Inhalt. Die Behörde erkenne aufgrund der unangemessenen Einschätzung nicht das Ausmaß der Gefahr. Damit unterstelle sie sowohl dem Terminus der begründeten Furcht vor Verfolgung als auch dem Terminus der realen Gefahr einer Verletzung der in Artikel 2, EMRK, Artikel 3, EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 der Konvention garantierten Menschenrechte einen rechtswidrigen Inhalt.
18. Mit Schreiben vom 21.06.2023 langte eine Beschwerdeergänzung beim Bundesverwaltungsgericht ein. Demnach sei eine amtsärztliche Untersuchung zur Dokumentation von Misshandlung und Folter nach dem Istanbulprotokoll vorgenommen worden, um die Schussverletzung und im Zuge dessen den Angriff auf den BF1 zu bestätigen. Diese sei am 05.06.2023 erfolgt, der Befundbericht liege nun vor. Zunächst werde durch die körperliche Untersuchung bestätigt, dass die Narben auf eine mehrere Jahre zurückliegende Schussverletzung hinweisen würden. Die erkennbaren Verletzungsspuren seien mit den geschilderten Begebenheiten in Übereinstimmung. Zudem sei in Zusammenschau mit dem psychologischen Befund über eine posttraumatische Belastungsstörung und rezidivierende depressive Störung die geschehene Misshandlung bzw. Folter gut nachvollziehbar. Insgesamt bekräftige die ärztliche Untersuchung zusätzlich zum eingebrachten Vorbringen die asylrelevante Fluchtgeschichte des BF1. Abschließend wurde auszugsweise auf einen Bericht des Alma Research and Education Center zu den Aktivitäten der Sicherheitskräfte der Hisbollah verwiesen, welcher dem Vorbringen des BF1 entspreche.
Dem Schreiben sind ein ärztlicher Befundbericht und eine psychotherapeutische Stellungnahme bezüglich des BF1, medizinische Unterlagen bezüglich der BF3 und das in der Beschwerde erwähnte Gedächtnisprotokoll angeschlossen.
19. Über Ersuchen des Bundesverwaltungsgerichts an die Beschwerdeführer langte die ursprünglich unvollständig übermittelte Beschwerde samt Anhängen am 27.06.2023 beim Bundesverwaltungsgericht vollständig ein.
20. Mit Note vom 23.11.2023 forderte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde auf, zu den in der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmängeln (insbesondere zur Befangenheit des Verwaltungsorgans, zur mangelhaften Einvernahme sowie zum vorgelegten Gedächtnisprotokoll über die Einvernahmen am 18.01.2023 und 20.01.2023) eine Stellungnahme abzugeben. Der Aufforderung wurde mit Stellungnahme der belangten Behörde vom 04.12.2023 entsprochen.
21. Mit Stellungnahme vom 05.12.2023 brachten die Beschwerdeführer im Wege ihrer gewillkürten Vertretung weitere Unterlagen zur Bescheinigung ihres Gesundheitszustandes bzw. ihrer Integration in Vorlage.
22. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 02.01.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung an. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte des Weiteren das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für den Libanon (Gesamtaktualisierung am 01.03.2023) und stellte dem BF1, der BF2 und der BF3 eine Stellungnahme hierzu bis spätestens eine Woche vor der mündlichen Verhandlung frei. Ferner wurden der BF1 und die BF2 sowie die BF3 aufgefordert bis spätestens eine Woche vor der Verhandlung eine Stellungnahme zu ihrem Privat- und Familienleben abzugeben sowie sämtliche Unterlagen hinsichtlich ihrer Integration in Vorlage zu bringen.
23. Am 27.12.2023 langte im Wege der gewillkürten Rechtsvertretung eine Stellungnahme der Beschwerdeführer zu den mit Note vom 11.12.2023 übermittelten Länderinformationsquellen ein. Unter Wiederholung des bisherigen Fluchtvorbringens wurden hierbei einerseits die übermittelten Länderinformationsquellen zu den Aktivitäten der Hisbollah, zur Sicherheitslage, zur Grundversorgung und zur medizinischen Versorgung zur Untermauerung des Vorbringens zitiert. Andererseits wurde zur Untermauerung des Vorbringens auszugsweise auf weitere Länderinformationsquellen zur Sicherheitslage, zur wirtschaftlichen Lage, zur Gesundheitsversorung und zur Menschenrechtslage verwiesen.
24. Am 02.01.2024 wurde vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher die Beschwerdeführer, die mit einem Vertreter der gewillkürten Rechtsvertretung erschienen, teilnahmen. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der jeweiligen Beschwerde. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der aktuellen Länderberichte zur Situation im Libanon (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für den Libanon (Gesamtaktualisierung am 01.03.2023) und Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Libanon zur Sicherheitslage im Libanon angesichts des Gaza-Kriegs vom 27.12.2023) sowie ergänzende Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin sowie der Drittbeschwerdeführerin als Parteien.
25. In einer Stellungnahme der Beschwerdeführer vom 04.01.2024 wurde im Wege der gewillkürten Rechtsvertretung unter auszugsweiser Zitierung der Rechtsprechung des VwGH und des EGMR ausgeführt, dass die Erstbefragung fünf Tage nach der Kampfhandlung erfolgt sei, aufgrund welcher der BF1 mit seiner Familie geflohen sei. Was die Einvernahme Mitte Jänner 2023 betrifft, so habe der Referent - auch im Protokoll nachsehbar - das Thema gewechselt und keine weiteren Fragen zur fluchtauslösenden Kampfhandlung gestellt. Hintergrund dieses Vorgehens, der Referent habe dem BF1 vorgeworfen, dass er einen Asylausschlussgrund erfülle, wenn er mehr darüber vorbringe. Dies sei auch in der Beschwerde so vorgebracht worden, wobei sich der Referent sich zu diesem Vorwurf in seiner Stellungnahme nicht geäußert habe. Im Übrigen seien bereits ärztliche Befunde sowohl im Hinblick auf die Traumatisierung als auch die Folterspuren auf dem Bein des BF1 vorgelegt worden. In der Verhandlung vom 02.01.2024 sei der BF1 nun in der Lage gewesen, seine traumatisierenden Erlebnisse schlüssig und substantiiert vorzubringen. Der BF1 habe seit seiner Jugend aus politischer Überzeugung Widerstand gegen die terroristische Hisbollah geleistet und dafür Gewalt und Bedrohungen erfahren. Er habe nach Jahren der Gewalterfahrungen und Traumatisierung mit seiner Familie um internationalen Schutz in Österreich angesucht.
26. Hinsichtlich des Verfahrenshergangs und des Parteivorbringens im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat er