TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/28 95/21/0284

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Veröffentlicht am 28.06.1995
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Index

24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §20 Abs1;
StGB §12;
StGB §142 Abs1;
StGB §143;
StGB §88 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des Z in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 27. September 1994, Zl. Frb-4250/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 27. September 1994 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein mit 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides sei der Beschwerdeführer in Österreich geboren und hier aufgewachsen; seine gesamte Familie halte sich in Österreich auf und er habe mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein im Jahr 1991 geborenes gemeinsames Kind. Der Beschwerdeführer beabsichtige demnächst seine (nunmehrige) Freundin, die ebenfalls eine österreichische Staatsangehörige sei, zu ehelichen, sodaß insgesamt betrachtet von einer völligen Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet auszugehen sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. November 1993 sei der Beschwerdeführer, der eine einschlägige Vorstrafe wegen des Vergehens der fahrlässigen schweren Körperverletzung aufweise, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB als Beteiligter gemäß § 12 dritter Fall StGB verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit fünf weiteren Tätern (darunter zwei Jugendlichen) einen schweren Raub in Kenntnis des Umstandes geplant habe, daß die Tat unter Verwendung einer Waffe verübt werden sollte, wobei überdies erklärt worden sei, daß man die beiden Opfer (zwei deutsche Staatsangehörige) niederschlagen werde. Dabei habe der Beschwerdeführer die unmittelbaren Täter sowie die beiden Opfer jeweils mit dem von ihm gelenkten PKW zum Tatort gebracht, die Tatvollendung abgewartet und die Täter zur Sicherung der Raubbeute vom Tatort weggebracht. Dem bereits erwachsenen Beschwerdeführer habe dafür eine Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren gedroht. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe in der Begründung seiner Entscheidung, mit der die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Jahren festgesetzt wurde, ausgeführt, daß die Rolle des Beschwerdeführers durchaus nicht ganz untergeordnet gewesen sei. Der schwere Raub, den er als Beitragstäter mitzuverantworten habe, sei vorher gemeinsam durchgesprochen, reiflich überlegt und geplant worden. So habe er - neben der von allen zu vertretenden psychischen Unterstützung - mit einem weiteren Raubgenossen die Raubopfer und die unmittelbaren Täter mit den Autos zum abgelegenen Tatort gebracht und so die Begehung des schweren Raubes jedenfalls wesentlich erleichtert. Das an zwei offenbar körperlich und geistig unterlegenen Opfern (so habe der Beschwerdeführer angegeben, "die beiden waren wie kleine Buben") begangene Verbrechen könne nicht als "einmaliger Ausrutscher" gewertet werden, sondern habe es sich um einen von sechs kräftigen jungen Männern verabredeten und gemeinsam sowie unter Verwendung von zwei Waffen, darunter einer scharf geladenen Pistole, an zwei Opfern begangenen schweren Raub gehandelt. Durch das Aufenthaltsverbot werde zweifellos in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erheblich eingegriffen. Zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) sei diese Maßnahme aber dringend geboten. Daß das Aufenthaltsverbot in sogar bedeutendem Maß in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife, zumal er seit seiner Geburt in Österreich lebe und hier auch ein gemeinsames Kind mit einer österreichischen Staatsbürgerin habe, werde von der belangten Behörde nicht bestritten. Auch seine sonstigen Verwandten, vor allem seine Eltern, seien schon lange in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer sei durch seine ausgeübte Beschäftigung und seine Verbindung zu einem Fußballverein völlig integriert gewesen, wobei er überdies beabsichtige, seine nunmehrige Freundin, ebenfalls eine österreichische Staatsangehörige, zu heiraten. Allerdings würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes immer noch schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. Es dürfe nämlich nicht übersehen werden, daß es sich bei dem schweren Raub nicht um die erste strafbare Handlung des Beschwerdeführers gegen Leib und Leben eines Menschen handle. Im Vordergrund stünden aber die näher aufgezeigten Umstände dieser Tat und die daraus hervorleuchtende kriminelle Energie, die danach dem Beschwerdeführer zu eigen sei. Der hohe Schuld- und Unrechtsgehalt eines derartigen Verbrechens erfordere die Erlassung eines mit 10 Jahren befristeten Aufenthaltsverbotes. Angesichts dessen, daß der Beschwerdeführer seit seiner Geburt in Österreich lebe und dies die erste derart schwerwiegende Tat darstelle, könne in Abänderung der Entscheidung der Behörde erster Instanz, die noch ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen hatte, mit dieser Gültigkeitsdauer das Auslangen gefunden werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß aufgrund der - unbestrittenen - maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht und aus den angeführten Gründen die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sowie die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 leg. cit. zulässig sei, unbekämpft. Auch der Gerichtshof hegt gegen diese rechtliche Beurteilung keine Bedenken.

Die Beschwerde meint allerdings, daß im Hinblick auf den intensiven Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers durch das Aufenthaltsverbot dieses aufgrund der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig sei. Dem Beschwerdeführer ist hier aber zu entgegnen, daß die belangte Behörde sämtliche für seinen Standpunkt sprechende Gesichtspunkte berücksichtigt und in Abwägung der im § 20 Abs. 1 FrG angeführten Interessen dennoch zu dem Ergebnis gelangte, daß der besonderen Schwere des vom Beschwerdeführer verübten Raubes und des daraus abgeleiteten hohen Grades der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit den öffentlichen Interessen an der Erlassung eines zumindest befristeten Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht als seinen privaten Interessen zukomme. Die belangte Behörde hat dabei berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer im Bundesgebiet angesichts der Dauer seines Aufenthaltes und der kulturellen sowie beruflichen Eingliederung völlig integriert sei und überdies mit einer österreichischen Staatsbürgerin ein gemeinsames Kind habe. Wenn in diesem Zusammenhang in der Beschwerde vorgebracht wird, daß der Beschwerdeführer seine Freundin mittlerweile, also nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, geheiratet habe, so ist darauf aufgrund des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes nicht weiter einzugehen, jedoch ist anzumerken, daß die belangte Behöre ohnehin von einer beabsichtigten Heirat ausgegangen ist. Insoweit in der Beschwerde die Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber seinem Kind angesprochen wird, hat bereits die belangte Behörde zutreffend aufgezeigt, daß der Beschwerdeführer dieser Unterhaltspflicht auch vom Ausland aus nachkommen kann. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind die Verhältnisse in seinem Heimatstaat für die Rechtmäßigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ohne rechtliche Bedeutung. Mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wird lediglich das Verbot ausgesprochen, sich weiter in Österreich aufzuhalten. Eine Abschiebung (oder Ausreise) in ein bestimmtes Land wird damit nicht angeordnet. Bei der Interessensabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG ist im übrigen nicht gefordert, daß den an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehenden öffentlichen Interessen ein höheres Gewicht zukomme als den gegenläufigen privaten- und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Ein Aufenthaltsverbot darf nach der angeführten Gesetzesbestimmung nur dann nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Hier hat die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, daß die näheren Umstände und die besondere Verwerflichkeit dieser Tat (ein von sechs kräftigen jungen Männern verabredeter, gemeinsam unter Verwendung von zwei Waffen, darunter einer scharf geladenen Pistole, an zwei offenbar körperlich und geistig unterlegenen Opfern begangener schwerer Raub) keineswegs die Wertung als "einmaliger Ausrutscher" zulassen. Daran ändert auch nichts, wenn die belangte Behörde die einschlägige Vorstrafe des Beschwerdeführers wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung ohne Einsichtnahme in den diesbezüglichen Strafakt und genauere Erhebung des diesbezüglich zugrundeliegenden Sachverhaltes mitberücksichtigt hat. Auch wenn es sich dabei im Sinne des Beschwerdevorbringens "lediglich" um einen Verkehrsunfall handelte, so ist dennoch zu Lasten des Beschwerdeführers davon auszugehen, daß er vor dem Raub bereits eine strafbare Handlung gegen das von der Rechtsordnung besonders geschützte Rechtsgut "Leib und Leben" begangen hat. Da sich der Beschwerdeführer nach Ausweis der Verwaltungsakten und seinen Beschwerdeausführungen seit seiner Verurteilung für den im Juli 1993 begangenen Raub (jedenfalls bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) in Haft befunden hat, kann auch derzeit von einer Wiedereingliederung in die Gesellschaft nicht gesprochen werden. Wenn also die belangte Behörde bei Gesamtbetrachtung aller Umstände trotz der gewichtigen, für einen (weiteren) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Interessen den gegenläufigen maßgeblichen öffentlichen Interessen ein (zumindest) ebenso großes Gewicht zugemessen hat, so kann darin kein rechtswidriges Abwägungsergebnis gesehen werden.

Da sich sohin die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210284.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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