Entscheidungsdatum
06.06.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
I415 2287489-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des BFA RD Tirol, Außenstelle Innsbruck (BFA-T-ASt-Innsbruck) vom 31.01.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hannes LÄSSER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des BFA RD Tirol, Außenstelle Innsbruck (BFA-T-ASt-Innsbruck) vom 31.01.2024, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer beantragte im Dezember 2023 in Österreich internationalen Schutz. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers betreffend die Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Nigeria als unbegründet ab (Spruchpunkte I und II), erteilte diesem keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß § 57 AsylG“ (Spruchpunkt III), erließ wider ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkte IV und V), wobei die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).1. Der Beschwerdeführer beantragte im Dezember 2023 in Österreich internationalen Schutz. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers betreffend die Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Nigeria als unbegründet ab (Spruchpunkte römisch eins und römisch II), erteilte diesem keinen Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ „gemäß Paragraph 57, AsylG“ (Spruchpunkt römisch III), erließ wider ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkte römisch IV und römisch fünf), wobei die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI).
2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, der Beschwerdeführer hätte seinem Vater, nachdem dieser im Jahr 2017 verstorben war, als ältester Sohn in dessen Position in einem Kult nachfolgen sollen. Er lehne dies jedoch strikt ab, da er dies unter anderem nicht mit seinem christlichen Glauben vereinbaren könne. Aufgrund der Drohungen, mit denen sich der Beschwerdeführer in Folge konfrontiert gesehen habe, habe er Nigeria im Jahr 2023 verlassen müssen. Beantragt werde u.a. eine mündliche Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts unter Einvernahme des Beschwerdeführers anzuberaumen.
3. Am 16.05.2024 fand eine mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Gericht statt, im Zuge derer der BF im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Englisch sowie in Anwesenheit eines Vertreters der belangten Behörde, jedoch in entschuldigter Abwesenheit seiner Rechtsvertretung zur Beschwerdesache einvernommen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:Der unter Punkt römisch eins beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias, Mitte 20, arbeitsfähig, ledig und Christ. Seine Identität steht fest. Er kam im Dorf XXXX , in der Nähe von XXXX , der zweitgrößten Stadt im Südosten des Bundesstaates XXXX zur Welt, wo er anfangs bei seinen Eltern, dann bei bei seiner Großmutter väterlicherseits, aufwuchs, weil sich seine Eltern früh scheiden ließen, und er die Grundschule besuchte. Ab ca. 2014 besuchte der Beschwerdeführer die Mittelschule in XXXX State. Anlässlich des Todes seines Vaters kehrte der Beschwerdeführer wieder kurz nach XXXX zurück, bevor er 2017 nach XXXX ging. Ende 2017 ging der Beschwerdeführer für zwei Jahre in den XXXX State, wo er seinen Ausführungen folgend eine Schule für Schiffstechnik („Marine Engineering“) besuchte, bevor er wieder nach XXXX zurückkehrte.Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias, Mitte 20, arbeitsfähig, ledig und Christ. Seine Identität steht fest. Er kam im Dorf römisch XXXX , in der Nähe von römisch XXXX , der zweitgrößten Stadt im Südosten des Bundesstaates römisch XXXX zur Welt, wo er anfangs bei seinen Eltern, dann bei bei seiner Großmutter väterlicherseits, aufwuchs, weil sich seine Eltern früh scheiden ließen, und er die Grundschule besuchte. Ab ca. 2014 besuchte der Beschwerdeführer die Mittelschule in römisch XXXX State. Anlässlich des Todes seines Vaters kehrte der Beschwerdeführer wieder kurz nach römisch XXXX zurück, bevor er 2017 nach römisch XXXX ging. Ende 2017 ging der Beschwerdeführer für zwei Jahre in den römisch XXXX State, wo er seinen Ausführungen folgend eine Schule für Schiffstechnik („Marine Engineering“) besuchte, bevor er wieder nach römisch XXXX zurückkehrte.
Er ist gesund, nicht in ärztlicher Behandlung, und nimmt keine Medikamente. Er gehört der Volksgruppe der Igbo an und spricht deren Sprache sowie Englisch und kaum Deutsch.
Im XXXX State verkaufte der Beschwerdeführer neben der Schule Autoteile, in XXXX Elektroteile und konnte sich damit den Lebensunterhalt verdienen. Im Herkunftsstaat leben seine vier Halbgeschwister, die bei der Mutter des Beschwerdeführers leben, die Anfang 40 ist, dazu noch einige Onkel, Freunde und Bekannte. Mit diesen hält der Beschwerdeführer über WhatsApp Kontakt.Im römisch XXXX State verkaufte der Beschwerdeführer neben der Schule Autoteile, in römisch XXXX Elektroteile und konnte sich damit den Lebensunterhalt verdienen. Im Herkunftsstaat leben seine vier Halbgeschwister, die bei der Mutter des Beschwerdeführers leben, die Anfang 40 ist, dazu noch einige Onkel, Freunde und Bekannte. Mit diesen hält der Beschwerdeführer über WhatsApp Kontakt.
Der Beschwerdeführer verließ den Herkunftsstaat im November 2023 per Flugzeug über Ägypten legal nach Griechenland; dies aufgrund eines von der griechischen Botschaft in XXXX ausgestellten und für den Zeitraum von 09.10.2023 bis 22.11.2023 gültigen C-Visums. Anschließend reiste der Beschwerdeführer illegal nach Österreich und beantragte hier am 01.12.2023 internationalen Schutz.Der Beschwerdeführer verließ den Herkunftsstaat im November 2023 per Flugzeug über Ägypten legal nach Griechenland; dies aufgrund eines von der griechischen Botschaft in römisch XXXX ausgestellten und für den Zeitraum von 09.10.2023 bis 22.11.2023 gültigen C-Visums. Anschließend reiste der Beschwerdeführer illegal nach Österreich und beantragte hier am 01.12.2023 internationalen Schutz.
Er ist strafrechtlich unbescholten und seit 02.12.2023 durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet.
1.2 Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle „Länderinformationsblatt der Staatendokumentation“ zu Nigeria mit Stand November 2023 zitiert. Im gegebenen Zusammenhang sind davon die folgenden Informationen von Relevanz und werden festgestellt:
1.2.1 Sicherheitslage
Nigeria sieht sich mit einer beispiellosen Welle unterschiedlicher, sich überschneidender Sicherheitskrisen konfrontiert. Fast jeder Teil des Landes ist aktuell von Gewalt und Kriminalität betroffen. Zu den landesweiten und regionsunspezifischen Bedrohungen gehören: (Kindes)Entführungen, Raub, Klein- und Cyberkriminalität, Verbrechen, Terrorismus/Aufstände, Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen, Landstreitigkeiten, Ausbruch von Krankheiten, Proteste und Demonstrationen. In jüngster Zeit konnte eine Eskalation von einigen Konflikten beobachtet werden: So löste Nigeria mit April 2022 den Irak mit den meisten vom sog. Islamischen Staat (IS) beanspruchten Attentaten ab. Allein in den ersten 45 Tagen unter dem neugewählten Präsidenten Bola Tinubu wurden 230 Todesopfer verschiedener Krisenherde gezählt. Es handelt sich hierbei um eine konservative Zählung (ÖB 10.2023). Banditentum und interkommunale Gewalt kommen in allen Regionen Nigerias vor (UKFCDO 4.11.2023a).
Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch in anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen (AA 31.10.2023). Politische Kundgebungen, Proteste und gewalttätige Demonstrationen können im ganzen Land unangekündigt stattfinden (UKFCDO 4.11.2023a). Beim Jahrestag der #EndSARS Proteste (Demonstrationen, die nach einem Massaker am 20.10.2020, wobei zwölf Menschen zu Tode kamen, zur Auflösung der für Gewaltanwendung gegen und Tötung von Zivilisten bekannten Spezialeinheit SARS - Special Anti-Robbery Squad führten) am 22.10.2022 wurden erneute Demonstrationen nicht zum Ort des damaligen Massakers durchgelassen (RANE 27.10.2022). [Anm.: Die Einheit wurde nach dem Massaker nicht faktisch aufgelöst, sondern in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt (EASO 6.2021).]
Im Nordwesten des Landes ist organisierte Bandenkriminalität präsent, v. a. in den Bundesstaaten Zamfara, Katsina und Kaduna. Bei schweren Überfällen auf Dörfer werden dabei regelmäßig Zivilisten getötet, verschleppt und vertrieben (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Der Nordwesten Nigerias (Bundesstaaten: Kaduna, Kano, Jigawa, Kebbi, Sokoto, Zamfara) erlebt einen komplexen, multidimensionalen Konflikt, den verschiedene Banden und ethnische Milizen gegen die Regierung führen. Die Zahl an Todesopfern durch Bandenkriminalität im Nordwesten gleichen mittlerweile jener im Nordosten durch Terrorismus (ÖB 10.2023). Zudem haben sich die Aktivitäten der Islamisten von den nordöstlichen Staaten in die nordwestlichen Bundesstaaten ausgeweitet (EASO 6.2021).Im Nordwesten des Landes ist organisierte Bandenkriminalität präsent, v. a. in den Bundesstaaten Zamfara, Katsina und Kaduna. Bei schweren Überfällen auf Dörfer werden dabei regelmäßig Zivilisten getötet, verschleppt und vertrieben (AA 24.11.2022; vergleiche EASO 6.2021). Der Nordwesten Nigerias (Bundesstaaten: Kaduna, Kano, Jigawa, Kebbi, Sokoto, Zamfara) erlebt einen komplexen, multidimensionalen Konflikt, den verschiedene Banden und ethnische Milizen gegen die Regierung führen. Die Zahl an Todesopfern durch Bandenkriminalität im Nordwesten gleichen mittlerweile jener im Nordosten durch Terrorismus (ÖB 10.2023). Zudem haben sich die Aktivitäten der Islamisten von den nordöstlichen Staaten in die nordwestlichen Bundesstaaten ausgeweitet (EASO 6.2021).
Im Nordosten hat sich die Sicherheitslage nach zeitweiliger Verbesserung (2015-2017) seit 2018 weiter verschlechtert (AA 24.11.2022). Angriffe erfolgen vorwiegend durch Boko Haram sowie ISWAP [Islamischer Staat Westafrika Provinz] in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa, aber es gab auch bedeutende Anschläge in Gombe, Kano, Kaduna, Plateau, Bauchi und Taraba (UKFCDO 4.11.2023b).
Seit vielen Jahren gibt es in Nigeria gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen nomadischen Viehhirten (muslimische Hausa und Fulani) und sesshaften Bauern (überwiegend christlich). Der Konflikt breitet sich im ganzen Land aus, aber vor allem der „Middle Belt“ in Zentralnigeria ist besonders betroffen (ÖB 10.2023; vgl. FH 13.4.2023). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig (AA 24.11.2022). Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Bei Zusammenstößen um begrenzte Ressourcen wurden bereits tausende Menschen getötet sowie Sachbeschädigungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen begangen (ÖB 10.2023).Seit vielen Jahren gibt es in Nigeria gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen nomadischen Viehhirten (muslimische Hausa und Fulani) und sesshaften Bauern (überwiegend christlich). Der Konflikt breitet sich im ganzen Land aus, aber vor allem der „Middle Belt“ in Zentralnigeria ist besonders betroffen (ÖB 10.2023; vergleiche FH 13.4.2023). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig (AA 24.11.2022). Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 24.11.2022; vergleiche EASO 6.2021). Bei Zusammenstößen um begrenzte Ressourcen wurden bereits tausende Menschen getötet sowie Sachbeschädigungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen begangen (ÖB 10.2023).
Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt latent konfliktanfällig. In Nigeria selbst haben die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und der seit 2017 als „terroristische Vereinigung“ verbotenen IPOB (Indigenous People of Biafra) zugenommen (AA 24.11.2022). In der letzten Zeit hat es dort eine Anzahl von Angriffen gegeben (UKFCDO 4.11.2023c). Im Niger-Delta (Zentrum der Erdöl- und Erdgasindustrie) klagt die dortige Bevölkerung über massive, auch durch internationale Ölförderkonzerne verursachte, Umweltdegradation, jahrzehntelange Benachteiligung, kaum vorhandene Infrastruktur oder Bildungseinrichtungen und Korruption (AA 24.11.2022).
Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In allen Regionen können unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser, gesellschaftlicher oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das westliche Taraba und das östliche Nasarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. inner-ethnischen Konflikten zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie organisierten kriminellen Banden betroffen. In den südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Imo, Rivers, Anambra, Enugu, Ebonyi und Akwa-Ibom kommt es derzeit gehäuft zu bewaffneten Angriffen auf Institutionen staatlicher Sicherheitskräfte. Die nigerianische Polizei hat nach einem erheblichen Anstieg von Sicherheitsvorfällen am 19.5.2021 die "Operation Restore Peace" in diesen Bundesstaaten begonnen. Dies kann lokal zu einer höheren polizeilichen Präsenz führen. In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Auch Angriffe auf dort tätige humanitäre Hilfsorganisationen waren zu verzeichnen. In den nördlichen bzw. nordwestlichen Bundesstaaten, insbesondere im Grenzgebiet zu Niger, kommt es verstärkt zu Entführungen und schweren Gewaltakten, deren Urheberschaft nicht eindeutig ist, die aber unter Umständen ebenfalls terroristischen Gruppen zuzuschreiben sind (AA 31.10.2023).
Das Risiko terroristischer Angriffe hat sich durch im Jahr 2022 und danach erfolgte Attacken des ISWAP im Federal Capital Territory (FCT) erhöht (UKFCDO 4.11.2023b).
In der Zeitspanne von Juli 2022 bis Juli 2023 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.265), Zamfara (877), Kaduna (637), Niger (542). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (6), Ekiti (9), Gombe (11) (CFR 1.7.2023). Intensive Unsicherheit und Gewalt haben seit 2018 in Nigeria Bestand bzw. haben diese zugenommen (EASO 6.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (31.10.2023): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 14.11.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
CFR - Council on Foreign Relations (1.7.023): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 14.11.2023
EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf, Zugriff 3.10.2022
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
RANE Worldview (27.10.2022): Two Years After the 'Lekki Massacre,' Police Brutality Still Looms Large Over Nigerian Elections, kostenpflichtiger Thinktank, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf, https://worldview.stratfor.com/article/two-years-after-lekki-massacre-police-brutality-still-looms-large-over-nigerian-elections?id=743c2bc617&e=43cabd063c&uuid=6937d4b7-893f-49da-915f-228fcd1e0261&mc_cid=04da2dd08c&mc_eid=43cabd063c,Zugriff 10.11.2022
UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office [Großbritannien] (4.11.2023a): Foreign travel advice - Nigeria - Summary, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 14.11.2023
UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office [Großbritannien] (4.11.2023b): Foreign travel advice - Nigeria - Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria/terrorism, Zugriff 14.11.2023
UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth & Development Office [Großbritannien] (4.11.2023c): Foreign travel advice - Nigeria - Safety and Security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria/safety-and-security, Zugriff 14.11.2023
1.2.2 Sicherheitsbehörden
Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-)Polizei [Anm.: National Police Force - NPF], die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Das Verhältnis von Polizei zu Bevölkerung, etwa ein Polizist pro 400-500 Nigerianer, ist im UN-Vergleich sehr niedrig (ÖB 9.2022). Gemäß einer anderen Quelle verfügt Nigeria in absoluten Zahlen zwar über eine der größten Polizeitruppen der Welt, dennoch liegt die Rate von Polizeibeamten zur Bevölkerungszahl von demnach 1:600 deutlich unter der von der UN empfohlenen Rate von 1:450 (EASO 6.2021). Die nigerianische Polizei ist zusammen mit anderen Bundesorganisationen die wichtigste Strafverfolgungsbehörde. Das Department of State Service (DSS), via nationalen Sicherheitsberater dem Präsidenten unterstellt, ist ebenfalls für die innere Sicherheit zuständig (USDOS 20.3.2023).Die allgemeinen Polizei- und Ordnungsaufgaben obliegen der rund 360.000 Mann starken (Bundes-)Polizei [Anm.: National Police Force - NPF], die dem Generalinspekteur der Polizei in Abuja untersteht (AA 24.11.2022; vergleiche EASO 6.2021). Das Verhältnis von Polizei zu Bevölkerung, etwa ein Polizist pro 400-500 Nigerianer, ist im UN-Vergleich sehr niedrig (ÖB 9.2022). Gemäß einer anderen Quelle verfügt Nigeria in absoluten Zahlen zwar über eine der größten Polizeitruppen der Welt, dennoch liegt die Rate von Polizeibeamten zur Bevölkerungszahl von demnach 1:600 deutlich unter der von der UN empfohlenen Rate von 1:450 (EASO 6.2021). Die nigerianische Polizei ist zusammen mit anderen Bundesorganisationen die wichtigste Strafverfolgungsbehörde. Das Department of State Service (DSS), via nationalen Sicherheitsberater dem Präsidenten unterstellt, ist ebenfalls für die innere Sicherheit zuständig (USDOS 20.3.2023).
Die nigerianischen Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die äußere Sicherheit zuständig, haben aber auch einige Zuständigkeiten im Bereich der inneren Sicherheit (USDOS 20.3.2023). Die nigerianischen Streitkräfte umfassen 2021 schätzungsweise 135.000 Mann, davon 100.000 in der Armee, 20.000 Marine und Küstenwache, sowie 15.000 in der Luftwaffe. Paramilitärische Gruppen werden auf eine Gesamtstärke von 80.000 geschätzt (EASO 6.2021).
In vielen Bundesstaaten wurden als Reaktion auf zunehmende Gewalt, Unsicherheit und Kriminalität, welche die Reaktionsfähigkeit der staatlichen Sicherheitskräfte überstiegen, lokale "Sicherheits"-Organisationen geschaffen. Diese lokalen Kräfte unterstehen dem Gouverneur des Staates (USDOS 20.3.2023).
Etwa 100.000 Polizisten sollen bei Personen des öffentlichen Lebens und einflussreichen Privatpersonen als Sicherheitskräfte tätig sein. Alle Sicherheitsorgane (Militär, Staatsschutz sowie paramilitärische Einheiten, die sogenannten Rapid Response Squads) werden neben der Polizei auch im Innern eingesetzt (AA 24.11.2022).
Die National Drug Law Enforcement Agency (NDLEA) ist für alle Straftaten in Zusammenhang mit Drogen zuständig. Der NDLEA wird im Vergleich zu anderen Behörden mit polizeilichen Befugnissen eine gewisse Professionalität attestiert. In den Zuständigkeitsbereich dieser Behörde fällt Dekret 33, welches ein zusätzliches Verfahren für im Ausland bereits wegen Drogendelikten verurteilte, nigerianische Staatsbürger vorsieht. Dagegen zeichnen sich die NPF und die Mobile Police (MOPOL) durch geringe Professionalität, mangelnde Disziplin, häufige Willkür und geringen Diensteifer aus (ÖB 10.2023). Die Polizei ist durch niedrige Besoldung sowie schlechte Ausrüstung, Ausbildung und Unterbringung gekennzeichnet (AA 24.11.2022).
Die zivilen Behörden üben nicht immer eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitsdienste aus (USDOS 20.3.2023). Die Regierung scheiterte an der Reorganisation des Militärs und der Polizei trotz hohen finanziellen und personellen Einsatzes (BS 23.2.2022).
Die Straflosigkeit, die durch Korruption und eine schwache Justiz noch verschärft wird, ist nach wie vor ein großes Problem bei den Sicherheitskräften, insbesondere bei der Polizei, dem Militär und dem Ministerium für staatliche Dienstleistungen. Die Regierung setzt regelmäßig Disziplinarausschüsse und -mechanismen ein, um gegen Mitglieder der Sicherheitskräfte zu ermitteln und sie für im Dienst begangene Straftaten zur Rechenschaft zu ziehen. Doch die Ergebnisse dieser Rechenschaftsmechanismen werden nicht immer veröffentlicht. Die Complaint Response Unit der nigerianischen Polizei bemüht sich, das Vertrauen der Bürger in die Polizei wiederherzustellen, indem sie Beschwerden gegen Beamte sammelt und die Lösung dieser Fälle erleichtert. Im Jahr 2021 veröffentlichte die Einheit einen Bericht, in dem die Anzahl und Art der eingegangenen Beschwerden sowie die Gesamtzahl der seit ihrer Gründung bearbeiteten Fälle zusammengefasst wurden. Die Stelle wird weitgehend als glaubwürdiger - wenn auch noch in der Entwicklung befindlicher - Mechanismus wahrgenommen, Beschwerden von Bürgern über polizeiliches Fehlverhalten zu sammeln und darauf zu reagieren (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf, Zugriff 3.10.2022
EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf, Zugriff 3.10.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
1.2.3 Religionsfreiheit
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (FH 13.4.2023; vgl. AA 24.11.2022, USCIRF 5.2023). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen (USDOS 15.5.2023; vgl. AA 24.11.2022, USCIRF 5.2023, ÖB 10.2023). Religiöse Diskriminierung ist verboten (USDOS 15.5.2023; vgl. USCIRF 5.2023). Jeder genießt die Freiheit, seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 15.5.2023). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z. B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 24.11.2022).Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (FH 13.4.2023; vergleiche AA 24.11.2022, USCIRF 5.2023). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen (USDOS 15.5.2023; vergleiche AA 24.11.2022, USCIRF 5.2023, ÖB 10.2023). Religiöse Diskriminierung ist verboten (USDOS 15.5.2023; vergleiche USCIRF 5.2023). Jeder genießt die Freiheit, seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 15.5.2023). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z. B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 24.11.2022).
Obwohl die nigerianische Verfassung das Recht auf Meinungs-, Gedanken- und Gewissensfreiheit garantiert, stellt das nigerianische Strafrecht die Beleidigung von Religionen unter Strafe, und die Scharia (islamisches Recht), die in zwölf nördlichen Bundesstaaten, darunter Sokoto, gilt, stellt Blasphemie unter Strafe (HRW 12.1.2023).
In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖB 10.2023). Es ist bekannt, dass bundesstaatliche und lokale Regierungen auf ihrem Gebiet de-facto-offizielle Religionen anerkennen, wodurch sie gleichzeitig (anderen) religiösen Aktivitäten Grenzen setzen (FH 13.4.2023). Viele Menschen, die in Gebieten leben, in denen sie einer religiösen Minderheit angehören, fühlen sich diskriminiert und leben in Angst - und das aus gutem Grund angesichts der Geschichte religiös motivierter Gewalt. Für einen Muslim kann es schwierig sein, in einer christlich dominierten Region seine Religion offen auszuüben, ebenso für einen Christen in einer Region mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit. Auch im Vorfeld der Wahlen im Februar 2023 besteht das Risiko religiöser Konflikte (BBC 16.10.2022).
Während einige Beamte daran arbeiten, die Ursachen für Verstöße gegen die Religionsfreiheit zu beseitigen, verletzen andere aktiv die Rechte der Nigerianer auf Religionsfreiheit, unter anderem durch die Durchsetzung von Blasphemiegesetzen. Kriminelle Aktivitäten und Vorfälle mit gewalttätigen bewaffneten Gruppen, die die Religionsfreiheit beeinträchtigen, haben sich verschlimmert (USCIRF 5.2023).
Organisationen der Zivilgesellschaft und die Medien berichten, dass im ganzen Land und insbesondere in der Nordwestregion allgemeine Unsicherheit herrscht. Vor allem im Norden des Landes kommt es weiterhin häufig zu gewalttätigen Zwischenfällen, von denen sowohl Muslime als auch Christen betroffen sind und die zahlreiche Todesopfer gefordert haben. Entführungen und bewaffnete Raubüberfälle durch kriminelle Banden haben sowohl im Süden als auch im Nordwesten, Süden und Südosten zugenommen. Die internationale christliche Organisation Open Doors hat erklärt, dass terroristische Gruppen, militante Hirten und kriminelle Banden für eine große Zahl von Todesopfern verantwortlich sind. Demnach sind Christen besonders gefährdet (USDOS 15.5.2023).
In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit problematisch, insbesondere wo der Kampf um Ressourcen zunehmend religiös und politisch instrumentalisiert wird. Anders ist die Lage bei den Yoruba im Südwesten Nigerias, bei ihnen sind Mischehen zwischen Muslimen und Christen seit Generationen verbreitet (AA 24.11.2022).
Auch die Lage zwischen den Moslems der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit ist teilweise stark angespannt (AA 24.11.2022). Der Konflikt der Regierung mit der Islamischen Bewegung von Nigeria (IMN), einer schiitischen muslimischen Gruppe, die für eine islamische Herrschaft in Nigeria eintritt, eskalierte 2019, als ein Gericht in Abuja die IMN verbot und sie als terroristische Organisation einstufte (FH 13.4.2023; vgl. AA 24.11.2022). Die IMN betrachtet ihren Anführer, Sheikh Ibrahim el-Zakzaky, als die letzte Autorität in Nigeria und erkennt die Regierung in Abuja nicht an (FH 13.4.2023). Das von der Regierung verhängte Verbot der IMN als illegale politische Organisation bleibt bestehen, während andere schiitische Gruppen, die nicht der IM