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32/02 Steuern vom Einkommen und ErtragNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des EStG 1988 betreffend die Festschreibung von Gewinnzuschlägen bei mangelnder Wertpapierdeckung von Pensionsrückstellungen; Gewinnzuschlag zur Absicherung künftiger Ansprüche von Arbeitnehmern geeignet und im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers; Verpflichtung zur Vornahme eines Gewinnzuschlags im jeweiligen Wirtschaftsjahr durch den Arbeitgeber dient der Besicherung der Ansprüche der Arbeitnehmer; kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch die Sanktionierung einer – ohne Zutun des Arbeitgebers eingetretenen – Unterdeckung erst, wenn diese vom Arbeitgeber nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ausgeglichen wirdRechtssatz
§14 Abs7 Z2 und Z3 EStG 1988 idF BGBl I 24/2007, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.§14 Abs7 Z2 und Z3 EStG 1988 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 24 aus 2007,, wird nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
Keine Bedenken zu den Regelungen zum Gewinnzuschlag:
Für rechtsverbindlich zugesicherte Pensionen sind nach unternehmensrechtlichen Grundsätzen Rückstellungen zu bilden. Bei Gewinnermittlung nach §5 Abs1 EStG 1988 besteht daher auch in der Steuerbilanz eine Verpflichtung zur Rückstellungsbildung nach den Vorgaben des §14 Abs6 bis 11 EStG 1988.
Im Fall einer Rückstellungsbildung müssen spätestens am Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres Wertpapiere im Nennbetrag von mindestens 50 % des am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in der Bilanz ausgewiesenen Rückstellungsbetrages vorhanden sein. Entspricht die Wertpapierdeckung im Wirtschaftsjahr auch nur vorübergehend nicht den gesetzlichen Erfordernissen, ist der Gewinn im betreffenden Wirtschaftsjahr um 30 % des Betrages der Unterdeckung zu erhöhen.
In VfSlg 17.962/2006 hat der VfGH zum Ausdruck gebracht, dass die Verknüpfung einer steuerlichen Rückstellungsbildung im Bereich des Sozialkapitals mit einer Wertpapierdeckung dann unbedenklich sei, wenn sie eine Besicherung der durch die Rückstellung erfassten ungewissen Verbindlichkeiten bewirke, somit den künftigen Gläubigern (Arbeitnehmern) eine Sicherheit in Form eines Wertpapierstockes biete. Mit der Änderung des §14 Abs7 Z1 EStG 1988 durch das BudgetbegleitG 2007 ist die erforderliche Sicherungsfunktion als Voraussetzung für die Qualifikation als Deckungswertpapier ausdrücklich gesetzlich verankert worden.
Vor diesem Hintergrund hat der Gewinnzuschlag die Funktion, die der Pensionsrückstellung zugrunde liegende Verpflichtung durch eine kontinuierliche, durchgängige Bedeckung mit geeigneten Wertpapieren abzusichern, um die Erfüllung der künftigen Ansprüche der Arbeitnehmer und die damit im Zusammenhang stehenden künftigen Zahlungsverpflichtungen des Arbeitgebers durch Schaffung und Aufrechterhaltung eines Deckungsstockes zu gewährleisten.
Solche Regelungen mit einer außerfiskalischen Zielsetzung der Verhaltenslenkung stehen dem Gesetzgeber im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes frei, sofern er sich dabei nicht von vorneherein völlig ungeeigneter Mittel bedient und an sich geeignete Mittel nicht zu sachlich nicht begründbaren Differenzierungen führen.
In diesem Zusammenhang kann nicht erkannt werden, dass der in §14 Abs7 Z2 EStG 1988 geregelte Gewinnzuschlag ein völlig ungeeignetes Mittel zur Absicherung der künftigen Ansprüche der Arbeitnehmer wäre. Zu beachten ist vielmehr, dass arbeitsrechtlich nach §11 BetriebspensionsG (BPG) die für direkte Leistungszusagen nach §211 Abs2 UGB zu bildenden Pensionsrückstellungen in dem sich nach den Vorschriften des §14 Abs7 EStG 1988 unter Berücksichtigung des §116 Abs4 EStG 1988 ergebenden Ausmaß mit Wertpapieren zu decken sind. Diese Wertpapiere bilden im Insolvenzverfahren des Arbeitgebers eine Sondermasse. Nach der Rsp des OGH verschafft das vorrangige Befriedigungsrecht den Pensionsberechtigten einen klagbaren Anspruch auf Einrichtung der gesetzlich vorgeschriebenen Wertpapierdeckung.
Keine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes betreffend den Gewinnzuschlag:
Verfolgt der Gesetzgeber den Zweck einer Dauerdeckung zur Absicherung von Ansprüchen der Arbeitnehmer, ist es für die Ausgestaltung der Sanktion bei Unterdeckung unerheblich, ob bei einer dauerhaften Unterdeckung das Ausmaß der Gewinnzuschläge nach einer bestimmten Zeitdauer den Rückstellungsbetrag übersteigen kann. Auch kann es nicht auf die Dauer oder Ursache der Unterdeckung ankommen. Entscheidend ist vielmehr, dass der im jeweiligen Wirtschaftsjahr auf Grund einer bestehenden, vom Arbeitgeber nicht ausgeglichenen Unterdeckung zu erhebende Gewinnzuschlag als Sanktion vorgesehen ist, um den Arbeitgeber dazu zu veranlassen, die nach dem BPG bestehenden Ansprüche des Arbeitnehmers fortlaufend zu besichern. Im Gesetzesprüfungsverfahren ist auch nicht hervorgekommen, dass der Gewinnzuschlag für diesen verfolgten Zweck ein völlig ungeeignetes Mittel wäre oder zu unsachlichen Differenzierungen führen würde.
Besteht am Ende des Wirtschaftsjahres eine Unterdeckung, weil der Nennbetrag der in der Bilanz ausgewiesenen Wertpapiere weniger als 50 % der am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ausgewiesenen Rückstellung beträgt, ist für dieses mit dem Bilanzstichtag endende Wirtschaftsjahr der Gewinn um einen Betrag in Höhe von 30 % der Unterdeckung zu erhöhen. Da nach dem Grundsatz des Bilanzzusammenhangs die Schlussbilanz des Wirtschaftsjahres der Eröffnungsbilanz des folgenden Wirtschaftsjahres entspricht, tritt nach dem Wortlaut des §14 Abs7 Z2 EStG 1988 zugleich auch für das dem Wirtschaftsjahr der Unterdeckung folgende Wirtschaftsjahr eine Unterdeckung ein. Diese Rechtsfolge ist mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar, da der Gewinnzuschlag eine Sanktion für jenen Fall sein soll, dass der Arbeitgeber im betreffenden Wirtschaftsjahr den Ausgleich einer Unterdeckung unterlässt, und - bezogen auf das folgende Wirtschaftsjahr - die Unterdeckung nicht unmittelbar aus einer Unterlassung des Arbeitgebers, sondern zunächst allein aus der Bilanzidentität resultiert.
Das Gesetz lässt sich jedoch verfassungskonform auslegen: Für den Fall einer Unterdeckung, die in einem Wirtschaftsjahr - ohne Zutun des Arbeitgebers - eintritt, sieht das Gesetz im Fall der Tilgung von Wertpapieren sachangemessen vor, dass die Unterdeckung erst dann zu einem Gewinnzuschlag führt, wenn der Arbeitgeber die Nachschaffung länger als zwei Monate unterlässt. Für die am Bilanzstichtag bestehende Unterdeckung fehlt es zwar an einer expliziten Regelung, die eine durch Bilanzidentität eingetretene Unterdeckung erst dann sanktioniert, wenn die Unterdeckung nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ausgeglichen wird. Der Zweck der Regelung des Gewinnzuschlages gebietet allerdings nach dem Gleichheitsgrundsatz ganz allgemein, eine im betreffenden Wirtschaftsjahr ohne Zutun des Arbeitgebers eingetretene Unterdeckung erst dann zu sanktionieren, wenn diese vom Arbeitgeber nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraumes ausgeglichen wird. Danach rechtfertigt eine aus der Bilanzidentität resultierende Unterdeckung einen Gewinnzuschlag nach §14 Abs7 Z2 EStG 1988 erst dann, wenn die erforderliche Nachschaffung nicht innerhalb des in Z3 leg cit für den Fall der Wertpapiertilgung angeführten Zeitraumes erfolgt.
(Anlassfall E3275/2022, B v 25.06.2024, Ablehnung der Behandlung der Beschwerde).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Rückstellungen (Einkommensteuer), Gewinn, Auslegung verfassungskonforme, Rechtspolitik, Rücklagen, Pensionsvorsorge, WertpapierrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2024:G3505.2023Zuletzt aktualisiert am
03.07.2024