TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/25 L503 2277175-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.06.2024
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


L503 2277175-1/11E

Im Namen der Republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.7.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.5.2024, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.7.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.5.2024, zu Recht erkannt:

A.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.A.) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.B.) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) – eigenen Angaben zufolge ein syrischer Staatsangehöriger – stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 30.10.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung am 31.10.2022 gab der BF an, er habe Syrien im Jänner 2019 verlassen und sich bis Oktober 2022 in der Türkei aufgehalten, ehe er schlepperunterstützt nach Österreich gereist sei. Als Fluchtgrund gab der BF an, dass er wegen des Krieges und des Militärdienstes aus Syrien ausgereist sei. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, im Krieg zu sterben.

2. Am 19.6.2023 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: „BFA“) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, er sei in XXXX im Gouvernement XXXX geboren und habe dort bis XXXX gelebt; im Jahr XXXX seien viele Leute aus seinem Heimatort evakuiert worden, da der Ort umzingelt gewesen sei. Seine Eltern und seine Geschwister seien dort geblieben; sein älterer Bruder habe den Militärdienst abgeleistet und seine jüngeren Geschwister würden noch zur Schule gehen. Von XXXX bis zu seiner Ausreise Mitte 2018 habe er in XXXX im Gouvernement Idlib gelebt, wo er 2016 geheiratet und bei seinem Onkel – dem Vater seiner nunmehrigen Ehefrau – als Gemüseverkäufer gearbeitet habe. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischen Glaubens; 2016 habe er in Idlib geheiratet. Mitte 2018 sei er gemeinsam mit seiner Frau und deren Familie in die Türkei gereist. Dort habe er eine Aufenthaltsberechtigung erworben und als Gemüseverkäufer und -händler gearbeitet. Seine Ehefrau und deren Familie sowie seine 2020 geborene Tochter würden sich immer noch dort aufhalten, seit dem Erdbeben würden sie in einem Zelt wohnen. Grund für die Ausreise sei gewesen, dass er Angst gehabt habe, zum Militärdienst für das syrische Regime eingezogen zu werden; auch wenn man sich freikaufe, würde man eingezogen. Es herrsche dort Bürgerkrieg, er wolle keine Waffen tragen und niemanden töten. XXXX sei zwei Jahre lang umzingelt worden, sie hätten fast nichts zu essen gehabt und XXXX zwangsweise umsiedeln müssen. Idlib sei unter Herrschaft der Al Nusra-Front und der Opposition und er sei mehrmals dazu aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen, er habe das abgelehnt und verzögern wollen. Dann sei er in die Türkei gegangen und habe dort am Anfang normal gelebt, aber Idlib sei als sicher eingestuft worden und er habe dann Angst gehabt, nach Idlib zurückgeschoben zu werden. Wenn er zurückkehre, werde er dazu aufgefordert, Menschen zu töten oder er selbst werde getötet, sie hätten dort keine Rechte. Er habe eine Tochter und wolle nicht, dass sie das erlebe, was er erlebt und gesehen habe. Schriftlichen Einberufungsbefehl habe er keinen erhalten, aber ein Wehrdienstbuch ausstellen lassen, sein Herkunftsort sei bis 2014 jedoch unter Herrschaft der Opposition gestanden. Gefragt nach dem Kriegsausbruch 2011 gab der BF an, dass in seinem Heimatort am XXXX 2011 die Demonstrationen begonnen und sich die Lage mit der Zeit zugespitzt habe; er habe an diesen friedlichen Demonstrationen teilgenommen, sie hätten den Rücktritt des Stadtverwalters verlangt, alle Richtungen hätten das gewollt. Die Polizei habe versucht, eine Lösung zu finden, aber was die Menschen verlangt hätten, sei nicht umgesetzt worden. Deswegen hätten die Leute weiter demonstriert und dann habe es Schüsse und viele Tote gegeben. Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, dass er seitens des Regimes festgenommen und ins Gefängnis gesteckt würde, da er den Militärdienst verweigert habe. Wie lange man im Gefängnis bleibe, wisse man nicht. Man werde dort geschlagen, gefoltert und erniedrigt. 2. Am 19.6.2023 wurde der BF durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: „BFA“) niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, er sei in römisch XXXX im Gouvernement römisch XXXX geboren und habe dort bis römisch XXXX gelebt; im Jahr römisch XXXX seien viele Leute aus seinem Heimatort evakuiert worden, da der Ort umzingelt gewesen sei. Seine Eltern und seine Geschwister seien dort geblieben; sein älterer Bruder habe den Militärdienst abgeleistet und seine jüngeren Geschwister würden noch zur Schule gehen. Von römisch XXXX bis zu seiner Ausreise Mitte 2018 habe er in römisch XXXX im Gouvernement Idlib gelebt, wo er 2016 geheiratet und bei seinem Onkel – dem Vater seiner nunmehrigen Ehefrau – als Gemüseverkäufer gearbeitet habe. Er sei Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischen Glaubens; 2016 habe er in Idlib geheiratet. Mitte 2018 sei er gemeinsam mit seiner Frau und deren Familie in die Türkei gereist. Dort habe er eine Aufenthaltsberechtigung erworben und als Gemüseverkäufer und -händler gearbeitet. Seine Ehefrau und deren Familie sowie seine 2020 geborene Tochter würden sich immer noch dort aufhalten, seit dem Erdbeben würden sie in einem Zelt wohnen. Grund für die Ausreise sei gewesen, dass er Angst gehabt habe, zum Militärdienst für das syrische Regime eingezogen zu werden; auch wenn man sich freikaufe, würde man eingezogen. Es herrsche dort Bürgerkrieg, er wolle keine Waffen tragen und niemanden töten. römisch XXXX sei zwei Jahre lang umzingelt worden, sie hätten fast nichts zu essen gehabt und römisch XXXX zwangsweise umsiedeln müssen. Idlib sei unter Herrschaft der Al Nusra-Front und der Opposition und er sei mehrmals dazu aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen, er habe das abgelehnt und verzögern wollen. Dann sei er in die Türkei gegangen und habe dort am Anfang normal gelebt, aber Idlib sei als sicher eingestuft worden und er habe dann Angst gehabt, nach Idlib zurückgeschoben zu werden. Wenn er zurückkehre, werde er dazu aufgefordert, Menschen zu töten oder er selbst werde getötet, sie hätten dort keine Rechte. Er habe eine Tochter und wolle nicht, dass sie das erlebe, was er erlebt und gesehen habe. Schriftlichen Einberufungsbefehl habe er keinen erhalten, aber ein Wehrdienstbuch ausstellen lassen, sein Herkunftsort sei bis 2014 jedoch unter Herrschaft der Opposition gestanden. Gefragt nach dem Kriegsausbruch 2011 gab der BF an, dass in seinem Heimatort am römisch XXXX 2011 die Demonstrationen begonnen und sich die Lage mit der Zeit zugespitzt habe; er habe an diesen friedlichen Demonstrationen teilgenommen, sie hätten den Rücktritt des Stadtverwalters verlangt, alle Richtungen hätten das gewollt. Die Polizei habe versucht, eine Lösung zu finden, aber was die Menschen verlangt hätten, sei nicht umgesetzt worden. Deswegen hätten die Leute weiter demonstriert und dann habe es Schüsse und viele Tote gegeben. Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen gab der BF an, dass er seitens des Regimes festgenommen und ins Gefängnis gesteckt würde, da er den Militärdienst verweigert habe. Wie lange man im Gefängnis bleibe, wisse man nicht. Man werde dort geschlagen, gefoltert und erniedrigt.

Vorgelegt wurden vom BF ein Personalausweis im Original (ausgestellt am 12.8.2007), welcher überprüft und als unbedenklich qualifiziert wurde, sowie mehrere Personenstandsdokumente in Kopie samt deutscher Übersetzung. Sein Militärdienstbuch habe er in seinem Haus verloren, das im Zuge des Krieges gebrannt habe.

3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.7.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).3. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.7.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Dem BF wurde gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass der BF mit seinen Gründen Verfolgung oder eine drohende Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ebensowenig glaubhaft machen habe können wie eine wohlbegründete Furcht im Sinne der Grundaussage dieser Norm. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem BF in Syrien eine Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime drohe. Ferner stehe nicht fest, dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bedroht sei, von der syrischen Regierung als Oppositioneller oder politischer Gegner angesehen und verfolgt zu werden. Der angegebene Sachverhalt werde von der erkennenden Behörde in Zweifel gezogen, der BF habe seine Behauptungen nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können. Diese Ansicht werde durch Ungereimtheiten bestätigt. Es sei unstrittig, dass der BF die – ihm zumutbare und noch immer offen stehende – Möglichkeit des Freikaufs vom Wehrdienst trotz etwa vierjährigen Auslandsaufenthalts und entsprechender Mittel überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe. Er habe nicht behauptet, den Wehrdienst zu verweigern, sondern ausgeführt, dass er angetreten wäre, wenn es keinen Krieg geben würde. Eine Einziehung indiziere in der gegenwärtigen Lage nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Begehung von Menschenrechtsverletzungen. Ferner habe der BF offensichtlich auch keinerlei Befürchtung oder Angst gehabt, mit den syrischen Behörden zwecks Ausstellung von Personenstandsdokumenten in Kontakt zu treten und habe diese auch erhalten. Allerdings drohe dem BF aufgrund der derzeitigen Lage in Syrien eine Gefährdung im Sinne von Art. 3 EMRK, sodass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren sei.Begründend führte das BFA zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass der BF mit seinen Gründen Verfolgung oder eine drohende Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ebensowenig glaubhaft machen habe können wie eine wohlbegründete Furcht im Sinne der Grundaussage dieser Norm. Es habe nicht festgestellt werden können, dass dem BF in Syrien eine Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime drohe. Ferner stehe nicht fest, dass er mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bedroht sei, von der syrischen Regierung als Oppositioneller oder politischer Gegner angesehen und verfolgt zu werden. Der angegebene Sachverhalt werde von der erkennenden Behörde in Zweifel gezogen, der BF habe seine Behauptungen nur allgemein in den Raum gestellt, ohne diese belegen oder durch konkrete Anhaltspunkte glaubhaft machen zu können. Diese Ansicht werde durch Ungereimtheiten bestätigt. Es sei unstrittig, dass der BF die – ihm zumutbare und noch immer offen stehende – Möglichkeit des Freikaufs vom Wehrdienst trotz etwa vierjährigen Auslandsaufenthalts und entsprechender Mittel überhaupt nicht in Erwägung gezogen habe. Er habe nicht behauptet, den Wehrdienst zu verweigern, sondern ausgeführt, dass er angetreten wäre, wenn es keinen Krieg geben würde. Eine Einziehung indiziere in der gegenwärtigen Lage nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Begehung von Menschenrechtsverletzungen. Ferner habe der BF offensichtlich auch keinerlei Befürchtung oder Angst gehabt, mit den syrischen Behörden zwecks Ausstellung von Personenstandsdokumenten in Kontakt zu treten und habe diese auch erhalten. Allerdings drohe dem BF aufgrund der derzeitigen Lage in Syrien eine Gefährdung im Sinne von Artikel 3, EMRK, sodass ihm subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

4. Mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 14.8.2023 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA vom 20.7.2023. Darin wurde insbesondere moniert, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung auf Basis unvollständiger Länderberichte getroffen und sich mit dem individuellen Vorbringen des BF im Hinblick auf die Berichtslage nur unzureichend auseinandergesetzt habe. Unter zahlreichen Verweisen auf die Länderberichte und Hinweis auf die Indizwirkung der UNHCR- und EASO-Berichte legte die Beschwerde dar, dass der BF Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung, die sich insbesondere in seiner Wehrdienstverweigerung manifestiere, verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr würde ihm – auch aufgrund des Umstandes, dass er anfangs an Demonstrationen teilgenommen habe und seinen Heimatort verlassen habe, als die syrische Regierung dort die Kontrolle wiedererlangt habe bzw. seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung im Ausland – eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden und ihm die sofortige Inhaftierung oder Exekution bzw. der Zwang zur Beteiligung an menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen und im Falle der Verweigerung eine Bestrafung mit Exekution, jedenfalls aber eine Gefängnisstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, drohen. In der Annahme, dass es sich dabei um den BF handle, sei ein gleichnamiger Cousin durch die Sicherheitskräfte festgenommen und kurz inhaftiert worden; der BF habe seine Heimatregion verlassen können, aber in Idlib aufgrund der ständigen Rekrutierungsgefahr durch die oppositionellen Milizen nicht Fuß fassen können und schließlich sein Heimatland verlassen müssen. Der BF lehne es ab, sich an menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen zu beteiligen und ein Freikauf sei aus mehreren Gründen nicht möglich.4. Mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation vom 14.8.2023 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des BFA vom 20.7.2023. Darin wurde insbesondere moniert, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung auf Basis unvollständiger Länderberichte getroffen und sich mit dem individuellen Vorbringen des BF im Hinblick auf die Berichtslage nur unzureichend auseinandergesetzt habe. Unter zahlreichen Verweisen auf die Länderberichte und Hinweis auf die Indizwirkung der UNHCR- und EASO-Berichte legte die Beschwerde dar, dass der BF Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund seiner oppositionellen politischen Gesinnung, die sich insbesondere in seiner Wehrdienstverweigerung manifestiere, verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr würde ihm – auch aufgrund des Umstandes, dass er anfangs an Demonstrationen teilgenommen habe und seinen Heimatort verlassen habe, als die syrische Regierung dort die Kontrolle wiedererlangt habe bzw. seiner illegalen Ausreise und Asylantragstellung im Ausland – eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werden und ihm die sofortige Inhaftierung oder Exekution bzw. der Zwang zur Beteiligung an menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen und im Falle der Verweigerung eine Bestrafung mit Exekution, jedenfalls aber eine Gefängnisstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, drohen. In der Annahme, dass es sich dabei um den BF handle, sei ein gleichnamiger Cousin durch die Sicherheitskräfte festgenommen und kurz inhaftiert worden; der BF habe seine Heimatregion verlassen können, aber in Idlib aufgrund der ständigen Rekrutierungsgefahr durch die oppositionellen Milizen nicht Fuß fassen können und schließlich sein Heimatland verlassen müssen. Der BF lehne es ab, sich an menschen- und völkerrechtswidrigen Handlungen zu beteiligen und ein Freikauf sei aus mehreren Gründen nicht möglich.

5. Am 17.8.2023 wurde der Akt dem BVwG vorgelegt und am 5.2.2024 der hg. Abteilung zugewiesen.

6. Am 28.5.2024 führte das BVwG in der Sache des BF in dessen Beisein sowie seiner Rechtsvertretung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Ein Behördenvertreter ist zur Verhandlung entschuldigt nicht erschienen. Im Zuge der Verhandlung wurden das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien (Stand 27.3.2024), der Themenbericht der Staatendokumentation „Syrien – Grenzübergänge“ vom 25.10.2023 und das Themendossier Wehrdienst der Staatendokumentation vom 20.3.2024 in das Verfahren eingebracht. Die Berichte wurden von der Rechtsvertretung des BF zur Kenntnis genommen.

Gemeinsam mit dem BF und dem Dolmetscher wurde auf eine vom BF in der mündlichen Verhandlung angegebene Website zugegriffen und wurden die Auszüge inklusive der vom Dolmetscher vorgenommenen Übersetzung als Beilage a. und b. dem Verhandlungsprotokoll beigefügt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe und bekennt sich zum Islam der sunnitischen Glaubensrichtung. Der BF spricht Arabisch.

Der BF stammt aus dem Ort XXXX im Gouvernement XXXX , wo er aufwuchs und sich bis zum Jahr XXXX aufhielt. Der Ort zählt zu jenen Gebieten, in denen 2011 die Proteste gegen die syrische Regierung ihren Ausgang nahmen, und wurde schrittweise durch die syrische Regierung zurückerobert. Auch der BF nahm über mehrere Monate hinweg regelmäßig an den in der Regel freitags stattfindenden Demonstrationen teil. Zu Beginn der Kampfhandlungen verzogen die Eltern des BF mit seinen Geschwistern innerhalb der Heimatregion des BF in ein von der Regierung kontrolliertes Gebiet. Der damals 18-jährige BF verblieb allein im Heimathaus und wurde erst im Zuge der Übernahme auch dieser Gegend durch die syrischen Streitkräfte mit einem Bustransport evakuiert. Zumindest bis Mitte 2018 lebte der BF mit einem zu Beginn der Krise aus der Umgebung von XXXX ausgereisten Onkel und dessen Familie in dem unter Kontrolle der Opposition bzw. oppositioneller Milizen befindlichen Ort XXXX im Gouvernement Idlib, der weiterhin von der HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) kontrolliert wird. Der Herkunftsort des BF steht unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. lokaler regierungsfreundlicher Milizen.Der BF stammt aus dem Ort römisch XXXX im Gouvernement römisch XXXX , wo er aufwuchs und sich bis zum Jahr römisch XXXX aufhielt. Der Ort zählt zu jenen Gebieten, in denen 2011 die Proteste gegen die syrische Regierung ihren Ausgang nahmen, und wurde schrittweise durch die syrische Regierung zurückerobert. Auch der BF nahm über mehrere Monate hinweg regelmäßig an den in der Regel freitags stattfindenden Demonstrationen teil. Zu Beginn der Kampfhandlungen verzogen die Eltern des BF mit seinen Geschwistern innerhalb der Heimatregion des BF in ein von der Regierung kontrolliertes Gebiet. Der damals 18-jährige BF verblieb allein im Heimathaus und wurde erst im Zuge der Übernahme auch dieser Gegend durch die syrischen Streitkräfte mit einem Bustransport evakuiert. Zumindest bis Mitte 2018 lebte der BF mit einem zu Beginn der Krise aus der Umgebung von römisch XXXX ausgereisten Onkel und dessen Familie in dem unter Kontrolle der Opposition bzw. oppositioneller Milizen befindlichen Ort römisch XXXX im Gouvernement Idlib, der weiterhin von der HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) kontrolliert wird. Der Herkunftsort des BF steht unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. lokaler regierungsfreundlicher Milizen.

Der BF ist seit 2016 mit der Tochter seines Onkels verheiratet und hat eine 2020 geborene Tochter. Seit der gemeinsamen Ausreise aus Syrien spätestens Anfang 2019 leben seine Frau und seine Tochter gemeinsam mit der Familie seiner Frau in XXXX in der Türkei, wo sie zunächst eine Mietwohnung hatten und seit dem Erdbeben in einer Zeltunterkunft untergebracht sind. Der BF hat vier Schwestern und zwei Brüder, die – mit Ausnahme einer in der Türkei wohnhaften Schwester – ebenso wie seine Eltern nach wie vor in Syrien leben. Der Vater des BF bezieht eine staatliche Pension und seine Brüder sind erwerbstätig. Der ältere Bruder des BF hatte zu Beginn der Krise seinen Militärdienst bereits begonnen und leistete diesen auch während der Krise ab. Der jüngere Bruder befindet sich noch nicht im wehrpflichtigen Alter. Der BF steht sowohl mit seiner Familie in der Türkei als auch mit seinen Angehörigen in Syrien via Messengerdienst bzw. telefonisch in Kontakt. Der BF ist seit 2016 mit der Tochter seines Onkels verheiratet und hat eine 2020 geborene Tochter. Seit der gemeinsamen Ausreise aus Syrien spätestens Anfang 2019 leben seine Frau und seine Tochter gemeinsam mit der Familie seiner Frau in römisch XXXX in der Türkei, wo sie zunächst eine Mietwohnung hatten und seit dem Erdbeben in einer Zeltunterkunft untergebracht sind. Der BF hat vier Schwestern und zwei Brüder, die – mit Ausnahme einer in der Türkei wohnhaften Schwester – ebenso wie seine Eltern nach wie vor in Syrien leben. Der Vater des BF bezieht eine staatliche Pension und seine Brüder sind erwerbstätig. Der ältere Bruder des BF hatte zu Beginn der Krise seinen Militärdienst bereits begonnen und leistete diesen auch während der Krise ab. Der jüngere Bruder befindet sich noch nicht im wehrpflichtigen Alter. Der BF steht sowohl mit seiner Familie in der Türkei als auch mit seinen Angehörigen in Syrien via Messengerdienst bzw. telefonisch in Kontakt.

Der BF besuchte in Syrien sechs Jahre lang die Grund- und drei Jahre lang die Hauptschule. Bis zum Ausbruch der Kampfhandlungen arbeitete er als Fliesenleger. In Idlib und in der Türkei, wo er eine Aufenthaltsberechtigung erwarb, arbeitete der BF als Gemüseverkäufer bzw. -händler. Ende Oktober 2022 reiste der BF unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein, wo er am 30.10.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der BF verfügt über seinen syrischen Personalausweis im Original.

Der BF hat in Österreich den Status eines subsidiär Schutzberechtigten. Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF befindet sich im wehrpflichtigen Alter. Er hat den verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Er wurde 2010 gemustert und erhielt sein Militärdienstbuch. Spätestens 2012 hätte er seinen Militärdienst antreten sollen und ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass er von den syrischen Behörden zwecks Ableistung seines Militärdienstes gesucht wird.

Die syrische Regierung unterstellt dem BF wegen der mit seiner Flucht verbundenen Entziehung vom Militärdienst mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine oppositionelle politische Gesinnung. Im Falle einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet müsste der BF die im konkreten Fall erforderlichen Genehmigungsprozesse bei den syrischen Behörden durchlaufen, darunter insbesondere auch eine „Sicherheitsüberprüfung“, bei der die Namen der Antragsteller mit Fahndungslisten verglichen werden. Es ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bereits im Zuge dieser Überprüfung die Nichtableistung des Wehrdienstes durch den BF festgestellt wird.

Es kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass der BF bei seiner Rückkehr wegen Wehrdienstverweigerung inhaftiert und bestraft wird sowie im Zuge der Bestrafung Folter ausgesetzt wäre. Bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien besteht für den BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch die Gefahr, zum Wehrdienst der syrischen Armee eingezogen zu werden, was er ablehnt. Nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ist hingegen davon auszugehen, dass sich der BF im Fall der Ableistung des Wehrdienstes des Wehrdienstes in unmittelbarer Weise an Kriegsverbrechen beteiligen müsste.

Ein „Freikauf“ durch den BF kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht.

Gründe, nach denen ein Ausschluss des BF hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.3. Zur aktuellen Situation in Syrien:

Zur Lage in Syrien wird auf das vom BVwG in der mündlichen Verhandlung vom 28.5.2024 in das Verfahren eingebrachte Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien (Version 11, Gesamtaktualisierung am 27.3.2024), in dem eine Vielzahl von Berichten diverser allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt werden und in welchem auch konkret auf die regelmäßig beauftragten Anfragebeantwortungen zur aktuellen Situation bzw. spezifischen Fragestellungen Bezug genommen wurde, verwiesen wird. Weiters wurden in der Beschwerdeverhandlung der Themenbericht der Staatendokumentation „Syrien-Grenzübergänge“ vom 25.10.2023 und das Themendossier Wehrdienst der Staatendokumentation vom 20.3.2024 in das Verfahren eingebracht und nahmen der BF bzw. seine Rechtsvertretung diese zur Kenntnis. Gegen die Heranziehung der Berichte bestehen somit keine Bedenken. Im Übrigen wird auf die Berichte unten im Rahmen der Beweiswürdigung im jeweiligen Zusammenhang näher eingegangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des BF:

Die zur Identität des BF getroffenen Feststellungen, wie auch zu seiner Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, dem religiösen Bekenntnis und seinen Sprachkenntnissen beruhen auf den Angaben des BF im Verfahren sowie insbesondere dem von ihm vorgelegten syrischen Personalausweis. Seine Identität ist somit als geklärt anzusehen.

Die getroffenen Feststellungen zum bisherigen Leben des BF in Syrien und zu seinen dort lebenden Familienangehörigen beruhen unmittelbar auf seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA und in der Beschwerdeverhandlung. Die Feststellungen zur Familie des BF gründen im Wesentlichen auf seine diesbezüglichen Angaben in der Erstbefragung (AS 21) und der Einvernahme vor dem BFA (AS 43 ff; AS 69 f) sowie der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht (OZ 7). Hinsichtlich des Aufenthaltsortes seines jüngeren Bruders ist anzumerken, dass die Daten zu den Angehörigen vom BFA gesondert erhoben wurden und in diesem Zusammenhang die Türkei als Aufenthaltsort vermerkt wurde (AS 45). Im Zuge der weiteren Einvernahme gab der BF jedoch ausdrücklich an, dass seine Geschwister mit Ausnahme einer Schwester in Syrien leben würden (AS 69) und bestätigte auch in der mündlichen Verhandlung, dass sich seine Eltern, drei seiner Schwestern und seine beiden Brüder noch in Syrien aufhalten würden (VS. 11).

Die Angaben zu seinen Aufenthaltsorten in Syrien wurden vom BF im Laufe des gesamten Verfahrens gleichlautend und nachvollziehbar wiedergegeben. Insbesondere schilderte der BF bereits bei der Einvernahme vor dem BFA (in unterschiedlichen Zusammenhängen), dass er sich von 2012 bis 2014 an seinem umkämpften Heimatort aufhielt und im Jahr 2014 zwangsweise nach Idlib umsiedelte (AS. 71, 73). Auch in der Beschwerdeverhandlung erwiesen sich seine diesbezüglichen Angaben im Zuge der ausführlichen Befragung als detailliert und in sich stimmig (VS. 5-7). Nicht zuletzt finden die Ereignisse, namentlich die zeitlichen und örtlichen Angaben zur Besetzung von XXXX im Zuge der Rückeroberung durch die syrischen Truppen auch Deckung in der – notorischen – Berichtslage (vgl. etwa den aktuellen Bericht der EUAA vom September 2023 zur Sicherheitslage in Syrien bzw. auch die mediale Berichterstattung) und konnten die Angaben des BF den Feststellungen daher bedenkenlos zu Grunde gelegt werden. Der Ausreisezeitpunkt aus Syrien konnte hingegen nur ungefähr festgestellt werden, da der BF hierzu abweichende Angaben tätigte: So gab er in der Erstbefragung an, dass er 2019 den Entschluss zur Ausreise gefasst und im Jänner 2019 seinen Wohnort zu Fuß in die Türkei verlassen habe (AS. 23), während er in seiner Einvernahme die Ausreise auf (Mitte) 2018 datierte (AS. 45, 69). In der mündlichen Verhandlung erklärte der BF glaubhaft, er könne sich an den genauen Zeitpunkt nicht erinnern, es sei Ende des Sommers 2018 gewesen und er habe ca. vier Jahre in der Türkei gelebt (VS. 4). Dementsprechend ging das erkennende Gericht davon aus, dass der BF frühestens Mitte 2018 und spätestens Anfang 2019 gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter sowie der Familie seiner Frau bzw. seines Onkels Syrien endgültig Richtung Türkei verließ. Das – vergleichsweise kurz zurückliegende – Datum seiner Ausreise wiederum konnte der BF durchgehend mit Oktober 2022 angeben (AS. 25, 45).Die Angaben zu seinen Aufenthaltsorten in Syrien wurden vom BF im Laufe des gesamten Verfahrens gleichlautend und nachvollziehbar wiedergegeben. Insbesondere schilderte der BF bereits bei der Einvernahme vor dem BFA (in unterschiedlichen Zusammenhängen), dass er sich von 2012 bis 2014 an seinem umkämpften Heimatort aufhielt und im Jahr 2014 zwangsweise nach Idlib umsiedelte (AS. 71, 73). Auch in der Beschwerdeverhandlung erwiesen sich seine diesbezüglichen Angaben im Zuge der ausführlichen Befragung als detailliert und in sich stimmig (VS. 5-7). Nicht zuletzt finden die Ereignisse, namentlich die zeitlichen und örtlichen Angaben zur Besetzung von römisch XXXX im Zuge der Rückeroberung durch die syrischen Truppen auch Deckung in der – notorischen – Berichtslage vergleiche etwa den aktuellen Bericht der EUAA vom September 2023 zur Sicherheitslage in Syrien bzw. auch die mediale Berichterstattung) und konnten die Angaben des BF den Feststellungen daher bedenkenlos zu Grunde gelegt werden. Der Ausreisezeitpunkt aus Syrien konnte hingegen nur ungefähr festgestellt werden, da der BF hierzu abweichende Angaben tätigte: So gab er in der Erstbefragung an, dass er 2019 den Entschluss zur Ausreise gefasst und im Jänner 2019 seinen Wohnort zu Fuß in die Türkei verlassen habe (AS. 23), während er in seiner Einvernahme die Ausreise auf (Mitte) 2018 datierte (AS. 45, 69). In der mündlichen Verhandlung erklärte der BF glaubhaft, er könne sich an den genauen Zeitpunkt nicht erinnern, es sei Ende des Sommers 2018 gewesen und er habe ca. vier Jahre in der Türkei gelebt (VS. 4). Dementsprechend ging das erkennende Gericht davon aus, dass der BF frühestens Mitte 2018 und spätestens Anfang 2019 gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter sowie der Familie seiner Frau bzw. seines Onkels Syrien endgültig Richtung Türkei verließ. Das – vergleichsweise kurz zurückliegende – Datum seiner Ausreise wiederum konnte der BF durchgehend mit Oktober 2022 angeben (AS. 25, 45).

Dass die Proteste gegen die Regierung Assad im Heimatort des BF im Jahr 2011 begannen, wurde vom BF vor dem BFA (AS. 75) und in der mündlichen Verhandlung (VS. 9 f.) geschildert und stehen seine Angaben mit der Berichtslage im Einklang. Der BF bestätigte jeweils, dass er selbst an diesen Demonstrationen teilgenommen hat. Vor dem BFA schilderte er die Ereignisse im Jahr 2011 wie folgt: „Am XXXX .2011 begannen die Demonstrationen in XXXX . Ich nahm bei diesen friedlichen Demonstrationen teil. Wir verlangten den Rücktritt XXXX Alle Richtungen wollten seinen Rücktritt. Die Polizei hat versucht die Menschen zu beruhigen und eine Lösung zu finden. Drei Tage lang gab es keine Demonstrationen, aber was die Menschen verlangt haben, wurde nicht umgesetzt. Deswegen demonstrierten die Leute weiter und dann gab es Schüsse und viele Tote. Die Lage hat sich mit der Zeit zugespitzt.“ (AS 75) In der mündlichen Verhandlung gab der BF weiter an, dass die Demonstrationen meistens freitags stattgefunden hätten, er immer dabei gewesen sei und die Demonstrationen am Anfang „sechs Monate lang“ gedauert hätten. Unzählige Leute hätten daran teilgenommen. Eine der Demonstrationen habe vor XXXX in XXXX stattgefunden und bis Mitternacht gedauert; die Polizisten hätten auf die Demonstranten geschossen und ein „Massaker“ angerichtet. Im Gegensatz zu seiner Familie, die parteilos geblieben sei, habe er – wie die meisten zu Beginn der Krise – sich den Regimegegnern angeschlossen (VS. 9 f). Auch wenn der BF die von ihm vor dem BFA verneinte (AS. 77) Frage, ob er in Syrien jemals politisch tätig gewesen sei, in der mündlichen Verhandlung erst auf Nachfrage richtig einordnen konnte (VS. 9), sieht das Gericht vor dem Hintergrund der Berichtslage keinen Grund, an dessen Solidarisierung mit den „Regimegegnern“ in Form der Demonstrationsteilnahme zu zweifeln, zumal der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung erwähnte, dass ihm bei einer Übersetzung durch Google Übersetzungfehler aufgefallen wären (VS. 7). Ob der Verbleib in seinem Heimathaus nun in erster Linie der Demonstrationsteilnahme (VS. 9) oder aber primär doch der Angst davor geschuldet war, beim Umzug mit seiner Familie ins Regimegebiet zum Militärdienst einrücken zu müssen (VS. 5), kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. Dass die Proteste gegen die Regierung Assad im Heimatort des BF im Jahr 2011 begannen, wurde vom BF vor dem BFA (AS. 75) und in der mündlichen Verhandlung (VS. 9 f.) geschildert und stehen seine Angaben mit der Berichtslage im Einklang. Der BF bestätigte jeweils, dass er selbst an diesen Demonstrationen teilgenommen hat. Vor dem BFA schilderte er die Ereignisse im Jahr 2011 wie folgt: „Am römisch XXXX .2011 begannen die Demonstrationen in römisch XXXX . Ich nahm bei diesen friedlichen Demonstrationen teil. Wir verlangten den Rücktritt römisch XXXX Alle Richtungen wollten seinen Rücktritt. Die Polizei hat versucht die Menschen zu beruhigen und eine Lösung zu finden. Drei Tage lang gab es keine Demonstrationen, aber was die Menschen verlangt haben, wurde nicht umgesetzt. Deswegen demonstrierten die Leute weiter und dann gab es Schüsse und viele Tote. Die Lage hat sich mit der Zeit zugespitzt.“ (AS 75) In der mündlichen Verhandlung gab der BF weiter an, dass die Demonstrationen meistens freitags stattgefunden hätten, er immer dabei gewesen sei und die Demonstrationen am Anfang „sechs Monate lang“ gedauert hätten. Unzählige Leute hätten daran teilgenommen. Eine der Demonstrationen habe vor römisch XXXX in römisch XXXX stattgefunden und bis Mitternacht gedauert; die Polizisten hätten auf die Demonstranten geschossen und ein „Massaker“ angerichtet. Im Gegensatz zu seiner Familie, die parteilos geblieben sei, habe er – wie die meisten zu Beginn der Krise – sich den Regimegegnern angeschlossen (VS. 9 f). Auch wenn der BF die von ihm vor dem BFA verneinte (AS. 77) Frage, ob er in Syrien jemals politisch tätig gewesen sei, in der mündlichen Verhandlung erst auf Nachfrage richtig einordnen konnte (VS. 9), sieht das Gericht vor dem Hintergrund der Berichtslage keinen Grund, an dessen Solidarisierung mit den „Regimegegnern“ in Form der Demonstrationsteilnahme zu zweifeln, zumal der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung erwähnte, dass ihm bei einer Übersetzung durch Google Übersetzungfehler aufgefallen wären (VS. 7). Ob der Verbleib in seinem Heimathaus nun in erster Linie der Demonstrationsteilnahme (VS. 9) oder aber primär doch der Angst davor geschuldet war, beim Umzug mit seiner Familie ins Regimegebiet zum Militärdienst einrücken zu müssen (VS. 5), kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

Ganz allgemein sei an dieser Stelle angemerkt, dass der BF in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht einen glaubwürdigen Eindruck hinterließ und insbesondere auch nicht versuchte, sein Vorbringen im Hinblick auf eine mögliche Asylrelevanz zu steigern. So versuchte er weder seine Rolle im Zusammenhang mit den Demonstrationsteilnahmen hervorzuheben und verneinte auch weder ausdrücklich die Frage danach, ob er in diesem Zusammenhang jemals vom syrischen Regime angehalten worden sei (VS. 9), noch verhehlte er, dass seine Familie parteilos blieb (VS. 10) und in das von der Regierung kontrollierte Gebiet verzog (VS. 6: „Bedeutet das, dass Ihr Elternhaus in einem Gebiet war, welches unter Kontrolle der Rebellen stand und der neue Wohnsitz Ihrer Familie unter Kontrolle des Regimes? P: Genau richtig.“). Auch bestätigte er freimütig, dass der Militärdienst in Friedenszeiten kein Problem für ihn sei: „Wenn das damals alles nicht passiert wäre, wenn der Krieg nicht stattgefunden hätte, wäre das für mich eine Pflicht dem eigenen Land zu Diensten zu stehen. Ich bin Bürger dieses Staates und hätte meinen Dienst sehr gerne abgeleistet. Gemeint ist, wenn der Zustand so geblieben wäre, wie vor 2010 oder 2011.“ (VS. 10) Dieses Bild wird auch dadurch bestärkt, dass der BF nicht erwähnte, dass sein Cousin – wie im Beschwerdeschriftsatz vorgebracht – aufgrund der Namensgleichheit durch die Sicherheitskräfte festgenommen und kurz inhaftiert worden sei, wohl aber auf die an ihn gestellten Fragen ohne Ausschweifungen, aber mit der notwendigen Ausführlichkeit antwortete und die ihn selbst betreffenden Ereignisse konkret und schlüssig schilderte.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem vom erkennenden Gericht eingeholten Strafregisterauszug (vgl. OZ. 2, 6).Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem vom erkennenden Gericht eingeholten Strafregisterauszug vergleiche OZ. 2, 6).

2.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:

2.2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Fällen, in denen Asylwerber nicht auf Grund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen. Zur Bestimmung der Heimatregion kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat (vgl. zuletzt VwGH 29.02.2024, Ra 2023/18/0370, mwN).2.2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in Fällen, in denen Asylwerber nicht auf Grund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang auf Grund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), der ursprüngliche Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen. Zur Bestimmung der Heimatregion kommt der Frage maßgebliche Bedeutung zu, wie stark die Bindungen des Asylwerbers an ein bestimmtes Gebiet sind. Hat er vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsland nicht mehr in dem Gebiet gelebt, in dem er geboren wurde und aufgewachsen ist, ist der neue Aufenthaltsort als Heimatregion anzusehen, soweit der Asylwerber zu diesem Gebiet enge Bindungen entwickelt hat vergleiche zuletzt VwGH 29.02.2024, Ra 2023/18/0370, mwN).

Gegenständlich ist daher XXXX als Herkunftsort des BF anzusehen. Er ist dort geboren und aufgewachsen (vgl. VS. 3) und auch dort zur Schule gegangen (VS. 4). Seine Herkunftsfamilie lebt nach wie vor dort, während der BF im Zuge des kriegsbedingten Wechsels der Machtverhältnisse evakuiert und nach Idlib verbracht wurde (VS. 5-7). Dort konnte der BF zwar einige Jahre leben, seinen Lebensunterhalt bestreiten und heiratete auch, sein Lebensmittelpunkt bildete aber die Familie seines Onkels, die ebenfalls dort nicht verwurzelt war, sondern wie er Zuflucht gesucht hatte (VS. 7). Der BF selbst empfand sich dort als Vertriebener (vgl. VS. 11: „Was würden Sie bei einer Rückkehr in die Rebellengebiete bei ldlib fürchten? – P: Nummer eins, ist ldlib nicht mein Bezirk und meine Heimat.“). Auch führten die Verhältnisse in Idlib – nicht zuletzt im Hinblick auf die glaubhaft geschilderten Aufforderungen, sich den Rebellen anzuschließen (AS. 73, VS. 10 sowie VS. 11: „Nummer zwei, ich würde wieder von den bewaffneten Rebellen verfolgt oder auch getötet, weil ich sie damals abgelehnt hatte“) – dazu, dass der BF schließlich mit der Familie seiner Frau bzw. seines Onkels in die Türkei ausreiste. Ansatzpunkte dafür, dass er zu seinem neuen Aufenthaltsort enge Bindungen entwickelt hätte, geschweige denn solche, die dazu führen würden, dass XXXX in Idlib als neue Heimatregion anzusehen wäre, gibt es daher nicht; dies auch vor dem Hintergrund, dass sich eine Aufenthaltsdauer von etwa vier Jahren in Anbetracht des Alters des BF im Vergleich als verhältnismäßig kurz erweist.Gegenständlich ist daher römisch XXXX als Herkunftsort des BF anzusehen. Er ist dort geboren und aufgewachsen vergleiche VS. 3) und auch dort zur Schule gegangen (VS. 4). Seine Herkunftsfamilie lebt nach wie vor dort, während der BF im Zuge des kriegsbedingten Wechsels der Machtverhältnisse evakuiert und nach Idlib verbracht wurde (VS. 5-7). Dort konnte der BF zwar einige Jahre leben, seinen Lebensunterhalt bestreiten und heiratete auch, sein Lebensmittelpunkt bildete aber die Familie seines Onkels, die ebenfalls dort nicht verwurzelt war, sondern wie er Zuflucht gesucht hatte (VS. 7). Der BF selbst empfand sich dort als Vertriebener vergleiche VS. 11: „Was würden Sie bei einer Rückkehr in die Rebellengebiete bei ldlib fürchten? – P: Nummer eins, ist ldlib nicht mein Bezirk und meine Heimat.“). Auch führten die Verhältnisse in Idlib – nicht zuletzt im Hinblick auf die glaubhaft geschilderten Aufforderungen, sich den Rebellen anzuschließen (AS. 73, VS. 10 sowie VS. 11: „Nummer zwei, ich würde wieder von den bewaffneten Rebellen verfolgt oder auch getötet, weil ich sie damals abgelehnt hatte“) – dazu, dass der BF schließlich mit der Familie seiner Frau bzw. seines Onkels in die Türkei ausreiste. Ansatzpunkte dafür, dass er zu seinem neuen Aufenthaltsort enge Bindungen entwickelt hätte, geschweige denn solche, die dazu führen würden, dass römisch XXXX in Idlib als neue Heimatregion anzusehen wäre, gibt es daher nicht; dies auch vor dem Hintergrund, dass sich eine Aufenthaltsdauer von etwa vier Jahren in Anbetracht des Alters des BF im Vergleich als verhältnismäßig kurz erweist.

2.2.2. XXXX befindet sich nunmehr unstrittig unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. regierungsnaher lokaler Milizen (vgl. auch unter Punkt 2.2.3). Im Hinblick auf die geographischen und politischen Verhältnisse in der Herkunftsprovinz des BF wird neben der Website https://syria.liveuamap.com auf den aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation, Stand 27.3.2024, auszugsweise verwiesen wie folgt:2.2.2. römisch XXXX befindet sich nunmehr unstrittig unter der Kontrolle der syrischen Regierung bzw. regierungsnaher lokaler Milizen vergleiche auch unter Punkt 2.2.3). Im Hinblick auf die geographischen und politischen Verhältnisse in der Herkunftsprovinz des BF wird neben der Website https://syria.liveuamap.com auf den aktuellen Länderbericht der Staatendokumentation, Stand 27.3.2024, auszugsweise verwiesen wie folgt:

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) […]Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) […]

Ungeachtet der obigen Ausführungen bleibt Syrien bis hin zur subregionalen Ebene territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zor zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). Die Hizbollah und andere von Iran unterstützte schiitische Milizen kontrollieren derzeit rund 20 Prozent der Grenzen des Landes. Obwohl die syrischen Zollbehörden offiziell für die Grenzübergänge zum Irak (Abu Kamal), zu Jordanien (Nasib) und zum Libanon (al-Arida, Jdeidat, al-Jousiyah und al-Dabousiyah) zuständig sind, liegt die tatsächliche Kontrolle bei anderen: Die libanesische Grenze ist von der Hizbollah besetzt, die auf der syrischen Seite Stützpunkte eingerichtet hat (Zabadani, al-Qusayr), von denen aus sie die Bergregion Qalamoun beherrscht. Auch die irakischen schiitischen Milizen verwalten beide Seiten ihrer Grenze von Abu Kamal bis at-Tanf (WI 10.2.2021).

Vor allem Aleppo, die größte Stadt Syriens und ihr ehemaliger wirtschaftlicher Motor, bietet einen Einblick in die derzeitige Lage: Die Truppen des Regimes haben die primäre, aber nicht die ausschließliche Kontrolle über die Stadt, weil die Milizen, auch wenn sie nominell mit dem Regime verbündet sind, sich sporadische Zusammenstöße mit Soldaten und untereinander liefern und die Einwohner schikanieren. Die Rebellen sind vertrieben, kein ausländischer Akteur hat ein Interesse an einer erneuten Intervention, um das Regime herauszufordern, und die Bevölkerung ist durch den jahrelangen Krieg zu erschöpft und verarmt und zu sehr damit beschäftigt, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, um einen weiteren Aufstand zu führen. Außerdem konnten die meisten Einwohner der Stadt, die in von der Opposition gehaltene Gebiete oder ins Ausland vertrieben wurden, nicht zurückkehren, vor allem weil sie entweder die Einberufung oder Repressalien wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung am Aufstand fürchten (ICG 9.5.2022). Gebiete, in denen es viele Demonstrationen oder Rebellenaktivitäten gab, wie Ost-Ghouta, Damaskus oder Homs, werden nun auch verstärkt durch die Geheimdienste überwacht (Üngör 15.12.2021).

[…]

Unabhängig von militärischen Entwicklungen kommt es laut Vereinten Nationen (VN) und Menschenrechtsorganisationen zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure in allen Landesteilen, insbesondere auch in Gebieten unter Kontrolle des Regimes (AA 29.11.2021). Die VN-Untersuchungskommission für Syrien hält es für wahrscheinlich, dass das Regime, seine russischen Verbündeten und andere regimetreue Kräfte Angriffe begangen haben, die durch Kriegsverbrechen gekennzeichnet sind und möglicherweise auf Verbrechen gegen die Menschlichkeit hinauslaufen. Dem Regime nahestehende paramilitärische Gruppen begehen Berichten zufolge häufige Verstöße und Misshandlungen, darunter Massaker, wahllose Tötungen, Entführungen von Zivilisten, extreme körperliche Misshandlungen, einschließlich sexueller Gewalt, und rechtswidrige Festnahmen (USDOS 20.3.2023). Die syrische Regierung und andere Konfliktparteien setzen weiterhin Verhaftungen und das Verschwindenlassen von Personen als Strategie zur Kontrolle und Einschüchterung der Zivilbevölkerung ein (GlobalR2P 31.5.2023; vgl. CC 3.11.2022). In Zentral-, West- und Südsyrien kommt es in den von der Regierung kontrollierten Gebieten systematisch zu willkürlichen Verhaftungen, Folterungen und Misshandlungen (GlobalR2P 1.12.2022). Aus den Gouvernements Dara'a, Quneitra und Suweida wurden in der ersten Jahreshälfte 2022 gezielte Tötungen, Sprengstoffanschläge, Schusswechsel, Zusammenstöße und Entführungen gemeldet, an denen Kräfte der syrischen Regier

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten