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82/03 Ärzte, sonstiges SanitätspersonalNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Abweisung eines Gerichtsantrags auf Aufhebung von Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich betreffend die Gewährung einer Witwen- bzw Witwerversorgung; gesetzlich hinreichend determinierte Ermächtigung des Satzungsgebers zur Erlassung von Vorschriften hinsichtlich der Höhe und Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgungsleistungen; kein Verstoß gegen den Vertrauensschutz mangels Erlassung einer Übergangsbestimmung; keine unsachliche Differenzierung der — im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum gelegenen — Hinterbliebenenversorgung betreffend den Ausschluss von Versorgungsleistungen ua auf Grund der (kurzen) Dauer der Ehe, dem Altersunterschied der Ehepartner bzw der Eheschließung nach Vollendung des 65. Lebensjahrs auf Grund des Regelungsziels, Versorgungsehen zu begrenzen und eine finanzielle Überlastung des Wohlfahrtsfonds zu verhindernRechtssatz
Der Antrag des LVwG Niederösterreich auf Aufhebung des §33 Abs2a und Abs2b der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich idF ab 01.01.2020 (im Folgenden: Satzung WFF), der Wortfolge "sowie 33 Abs. 2a und 2b" in §73 Abs8a leg cit idF ab 09.12.2016 sowie weitere Eventualanträge werden abgewiesen.Der Antrag des LVwG Niederösterreich auf Aufhebung des §33 Abs2a und Abs2b der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich in der Fassung ab 01.01.2020 (im Folgenden: Satzung WFF), der Wortfolge "sowie 33 Absatz 2 a und 2b" in §73 Abs8a leg cit in der Fassung ab 09.12.2016 sowie weitere Eventualanträge werden abgewiesen.
Hinreichende gesetzliche Determinierung:
Wenn das antragstellende Gericht auf VfSlg 17.476/2005 betreffend die Aufhebung der Ermächtigung in §102 Abs8 ÄrzteG 1998 und der darauf gestützten Satzungsbestimmung verweist, übersieht es, dass die gesetzlichen Grundlagen in §102 und §116 ÄrzteG 1998 ein hinreichend bestimmtes System dem Verordnungsgeber vorgeben, das den grundsätzlichen Rahmen für die im eigenen Wirkungsbereich zu erlassenden Bestimmungen festlegt. Aus der systematischen Einbettung der §§102 und 116 ÄrzteG 1998 ergibt sich eine hinreichende Determinierung des Satzungsinhaltes. §116 ÄrzteG 1998 sieht eine umfassende Verordnungsermächtigung vor, die auch auf §102 leg cit ausdrücklich Bezug nimmt und den Satzungsgeber dazu ermächtigt, "nähere Vorschriften" ua über die Höhe und die Festlegung der Voraussetzungen für die Gewährung von Versorgungsleistungen zu erlassen. Die maßgeblichen inhaltlichen Parameter finden sich in §102 ÄrzteG 1998, der festlegt, vom Vorliegen welcher Voraussetzungen der Satzungsgeber die Gewährung der Hinterbliebenenversorgung abhängig machen kann. Diese Vorschrift enthält auch Anhaltspunkte dahingehend, dass das satzungsgebende Organ im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und in Zusammenschau mit dem Gebot des §108a Abs1 leg cit, Wohlfahrtsfondsbeiträge für die finanzielle Sicherstellung der Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds unter Berücksichtigung seiner Erfordernisse, seines dauernden Bestandes und seiner Leistungsfähigkeit einzuheben, die vom Gesetz grundsätzlich vorgegebene Hinterbliebenenversorgung entsprechend regelt. Es lassen sich aus den angefochtenen Gesetzesbestimmungen insgesamt - also aus dem vorgegebenen System - hinreichend Determinanten für die nähere Ausgestaltung des Regelwerks der Witwen- bzw Witwerversorgung auf Verordnungsebene gewinnen.
Keine Verletzung des Vertrauensschutzes:
Die Bestimmung des § 80c ÄrzteG 1998, die die Wahrung des Vertrauensschutzes ausdrücklich im Ärzterecht festschreibt, gewährt keinen über die Grundsätze der bisherigen Rsp des VfGH hinausgehenden Vertrauensschutz. Die Einführung der angefochtenen Satzungsbestimmungen in §33 Satzung WFF erfolgte ohne Übergangsregelung. Diese Novellierung trat mit einer Legisvakanz von rund sieben Monaten am 01.01.2020 in Kraft. Die Auswirkungen der im Vertrauen auf das Bestehen der rechtlichen Rahmenbedingungen getroffenen Dispositionen - die nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes mit zunehmender Dauer einer Ehe im Hinblick auf ein potentielles Ableben eines Partners getroffen werden würden - gestalten sich lediglich auf Grund einer ausschließlich pro futuro geltenden Änderung der Rechtslage anders als erwartet. Es wird allenfalls die Hoffnung auf den Fortbestand der bisher geltenden Rechtslage betreffend die unbefristete Gewährung der Witwen- bzw Witwerversorgung nicht erfüllt; eine solche Erwartungshaltung ist aber verfassungsrechtlich nicht besonders geschützt. Der Zeitpunkt des Ablebens des Partners bzw der Partnerin - als anspruchsbegründendes, jedoch ungewisses zukünftiges Ereignis - unterliegt in der hier zu beurteilenden Konstellation keinem besonderen Vertrauensschutz.Die Bestimmung des Paragraph 80 c, ÄrzteG 1998, die die Wahrung des Vertrauensschutzes ausdrücklich im Ärzterecht festschreibt, gewährt keinen über die Grundsätze der bisherigen Rsp des VfGH hinausgehenden Vertrauensschutz. Die Einführung der angefochtenen Satzungsbestimmungen in §33 Satzung WFF erfolgte ohne Übergangsregelung. Diese Novellierung trat mit einer Legisvakanz von rund sieben Monaten am 01.01.2020 in Kraft. Die Auswirkungen der im Vertrauen auf das Bestehen der rechtlichen Rahmenbedingungen getroffenen Dispositionen - die nach Ansicht des antragstellenden Gerichtes mit zunehmender Dauer einer Ehe im Hinblick auf ein potentielles Ableben eines Partners getroffen werden würden - gestalten sich lediglich auf Grund einer ausschließlich pro futuro geltenden Änderung der Rechtslage anders als erwartet. Es wird allenfalls die Hoffnung auf den Fortbestand der bisher geltenden Rechtslage betreffend die unbefristete Gewährung der Witwen- bzw Witwerversorgung nicht erfüllt; eine solche Erwartungshaltung ist aber verfassungsrechtlich nicht besonders geschützt. Der Zeitpunkt des Ablebens des Partners bzw der Partnerin - als anspruchsbegründendes, jedoch ungewisses zukünftiges Ereignis - unterliegt in der hier zu beurteilenden Konstellation keinem besonderen Vertrauensschutz.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz:
Es ist dem Satzungsgeber nicht entgegenzutreten, wenn er den Anspruch auf Witwen- bzw Witwerversorgung ua von der Dauer der Ehe und dem Altersunterschied zwischen den Partnern abhängig macht und diese Versorgungsleistung gemäß §33 Abs2a lita und litb Satzung WFF bei Vorliegen näher genannter Voraussetzungen, die etwa auf das Alter des überlebenden Ehepartners, die Dauer der Ehe sowie auf das Bestehen einer aufrechten Ehe im Todeszeitpunkt abstellen, zeitlich befristet gewährt. Bei dem in §33 Abs2a Satzung WFF vorgesehenen befristeten Anspruch einerseits und dem in §34 Abs1 leg cit normierten, an die Regelung des §102 Abs3 ÄrzteG 1998 bzw §258 Abs4 ASVG angelehnten unbefristeten Anspruch ehemaliger, jedoch noch unterhaltsberechtigter (Ehe-)Partner andererseits handelt es sich um unterschiedliche Regelungen mit der Sache nach unterschiedlichen Regelungsgegenständen, die einem Vergleich nicht zugänglich sind.
Auch §34 Satzung WFF bezieht sich auf den Ausschließungsgrund gemäß §33 Abs2 leg cit und macht damit das Bestehen eines Anspruchs auf Versorgungsleistung vom Alter des WFF-Mitgliedes im Zeitpunkt der Eheschließung und der Dauer der Ehe abhängig. Außerdem sieht §34 Abs2 Satzung WFF eine Befristung der Hinterbliebenenversorgung vor, wenn der Anspruch auf Unterhaltsleistung des früheren Ehegatten bzw eingetragenen Partners nur befristet gewährt wurde.
Es liegt keine unsachliche Differenzierung vor, insbesondere auf Grund des mit der Bestimmung des §33 Abs2a Satzung WFF verfolgten Regelungsziels, sogenannte Versorgungsehen zu begrenzen, um eine finanzielle Überlastung des Wohlfahrtsfonds zu verhindern und die Funktionsfähigkeit der kammereigenen ärztlichen Altersversorgung als gewichtiges öffentliches Interesse zu gewährleisten.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ärzte Versorgung, Witwenpension, Vertrauensschutz, Determinierungsgebot, Legalitätsprinzip, Auslegung verfassungskonforme, Übergangsbestimmung, Delegation formalgesetzliche, Ärztekammer, berufliche Vertretungen, Pensionsrecht, Versorgungsrecht, Witwerpension, VfGH / Gerichtsantrag, Auslegung systematische, Rechtspolitik, EventualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:V211.2022Zuletzt aktualisiert am
02.07.2024