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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §59 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des S in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 3. November 1994, Zl. 103.904/2-III/11/94, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 26. Mai 1994 hatte der Landeshauptmann von Wien den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz abgewiesen.
2. Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung (von ihm als "Einspruch" bezeichnet) wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 3. November 1994 gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurückgewiesen.
Dieser Bescheid enthält folgende Begründung:
"Berufungen sind gemäß § 63 Abs. 5 AVG binnen zwei Wochen nach erfolgter Zustellung einzubringen. Da die Zustellung rechtswirksam am - erfolgte und ihre Berufung erst am 28.06.1994 und daher verspätet eingebracht wurde, war spruchgemäß zu entscheiden."
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.
4. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Das Beschwerdevorbringen, wonach der angefochtene Bescheid "entweder mangelhaft oder überhaupt nichtig (ist)", weil im Spruch desselben nicht angeführt werde, von welcher Behörde der mit Berufung bekämpfte Bescheid erlassen worden sei, ist verfehlt. Es existiert keine gesetzliche Vorschrift, welche die Rechtsmittelbehörde verpflichten würde, im Spruch ihres Bescheides die Behörde, deren Entscheidung bekämpft wird, zu bezeichnen. Abgesehen davon ist im Spruch des vorliegend angefochtenen Bescheides der mit Berufung angegriffene Bescheid durch die Umschreibung "MA 62 vom 26.5.1994, Zl. MA 62-9/1908155-1" durchaus hinreichend individualisiert, was im Beschwerdefall insofern unterstrichen wird, als der Beschwerdeführer aufgrund dieser Bezeichnung keine Schwierigkeiten hatte, sein Rechtsmittel bei der Behörde einzubringen, die den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hatte.
2. Im Recht ist der Beschwerdeführer hingegen mit seinem Einwand, es sei aus dem Inhalt des Bescheides der belangten Behörde nicht nachvollziehbar, weshalb die Berufung verspätet sein sollte. Die Begründung des angefochtenen Bescheides gibt zwar an, wann die Berufung des Beschwerdeführers eingebracht wurde (am 28.6.1994), unterläßt es jedoch anzuführen, wann der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt worden sein soll. Mit diesem Feststellungsmangel ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben; die belangte Behörde war zufolge dessen (noch) nicht in der Lage, von einer Überschreitung der zweiwöchigen Berufungsfrist (§ 63 Abs. 5 AVG) durch den Beschwerdeführer auszugehen.
Auch der Akteninhalt gibt keinen Aufschluß darüber, wann der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer gegenüber rechtswirksam erlassen wurde. Zwar läßt sich dem Rückschein entnehmen, daß dieses Schriftstück am 1. Juni 1994 am Postamt 1130 Wien hinterlegt wurde und mit 3. Juni 1994 die Abholfrist begann; allerdings erfolgte die Zustellung an eine Adresse im
13. Wiener Gemeindebezirk, obwohl nach Ausweis mehrerer Aktenstücke der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt seine Wohnung (an einer näher bezeichneten Anschrift) im 21. Wiener Gemeindebezirk hatte. Weiters stellte der Beschwerdeführer in seinem Schriftsatz vom 23. Juni 1994 eingangs fest, daß er "fristgerecht" gegen den Bescheid vom 26. Mai 1994 Einspruch erhebe, wobei er anfügte, daß ihm der "Brief vom 26.5.1995 über Umwegen zugestellt wurde", da er seine Wohnung nicht mehr in Wien 13, sondern in Wien 21 habe. Schließlich findet sich im Akt der belangten Behörde unter der Rubrik "Zustelldatum" (des Bescheides vom 26.5.1994) die handschriftliche Anmerkung "nicht aktenkundig".
Bei dieser Sachlage mußten der belangten Behörde Zweifel über den Zeitpunkt der rechtswirksamen Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides kommen, weshalb sie ohne Durchführung von Ermittlungen zu dieser Frage rechtens außerstande war, die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet eingebracht zurückzuweisen.
3. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens beruht darauf, daß einerseits das Gesetz eine Vergütung von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz nicht vorsieht und andererseits zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung Stempelgebühren lediglich in der Höhe von
S 390,-- zu entrichten waren.
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994181073.X00Im RIS seit
20.11.2000