Entscheidungsdatum
04.06.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W123 2275887-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2023, Zl. 1285758302/211416833, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung, zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.06.2023, Zl. 1285758302/211416833, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. wird als unbegründet abgewiesen.römisch eins. Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. wird als unbegründet abgewiesen.
II. Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.römisch II. Hinsichtlich Spruchpunkt römisch II. des angefochtenen Bescheides wird der Beschwerde stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.römisch III. Gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 wird römisch XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigtem für die Dauer von einem Jahr erteilt.
IV. Die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.römisch IV. Die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 26.09.2021 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am 28.09.2021 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass er Somalia wegen des vorherrschenden Rassismus verlassen habe. Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst, dass ihn sein Onkel umbringen würde. Er habe die Grundstücke seines Vaters an sich gerissen und wenn er sich dagegen auflehnen würde, würde er ihm etwas antun.
3. Am 04.05.2023 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: belangte Behörde) statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:
„[…]
LA: Haben Sie sonst noch Verwandte in Somalia?
VP: Es gibt einen Onkel, er ist ein Halbbruder väterlicherseits, wegen ihn haben wir Somalia verlassen.
LA: Wo lebt dieser Verwandte ?
VP: Der letzte Kontakt war in unserem Dorf. Letzter Kontakt war 2019.
LA: Welcher Staatsbürgerschaft und welcher Religion gehören Sie an?
VP: Ich bin somalischer Staatsbürger, Islam.
LA: Hatten Sie wegen Ihrer Religion Probleme in Ihrer Heimat?
VP: Nie.
LA: Welchem Clan und Sub-Clan eventuell SubSubClan gehören Sie an?
VP: Ich bin Raha Ween, Subclan Eylaay, SubSubClan Naasiyo, SubSubSubClan Madiwiina.
LA: Hatten Sie wegen Ihrer Clanzugehörigkeit Probleme in Somalia?
VP: Ja.
LA: Mit wem gab es Probleme?
VP: Ich hatte ein Problem mit dem Stamm.
Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:
Ich habe Somalia 2010 verlassen, denn in unserem Dorf gab es Probleme wegen meiner Stammzugehörigkeit, denn die Leute haben uns immer diskriminiert, obwohl die Raha Ween ein Großstamm sind, aber unser SubSubClan ist eine Minderheit. Dort konnten wir, nachdem mein Vater gestorben ist, nicht mehr leben. 2010 haben meine Mutter und ich entschieden, dass wir fliehen. Außerdem ist meine Mutter Midgaan. Wir waren im Jemen, ich konnte dort normal leben, wir waren in einem Flüchtlingslager, ich habe dort auch gearbeitet. Aber im Jemen herrscht Krieg, wir konnten dort nicht weiterleben. Danach sind meine Mutter und ich illegal nach Saudi-Arabien gereist, wir warendort ein Jahr, nach einem Jahr wurden wir kontrolliert, und hatten keinen Aufenthaltstitel. Wir wurden dann nach Somalia zurückgeschoben, dass war im Jahr 2017. Nachdem wir in Somalia angekommen sind, gingen wir in unserem Dorf, dort hatte die Al Shabaab die Kontrolle. Mein Onkel hat dann meine Mutter geheiratet mit Zwang, sie wollte das nicht. Er wollte nämlich mein Erbe haben, weil mein Vater dort mehrere Grundstücke hatte. Mein Onkel redete mit mir, ich sei jung und könnte mit der Legion kämpfen. Ich wusste nicht, was er meinte. Mein Onkel meinte, ich könne auch die Grundstücke verkaufen, dies wäre auch etwas für den Kampf. Mein Onkel hat sich den Al Shabaab angeschlossen. Eines Nachts hat mein Onkel Streit mit meiner Mutter, meine Mutter hatte damals entschieden, dass sie nicht mehr mit dem Onkel leben will. Sie sagte, ich will nicht mit den Al Shabaab. Mein Onkel sagte, sie soll die Grundstücke verkaufen, sonst würde es keine Scheidung geben. 2 Tage nach dem Streit kam mein Onkel mit einem bewaffneten Mann zu uns nachhause und nahm die Papiere von den Grundstücken mit. Wir konnten nichts dagegen machen, keine Beschwerde machen. Nach 2 Wochen kam mein Onkel wieder und meinte ich solle mit den Al Shabaab zusammenarbeiten, da ich arabisch könne. Er hat alles zu mir gesagt, ich habe es meiner Mutter erzählt. Wir haben dann am Abend das Dorf verlassen. Ich bin dann mit dem Auto nach Galgadud nach XXXX geflohen und von dort wieder mit dem Boot nach Jemen. Das sind alle meine Fluchtgründe. Ich habe Somalia 2010 verlassen, denn in unserem Dorf gab es Probleme wegen meiner Stammzugehörigkeit, denn die Leute haben uns immer diskriminiert, obwohl die Raha Ween ein Großstamm sind, aber unser SubSubClan ist eine Minderheit. Dort konnten wir, nachdem mein Vater gestorben ist, nicht mehr leben. 2010 haben meine Mutter und ich entschieden, dass wir fliehen. Außerdem ist meine Mutter Midgaan. Wir waren im Jemen, ich konnte dort normal leben, wir waren in einem Flüchtlingslager, ich habe dort auch gearbeitet. Aber im Jemen herrscht Krieg, wir konnten dort nicht weiterleben. Danach sind meine Mutter und ich illegal nach Saudi-Arabien gereist, wir warendort ein Jahr, nach einem Jahr wurden wir kontrolliert, und hatten keinen Aufenthaltstitel. Wir wurden dann nach Somalia zurückgeschoben, dass war im Jahr 2017. Nachdem wir in Somalia angekommen sind, gingen wir in unserem Dorf, dort hatte die Al Shabaab die Kontrolle. Mein Onkel hat dann meine Mutter geheiratet mit Zwang, sie wollte das nicht. Er wollte nämlich mein Erbe haben, weil mein Vater dort mehrere Grundstücke hatte. Mein Onkel redete mit mir, ich sei jung und könnte mit der Legion kämpfen. Ich wusste nicht, was er meinte. Mein Onkel meinte, ich könne auch die Grundstücke verkaufen, dies wäre auch etwas für den Kampf. Mein Onkel hat sich den Al Shabaab angeschlossen. Eines Nachts hat mein Onkel Streit mit meiner Mutter, meine Mutter hatte damals entschieden, dass sie nicht mehr mit dem Onkel leben will. Sie sagte, ich will nicht mit den Al Shabaab. Mein Onkel sagte, sie soll die Grundstücke verkaufen, sonst würde es keine Scheidung geben. 2 Tage nach dem Streit kam mein Onkel mit einem bewaffneten Mann zu uns nachhause und nahm die Papiere von den Grundstücken mit. Wir konnten nichts dagegen machen, keine Beschwerde machen. Nach 2 Wochen kam mein Onkel wieder und meinte ich solle mit den Al Shabaab zusammenarbeiten, da ich arabisch könne. Er hat alles zu mir gesagt, ich habe es meiner Mutter erzählt. Wir haben dann am Abend das Dorf verlassen. Ich bin dann mit dem Auto nach Galgadud nach römisch XXXX geflohen und von dort wieder mit dem Boot nach Jemen. Das sind alle meine Fluchtgründe.
LA: Hätten Sie nicht in Mogadischu bleiben können?
VP: Ich kann nicht nach Mogadischu, weil die Al Shabaab sind auf dem Weg dorthin in mehreren Dörfern.
LA: Wie haben Sie sich Ihre Ausreise finanziert?
VP: Meine Tante mütterlicherseits, sie lebt in Saudi-Arabien hat das Geld gegeben. Insgesamt habe ich 300 Dollar bezahlt bis nach Jemen.
LA: Hätten Sie nicht im Jemen wieder bleiben können?
VP: Nein, die Lage ist sehr schlecht, dort herrscht Krieg.
LA: Wo lebt Ihre Mutter jetzt?
VP: Der letzte Kontakt mit meiner Mutter war im Jemen. Im Jemen herrscht Krieg, und die Leute vom Jemen nehmen alle jungen Leute von Somalia und schicken sie in den Krieg.
LA: Was konkret befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihren Herkunftsstaat?
VP: Ich fürchte zuerst um mein Leben, und unser Dorf die Macht ist dort die Al Shabaab. In Somalia herrscht derzeit eine Dürre. Ich habe daher Angst um mein Leben.
LA: Wenn Sie schon in ihrem Dorf nicht leben könnten, könnten Sie nicht in Mogadischu leben?
VP: Nein, ich habe dort niemanden. Und die Al Shabaab können einen überall umbringen, ich habe Angst um mein Leben.
LA: Haben Sie alle Gründe genannt?
VP: Ja, das ist alles, ich habe die Wahrheit gesagt.
LA: Ist gegen Sie ein Gerichtsverfahren hier oder im Herkunftsland anhängig?
VP: Nein.
LA: Würde Ihnen im Falle der Rückkehr in Ihrem Herkunftsland Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen?
VP: Das ist der einzige Grund, warum ich Somalia verlassen habe, und ich habe Angst vor meinem Onkel.
[…]“
4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG bzw. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Somalia zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.-VI.).4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt römisch II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß Paragraph 57, AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen sowie gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG bzw. Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß Paragraph 46, FPG nach Somalia zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte römisch IV.-VI.).
5. Gegen den obgenannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 20.07.2023, in der der Beschwerdeführer zusammenfassend ausführte, dass die im angefochtenen Bescheid enthaltenen Länderfeststellungen unvollständig und fehlerhaft ausgewertet worden seien. Unter Verweis auf diverse Berichte führte der Beschwerdeführer aus, dass er aus dem Einzugsgebiet von Al Shabaab stamme und schweren Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sei. Zudem sei der somalische Staat nicht in der Lage Schutz, zu gewähren, sowie, dass Zwangsrekrutierungen in Gebieten unter der Kontrolle von Al Shabaab vorkommen würden. Auch die Sicherheits- und Versorgungslage sei besorgniserregend. Zudem verfüge er in Somalia über kein unterstützendes Netzwerk mehr und er sei vor der Zwangsrekrutierung durch seinen Onkel geflohen. Ferner sei ihm eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mogadischu nicht zumutbar. Er gehöre zwar dem Clan der Rahanweyn an, allerdings lebe der Subclan der Eylaay hauptsächlich von der Bettelei und könne dem Beschwerdeführer daher keine Unterstützung bieten. Auch die Feststellungen und die Beweiswürdigung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid seien – wie in der Beschwerde näher dargelegt – mangelhaft.
6. Am 14.05.2024 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Sein Rechtsvertreter wurde darauf hingewiesen, dass die Länderinformation der Staatendokumentation zu Somalia vom 03.01.2024 der Entscheidung zugrunde gelegt wird. Diesbezüglich gab der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung eine Stellungnahme ab, in der er zusammengefasst ausführte, dass ihm in Somalia die Verfolgung durch Al Shabaab drohe und der Staat nicht in der Lage bzw. gewillt sei, ihn davor zu schützen. Er gehöre dem Clan der Rahanweyn sowie dem Subclan der Eylaay an, welche eine Minderheit darstellen würden. Eine Clanunterstützung im Falle einer Rückkehr sei auszuschließen. Aufgrund der fehlenden Sozialisierung und des fehlenden Familiennetzwerkes würde der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in einer ausweglosen Lage geraten. Eine Rückkehrentscheidung stelle die Verletzung des Art. 2, 3 EMRK dar.6. Am 14.05.2024 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. Sein Rechtsvertreter wurde darauf hingewiesen, dass die Länderinformation der Staate