TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/6 W250 2277575-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.06.2024
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Entscheidungsdatum

06.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W250 2277575-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des römisch XXXX , geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.08.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, stellte am 09.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am 10.09.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er Syrien verlassen habe, weil er ein Regimegegner sei und von der Regierung verfolgt worden sei. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben (AS 11).

3. Mit Schreiben vom 22.03.2023 legte der Beschwerdeführer seinen syrischen Personalausweis und einen Familienregisterauszug vor (AS 31 bis AS 34).

4. Am 21.06.2023 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Weiteren bezeichnet als BFA bzw. belangte Behörde) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe sich vor dem Krieg im Jahr 2007 vom Wehrdienst freigekauft und ab 2012 an Demonstrationen teilgenommen, wobei er dabei verhaftet und wieder freigelassen worden sei. Er habe ab 2018 bis zur Ausreise Verstärkungssignale für das Internet aus der Türkei gebaut und für eine Firma programmiert. Zudem habe er im Fernsehen berichtet (AS 43 f.).

Der Beschwerdeführer legte in der Einvernahme seine Dokumente erneut, diesmal im Original, vor: seinen syrischen Personalausweis ausgestellt auf den Beschwerdeführer in XXXX am XXXX und einen Familienregisterauszug, ausgestellt am 19.09.2022 (AS 46 sowie AS 57 bis AS 63).Der Beschwerdeführer legte in der Einvernahme seine Dokumente erneut, diesmal im Original, vor: seinen syrischen Personalausweis ausgestellt auf den Beschwerdeführer in römisch XXXX am römisch XXXX und einen Familienregisterauszug, ausgestellt am 19.09.2022 (AS 46 sowie AS 57 bis AS 63).

5. Das BFA veranlasste die Überprüfung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente auf Echtheit. Entsprechend dem Schreiben der zuständigen Landespolizeidirektion vom 28.06.2023 wurden keine offensichtlichen Hinweise auf das Vorliegen einer Fälschung oder Verfälschung festgestellt (AS 65).

6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.08.2023, zugestellt am 16.08.2023, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 09.09.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 Asylgesetz 2005 – AsylG ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). 6. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.08.2023, zugestellt am 16.08.2023, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 09.09.2022 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 – AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Syrien zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).

Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 9, vom 17.07.2023, zugrunde und führte begründend im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer drohe in seiner Herkunftsregion keine asylrelevante Verfolgung seitens der syrischen Regierung oder durch andere Konfliktparteien. Eine Rückkehr sei ihm aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage und Wirtschaftslage und aufgrund des anhaltenden Konfliktes nicht möglich, weswegen ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren sei (vgl. Seite 11ff. des Bescheides vom 10.08.2023, AS 77ff.).Die belangte Behörde legte ihrer Entscheidung die Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 9, vom 17.07.2023, zugrunde und führte begründend im Wesentlichen aus, dem Beschwerdeführer drohe in seiner Herkunftsregion keine asylrelevante Verfolgung seitens der syrischen Regierung oder durch andere Konfliktparteien. Eine Rückkehr sei ihm aufgrund der allgemein schlechten Sicherheitslage und Wirtschaftslage und aufgrund des anhaltenden Konfliktes nicht möglich, weswegen ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren sei vergleiche Seite 11ff. des Bescheides vom 10.08.2023, AS 77ff.).

7. Mit Schreiben vom 01.09.2023, eingelangt am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des obengenannten Bescheides. Darin beantragte er eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid im Umfang von Spruchpunkt I. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid im Umfang von Spruchpunkt I. zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen.7. Mit Schreiben vom 01.09.2023, eingelangt am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde gegen Spruchpunkt römisch eins. des obengenannten Bescheides. Darin beantragte er eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid im Umfang von Spruchpunkt römisch eins. zu beheben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den Bescheid im Umfang von Spruchpunkt römisch eins. zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen.

In der Beschwerde brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei politischer Aktivist und regierungsfeindlich. Er sei für 45 Tage in Haft angehalten worden und habe an friedlichen Demonstrationen teilgenommen. Er sei auch im Fernsehen aufgetreten und auf Videos zu sehen, in denen er regimekritisch agiere und er werde vom Geheimdienst gesucht. Zudem drohe ihm Verfolgung aufgrund seiner Ausreise und Asylantragstellung im Ausland und eine Zwangsrekrutierung bei der Rückkehr durch das syrische Regime (AS 232 f.; Seite 2 f. der Beschwerde).

8. Am 05.09.2023 langte die Beschwerdevorlage beim Bundesverwaltungsgericht ein (OZ/1).

9. Am 04.03.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch statt, bei welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung mit Schreiben vom 27.02.2024 (OZ/4) entschuldigt fern. Die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers blieb der Verhandlung mit Schreiben vom 27.02.2024 (OZ/5) entschuldigt fern und beantragte die Gewährung einer Frist zur Einbringung einer schriftlichen Stellungnahme im Anschluss an die Verhandlung.

Im Rahmen der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer insbesondere ausführlich zu seiner Identität, seiner Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seinen Familienverhältnissen und seinem Leben in Syrien sowie seinen Fluchtgründen befragt. Das erkennende Gericht brachte neben dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation weitere Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren ein (OZ/6).

10. Mit Schreiben vom 19.03.2024 nahm die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers zur stattgefundenen Verhandlung am 04.03.2024 Stellung und brachte im Wesentlichen vor, eine Einreise nach Syrien aus der Türkei sei nicht möglich. Auch sei eine sichere und legale Einreise aus dem Irak über den Grenzübergang Semalka- Faysh Khabour nicht möglich. Die einzige Möglichkeit der sicheren und legalen Einreise wären die Grenzübergänge zum Libanon sowie der Flughafen Damaskus, die beide unter Kontrolle des Regimes stünden. Auch die damalige Bezahlung einer Befreiungsgebühr würde den Beschwerdeführer nicht vor einer Rekrutierung oder Bestrafung durch das syrische Regime schützen. In der Stellungnahme wurde auf verschiedene Länderinformationen verwiesen und vorgebracht, dem Beschwerdeführer drohe eine politische Verfolgung (OZ/8).

11. Mit Schreiben vom 21.03.2024 brachte das Bundesverwaltungsgericht das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 10, vom 14.03.2024 in das Verfahren ein und gab eine angemessene Frist zur Stellungnahme (OZ/9).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zum Beschwerdeführer:

1.1.1. Zu seiner Person:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX und wurde am XXXX in Syrien, in Ar-Raqqa, XXXX , geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch als Muttersprache. Er ist seit dem Jahr 2014 verheiratet und hat vier Kinder. Seine Ehefrau XXXX wurde am XXXX geboren. Der Beschwerdeführer hat zwei Töchter namens XXXX , geboren am XXXX und XXXX , geboren am XXXX und zwei Söhne namens XXXX , geboren am XXXX , und XXXX , geboren am XXXX . Die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers leben in XXXX im Herkunftsort des Beschwerdeführers in Syrien. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Im Herkunftsort leben noch die Mutter, fünf Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers, diese leben von den Einnahmen der eigenen Geschäfte (AS 1 f., AS 46 f., OZ/6 Seite 2, 5, 6 = Verhandlungsprotokoll vom 04.03.2024). Zwei Neffen des Beschwerdeführers leben in Deutschland (AS 53, OZ/6 Seite 6). Der Beschwerdeführer heißt römisch XXXX und wurde am römisch XXXX in Syrien, in Ar-Raqqa, römisch XXXX , geboren. Er ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch als Muttersprache. Er ist seit dem Jahr 2014 verheiratet und hat vier Kinder. Seine Ehefrau römisch XXXX wurde am römisch XXXX geboren. Der Beschwerdeführer hat zwei Töchter namens römisch XXXX , geboren am römisch XXXX und römisch XXXX , geboren am römisch XXXX und zwei Söhne namens römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , und römisch XXXX , geboren am römisch XXXX . Die Ehefrau und die Kinder des Beschwerdeführers leben in römisch XXXX im Herkunftsort des Beschwerdeführers in Syrien. Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben. Im Herkunftsort leben noch die Mutter, fünf Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers, diese leben von den Einnahmen der eigenen Geschäfte (AS 1 f., AS 46 f., OZ/6 Seite 2, 5, 6 = Verhandlungsprotokoll vom 04.03.2024). Zwei Neffen des Beschwerdeführers leben in Deutschland (AS 53, OZ/6 Seite 6).

Der Beschwerdeführer besuchte neun Jahre lang die Grundschule in seinem Herkunftsort, schloss diese aber nicht ab. Danach arbeitete er als Verkäufer von Schuhen und Bekleidung in Geschäften seines Vaters, dieser war ein Großhändler für Textilien und Schuhe. Zudem arbeitete der Beschwerdeführer vier Jahre als Autoelektriker. Der Beschwerdeführer hatte ein eigenes Geschäft und Liegenschaften in Syrien (AS 47, OZ/6 Seite 6).

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er nimmt keine Medikamente ein.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer bezieht seinen Lebensunterhalt nicht aus der Grundversorgung.

1.1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer verbrachte sein gesamtes Leben im Herkunftsort XXXX in der Provinz Ar Raqqah in Syrien (AS 48, OZ/6 Seite 6).Der Beschwerdeführer verbrachte sein gesamtes Leben im Herkunftsort römisch XXXX in der Provinz Ar Raqqah in Syrien (AS 48, OZ/6 Seite 6).

Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, XXXX , in der Provinz Ar Raqqah, befindet sich im Norden Syriens. Der Herkunftsort wird auch bezeichnet als „ XXXX “ oder „ XXXX “. Er wird derzeit von den Kurden kontrolliert, genauer von den Gruppierungen YPG, YPJ, SDF, PKK. XXXX liegt im Westen von Ar Raqqah am bzw. südlich des Euphrat und grenzt direkt an das Gebiet unter syrischer Kontrolle, welches sich in der Provinz südlich entlang des Euphrat erstreckt. Das syrische Regime verfügt in Ar-Raqqa über eine militärische bzw. Sicherheitspräsenz. XXXX befindet sich zwar offiziell unter der Kontrolle der Kurden, das syrische Regime ist aber in unmittelbarer Nähe präsent. Der Militärflughafen XXXX im Herkunftsort wurde vom syrischen Regime übernommen. Das syrische Regime hat in unmittelbarer Nähe (ca. 550 Meter vom Haus des Beschwerdeführers entfernt) patrouilliert und Mitglieder des syrischen Militärs sind bis in die Herkunftsstadt des Beschwerdeführers vorgedrungen, unter anderem um in zivil Besorgungen zu tätigen.Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, römisch XXXX , in der Provinz Ar Raqqah, befindet sich im Norden Syriens. Der Herkunftsort wird auch bezeichnet als „ römisch XXXX “ oder „ römisch XXXX “. Er wird derzeit von den Kurden kontrolliert, genauer von den Gruppierungen YPG, YPJ, SDF, PKK. römisch XXXX liegt im Westen von Ar Raqqah am bzw. südlich des Euphrat und grenzt direkt an das Gebiet unter syrischer Kontrolle, welches sich in der Provinz südlich entlang des Euphrat erstreckt. Das syrische Regime verfügt in Ar-Raqqa über eine militärische bzw. Sicherheitspräsenz. römisch XXXX befindet sich zwar offiziell unter der Kontrolle der Kurden, das syrische Regime ist aber in unmittelbarer Nähe präsent. Der Militärflughafen römisch XXXX im Herkunftsort wurde vom syrischen Regime übernommen. Das syrische Regime hat in unmittelbarer Nähe (ca. 550 Meter vom Haus des Beschwerdeführers entfernt) patrouilliert und Mitglieder des syrischen Militärs sind bis in die Herkunftsstadt des Beschwerdeführers vorgedrungen, unter anderem um in zivil Besorgungen zu tätigen.

Diese Situation stellte sich derart bereits bei der Ausreise des Beschwerdeführers im Jahr 2022 dar.

Der Beschwerdeführer verließ Syrien illegal am 15.07.2022 zu Fuß in die Türkei, weil das syrische Regime die Kontrolle über den Militärflughafen XXXX übernommen hatte und er das Vorschreiten des syrischen Regimes in den Herkunftsort befürchtete (AS 7, AS 48, OZ/6 Seite 6 und 7).Der Beschwerdeführer verließ Syrien illegal am 15.07.2022 zu Fuß in die Türkei, weil das syrische Regime die Kontrolle über den Militärflughafen römisch XXXX übernommen hatte und er das Vorschreiten des syrischen Regimes in den Herkunftsort befürchtete (AS 7, AS 48, OZ/6 Seite 6 und 7).

Der Beschwerdeführer ist aktuell XXXX Jahre alt und wehrdienstfähig. Er hat seinen verpflichtenden Wehrdienst in Syrien nicht abgeleistet, sondern hat sich im Jahr 2007 vom Wehrdienst freigekauft. Er wurde nicht zum Reservedienst einberufen.Der Beschwerdeführer ist aktuell römisch XXXX Jahre alt und wehrdienstfähig. Er hat seinen verpflichtenden Wehrdienst in Syrien nicht abgeleistet, sondern hat sich im Jahr 2007 vom Wehrdienst freigekauft. Er wurde nicht zum Reservedienst einberufen.

1.1.2.1. Zur Verfolgung des Beschwerdeführers durch das syrische Regime:

Der Beschwerdeführer hat sich bereits seit Beginn der Revolution in Syrien im Jahr 2012 vielfach aktiv oppositionell betätigt und seine Meinung kundgetan. Dies durch Demonstrationsbesuche, das Verteilen von Flugblättern, die Mithilfe an der Verbreitung von Internetzugang und seinem Auftreten im Fernsehsender Al Jazeera in zwei Interviews über die Bedrohung und Zerstörungen durch das syrische Regime. Der Beschwerdeführer wurde vom syrischen Regime bereits einmal inhaftiert und ist dem Regime daher jedenfalls bekannt.

Der Beschwerdeführer nahm zu Beginn der Revolution in Syrien an zahlreichen Demonstrationen gegen das syrische Regime teil. Er verteilte Flugblätter gegen das syrische Regime und klebte diese auf Wände und Säulen auf der Straße. Im Jahr 2012 wurde er deshalb vom Regime festgenommen und für 45 Tage inhaftiert. Danach verlor das syrische Regime die Kontrolle über das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2012 und im Jahr 2013 vom TV Sender Al Jazeera interviewt. In beiden Interviews wurde der Beschwerdeführer beim Staudamm in seinem Herkunftsgebiet gefilmt. Im ersten Video gibt der Beschwerdeführer an, dass der Staudamm vom Militärflugplatz XXXX aus beschossen wurde und dass die Bevölkerung Angst vor einem Treffer des Staudammes hat. Das zweite Video zeigt einen Platz beim Staudamm, der von einem Geschoss getroffen wurde und den Beschwerdeführer, der schildert, dass hier fünf Fassbomben gefallen sind. Beide Videos wurden vom TV Sender Al Jazeera ausgestrahlt und im Verfahren vorgelegt. Die Interviews wurden nach der Inhaftierung des Beschwerdeführers und zu einem Zeitpunkt aufgenommen, zu dem nicht das syrische Regime, sondern die oppositionelle FSA die Kontrolle im Herkunftsgebiet innehatte.Der Beschwerdeführer wurde im Jahr 2012 und im Jahr 2013 vom TV Sender Al Jazeera interviewt. In beiden Interviews wurde der Beschwerdeführer beim Staudamm in seinem Herkunftsgebiet gefilmt. Im ersten Video gibt der Beschwerdeführer an, dass der Staudamm vom Militärflugplatz römisch XXXX aus beschossen wurde und dass die Bevölkerung Angst vor einem Treffer des Staudammes hat. Das zweite Video zeigt einen Platz beim Staudamm, der von einem Geschoss getroffen wurde und den Beschwerdeführer, der schildert, dass hier fünf Fassbomben gefallen sind. Beide Videos wurden vom TV Sender Al Jazeera ausgestrahlt und im Verfahren vorgelegt. Die Interviews wurden nach der Inhaftierung des Beschwerdeführers und zu einem Zeitpunkt aufgenommen, zu dem nicht das syrische Regime, sondern die oppositionelle FSA die Kontrolle im Herkunftsgebiet innehatte.

Der Beschwerdeführer betrieb in seiner Herkunftsregion eine Internet-Verstärkeranlage und installierte in Häusern Satellitenempfänger, um Internetzugang zu ermöglichen. Er befürchtet auch aufgrund dessen eine Verfolgung durch das syrische Regime.

Der Beschwerdeführer verließ Syrien aus Angst, vom syrischen Regime aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung verfolgt zu werden. Er wird als Regimegegner angesehen und befürchtet eine Festnahme und Bestrafung durch Mitglieder des syrischen Militärs, die sich in unmittelbarer Nähe seines Herkunftsortes befinden. Der Beschwerdeführer vertritt eine politische Gesinnung, die in Opposition zum aktuellen syrischen Machthaber steht und verheimlicht diese auch nicht. Er hat eine oppositionelle Gesinnung gegenüber dem syrischen Regime. Er hat sich bereits seit Beginn der Revolution im Jahr 2012 vielfach aktiv oppositionell betätigt und seine Meinung kundgetan. Dies durch Demonstrationsbesuche, das Verteilen von Flugblättern, die Mithilfe zur Verbreitung von Internetzugang und seinem Auftreten im Fernsehsender Al Jazeera in zwei Interviews über die Bedrohung und Zerstörungen durch das syrische Regime. Zu beachten ist hierbei, dass der Beschwerdeführer bereits einmal inhaftiert wurde und dem syrischen Regime auch aufgrund dessen jedenfalls bekannt ist.

Das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers steht Großteiles unter kurdischer Kontrolle. Im Mai 2021 übernahm das syrische Regime den Flughafen in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers. Das Gebiet des syrischen Regimes grenzt unmittelbar an den Herkunftsort des Beschwerdeführers und Mitarbeiter des syrischen Militärs hielten sich im Herkunftsort des Beschwerdeführers auf.

1.1.2.2. Zur Bedrohung bei einer Rückkehr:

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr Verfolgung aufgrund oppositioneller Gesinnung durch das syrische Regime.

Das Verhalten des Beschwerdeführers, die Teilnahme an Demonstrationen, das Verteilen von Flugblättern zu Beginn der Revolution, die Verbreitung von Internetzugang im Herkunftsgebiet und die zwei vom Beschwerdeführer im Fernsehsender Al Jazeera gegebenen Interviews über die Bedrohung und Zerstörung am Staudamm durch das syrische Regime, wird vom syrischen Regime als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung gesehen.

Aufgrund der besonderen Situation in Syrien ist die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als „oppositionell“ betrachtet zu werden, relativ niedrig. Der Beschwerdeführer läuft Gefahr, aufgrund seiner in der Vergangenheit vielfach gegen das syrische Regime gesetzten Tätigkeiten, als illoyal angesehen zu werden, was dazu führen kann, dass er verdächtigt, bestraft oder willkürlich inhaftiert wird (vgl. II.1.2.2., 1.2.3. und 1.2.5.).Aufgrund der besonderen Situation in Syrien ist die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als „oppositionell“ betrachtet zu werden, relativ niedrig. Der Beschwerdeführer läuft Gefahr, aufgrund seiner in der Vergangenheit vielfach gegen das syrische Regime gesetzten Tätigkeiten, als illoyal angesehen zu werden, was dazu führen kann, dass er verdächtigt, bestraft oder willkürlich inhaftiert wird vergleiche römisch II.1.2.2., 1.2.3. und 1.2.5.).

Bei einer Rückkehr in seine Heimatregion besteht für den Beschwerdeführer ein erhebliches Risiko, wegen oppositioneller Gesinnung vom syrischen Regime verfolgt zu werden.

Der Beschwerdeführer müsste über die Grenzübergänge, die in der Hand des syrischen Regimes sind (insbesondere über die Flughäfen von Aleppo, Latakia oder Damaskus) nach Syrien zurückkehren. Würde der Beschwerdeführer über sonstige Grenzübergänge ohne Kontakt zum syrischen Regime in seine Herkunftsprovinz zurückkehren, droht ihm trotzdem Verfolgung durch das syrische Regime, da dieses im Süden seiner Herkunftsprovinz Ar Raqqah über eine militärische bzw. Sicherheitspräsenz verfügt. Die Heimatstadt des Beschwerdeführers, XXXX , grenzt direkt an das Gebiet unter syrischer Kontrolle. XXXX befindet sich zwar offiziell unter der Kontrolle der Kurden, das syrische Regime ist aber in unmittelbarer Nähe präsent und kontrolliert unter anderem den Militärflugplatz XXXX . Der Beschwerdeführer müsste über die Grenzübergänge, die in der Hand des syrischen Regimes sind (insbesondere über die Flughäfen von Aleppo, Latakia oder Damaskus) nach Syrien zurückkehren. Würde der Beschwerdeführer über sonstige Grenzübergänge ohne Kontakt zum syrischen Regime in seine Herkunftsprovinz zurückkehren, droht ihm trotzdem Verfolgung durch das syrische Regime, da dieses im Süden seiner Herkunftsprovinz Ar Raqqah über eine militärische bzw. Sicherheitspräsenz verfügt. Die Heimatstadt des Beschwerdeführers, römisch XXXX , grenzt direkt an das Gebiet unter syrischer Kontrolle. römisch XXXX befindet sich zwar offiziell unter der Kontrolle der Kurden, das syrische Regime ist aber in unmittelbarer Nähe präsent und kontrolliert unter anderem den Militärflugplatz römisch XXXX .

Es besteht das reale Risiko, dass der Beschwerdeführer am Grenzübergang bzw. an den Flughäfen oder einem der Checkpoints oder in seinem Herkunftsort verhaftet und aufgrund seiner oppositionellen Gesinnung bestraft wird. Im Falle einer Rückkehr besteht für den Beschwerdeführer die reale Gefahr, durch das syrische Regime wegen seiner vielseitigen oppositionellen Betätigungen verhaftet zu werden und zumindest mit einer Gefängnisstrafe bestraft zu werden, die mit der Anwendung von Folter verbunden wäre. Die Regierung geht brutal gegen oppositionelle Aktivisten vor.

Bei einer Rückkehr nach Syrien läuft der Beschwerdeführer somit Gefahr, Gewalthandlungen, erheblichen Eingriffen in seine Unversehrtheit und/oder gravierenden Bedrohungen ausgesetzt zu sein.

Die Bedrohung geht vom syrischen Regime, somit vom Staat selbst, aus und ist aktuell.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative nicht zur Verfügung.

Gründe, nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, liegen im Verfahren nicht vor.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Im Verfahren wurden folgende Quellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers herangezogen:

?        Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, aus dem Country of Origin - Content Management System (COI-CMS) - Syrien, Version 10 vom 14.03.2024

?        Die EUAA Country Guidance (ehemals EASO Leitlinien) zu Syrien vom Februar 2023

?        Die UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen 6. aktualisierte Fassung, März 2021

?        Der Themenbericht der Staatendokumentation Syrien – Grenzübergänge, Version 1 vom 25.10.2023

?        Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation – Türkei; Ein- und Durchreisebestimmungen für Syrer, Passieren von Grenzübergängen zu Syrien, vom 24.10.2023

?        ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Detailfragen zum Vorgehen der syrischen Grenzbehörden bei der Einreise eines registrierten Reservisten nach mehrjährigem Auslandsaufenthalt vom 14.06.2023

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien, Version 10 vom 14.03.2024, wiedergegeben:

1.2.1. Politische Lage

„Letzte Änderung 2024-03-08 10:59

(…) Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).(…) Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024). (…)“

1.2.2. Sicherheitslage

„Letzte Änderung 2024-03-08 11:17

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022). (…)

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). (…)
[…]“

1.2.2.1. Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)

„Letzte Änderung 2024-03-08 15:02

Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).

Die Türkei unterstellt sowohl den Streitkräften der Volksverteidigungseinheiten (YPG) als auch der Democratic Union Party (PYD) Nähe zur von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und bezeichnet diese daher ebenfalls als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 29.11.2021).

Der Think Tank Newslines Institute for Strategy and Policy sieht auf der folgenden Karte besonders die Gebiete von Tal Rifa'at, Manbij und Kobanê als potenzielle Ziele einer türkischen Offensive. Auf der Karte sind auch die Strecken und Gebiete mit einer Präsenz von Regime- und pro-Regime-Kräften im Selbstverwaltungsgebiet ersichtlich, die sich vor allem entlang der Frontlinien zu den pro-türkischen Rebellengebieten und entlang der türkisch-syrischen Grenze entlangziehen. In Tal Rifa'at und an manchen Grenzabschnitten sind sie nicht präsent. (…)

Der Rückzug der USA aus den Gebieten östlich des Euphrat im Oktober 2019 ermöglichte es der Türkei, sich in das Gebiet auszudehnen und ihre Grenze tiefer in Syrien zu verlegen, um eine Pufferzone gegen die SDF zu schaffen (CMEC 2.10.2020) [Anm.: Siehe hierzu Unterkapitel türkische Militäroperationen in Nordsyrien im Kapitel Sicherheitslage]. Aufgrund der türkischen Vorstöße sahen sich die SDF dazu gezwungen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet Stellung zu beziehen, um die Türkei abzuschrecken, und den Kampf auf eine zwischenstaatliche Ebene zu verlagern (ICG 18.11.2021). Regimekräfte sind seither in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent (AA 29.11.2021). Die Türkei stützte sich bei ihrer Militäroffensive im Oktober 2019 auch auf Rebellengruppen, die in der 'Syrian National Army' (SNA) zusammengefasst sind; seitens dieser Gruppen kam es zu gewaltsamen Übergriffen, insbesondere auf die kurdische Zivilbevölkerung sowie Christen und Jesiden (Ermordungen, Plünderungen und Vertreibungen). Aufgrund des Einmarsches wuchs die Zahl der intern vertriebenen Menschen im Nordosten auf über eine halbe Million an (ÖB Damaskus 1.10.2021).

Auf der folgenden Karte sind die militärischen Akteure der Region wie auch militärische und infrastrukturelle Maßnahmen, welche zur Absicherung der kurdischen "Selbstverwaltung" (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) nötig wären, eingezeichnet. Auf dieser Karte ist entlang der gesamten Frontlinie zu pro-türkischen Gebieten bzw. der türkisch-syrischen Grenze die Präsenz einer Kooperation zwischen SDF, Regime und russischen Truppen mit Ausnahme entlang des Tigris im äußersten Nordosten verzeichnet. (…)

Entgegen früheren Ankündigungen bleiben die USA weiterhin militärisch präsent (ÖB Damaskus 1.10.2021; vgl. AA 29.11.2021; JsF 9.9.2022). Am 4.9.2022 errichteten die US-Truppen einen neuen Militärstützpunkt im Dorf Naqara im Nordosten Syriens, der zu den drei Standorten der US-geführten internationalen Koalition in der Region Qamishli gehört. Der neue Militärstützpunkt kann dazu beitragen, die verstärkten Aktivitäten Russlands und Irans in der Region zu überwachen; insbesondere überblickt er direkt den von den russischen Streitkräften betriebenen Luftwaffenstützpunkt am Flughafen Qamishli. Er ist nur wenige Kilometer von den iranischen Militärstandorten südlich der Stadt entfernt (JsF 9.9.2022). Hinzukamen wiederholte Luft- bzw. Drohnenangriffe zwischen den in Nordost-Syrien stationierten US-Truppen und Iran-nahen Milizen (AA 2.2.2024). Entgegen früheren Ankündigungen bleiben die USA weiterhin militärisch präsent (ÖB Damaskus 1.10.2021; vergleiche AA 29.11.2021; JsF 9.9.2022). Am 4.9.2022 errichteten die US-Truppen einen neuen Militärstützpunkt im Dorf Naqara im Nordosten Syriens, der zu den drei Standorten der US-geführten internationalen Koalition in der Region Qamishli gehört. Der neue Militärstützpunkt kann dazu beitragen, die verstärkten Aktivitäten Russlands und Irans in der Region zu überwachen; insbesondere überblickt er direkt den von den russischen Streitkräften betriebenen Luftwaffenstützpunkt am Flughafen Qamishli. Er ist nur wenige Kilometer von den iranischen Militärstandorten südlich der Stadt entfernt (JsF 9.9.2022). Hinzukamen wiederholte Luft- bzw. Drohnenangriffe zwischen den in Nordost-Syrien stationierten US-Truppen und Iran-nahen Milizen (AA 2.2.2024).

SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen (AN 17.10.2021). Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022). Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS (PBS 22.2.2022), und die Region gilt als "Hauptschauplatz für den Aufstand des IS" (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022).SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen (AN 17.10.2021). Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand (ICG 11.10.2019; vergleiche EUAA 9.2022). Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS (PBS 22.2.2022), und die Region gilt als "Hauptschauplatz für den Aufstand des IS" (ICG 11.10.2019; vergleiche EUAA 9.2022).

Die kurdischen YPG stellen einen wesentlichen Teil der Kämpfer und v. a. der Führungsebene der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation IS in Syrien vorgehen (AA 29.11.2021). In Reaktion auf die Reorganisation der Truppen zur Verstärkung der Front gegen die Türkei stellten die SDF vorübergehend ihre Operationen und andere Sicherheitsmaßnahmen gegen den Islamischen Staat ein. Dies weckte Befürchtungen bezüglich einer Stärkung des IS in Nordost-Syrien (Newlines 7.3.2023). Die SDF hatten mit Unterstützung US-amerikanischer Koalitionskräfte allein seit Ende 2021 mehrere Sicherheitsoperationen durchgeführt, in denen nach eigenen Angaben Hunderte mutmaßliche IS-Angehörige verhaftet und einzelne Führungskader getötet wurden (AA 2.2.2024).

Der IS führt weiterhin militärische Operationen in der AANES durch. Die SDF reagieren auf die Angriffe mit routinemäßigen Sicherheitskampagnen, unterstützt durch die Internationale Koalition. Bisher konnten diese die Aktivitäten des IS und seiner affiliierten Zellen nicht einschränken. SOHR dokumentierte von Anfang 2023 bis September 2023 121 Operationen durch den IS, wie bewaffnete Angriffe und Explosionen, in den Gebieten der AANES. Dabei kamen 78 Personen zu Tode, darunter 17 ZivilistInnen und 56 Mitglieder der SDF (SOHR 24.9.2023).

Mit dem Angriff auf die Sina’a-Haftanstalt in Hassakah in Nordostsyrien im Januar 2022 und den daran anschließenden mehrtägigen Kampfhandlungen mit insgesamt ca. 470 Todesopfern (IS-Angehörige, SDF-Kämpfer, Zivilisten) demonstrierte der IS propagandawirksam die Fähigkeit, mit entsprechendem Vorlauf praktisch überall im Land auch komplexe Operationen durchführen zu können (AA 29.3.2023). Bei den meisten Gefangenen handelte es sich um prominente IS-Anführer (AM 26.1.2022). Unter den insgesamt rund 5.000 Insassen des überfüllten Gefängnisses befanden sich nach Angaben von Angehörigen jedoch auch Personen, die aufgrund von fadenscheinigen Gründen festgenommen worden waren, nachdem sie sich der Zwangsrekrutierung durch die SDF widersetzt hatten, was die SDF jedoch bestritten (AJ 26.1.2022). Die Gefechte dauerten zehn Tage, und amerikanische wie britische Kräfte kämpften aufseiten der SDF (HRW 12.1.2023). US-Angaben zufolge war der Kampf die größte Konfrontation zwischen den US-amerikanischen Streitkräften und dem IS, seit die Gruppe 2019 das (vorübergehend) letzte Stück des von ihr kontrollierten Gebiets in Syrien verloren hatte (NYT 25.1.2022). Vielen Häftlingen gelang die Flucht, während sich andere im Gefängnis verbarrikadierten und Geiseln nahmen (ANI 26.1.2022). Nach Angaben der Vereinten Nationen mussten schätzungsweise 45.000 Einwohner von Hassakah aufgrund der Kämpfe aus ihren Häusern fliehen, und die SDF riegelte große Teile der Stadt ab (MEE 25.1.2022; vgl. NYT 25.1.2022, EUAA 9.2022). Während der Kampfhandlungen erfolgten auch andernorts in Nordost-Syrien Angriffe des IS (TWP 24.2.2022). Die geflohenen Bewohner durften danach zurückkehren (MPF 8.2.2022), wobei Unterkünfte von mehr als 140 Familien scheinbar von den SDF während der Militäraktionen zerstört worden waren. Mit Berichtszeitpunkt Jänner 2023 waren Human Rights Watch keine Wiederaufpläne, Ersatzunterkünfte oder Kompensationen für die zerstörten Gebäude bekannt (HRW 12.1.2023).Mit dem Angriff auf die Sina’a-Haftanstalt in Hassakah in Nordostsyrien im Januar 2022 und den daran anschließenden mehrtägigen Kampfhandlungen mit insgesamt ca. 470 Todesopfern (IS-Angehörige, SDF-Kämpfer, Zivilisten) demonstrierte der IS propagandawirksam die Fähigkeit, mit entsprechendem Vorlauf praktisch überall im Land auch komplexe Operationen durchführen zu können (AA 29.3.2023). Bei den meisten Gefangenen handelte es sich um prominente IS-Anführer (AM 26.1.2022). Unter den insgesamt rund 5.000 Insassen des überfüllten Gefängnisses befanden sich nach Angaben von Angehörigen jedoch auch Personen, die aufgrund von fadenscheinigen Gründen festgenommen worden waren, nachdem sie sich der Zwangsrekrutierung durch die SDF widersetzt hatten, was die SDF jedoch bestritten (AJ 26.1.2022). Die Gefechte dauerten zehn Tage, und amerikanische wie britische Kräfte kämpften aufseiten der SDF (HRW 12.1.2023). US-Angaben zufolge war der Kampf die größte Konfrontation zwischen den US-amerikanischen Streitkräften und dem IS, seit die Gruppe 2019 das (vorübergehend) letzte Stück des von ihr kontrollierten Gebiets in Syrien verloren hatte (NYT 25.1.2022). Vielen Häftlingen gelang die Flucht, während sich andere im Gefängnis verbarrikadierten und Geiseln nahmen (ANI 26.1.2022). Nach Angaben der Vereinten Nationen mussten schätzungsweise 45.000 Einwohner von Hassakah aufgrund der Kämpfe aus ihren Häusern fliehen, und die SDF riegelte große Teile der Stadt ab (MEE 25.1.2022; vergleiche NYT 25.1.2022, EUAA 9.2022). Während der Kampfhandlungen erfolgten auch andernorts in Nordost-Syrien Angriffe des IS (TWP 24.2.2022). Die geflohenen Bewohner durften danach zurückkehren (MPF 8.2.2022), wobei Unterkünfte von mehr als 140 Familien scheinbar von den SDF während der Militäraktionen zerstört worden waren. Mit Berichtszeitpunkt Jänner 2023 waren Human Rights Watch keine Wiederaufpläne, Ersatzunterkünfte oder Kompensationen für die zerstörten Gebäude bekannt (HRW 12.1.2023).

Während vorhergehende IS-Angriffe von kurdischen Quellen als unkoordiniert eingestuft wurden, erfolgte die Aktion in Hassakah durch drei bestens koordinierte IS-Zellen. Die Tendenz geht demnach Richtung seltenerer, aber größerer und komplexerer Angriffe, während dezentralisierte Zellen häufige, kleinere Attacken durchführen. Der IS nutzt dabei besonders die große Not der in Lagern lebenden Binnenvertriebenen im Nordosten Syriens aus, z. B. durch die Bezahlung kleiner Beträge für Unterstützungsdienste. Der IS ermordete auch einige Personen, welche mit der Lokalverwaltung zusammenarbeiteten (TWP 24.2.2022). Das Ausüben von koordinierten und ausgeklügelten Anschlägen in Syrien und im Irak wird von einem Vertreter einer US-basierten Forschungsorganisation als Indiz dafür gesehen, dass die vermeintlich verstreuten Schläferzellen des IS wieder zu einer ernsthaften Bedrohung werden (NYT 25.1.2022). Trotz der laufenden Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung hat der IS im Nordosten Syriens an Stärke gewonnen und seine Aktivitäten im Gebiet der SDF intensiviert. Am 28.9.2022 gaben die SDF bekannt, dass sie eines der größten Waffenverstecke des IS seit Anfang 2019 erobert haben. Sowohl die Größe des Fundes als auch sein Standort sind ein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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