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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §115 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Rauscher, über die Beschwerde des Dr. Walter M in E, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 29. April 1993, Zl. GA 5-1665/2/93, betreffend Jahresausgleiche für 1989 bis 1991, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.950,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezieht als Richter an einem Bezirksgericht und als Lehrer an einer Handelsakademie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In seinen Anträgen auf Durchführung der Jahresausgleiche für 1989 bis 1991 begehrte er u. a. die Berücksichtigung seiner Mitgliedsbeiträge zum Bund Sozialistischer Akademiker (BSA), seiner Telefonkosten und der Aufwendungen für die Anschaffung und Reinigung von Dienstbekleidung als Werbungskosten gemäß § 16 EStG (1988) sowie die Gewährung des Pauschbetrages nach § 34 Abs 8 leg.cit.
Gegen den die Berücksichtigung dieser Kosten bzw. der außergewöhnlichen Belastung versagenden, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Mitgliedsbeiträge zum Bund Sozialistischer Akademiker (BSA):
Der angefochtene Bescheid versagt dem Beschwerdeführer die Anerkennung der Mitgliedsbeiträge zum BSA als Werbungskosten im wesentlichen mit der Begründung, Zweck dieses Vereines sei nach § 2 seiner Satzung (Beschlüsse des Bundestages vom 12. Oktober 1974 in Graz), alle fortschrittlichen Akademiker, Intellektuellen und Künstler zu einer politischen Gesinnungsgemeinschaft im Sinne der Grundsätze des demokratischen Sozialismus (§ 3) und der sozialistischen Bewegung zu vereinen und diese Gemeinschaft zu pflegen. Dem Wortlaut der Satzung sei somit die erforderliche ausschließliche oder überwiegende Wahrnehmung der beruflichen Interessen der Mitglieder nicht zu entnehmen, vielmehr würden Akademiker, Intellektuelle und Künstler ganz allgemein und unabhängig von einer beruflichen Spezifizierung angesprochen. Dies gehe auch aus § 10 der Satzung hervor, wo es heiße, daß jeder Akademiker, Maturant, Intellektuelle und Künstler, der sich zu den Zielen des BSA bekenne, Mitglied werden könne. Überdies sei den Grundsätzen des Vereins (§ 3) eine politische, nicht aber eine berufliche Zielsetzung zu entnehmen.
Die Beschwerde vertritt die Auffassung, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 16 Abs 1 Z 3 lit b EStG sei im vorliegenden Fall zu bejahen. Dem Regelungszweck dieser Norm entsprechend komme es auf den konkreten Einzelfall an. Für den Beschwerdeführer sei die BSA-Mitgliedschaft ausschließlich berufsbedingt.
Gemäß der zitierten Gesetzesstelle sind Werbungskosten auch Beiträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbänden und Interessenvertretungen. Die Beiträge sind nur unter folgenden Voraussetzungen abzugsfähig:
-
Die Berufsverbände und Interessenvertretungen müssen sich nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich oder überwiegend mit der Wahrnehmung der beruflichen Interessen ihrer Mitglieder befassen.
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Die Beiträge können nur in angemessener, statutenmäßig festgesetzter Höhe abgezogen werden.
Bei Berufsverbänden und Interessenvertretungen handelt es sich um Zusammenschlüsse von Personen, die denselben Beruf oder doch artverwandte, durch eine natürliche Interessengemeinschaft verbundene Berufe ausüben (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 16 Tz 35). Nicht als Berufsverbände und Interessenvertretungen gelten Institutionen, die nicht darauf ausgerichtet sind, speziell berufliche Interessen der Mitglieder zu fördern, sondern bei denen die Fördertätigkeit in einem nicht eindeutigen und damit losen Zusammenhang zur Berufstätigkeit steht (vgl. bspw. die hg. Erkenntnisse vom 15. Februar 1983, Zl. 82/14/0135, und vom 28. April 1987, Zl. 86/14/0174). Unter "Wahrnehmung der beruflichen Interessen" ist hiebei die Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Mitglieder, z.B. durch Beratung oder Aus- bzw. Weiterbildung, zu verstehen (vgl. Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht, 536).
§ 16 Abs 1 Z 3 lit b EStG fordert eine nach SATZUNG UND TATSÄCHLICHER GESCHÄFTSFÜHRUNG ausschließliche oder überwiegende Befassung mit der Wahrnehmung beruflicher Interessen der Mitglieder. Da jedoch, wie aus der Satzung des BSA hervorgeht, eine solche ausschließliche oder überwiegende Befassung mit der Wahrnehmung der beruflichen Interessen der Mitglieder weder nach dem Vereinszweck (§ 2), der ausdrücklich eine politische Gesinnungsgemeinschaft statuiert, noch nach den zur Erfüllung des Vereinszweckes vorgesehenen Tätigkeiten des BSA (§ 4) vorliegt, kommt diesem die Eigenschaft eines Berufsverbandes bzw. einer Interessenvertretung iSd genannten Bestimmung nicht zu. Unerheblich ist, welche (allenfalls in der beruflichen Sphäre begründeten) Überlegungen für die Mitgliedschaft des Beschwerdeführers zum BSA maßgebend waren. Mit dem Hinweis auf Erlässe des Bundesministers für Finanzen, welche die Abzugsfähigkeit für Mitgliedsbeiträge zu anderen Vereinigungen als dem BSA als Werbungkosten vorsehen, zeigt die Beschwerde ebenfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil diese keine allgemein verbindliche Rechtsquelle darstellen, die die Abgabenbehörden oder der Verwaltungsgerichtshof zu beachten hätten.
2. Kosten der beruflichen Telefonbenützung im Haushalt:
Das Finanzamt anerkannte im Schätzungswege für das Kalenderjahr 1989 25% der Telefonkosten (nach Abzug eines Betrages von S 2.560,-- als Grundgebühr) als beruflich veranlaßt und verwies in seiner Begründung auf die analoge Vorgangsweise im Vorjahr. Für die Kalenderjahre 1990 und 1991 anerkannte das Finanzamt 25% der Gesamtkosten des Telefons einschließlich Grundgebühr als Werbungskosten. Auch hier wurde zur Begründung auf das jeweilige Vorjahr verwiesen.
In seinen Berufungen gegen die Jahresausgleichsbescheide beantragte der Beschwerdeführer die Berücksichtigung seiner Telefonkosten in voller Höhe, gestand jedoch im Zuge einer Vorhaltsbeantwortung eine private Nutzung des Telefons im Ausmaß von 20% zu.
Die belangte Behörde folgte mit dem angefochtenen Bescheid dem Schätzungsergebnis des Finanzamtes und begründete dies mit der Nichtvorlage von Aufzeichnungen durch den Beschwerdeführer, darüber hinaus mit dem Umstand, daß der Beschwerdeführer eine private Nutzung vorerst ausgeschlossen und letztendlich doch zugestanden habe. Auch widerspreche es den Erfahrungen des täglichen Lebens, daß ein Privattelefon von einer vierköpfigen Familie in nur untergeordnetem Ausmaß privat genutzt werde.
Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde sei bei ihrer Schätzung von der für den Beschwerdeführer ungünstigsten Annahme ausgegangen, welche sie innerhalb des von ihr angenommenen Schätzungsrahmens als noch zulässig angesehen habe.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshof ist die Abgabenbehörde mangels beweiskräftiger Unterlagen über die Zahl und die Dauer beruflicher Telefongespräche zur Schätzung des Werbungskostenanteiles verhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 90/14/0229).
Im Abgabenverfahren war der Beschwerdeführer dazu aufgefordert worden, den Zusammenhang der Telefonkosten mit seiner beruflichen Tätigkeit dem Grunde nach nachzuweisen und den beruflichen Anteil in einer schlüssigen, nachvollziehbaren Weise zu "ermitteln".
In seiner Vorhaltsbeantwortung stellte der Beschwerdeführer mit dem Hinweis auf seine vorgelegten Telefonrechnungen zwar die Gründe für die berufliche Veranlassung der Telefonate dar, wies aber nicht deren Ausmaß nach. Die belangte Behörde war daher berechtigt, das Ausmaß der als Werbungskosten anzuerkennenden Telefonkosten gemäß § 184 Abs 1 BAO zu schätzen. Hiebei hatte sie alle für die Schätzung bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen.
Wenn die belangte Behörde im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer weder Aufzeichnungen noch sonstige Beweis- oder Bescheinigungsmittel für das behauptete berufliche Ausmaß der Telefonate vorgelegt hat, daß er eine private Nutzung vorerst ausgeschlossen und letztendlich doch zugestanden hat, und daß es den Erfahrungen des täglichen Lebens widerspricht, daß ein Privattelefon von einer vierköpfigen Familie in nur untergeordnetem Ausmaß privat genutzt wird, die Werbungskosten für Telefongespräche mit 25% der Gesamtkosten geschätzt hat, so erscheint diese Schätzung nicht nur dem Grunde nach berechtigt, sondern auch schlüssig (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 90/13/0291). Die Beschwerde zeigt auch keinen wesentlichen Mangel des Schätzungsverfahrens auf. Die dem angefochtenen Bescheid beigegebene Begründung läßt zudem ausreichend erkennen, weswegen die belangte Behörde dem Sachvorbringen des Beschwerdeführers nicht gefolgt ist.
Die Beschwerde erweist sich daher in dem in Rede stehenden Punkt als unberechtigt.
3. Anschaffung und Reinigung von bürgerlicher Dienstkleidung (weiße Hemden, dunkler Anzug, Socken und Strümpfe):
Das Finanzamt anerkannte aus diesem Titel folgende Werbungskosten: 1989 einen Betrag von S 1.668,-- für die Anschaffung von Dienstkleidung bzw. S 5.000,-- für die Reinigung von Dienstkleidung, 1990 einen Betrag von S 1.634,-- für die Anschaffung von Dienstkleidung. Für die Jahre 1990 und 1991 wurden die Reinigungskosten für Dienstkleidung nicht als Werbungskosten anerkannt.
Mit seinen Berufungen begehrte der Beschwerdeführer die volle Anerkennung seiner in Rede stehenden Aufwendungen.
Mit dem angefochtenen Bescheid versagte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Berücksichtigung der genannten, vom Finanzamt teilweise bereits anerkannten Aufwendungen fast gänzlich und verwies auf das hg. Erkenntnis vom 17. September 1990, Zl. 89/14/0277.
Die Beschwerde bringt vor, bei den im Abgabenverfahren geltend gemachten Aufwendungen für Kleidung handle es sich um Aufwendungen für eine nach § 70 RDG rechtlich bindend festgelegte Berufskleidung. Der Verwaltungsgerichtshof bejahe in seiner Rechtsprechung die Absetzbarkeit von Aufwendungen für rechtlich bindend festgelegte Berufskleidung als Werbungskosten, und zwar speziell auch für Richter, wie aus dem hg. Erkenntnis vom 10. April 1973, Zl. 758/72, hervorgehe.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen Aufwendungen für Arbeitskleidung, soweit es sich nicht um typische Berufskleidung, sondern um sogenannte bürgerliche Kleidung (z.B. Zivilanzüge, Straßenanzüge, weiße Hemden) handelt, die von Dienstnehmern überdies privat benützt werden kann, keine Werbungskosten dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 92/15/0225); und zwar selbst dann nicht, wenn die Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung getragen wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 1990, Zl. 89/14/0277). Dies gilt auch für solche Fälle, in denen Aufwendungen auf Grund gesetzlicher Kleidungsvorschriften, z.B. für Richter nach § 1 Abs 5 der auf § 70 Abs 5 RDG beruhenden Verordnung vom 9. Mai 1962 über die Beschaffenheit, das Tragen und die Tragdauer des Amtskleides der Richter, BGBl. Nr. 133/1962, erwachsen. Lediglich Aufwendungen für Berufskleidung mit allgemein erkennbarem, eine private Nutzung praktisch ausschließenden Uniformcharakter können als Werbungskosten anerkannt werden. Auch in dem vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten hg. Erkenntnis vom 10. April 1973, Zl. 758/72, ist der Verwaltungsgerichtshof der ständigen Rechtsprechung zur Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für Dienstkleidung gefolgt.
Da es sich bei den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Aufwendungen ausschließlich um solche für die Anschaffung und Instandhaltung von BÜRGERLICHER Kleidung handelt, erweist sich die Beschwerde - ohne daß auf die von der Beschwerde aufgeworfene Frage des Nachweises der ausschließlich beruflichen Nutzung der Kleidung und auf die Höhe der Aufwendungen noch eingegangen werden bräuchte - auch in diesem Punkt als unberechtigt.
4. Aufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung der Kinder:
Der Beschwerdeführer begehrt die Zuerkennung des Pauschbetrages gemäß § 34 Abs 8 EStG für Aufwendungen wegen der auswärtigen Berufsausbildung seiner beiden Kinder, weil diese das von der Wohnung des Beschwerdeführers in E (im Abgabenverfahren unbestritten) 29 km entfernt gelegene Bundesgymnasium und Bundesrealgymnasium L besuchten; und zwar 1989 und 1990 beide Kinder (1., 2. und 3. Klasse bzw. 3., 4. und 5. Klasse, wobei die Tochter mit 3. Dezember 1990 von der Schule abgemeldet wurde), 1991 nur der Sohn (3. und 4. Klasse). Das Finanzamt wies die Anträge mit der Begründung ab, der Ausbildungsort liege im Einzugsbereich des Wohnortes.
In seinen Berufungen brachte der Beschwerdeführer ua vor, im Einzugsbereich von E gebe es keine Langform der AHS, die Kinder müßten an Schultagen das elterliche Haus um 6 Uhr 25 verlassen, der Unterricht beginne um 7 Uhr 55. Das Ende des Unterrichts sei mit 13 Uhr 30 erreicht, die Kinder würden jedoch erst um 15 Uhr 30 wieder zu Hause eintreffen. Damit betrage die tägliche Fahrzeit vom Wohnort zur Schule und zurück mehr als drei Stunden.
Die belangte Behörde versagte die Anerkennung der außergewöhnlichen Belastung im angefochtenen Bescheid mit der Begründung, § 34 Abs 8 EStG fordere einerseits einen tatsächlichen Aufwand, andererseits müsse dieser Aufwand dadurch entstanden sein, daß im "Einzugsbereich des Wohnortes" keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit bestehe. Der Bereich sei überschritten, wenn dem Kind auf Grund seines Alters und der zur Verfügung stehenden Verkehrsmöglichkeiten die tägliche Hin- und Rückfahrt vom und zum Ausbildungsort nicht zugemutet werden könne. Auf Grund des Alters der beiden Kinder, der Entfernung zwischen Wohnort und Schule und den zur Verfügung stehenden Verkehrsverbindungen (z.B. Bus - Abfahrt in E 6 Uhr 25, Ankunft in M 6 Uhr 39, Bahn - Abfahrt in M 7 Uhr, Ankunft in L 7 Uhr 35) sei den beiden Kindern des Beschwerdeführers die tägliche Hin- und Rückfahrt zwischen Wohn- und Ausbildungsstätte zumutbar. Aber auch im Falle der Verneinung der Zumutbarkeit gebühre dem Beschwerdeführer der Pauschbetrag des § 34 Abs. 8 EStG nicht, weil ihm keine Mehraufwendungen gegenüber jener Gruppe von Steuerpflichtigen, deren Kinder sich ebenfalls in Berufsausbildung befänden, entstanden seien. Denn der Beschwerdeführer habe selbst vorgebracht, seine Kinder kehrten täglich nach Hause zurück, Mehraufwendungen (z.B. durch eine Internatsunterbringung) seien ihm nicht erwachsen. Auch die Berufungen des Beschwerdeführer böten keine Anhaltspunkte dafür, daß ihm Mehraufwendungen anderer Art entstanden seien.
Gemäß § 34 Abs. 8 EStG gelten Aufwendungen für die Berufsausbildung eines Kindes außerhalb des Wohnortes dann als außergewöhnliche Belastung, wenn im Einzugsbereich des Wohnortes keine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit besteht. Diese außergewöhnliche Belastung wird durch Abzug eines Pauschbetrages von S 1.500,-- pro Monat der Berufsausbildung berücksichtigt.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes läßt sich der Begriff "Einzugsbereich des Wohnortes" am ehesten mit der Zumutbarkeit der täglich zurückzulegenden Wegstrecke und der dafür mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufzuwendenen Zeit umschreiben. Als zumutbar ist ein Verhalten anzusehen, das von einer für das spezifische Verhalten repräsentativen Anzahl von Menschen, die sich in gleicher oder ähnlicher Situation befinden, erwartet werden kann. Bei Prüfung dieser Frage ist vom menschlichen Erfahrungsgut auszugehen, d.h. es ist das konkrete Verhalten von Menschen in vergleichbaren Fällen zu erforschen. Die Zumutbarkeit kann jedoch nicht nach schematisierten Kriterien, die auf die Besonderheit des Einzelfalles keine Rücksicht nehmen, beurteilt werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. September 1994, Zl. 91/13/0229).
Im Beschwerdefall ist ausschlaggebend, ob den in den Streitjahren zwischen 11 und 13 bzw. 13 und 14 Jahre alten und somit im Pflichtschulalter gestandenen Kindern des Beschwerdeführers die tägliche Bewältigung der Strecke zwischen Wohn- und Ausbildungsort zumutbar war. Unbestritten ist, daß an Schultagen eine Wegstrecke von 29 km zwischen der Wohnstätte in E und der Schule in L zurückzulegen war, wobei unter Berücksichtigung der im angefochtenen Bescheid festgestellten Fahrzeiten der öffentlichen Verkehrsmittel mit einer bloßen Fahrzeit von mindestens einer Stunde und zehn Minuten gerechnet werden mußte. Da sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Zeitaufwand für Fahrten zwischen Wohnung und Schule nicht auf die bloße Fahrzeit beschränkt, sind bei der Beurteilung, ob die Bewältigung der Entfernung vom Wohnort zur Schule und zurück einem Schüler zumutbar ist, auch Wartezeiten zwischen verschiedenen öffentlichen Verkehrsmitteln und auf den Schulbeginn bzw. auf den Beginn der Rückreise nach Schulende zu berücksichtigen. Daß sich unter Berücksichtigung dieser Wartezeiten der Zeitaufwand zur Bewältigung der Entfernung zwischen Wohnort und Ausbildungsstätte im vorliegenden Fall beträchtlich erhöht, hat der Beschwerdeführer bereits im Verwaltungsverfahren durch sein Vorbringen, die Kinder müßten das Haus um 6 Uhr 25 verlassen, die Schule beginne jedoch erst um 7 Uhr 55 bzw. der Unterricht ende um 13 Uhr 30, die Kinder kämen jedoch erst um 15 Uhr 30 heim, dargelegt. Für Kinder im Pflichtschulalter ist aber eine solche Dauer für die Bewältigung der Entfernung zwischen Wohnort und Schule und zurück nicht zumutbar. Eine Schule, die nur mit einem solchen Zeitaufwand erreicht werden kann, liegt daher außerhalb des "Einzugsbereiches des Wohnortes" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 93/14/0078). In diesem Punkt hat die belangte Behörde somit die Rechtslage verkannt.
Der angefochtene Bescheid versagt die Zuerkennung der Pauschbeträge gemäß § 34 Abs 8 EStG weiters mit der dem Beschwerdeführer erstmals im angefochtenen Bescheid gegebenen Begründung, ihm seien infolge der Berufsausbildung seiner Kinder keine Mehraufwendungen gegenüber jener Gruppe von Steuerpflichtigen, deren Kinder sich ebenfalls in Berufsausbildung befänden, entstanden; denn er habe selbst vorgebracht, seine Kinder kehrten täglich nach Hause zurück und Mehraufwendungen, z.B. durch eine Internatsunterbringung, seien ihm nicht erwachsen. Auch die Berufung biete keine Anhaltspunkte für die Annahme, dem Beschwerdeführer seien Mehraufwendungen anderer Art entstanden.
Die Beschwerde bringt (ebenfalls erstmals) vor, dem Beschwerdeführer seien im Zusammenhang mit der auswärtigen Berufsausbildung seiner Kinder sehr wohl VerpflegungsMEHRkosten (durch auswärtige Mittagessen) und Fahrtkosten für die gelegentliche Beförderung der Kinder zwischen Wohnstätte und Schule entstanden. Sie macht die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, und zwar mit der Begründung, der Beschwerdeführer hätte bei entsprechender Anleitung im Abgabenverfahren die konkreten Mehrkosten unter Beweis gestellt.
Der in der Beschwerde erhobene Vorwurf der Verletzung von Verfahrensvorschriften ist berechtigt. Das Abgabenverfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß einerseits die Abgabenbehörde die Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit trifft (§ 115 BAO), andererseits aber der Abgabepflichtige in Erfüllung seiner Offenlegungspflicht (§ 119 BAO) dazu verhalten ist, die Richtigkeit der in seinen Anbringen dargetanen Umstände zu beweisen bzw. glaubhaft zu machen (§ 138 BAO) (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 1993, 92/15/0002). Im Abgabenverfahren bekämpfte der Beschwerdeführer die für die Versagung der Begünstigung gemäß § 34 Abs 8 EStG vom Finanzamt gegebene Begründung, im Einzugsbereich des Wohnortes bestehe eine entsprechende Ausbildungsmöglichkeit für seine Kinder bzw. der Ausbildungsort liege im Einzugsbereich des Wohnortes. Ob dem Beschwerdeführer Mehraufwendungen für die auswärtige Berufsausbildung seiner Kinder entstanden sind, war - entgegen den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid - hingegen im Abgabenverfahren weder strittig noch nach der Aktenlage Gegenstand behördlicher Sachverhaltsermittlungen. Auch das amtliche Jahresausgleichsformular (L1) verlangt keine Benennung solcher Aufwendungen. Der Verfahrensgrundsatz, daß die Abgabenbehörde von Amts wegen vorzugehen hat, befreit den Abgabepflichtigen zwar nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen, der Abgabepflichtige kann aber bei der Ermittlung des Sachverhaltes nur dann mitwirken, wenn ihm so zeitgerecht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird, daß er noch in der Lage ist, zu einem von der Behörde angenommenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die Grundsätze des Parteiengehörs und der Erforschung der materiellen Wahrheit werden auch dann verletzt, wenn der Abgabepflichtige von Umständen, die zur Feststellung des Sachverhaltes dienen, erst zu einem Zeitpunkt in Kenntnis gesetzt wird, in dem es ihm nicht mehr möglich ist, sich zu den getroffenen Feststellungen konkret zu äußern und er dadurch in Beweisnotstand gerät (vgl. das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1976, Zl. 640/74, 686/75). Insofern hat die belangte Behörde im vorliegenden Fall einen wesentlichen Verfahrensmangel zu vertreten, ohne daß dem Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Mitwirkungspflicht an der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes angelastet werden könnte. Unter den gegebenen Umständen kann dem Beschwerdeführer auch nicht die Verletzung des sich aus § 41 Abs 1 VwGG ergebenden Neuerungsverbotes entgegengehalten werden. Daß durch auswärtigen Schulbesuch, bei dem eine Teilnahme an den Familienmahlzeiten zu den üblichen Essenszeiten nicht möglich ist, in der Regel Mehraufwendungen für die Verpflegung der Kinder entstehen, worauf der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur Gegenschrift zutreffend hingewiesen hat, liegt auf der Hand. Das Gegenteil wäre daher im angefochtenen Bescheid auf Grund eines gesetzmäßigen Verfahrens begründet festzustellen gewesen, was nicht geschehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. September 1993, Zl. 93/14/0078).
Da nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der ein unteilbares Ganzes darstellende angefochtene Bescheid somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993150104.X00Im RIS seit
11.07.2001