Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der S in N, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 23. Dezember 1994, Zl. SD 994/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 23. Dezember 1994 wurde die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei mit ihrer Familie mit ungültigen Reisepässen, ihren Angaben nach am 12. August 1994, mit der Bahn über Ungarn nach Österreich eingereist, ohne daß eine Grenzkontrolle stattgefunden hätte. Es könne kein Zweifel bestehen, daß die Einreise ohne gültigen Reisepaß den Bestimmungen des zweiten Teiles des Fremdengesetzes iVm dem als geltend angesehenen Sichtvermerksabkommen widersprochen habe. Es seien somit die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG gegeben. Abgesehen davon wären auch - im Hinblick auf die offenbare Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin - die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Z. 4 leg. cit. gegeben. Bei diesem Sachverhalt sei die Ausweisung nach § 17 Abs. 2 FrG im Interesse der öffentlichen Ordnung gerechtfertigt. Bei einer Ausweisung nach dieser Gesetzesstelle erübrige es sich zu prüfen, ob sich die Beschwerdeführerin der Grenzkontrolle gestellt habe oder ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 FrG vorlägen. Überdies komme § 19 FrG nicht zum Tragen.
Die Frage, ob die Beschwerdeführerin gewillt oder in der Lage sei, in ihre Heimat zurückzukehren, bzw. ob eine Abschiebung zulässig sei, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die maßgebliche Sachverhaltsfeststellung, daß die Beschwerdeführerin ohne gültigen Reisepaß in das Bundesgebiet eingereist sei, unbestritten (nach dem Beschwerdevorbringen habe die Beschwerdeführerin nur ihren "alten jugoslawischen Paß" mit sich geführt; aufgrund der Kriegswirren sei es nicht möglich gewesen, einen neuen Paß der Republik Bosnien-Herzegowina zu erhalten). Auf dem Boden dieser Sachverhaltsannahme ist der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluß auf die Verwirklichung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 (erster Fall) FrG unbedenklich, hat die Beschwerdeführerin doch durch ihr Verhalten gegen die im § 2 Abs. 1 leg. cit. normierte Paßpflicht - daß sie von dieser ausgenommen wäre, wird von ihr nicht behauptet - verstoßen und damit "Bestimmungen des 2. Teiles" des Fremdengesetzes mißachtet. Ob die Beschwerdeführerin auch - was in der Beschwerde in Abrede gestellt wird - unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist ist, also allenfalls auch der Tatbestand des § 17 Abs. 2 Z. 6 zweiter Fall FrG erfüllt ist, entbehrt demnach der Relevanz.
2. Mit ihrem Einwand, sie habe sich "aus freien Stücken bereits am 9. August 1994 mit meiner Familie freiwillig zur MA 12 begeben und habe dort um Unterstützung angesucht", sei somit nicht innerhalb eines Monats "betreten" worden (da hievon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur bei einem "Ertapptwerden" gesprochen werden könne), ist die Beschwerdeführerin auf die gegenteilige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach für die Erfüllung des Tatbestandes des § 17 Abs. 2 Z. 6 (erster wie auch zweiter Fall) FrG entscheidend ist, daß der Fremde nach rechtswidrig erfolgter Einreise (in der dort umschriebenen Art) ein Zustand des unrechtmäßigen Aufenthaltes (§ 15 Abs. 1 FrG) innerhalb eines Monats nach einer solchen Einreise entdeckt wird, der Anlaß des Entdecktwerdens hingegen ohne rechtliche Bedeutung ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 18. Mai 1995, Zl. 95/18/0776).
3. Auf die Beschwerdeausführungen, mit denen darzutun versucht wird, daß bei der Beschwerdeführerin die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG nicht vorlägen, ist nicht weiter einzugehen, da sich die von der belangten Behörde im Instanzenzug verfügte Ausweisung spruchgemäß ausschließlich auf § 17 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. stützt.
4. Auch das Beschwerdevorbringen, demzufolge "allenfalls eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG in Betracht (käme)", wobei auf § 19 FrG Bedacht zu nehmen wäre, entzieht sich einer Auseinandersetzung, da Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung allein die Rechtmäßigkeit der auf § 17 Abs. 2 Z. 6 FrG gestützten Ausweisung der Beschwerdeführerin ist.
5. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf die ihrer Meinung nach gegebene Unzulässigkeit einer Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina, ist - worauf bereits im bekämpften Bescheid zutreffend hingewiesen wurde - insofern verfehlt, als mit der Erlassung der Ausweisung lediglich die Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundesgebiet verbunden ist (§ 22 FrG), nicht hingegen darüber abgesprochen wird, daß der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. November 1994, Zl. 94/18/0571, und vom 23. März 1995, Zl. 95/18/0308).
6.1. Die Beschwerde bringt schließlich vor, eine Ausweisung würde auch "§ 4 der Verordnung BGBl. Nr. 1038/1994" widersprechen, wonach die Beschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht bis 30. Juni 1995 habe.
6.2. Damit läßt die Beschwerde § 1 Abs. 2 der Verordnung der Bundesregierung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina (BGBl. Nr. 1038/1994) außer acht. Nach dieser Bestimmung besteht ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht (gemäß § 1 Abs. 4: bis 30. Juni 1995) weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.
Unter Zugrundelegung ihres eigenen Vorbringens in der Beschwerde hat die Beschwerdeführerin die zuletzt genannten Tatbestandselemente nicht erfüllt. Denn für das Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, genügt es nicht, hiefür "bereit und willig zu sein" und sich im übrigen darauf zurückzuziehen, daß "wir aber im Zug nicht von österreichischen Grenzorganen kontrolliert (wurden)". Vielmehr wird diesem Erfordernis nur durch ein Tun des Fremden entsprochen: Er hat von sich aus (initiativ) an der Grenzkontrollstelle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten. Mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertrittes der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet durch zu einer solchen Kontrolle berufene österreichische Organe (Grenzkontrollorgane) an einer Grenzkontrollstelle kam aber auch die Verwirklichung des weiteren, kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihm .... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht, da ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln des Grenzkontrollorganes im Rahmen der Grenzkontrolle bedingt.
7. Im übrigen ist nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde von dem ihr bei Anwendung des § 17 Abs. 2 FrG eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hätte, kommt doch den für die Einreise und den Aufenthalt von Fremden getroffenen Regelungen und deren Befolgung durch die Normadressaten aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 95/18/0776, mwN; ferner die Erläuterungen zur RV betreffend ein Fremdengesetz 692, BlgNR 18. GP 37).
8. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
9. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995181099.X00Im RIS seit
29.01.2002