Entscheidungsdatum
28.05.2024Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W136 2288473-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2024, Zl. 1331286602-223422381, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch XXXX (alias römisch XXXX ), geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.01.2024, Zl. 1331286602-223422381, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 01.11.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.
Zu seinen Fluchtgründen gab er an, Syrien wegen des Krieges, wegen einer drohenden Einziehung zum Reservedienst und seiner Ausbildung in der Luftabwehr verlassen zu haben.
Die korrekte Rückübersetzung und die Verständlichkeit wurden bestätigt (AS 7).
2. Am 27.10.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen.
Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der BF an, dass er Syrien verlassen habe, da es in seiner Heimatregion sehr gefährlich gewesen wäre und der IS begonnen habe das Gebiet zu erobern, weshalb er mit seiner Frau und seinen Kindern nach Jordanien geflohen sei. Außerdem habe er seinem Bruder Geld für die Flucht vor dem Wehrdienst bringen wollen und sei dabei für drei Monate verhaftet worden. Weiters sei er zum Reservedienst gesucht, was er über den Bürgermeister und durch Nachforschungen eines Anwalts erfahren habe.
Den Dolmetscher habe er einwandfrei verstanden und habe keine Einwendungen gegen die Rückübersetzung (AS 95).
Insgesamt waren der syrische Reisepass (AS 77f) und Personalausweis des BF, Kopien seines Militärbuches, Kopien eines syrischen Familienbuches und Aufenthaltsbestätigungen für syrische Staatsbürger in Jordanien betreffend seine Frau und Kinder vorgelegt worden (AS 101 ff).
3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 18.01.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 18.01.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und diesem gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Das BFA begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung in Spruchpunkt I. im Wesentlichen damit, dass die vom BF behauptete Gefahr einer möglichen Verfolgung bzw. Bedrohung in Syrien nicht glaubhaft war und der BF daher im gesamten Verfahren keine konkrete oder drohende Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen glaubhaft machen konnte.Das BFA begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung in Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen damit, dass die vom BF behauptete Gefahr einer möglichen Verfolgung bzw. Bedrohung in Syrien nicht glaubhaft war und der BF daher im gesamten Verfahren keine konkrete oder drohende Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen glaubhaft machen konnte.
4. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde ein lediglich mangelhaftes Ermittlungsverfahren zum Fluchtgrund durchgeführt hätte. Der BF befürchte sowohl vom syrischen Regime als auch von den Kurden zum Militär eingezogen zu werden, dort werde er zu schwersten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gezwungen. Sowohl seitens der Regierung als auch seitens der Kurden würde ihm eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt, welche sich gegenüber der Regierung durch die Asylantragstellung im Ausland und seiner Familie (Brüder und Söhne), welche sich dem Wehrdienst entzogen hätten, manifestiere. Dem BF sei aus den genannten Gründen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde ein lediglich mangelhaftes Ermittlungsverfahren zum Fluchtgrund durchgeführt hätte. Der BF befürchte sowohl vom syrischen Regime als auch von den Kurden zum Militär eingezogen zu werden, dort werde er zu schwersten Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gezwungen. Sowohl seitens der Regierung als auch seitens der Kurden würde ihm eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt, welche sich gegenüber der Regierung durch die Asylantragstellung im Ausland und seiner Familie (Brüder und Söhne), welche sich dem Wehrdienst entzogen hätten, manifestiere. Dem BF sei aus den genannten Gründen der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.
5. Die Beschwerde samt dem dazugehörigen Verwaltungsakt langte am 15.03.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Am 30.04.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache mit dem BF und dessen nunmehrigen Rechtsvertreter (Vollmacht vom 22.04.2024) eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei der der BF ausführlich zu seinen persönlichen und familiären Umständen und Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, hatte aber bereits bei Vorlage des Aktes die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF:
Der BF ist Staatsangehöriger Syriens, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist sunnitischer Moslem. Der BF spricht Arabisch.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Der BF stammt aus der Stadt XXXX (auch XXXX ), etwa 18 km südlich der Stadt Manbij im Norden Syriens, in der Provinz Aleppo. Der BF stammt aus der Stadt römisch XXXX (auch römisch XXXX ), etwa 18 km südlich der Stadt Manbij im Norden Syriens, in der Provinz Aleppo.
Dort hat er nach nur rudimentärer Schuldbildung als Gelegenheitsarbeiter in der Landwirtschaft und im Bauwesen gearbeitet, wobei er für seine Arbeit teilweise auch nach Damaskus oder ins Ausland nach Jordanien gependelt ist. Von 2001 bis 2003 hat er den Militärdienst bei der Einheit 127, Kanonen, in der Nähe von Damaskus (Sednaya) als einfacher Rekrut abgeleistet.
Im Jahr 2014 ist er nach Jordanien gezogen, wo er bis 2020 mit seiner Frau und seinen Kindern in einem Flüchtlingscamp gelebt hat. Im Jahr 2020 ist er in den Nordirak ausgereist und von dort weiter in die Türkei gegangen, von wo er dann nach ca. zwei Jahren im Oktober 2022 Richtung Österreich ausgereist ist.
Der BF ist seit 2002 mit seiner Ehefrau XXXX , verheiratet und hat mit ihr 7 Kinder ( XXXX ). Er hat seine Ehefrau im Jahr 2004 geheiratet, die Ehe wurde im Jahr 2006 registriert. Der BF ist seit 2002 mit seiner Ehefrau römisch XXXX , verheiratet und hat mit ihr 7 Kinder ( römisch XXXX ). Er hat seine Ehefrau im Jahr 2004 geheiratet, die Ehe wurde im Jahr 2006 registriert.
Weiters hat der BF 6 Brüder und 3 Schwestern. Seine Mutter lebt mit seinen Geschwistern in Großbritannien. Eine seiner Schwestern lebt noch in Syrien.
Der BF hat sowohl zu seinen Verwandten in Großbritannien als auch zu seiner Ehefrau und seinen Kindern im Flüchtlingscamp in Jordanien über das Internet Kontakt.
Im Oktober 2002 reiste der BF schlepperunterstützt von der Türkei Richtung EU und stellte am 01.11.2022 in Österreich den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigter und ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF verließ im Jahr 2014 sein Heimatland aufgrund der Bürgerkriegssituation in Syrien.
Festgestellt wird, dass die Stadt XXXX im Norden Syriens, etwa 18 km südlich der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo derzeit unter der Kontrolle der kurdischen SDF steht. Vom Jahr 2014, zum Ausreisezeitpunkt des BF, bis zur Machtübernahme der Kurden im Jahr 2016 stand der Heimatort des BF unter Kontrolle des Islamischen Staates (IS). Festgestellt wird, dass die Stadt römisch XXXX im Norden Syriens, etwa 18 km südlich der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo derzeit unter der Kontrolle der kurdischen SDF steht. Vom Jahr 2014, zum Ausreisezeitpunkt des BF, bis zur Machtübernahme der Kurden im Jahr 2016 stand der Heimatort des BF unter Kontrolle des Islamischen Staates (IS).
Bei der Erstbefragung am 01.11.2022 gab der BF als Fluchtgrund die drohende Einziehung zum Reservedienst und seine Ausbildung in der Luftabwehr an.
In seiner Einvernahme vor dem BFA am 27.10.2023 gab er sodann an, dass er Syrien wegen des IS in seiner Heimatregion verlassen habe. Außerdem habe er seinem Bruder Geld für die Flucht vor dem Wehrdienst bringen wollen und sei dabei für drei Monate verhaftet worden. Weiters sei er zum Reservedienst für die syrische Armee gesucht.
In der mündlichen Verhandlung gab er zudem an, dass ihm als Familienangehöriger seines Bruders und Onkels, welche als Oppositionelle gelten würden und wegen der Teilnahme an Demonstrationen sowohl in Syrien als auch in Österreich bei der Regierung bekannt seien, auch deswegen Verfolgung drohe.
Dem BF droht in seiner Herkunftsregion, der Stadt XXXX im Norden Syriens, etwa 18 km südlich der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo keine asylrelevante Verfolgung seitens der syrischen Regierung oder anderen Gruppierungen.Dem BF droht in seiner Herkunftsregion, der Stadt römisch XXXX im Norden Syriens, etwa 18 km südlich der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo keine asylrelevante Verfolgung seitens der syrischen Regierung oder anderen Gruppierungen.
Der BF wurde nicht in den Reservedienst der syrischen Armee einberufen, weder im Jahr 2016 noch zu einem anderen Zeitpunkt. Er war zu keinem Zeitpunkt in Syrien einem Rekrutierungsversuch ausgesetzt und wird nicht von der syrischen Regierung gesucht.
Er hat den verpflichtenden Militärdienst in Syrien von 2001 bis 2003 abgeleistet und wurde als einfacher Rekrut aus dem Militärdienst entlassen. Er hat von 2001 bis 2003 den Militärdienst bei der Einheit 127, Kanonen, in der Nähe von Damaskus abgeleistet, wo er gelernt hat, mit Waffen umzugehen. Der BF erhielt jedoch keine militärische Spezialausbildung, erreichte keinen besonderen Dienstgrad und übte keinen Beruf aus, in dem er für einen Militäreinsatz relevante Qualifikationen erwarb. Er hat an keinen Kampfhandlungen oder Militäroperationen teilgenommen.
Er ist nach Ableistung seines Militärdienstes von 2001 bis 2003 nicht noch einmal von der syrischen Armee einberufen worden und würde ihm auch bei einer Rückkehr nach XXXX keine Einberufung drohen, da er mit bereits 42 Jahren an der oberen Altersgrenze liegt und mangels spezieller militärischer Fähigkeiten nicht mehr für die Armee interessant ist.Er ist nach Ableistung seines Militärdienstes von 2001 bis 2003 nicht noch einmal von der syrischen Armee einberufen worden und würde ihm auch bei einer Rückkehr nach römisch XXXX keine Einberufung drohen, da er mit bereits 42 Jahren an der oberen Altersgrenze liegt und mangels spezieller militärischer Fähigkeiten nicht mehr für die Armee interessant ist.
Der BF war in Syrien nicht politisch aktiv und ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung. Der BF ist auch nicht als Regimekritiker bei den syrischen Behörden bekannt und wird auch deswegen nicht von ihnen gesucht. Er gab zudem bei seinen Einvernahmen bei der Polizei und dem BFA niemals an, dass er oder seine Familienmitglieder politisch tätig gewesen wären. Die diesbezüglichen Ausführungen hinsichtlich des desertierten Bruders und eines Cousins, der die Revolution unterstützt habe, weshalb die ganze Familie des BF in Gefahr sei, sind nicht glaubhaft (vgl. 2.3.) Der BF war in Syrien nicht politisch aktiv und ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung. Der BF ist auch nicht als Regimekritiker bei den syrischen Behörden bekannt und wird auch deswegen nicht von ihnen gesucht. Er gab zudem bei seinen Einvernahmen bei der Polizei und dem BFA niemals an, dass er oder seine Familienmitglieder politisch tätig gewesen wären. Die diesbezüglichen Ausführungen hinsichtlich des desertierten Bruders und eines Cousins, der die Revolution unterstützt habe, weshalb die ganze Familie des BF in Gefahr sei, sind nicht glaubhaft vergleiche 2.3.)
Die Angaben zur Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen in Syrien und Österreich im Zuge des Beschwerdeverfahrens sind ebensowenig geeignet, darzulegen, dass der BF dadurch derart oppositionell in Erscheinung getretenen ist, als dass er deshalb ins Visier des syrischen Regimes geraten war oder würde (vgl. 2.3.).Die Angaben zur Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen in Syrien und Österreich im Zuge des Beschwerdeverfahrens sind ebensowenig geeignet, darzulegen, dass der BF dadurch derart oppositionell in Erscheinung getretenen ist, als dass er deshalb ins Visier des syrischen Regimes geraten war oder würde vergleiche 2.3.).
Überdies konnte nicht festgestellt werden, dass sein Name den syrischen Behörden auf andere Weise zugetragen wurde. Es gab in Syrien keinen konkreten Versuch oder Vorfall einer Festnahme oder einer Entführung des BF. Er selbst war nie Zielperson einer Festnahme bzw. wurde auch nicht Zeuge einer solche. Das diesbezügliche Vorbringen über eine 3-monatige Verhaftung in Latakia im Zuge einer Geldübergabe zur Desertion seines Bruders aus dem Wehrdienst ist nicht glaubhaft (vgl. 2.3.). Überdies konnte nicht festgestellt werden, dass sein Name den syrischen Behörden auf andere Weise zugetragen wurde. Es gab in Syrien keinen konkreten Versuch oder Vorfall einer Festnahme oder einer Entführung des BF. Er selbst war nie Zielperson einer Festnahme bzw. wurde auch nicht Zeuge einer solche. Das diesbezügliche Vorbringen über eine 3-monatige Verhaftung in Latakia im Zuge einer Geldübergabe zur Desertion seines Bruders aus dem Wehrdienst ist nicht glaubhaft vergleiche 2.3.).
Der BF war in Syrien zu keinem Zeitpunkt einem Rekrutierungsversuch – weder seitens der Regierung, noch seitens anderer Kriegsparteien, insbesondere des IS oder kurdischer Kräfte – ausgesetzt.
Der BF ist auch nicht als Kritiker der kurdischen Kräfte bei den Kurden bekannt und wird auch von diesen nicht gesucht.
Der BF wird bzw. wurde nicht durch den IS, die kurdischen Machthaber oder dem syrischen Regime konkret verfolgt oder bedroht. Dass er von anderen Konfliktparteien verfolgt oder bedroht werden würde, hat der BF zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht und war auch sonst nicht aus den Einvernahmen oder vor dem Hintergrund der Länderberichte ersichtlich.
Dem BF wurde kein Einberufungsbefehl für den Reservedienst der syrischen Armee zugestellt. Die diesbezüglichen Ausführungen des BF, wonach ihm aufgrund von Informationen des Bürgermeisters und eines beauftragten Anwalts bekannt sei, dass er gesucht werde, sind nicht glaubhaft. Der dazu vorgelegte Ausdruck hat nur geringen Beweiswert (vgl. 3.2.).Dem BF wurde kein Einberufungsbefehl für den Reservedienst der syrischen Armee zugestellt. Die diesbezüglichen Ausführungen des BF, wonach ihm aufgrund von Informationen des Bürgermeisters und eines beauftragten Anwalts bekannt sei, dass er gesucht werde, sind nicht glaubhaft. Der dazu vorgelegte Ausdruck hat nur geringen Beweiswert vergleiche 3.2.).
Er ist in seinem Herkunftsort, der Stadt XXXX im Norden Syriens, etwa 18 km südlich der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo nicht der Gefahr ausgesetzt, zum Reservedienst in der syrischen Armee einberufen zu werden. Das syrische Regime hat keinen Zugriff auf den von der kurdischen SDF kontrollierten Herkunftsort des BF.Er ist in seinem Herkunftsort, der Stadt römisch XXXX im Norden Syriens, etwa 18 km südlich der Stadt Manbij, in der Provinz Aleppo nicht der Gefahr ausgesetzt, zum Reservedienst in der syrischen Armee einberufen zu werden. Das syrische Regime hat keinen Zugriff auf den von der kurdischen SDF kontrollierten Herkunftsort des BF.
Der BF ist bislang auch nicht der in den Gebieten der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES, auch unter dem kurdischen Namen Rojava bekannt) bestehenden „Selbstverteidigungspflicht“, die für Männer zwischen 18 und 24 Jahren vorgesehen ist, nachgekommen, und unterliegt dieser nicht mehr, weil er nunmehr im 43. Lebensjahr steht.
Dem BF droht in seiner Herkunftsregion keine asylrelevante Verfolgung seitens der syrischen Regierung oder der Kurden. Er hat bis zu seiner Ausreise im Jahr 2014 (da war er 32 Jahre) in seinem Heimatort gelebt, ohne von den Kurden (die damals dort auch noch nicht an der Macht waren) oder der syrischen Armee einberufen zu werden und würde ihm auch bei einer Rückkehr dorthin keine Einberufung drohen. Er befindet sich mit nunmehr 42 Jahren zwar noch knapp im wehrdienstfähigen Alter für die Regierungsarmee (18-42), jedoch zieht die syrische Armee keine Personen aus den von den Kurden kontrollierten Gebieten (selbst in ihren dort kontrollierten wenigen Enklaven) ein, weil sie diese für illoyal hält und rekrutiert auch nicht in den von den kurdischen Behörden kontrollierten Autonomiegebieten (siehe in Folge die Länderfeststellungen unter 1.3., insbesondere die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation SYRIEN, Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung, vom 14.10.2022: „Die Syrische Regierung kann die allgemeine Wehrpflicht in Gebieten, welche nicht unter ihrer Kontrolle stehen nicht umsetzen. In Gebieten unter Kontrolle der Autonomos Administration of North an East Syria – AANES ist sie eingeschränkt in der Lage zu rekrutieren. Die syrische Regierung hat in diesen Gebieten zwar Zugriff, führt aber dennoch keine Rekrutierungen durch.“)
Dem BF ist es im Falle einer Einreise über den nicht vom syrischen Regime kontrollierten irakisch-syrischen Grenzübergang zwischen der Stadt Faysh Khabur im Irak und dem Ort Semalka im Distrikt Malikiya in Syrien (Grenzübergang Fishkhabour/Semalka), möglich, in seine Heimatregion bzw. Heimatort zurückzukehren, ohne mit dem syrischen Regime in Kontakt zu kommen. Dem BF drohen daher weder beim Grenzübertritt in seinen Herkunftsstaat, noch bei der Weiterreise in seine Heimatregion mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgungshandlungen seitens syrischer Behörden.
Der BF stammt aus einem Gebiet unter der Kontrolle der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES, auch unter dem kurdischen Namen Rojava bekannt). Das „Wehrpflichtgesetz der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien‘“ sieht in der maßgeblichen Fassung vor, dass Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben ihren Dienst zur Selbstverteidigung absolvieren müssen. Araber wurden ursprünglich nicht zur „Selbstverteidigungspflicht“ eingezogen, was sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert hat (vgl LIB 1.3.1.) Das Gesetz legt fest, dass die Geburtsjahrgänge der Selbstverteidigungspflichtigen durch ein Dekret des Verteidigungsamtes in den Selbstverwaltungen und Zivilverwaltungen festgelegt werden.Der BF stammt aus einem Gebiet unter der Kontrolle der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES, auch unter dem kurdischen Namen Rojava bekannt). Das „Wehrpflichtgesetz der Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien‘“ sieht in der maßgeblichen Fassung vor, dass Männer, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben ihren Dienst zur Selbstverteidigung absolvieren müssen. Araber wurden ursprünglich nicht zur „Selbstverteidigungspflicht“ eingezogen, was sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert hat vergleiche LIB 1.3.1.) Das Gesetz legt fest, dass die Geburtsjahrgänge der Selbstverteidigungspflichtigen durch ein Dekret des Verteidigungsamtes in den Selbstverwaltungen und Zivilverwaltungen festgelegt werden.
Der BF unterliegt mit 42 Jahren nicht mehr der kurdischen Selbstverteidigungspflicht. Er wurde von der SDF auch nie nicht für den Dienst im Militär einberufen, gesucht oder sonst als Kämpfer angeworben und wurden auch keine sonstigen Rekrutierungshandlungen gesetzt. Außerdem hat der BF seinen Heimatort im Jahr 2014, zu einem Zeitpunkt verlassen, als der IS und noch nicht die Kurden in seinem Heimatort an der Macht waren. Konkrete Rekrutierungs- oder Bedrohungsszenarien seitens des IS wurden vom BF nicht behauptet und sind auch sonst nicht ersichtlich geworden.
Der BF hat weder vor seiner Ausreise aus Syrien noch während seines Aufenthalts in Österreich eine oppositionelle Einstellung in einer Art und Weise zum Ausdruck gebracht, dass er dadurch derart in das Visier des syrischen Regimes geraten sein könnte, dass ihm eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht. Er hat in Syrien keine Straftaten begangen und wurde nie verhaftet.
Es besteht auch keine reale Gefahr, dass der BF im Falle seiner Rückkehr nach Syrien alleine wegen seiner illegalen Ausreise oder dem Umstand, dass er seit dem Jahr 2014 in Jordanien gelebt hat, einer Verfolgung unterworfen sein wird, weil ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt würde.
Ebensowenig konnten konkret auf seine Familienmitglieder abgezielte Verfolgungshandlungen bzw. ein behaupteter Bekanntheitsgrad seiner Familie festgestellt werden, der ihn zum Ziel einer individuellen Verfolgung in Syrien machen würde.
Dem BF droht bei einer Rückkehr keine Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass er in Österreich einen Asylantrag stellte und Rückkehrer ist.
Der BF wird weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung noch aus anderen Gründen in asylrelevanter Intensität verfolgt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in SYRIEN und der Heimatregion der bP
1.3.1. Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation SYRIEN, (COI-CMS) https://staatendokumentation.at bzw https://ecoi.net, ergibt sich wie folgt (Auszug Version 10, 27.03.2024 – abgefragt am 02.05.2024):
1. Sicherheitslage
Nordost-Syrien (Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria - AANES) und das Gebiet der SNA (Syrian National Army)
Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vgl. AA 2.2.2024).Besonders volatil stellt sich laut Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amt die Lage im Nordosten Syriens (v. a. Gebiete unmittelbar um und östlich des Euphrats) dar. Als Reaktion auf einen, von der Türkei der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) zugeschriebenen, Terroranschlag mit mehreren Toten in Istanbul startete das türkische Militär am 19.11.2022 eine mit Artillerie unterstützte Luftoperation gegen kurdische Ziele u. a. in Nordsyrien. Bereits zuvor war es immer wieder zu vereinzelten, teils schweren Auseinandersetzungen zwischen türkischen und Türkei-nahen Einheiten und Einheiten der kurdisch dominierten SDF (Syrian Democratic Forces) sowie Truppen des Regimes gekommen, welche in Abstimmung mit den SDF nach Nordsyrien verlegt wurden. Als Folge dieser Auseinandersetzungen, insbesondere auch von seit Sommer 2022 zunehmenden türkischen Drohnenschlägen, wurden immer wieder auch zivile Todesopfer, darunter Kinder, vermeldet (AA 29.3.2023). Auch waren die SDF gezwungen, ihren Truppeneinsatz angesichts türkischer Luftschläge und einer potenziellen Bodenoffensive umzustrukturieren. Durch türkische Angriffe auf die zivile Infrastruktur sind auch Bemühungen um die humanitäre Lage gefährdet (Newlines 7.3.2023). Die Angriffe beschränkten sich bereits im 3. Quartal 2022 nicht mehr nur auf die Frontlinien, wo die überwiegende Mehrheit der Zusammenstöße und Beschussereignisse stattfanden; im Juli und August 2022 trafen türkische Drohnen Ziele in den wichtigsten von den SDF kontrollierten städtischen Zentren und töteten Gegner (und Zivilisten) in Manbij, Kobanê, Tell Abyad, Raqqa, Qamishli, Tell Tamer und Hassakah (CC 3.11.2022). Bereits im Mai 2022 hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdo?an eine vierte türkische Invasion seit 2016 angekündigt (HRW 12.1.2023). Anfang Oktober 2023 begannen die türkischen Streitkräfte wieder mit der Intensivierung ihrer Luftangriffe auf kurdische Ziele in Syrien, nachdem in Ankara ein Bombenanschlag durch zwei Angreifer aus Syrien verübt worden war (REU 4.10.2023). Die Luftangriffe, die in den Provinzen Hasakah, Raqqa und Aleppo durchgeführt wurden, trafen für die Versorgung von Millionen von Menschen wichtige Wasser- und Elektrizitätsinfrastruktur (HRW 26.10.2023; vergleiche AA 2.2.2024).
Die Türkei unterstellt sowohl den Streitkräften der Volksverteidigungseinheiten (YPG) als auch der Democratic Union Party (PYD) Nähe zur von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und bezeichnet diese daher ebenfalls als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 29.11.2021). [...]
Der Rückzug der USA aus den Gebieten östlich des Euphrat im Oktober 2019 ermöglichte es der Türkei, sich in das Gebiet auszudehnen und ihre Grenze tiefer in Syrien zu verlegen, um eine Pufferzone gegen die SDF zu schaffen (CMEC 2.10.2020) [Anm.: Siehe hierzu Unterkapitel türkische Militäroperationen in Nordsyrien im Kapitel Sicherheitslage]. Aufgrund der türkischen Vorstöße sahen sich die SDF dazu gezwungen, mehrere tausend syrische Regierungstruppen aufzufordern, in dem Gebiet Stellung zu beziehen, um die Türkei abzuschrecken, und den Kampf auf eine zwischenstaatliche Ebene zu verlagern (ICG 18.11.2021). Regimekräfte sind seither in allen größeren Städten in Nordostsyrien präsent (AA 29.11.2021). Die Türkei stützte sich bei ihrer Militäroffensive im Oktober 2019 auch auf Rebellengruppen, die in der 'Syrian National Army' (SNA) zusammengefasst sind; seitens dieser Gruppen kam es zu gewaltsamen Übergriffen, insbesondere auf die kurdische Zivilbevölkerung sowie Christen und Jesiden (Ermordungen, Plünderungen und Vertreibungen). Aufgrund des Einmarsches wuchs die Zahl der intern vertriebenen Menschen im Nordosten auf über eine halbe Million an (ÖB Damaskus 1.10.2021). [...]
Entgegen früheren Ankündigungen bleiben die USA weiterhin militärisch präsent (ÖB Damaskus 1.10.2021; vgl. AA 29.11.2021; JsF 9.9.2022). Am 4.9.2022 errichteten die US-Truppen einen neuen Militärstützpunkt im Dorf Naqara im Nordosten Syriens, der zu den drei Standorten der US-geführten internationalen Koalition in der Region Qamishli gehört. Der neue Militärstützpunkt kann dazu beitragen, die verstärkten Aktivitäten Russlands und Irans in der Region zu überwachen; insbesondere überblickt er direkt den von den russischen Streitkräften betriebenen Luftwaffenstützpunkt am Flughafen Qamishli. Er ist nur wenige Kilometer von den iranischen Militärstandorten südlich der Stadt entfernt (JsF 9.9.2022). Hinzukamen wiederholte Luft- bzw. Drohnenangriffe zwischen den in Nordost-Syrien stationierten US-Truppen und Iran-nahen Milizen (AA 2.2.2024). Entgegen früheren Ankündigungen bleiben die USA weiterhin militärisch präsent (ÖB Damaskus 1.10.2021; vergleiche AA 29.11.2021; JsF 9.9.2022). Am 4.9.2022 errichteten die US-Truppen einen neuen Militärstützpunkt im Dorf Naqara im Nordosten Syriens, der zu den drei Standorten der US-geführten internationalen Koalition in der Region Qamishli gehört. Der neue Militärstützpunkt kann dazu beitragen, die verstärkten Aktivitäten Russlands und Irans in der Region zu überwachen; insbesondere überblickt er direkt den von den russischen Streitkräften betriebenen Luftwaffenstützpunkt am Flughafen Qamishli. Er ist nur wenige Kilometer von den iranischen Militärstandorten südlich der Stadt entfernt (JsF 9.9.2022). Hinzukamen wiederholte Luft- bzw. Drohnenangriffe zwischen den in Nordost-Syrien stationierten US-Truppen und Iran-nahen Milizen (AA 2.2.2024).
SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen (AN 17.10.2021). Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022). Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS (PBS 22.2.2022), und die Region gilt als "Hauptschauplatz für den Aufstand des IS" (ICG 11.10.2019; vgl. EUAA 9.2022).SDF, YPG und YPJ [Anm.: Frauenverteidigungseinheiten] sind nicht nur mit türkischen Streitkräften und verschiedenen islamistischen Extremistengruppen in der Region zusammengestoßen, sondern gelegentlich auch mit kurdischen bewaffneten Gruppen, den Streitkräften des Assad-Regimes, Rebellen der Freien Syrischen Armee und anderen Gruppierungen (AN 17.10.2021). Die kurdisch kontrollierten Gebiete im Nordosten Syriens umfassen auch den größten Teil des Gebiets, das zuvor unter der Kontrolle des IS in Syrien stand (ICG 11.10.2019; vergleiche EUAA 9.2022). Raqqa war de facto die Hauptstadt des IS (PBS 22.2.2022), und die Region gilt als "Hauptschauplatz für den Aufstand des IS" (ICG 11.10.2019; vergleiche EUAA 9.2022).
Die kurdischen YPG stellen einen wesentlichen Teil der Kämpfer und v. a. der Führungsebene der SDF, welche in Kooperation mit der internationalen Anti-IS-Koalition militärisch gegen die Terrororganisation IS in Syrien vorgehen (AA 29.11.2021). In Reaktion auf die Reorganisation der Truppen zur Verstärkung der Front gegen die Türkei stellten die SDF vorübergehend ihre Operationen und andere Sicherheitsmaßnahmen gegen den Islamischen Staat ein. Dies weckte Befürchtungen bezüglich einer Stärkung des IS in Nordost-Syrien (Newlines 7.3.2023). Die SDF hatten mit Unterstützung US-amerikanischer Koalitionskräfte allein seit Ende 2021 mehrere Sicherheitsoperationen durchgeführt, in denen nach eigenen Angaben Hunderte mutmaßliche IS-Angehörige verhaftet und einzelne Führungskader getötet wurden (AA 2.2.2024).
Der IS führt weiterhin militärische Operationen in der AANES durch. Die SDF reagieren auf die Angriffe mit routinemäßigen Sicherheitskampagnen, unterstützt durch die Internationale Koalition. Bisher konnten diese die Aktivitäten des IS und seiner affiliierten Zellen nicht einschränken. SOHR dokumentierte von Anfang 2023 bis September 2023 121 Operationen durch den IS, wie bewaffnete Angriffe und Explosionen, in den Gebieten der AANES. Dabei kamen 78 Personen zu Tode, darunter 17 ZivilistInnen und 56 Mitglieder der SDF (SOHR 24.9.2023).
Mit dem Angriff auf die Sina’a-Haftanstalt in Hassakah in Nordostsyrien im Januar 2022 und den daran anschließenden mehrtägigen Kampfhandlungen mit insgesamt ca. 470 Todesopfern (IS-Angehörige, SDF-Kämpfer, Zivilisten) demonstrierte der IS propagandawirksam die Fähigkeit, mit entsprechendem Vorlauf praktisch überall im Land auch komplexe Operationen durchführen zu können (AA 29.3.2023). Bei den meisten Gefangenen handelte es sich um prominente IS-Anführer (AM 26.1.2022). Unter den insgesamt rund 5.000 Insassen des überfüllten Gefängnisses befanden sich nach Angaben von Angehörigen jedoch auch Personen, die aufgrund von fadenscheinigen Gründen festgenommen worden waren, nachdem sie sich der Zwangsrekrutierung durch die SDF widersetzt hatten, was die SDF jedoch bestritten (AJ 26.1.2022). Die Gefechte dauerten zehn Tage, und amerikanische wie britische Kräfte kämpften aufseiten der SDF (HRW 12.1.2023). US-Angaben zufolge war der Kampf die größte Konfrontation zwischen den US-amerikanischen Streitkräften und dem IS, seit die Gruppe 2019 das (vorübergehend) letzte Stück des von ihr kontrollierten Gebiets in Syrien verloren hatte (NYT 25.1.2022). Vielen Häftlingen gelang die Flucht, während sich andere im Gefängnis verbarrikadierten und Geiseln nahmen (ANI 26.1.2022). Nach Angaben der Vereinten Nationen mussten schätzungsweise 45.000 Einwohner von Hassakah aufgrund der Kämpfe aus ihren Häusern fliehen, und die SDF riegelte große Teile der Stadt ab (MEE 25.1.2022; vgl. NYT 25.1.2022, EUAA 9.2022). Während der Kampfhandlungen erfolgten auch andernorts in Nordost-Syrien Angriffe des IS (TWP 24.2.2022). Die geflohenen Bewohner durften danach zurückkehren (MPF 8.2.2022), wobei Unterkünfte von mehr als 140 Familien scheinbar von den SDF während der Militäraktionen zerstört worden waren. Mit Berichtszeitpunkt Jänner 2023 waren Human Rights Watch keine Wiederaufpläne, Ersatzunterkünfte oder Kompensationen für die zerstörten Gebäude bekannt (HRW 12.1.2023).Mit dem Angriff auf die Sina’a-Haftanstalt in Hassakah in Nordostsyrien im Januar 2022 und den daran anschließenden mehrtägigen Kampfhandlungen mit insgesamt ca. 470 Todesopfern (IS-Angehörige, SDF-Kämpfer, Zivilisten) demonstrierte der IS propagandawirksam die Fähigkeit, mit entsprechendem Vorlauf praktisch überall im Land auch komplexe Operationen durchführen zu können (AA 29.3.2023). Bei den meisten Gefangenen handelte es sich um prominente IS-Anführer (AM 26.1.2022). Unter den insgesamt rund 5.000 Insassen des überfüllten Gefängnisses befanden sich nach Angaben von Angehörigen jedoch auch Personen, die aufgrund von fadenscheinigen Gründen festgenommen worden waren, nachdem sie sich der Zwangsrekrutierung durch die SDF widersetzt hatten, was die SDF jedoch bestritten (AJ 26.1.2022). Die Gefechte dauerten zehn Tage, und amerikanische wie britische Kräfte kämpften aufseiten der SDF (HRW 12.1.2023). US-Angaben zufolge war der Kampf die größte Konfrontation zwischen den US-amerikanischen Streitkräften und dem IS, seit die Gruppe 2019 das (vorübergehend) letzte Stück des von ihr kontrollierten Gebiets in Syrien verloren hatte (NYT 25.1.2022). Vielen Häftlingen gelang die Flucht, während sich andere im Gefängnis verbarrikadierten und Geiseln nahmen (ANI 26.1.2022). Nach Angaben der Vereinten Nationen mussten schätzungsweise 45.000 Einwohner von Hassakah aufgrund der Kämpfe aus ihren Häusern fliehen, und die SDF riegelte große Teile der Stadt ab (MEE 25.1.2022; vergleiche NYT 25.1.2022, EUAA 9.2022). Während der Kampfhandlungen erfolgten auch andernorts in Nordost-Syrien Angriffe des IS (TWP 24.2.2022). Die geflohenen Bewohner durften danach zurückkehren (MPF 8.2.2022), wobei Unterkünfte von mehr als 140 Familien scheinbar von den SDF während der Militäraktionen zerstört worden waren. Mit Berichtszeitpunkt Jänner 2023 waren Human Rights Watch keine Wiederaufpläne, Ersatzunterkünfte oder Kompensationen für die zerstörten Gebäude bekannt (HRW 12.1.2023).
Während vorhergehende IS-Angriffe von kurdischen Quellen als unkoordiniert eingestuft wurden, erfolgte die Aktion in Hassakah durch drei bestens koordinierte IS-Zellen. Die Tendenz geht demnach Richtung seltenerer, aber größerer und komplexerer Angriffe, während dezentralisierte Zellen häufige, kleinere Attacken durchführen. Der IS nutzt dabei besonders die große Not der in Lagern lebenden Binnenvertriebenen im Nordosten Syriens aus, z. B. durch die Bezahlung kleiner Beträge für Unterstützungsdienste. Der IS ermordete auch einige Personen, welche mit der Lokalverwaltung zusammenarbeiteten (TWP 24.2.2022). Das Ausüben von koordinierten und ausgeklügelten Anschlägen in Syrien und im Irak wird von einem Vertreter einer US-basierten Forschungsorganisation als Indiz dafür gesehen, dass die vermeintlich verstreuten Schläferzellen des IS wieder zu einer ernsthaften Bedrohung werden (NYT 25.1.2022). Trotz der laufenden Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung hat der IS im Nordosten Syriens an Stärke gewonnen und seine Aktivitäten im Gebiet der SDF intensiviert. Am 28.9.2022 gaben die SDF bekannt, dass sie eines der größten Waffenverstecke des IS seit Anfang 2019 erobert haben. Sowohl die Größe des Fundes als auch sein Standort sind ein Beleg für die wachsende Bedrohung, die der IS im Nordosten Syriens darstellt (TWI 12.10.2022). Bei einem weiteren koordinierten Angriff des IS auf das Quartier der kurdischen de facto-Polizeikräfte (ISF/Asayish) sowie auf ein nahegelegenes Gefängnis für IS-Insassen in Raqqa Stadt kamen am 26.12.2022 nach kurdischen Angaben sechs Sicherheitskräfte und ein Angreifer ums Leben (AA 29.3.2023). Laut dem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom Juli 2022 sind einige der Mitgliedstaaten der Meinung, dass der IS seine Ausbildungsaktivitäten, die zuvor eingeschränkt worden waren, insbesondere in der Wüste Badiya wieder aufgenommen habe (EUAA 9.2022). Im Jahr 2023 haben die Aktivitäten von Schläferzellen des IS vor allem in der östlichen Wüste zugenommen (CFR 13.2.2024). [...]
Die kurdischen Sicherheitskräfte kontrollieren weiterhin knapp 30 Lager mit 11.000 internierten IS-Kämpfern (davon 500 aus Europa) sowie die Lager mit Familienangehörigen; der Großteil davon in al-Hol (ÖB Damaskus 1.10.2021). Nach einigen Rückführungen und Repatriierungen beläuft sich die Gesamtzahl der Menschen in al-Hol nun auf etwa 53.000, von denen etwa 11.000 ausländische Staatsangehörige sind (MSF 7.11.2022b), auch aus Österreich (ÖB Damaskus 1.10.2021). Das Ziel des IS ist es, diese zu befreien, aber auch seinen Anhängern zu zeigen, dass man dazu in der Lage ist, diese Personen herauszuholen (Zenith 11.2.2022). Das Lager war einst dazu gedacht, Zivilisten, die durch den Konflikt in Syrien und im Irak vertrieben wurden, eine sichere, vorübergehende Unterkunft und humanitäre Dienstleistungen zu bieten. Der Zweck von al-Hol hat sich jedoch längst gewandelt, und das Lager ist zunehmend zu einem unsicheren und unhygienischen Freiluftgefängnis geworden, nachdem die Menschen im Dezember 2018 aus den vom IS kontrollierten Gebieten dorthin gebracht wurden (MSF 7.11.2022b). 65 Prozent der Bewohner von al-Hol sind Kinder, 52 Prozent davon im Alter von unter zwölf Jahren (MSF 19.2.2024), die täglicher Gewalt und Kriminalität ausgesetzt sind (STC 5.5.2022; vgl. MSF 7.11.2022a). Das Camp ist zusätzlich zu einem Refugium für den IS geworden, um Mitglieder zu rekrutieren (NBC News 6.10.2022). Am 22.11.2022 schlugen türkische Raketen in der Nähe des Lagers ein. Das Chaos, das zu den schwierigen humanitären Bedingungen im Lager hinzukommt, hat zu einem Klima geführt, das die Indoktrination durch den IS begünstigt. Die SDF sahen sich zudem gezwungen, ihre Kräfte zur Bewachung der IS-Gefangenenlager abzuziehen, um auf die türkische Bedrohung zu reagieren (AO 3.12.2022).Die kurdischen Sicherheitskräfte kontrollieren weiterhin knapp 30 Lager mit 11.000 internierten IS-Kämpfern (davon 500 aus Europa) sowie die Lager mit Familienangehörigen; der Großteil davon in al-Hol (ÖB Damaskus 1.10.2021). Nach einigen Rückführungen und Repatriierungen beläuft sich die Gesamtzahl der Menschen in al-Hol nun auf etwa 53.000, von denen etwa 11.000 ausländische Staatsangehörige sind (MSF 7.11.2022b), auch aus Österreich (ÖB Damaskus 1.10.2021). Das Ziel des IS ist es, diese zu befreien, aber auch seinen Anhängern zu zeigen, dass man dazu in der Lage ist, diese Personen herauszuholen (Zenith 11.2.2022). Das Lager war einst dazu gedacht, Zivilisten, die durch den Konflikt in Syrien und im Irak vertrieben wurden, eine sichere, vorübergehende Unterkunft und humanitäre Dienstleistungen zu bieten. Der Zweck von al-Hol hat sich jedoch längst gewandelt, und das Lager ist zunehmend zu einem unsicheren und unhygienischen Freiluftgefängnis geworden, nachdem die Menschen im Dezember 2018 aus den vom IS kontrollierten Gebieten dorthin gebracht wurden (MSF 7.11.2022b). 65 Prozent der Bewohner von al-Hol sind Kinder, 52 Prozent davon im Alter von unter zwölf Jahren (MSF 19.2.2024), die täglicher Gewalt und Kriminalität ausgesetzt sind (STC 5.5.2022; vergleiche MSF 7.11.2022a). Das Camp ist zusätzlich zu einem Refugium für den IS geworden, um Mitglieder zu rekrutieren (NBC News 6.10.2022). Am 22.11.2022 schlugen türkische Raketen in der Nähe des Lagers ein. Das Chaos, das zu den schwierigen humanitären Bedingungen im Lager hinzukommt, hat zu einem Klima geführt, das die Indoktrination durch den IS begünstigt. Die SDF sahen sich zudem gezwungen, ihre Kräfte zur Bewachung der IS-Gefangenenlager abzuziehen, um auf die türkische Bedrohung zu reagieren (AO 3.12.2022).
Türkische Angriffe und eine Finanzkrise destabilisieren den Nordosten Syriens (Zenith 11.2.2022). Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien befindet sich heute in einer zunehmend prekären politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage (TWI 15.3.2022). Wie in anderen Bereichen üben die dominanten Politiker der YPG, der mit ihr verbündeten Organisationen im Sicherheitsbereich sowie einflussreiche Geschäftsleute Einfluss auf die Wirtschaft aus, was verbreiteten Schmuggel zwischen den Kontrollgebieten in Syrien und in den Irak ermöglicht (Brookings 27.1.2023). Angesichts der sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen im Nordosten Syriens haben die SDF zunehmend drakonische Maßnahmen ergriffen, um gegen abweichende Meinungen im Land vorzugehen und Proteste zum Schweigen zu bringen, da ihre Autorität von allen Seiten bedroht wird (Etana 30.6.2022). Nach den Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 kam es in verschiedenen Teilen des Gebiets zu Protesten, unter anderem gegen den niedrigen Lebensstandard und die Wehrpflicht der SDF (al-Sharq 27.8.2021) sowie gegen steigende Treibstoffpreise (AM 30.5.2021). In arabisch besiedelten Gebieten im Gouvernement Hassakah und Manbij (Gouvernement Aleppo) starben Menschen, nachdem Asayish [Anm: Sicherheitskräfte der kurdischen Autonomieregion] in die Proteste eingriffen (al-Sharq 27.8.2021; vgl. AM 30.5.2021). Die Türkei verschärft die wirtschaftliche Lage in AANES absichtlich, indem sie den Wasserfluss nach Syrien einschränkt (KF 5.2022). Obwohl es keine weitverbreiteten Rufe nach einer Rückkehr des Assad-Regimes gibt, verlieren einige Einwohner das Vertrauen, dass die kurdisch geführte AANES für Sicherheit und Stabilität sorgen kann (TWI 15.3.2022). Türkische Angriffe und eine Finanzkrise destabilisieren den Nordosten Syriens (Zenith 11.2.2022). Die Autonome Verwaltung von Nord- und Ostsyrien befindet sich heute in einer zunehmend prekären politischen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Lage (TWI 15.3.2022). Wie in anderen Bereichen üben die dominanten Politiker der YPG, der mit ihr verbündeten Organisationen im Sicherheitsbereich sowie einflussreiche Geschäftsleute Einfluss auf die Wirtschaft aus, was verbreiteten Schmuggel zwischen den Kontrollgebieten in Syrien und in den Irak ermöglicht (Brookings 27.1.2023). Angesichts der sich rapide verschlechternden wirtschaftlichen Bedingungen im Nordosten Syriens haben die SDF zunehmend drakonische Maßnahmen ergriffen, um gegen abweichende Meinungen im Land vorzugehen und Proteste zum Schweigen zu bringen, da ihre Autorität von allen Seiten bedroht wird (Etana 30.6.2022). Nach den Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 kam es in verschiedenen Teilen des Gebiets zu Protesten, unter anderem gegen den niedrigen Lebensstandard und die Wehrpflicht der SDF (al-Sharq 27.8.2021) sowie gegen steigende Treibstoffpreise (AM 30.5.2021). In arabisch besiedelten Gebieten im Gouvernement Hassakah und Manbij (Gouvernement Aleppo) starben Menschen, nachdem Asayish [Anm: Sicherheitskräfte der kurdischen Autonomieregion] in die Proteste eingriffen (al-Sharq 27.8.2021; vergleiche AM 30.5.2021). Die Türkei verschärft die wirtschaftliche Lage in AANES absichtlich, indem sie den Wasserfluss nach Syrien einschränkt (KF 5.2022). Obwohl es keine weitverbreiteten Rufe nach einer Rückkehr des Assad-Regimes gibt, verlieren einige Einwohner das Vertrauen, dass die kurdisch geführte AANES für Sicherheit und Stabilität sorgen kann (TWI 15.3.2022).
Im August 2023 brachen gewaltsame Konflikte zwischen den kurdisch geführten SDF und arabischen Stämmen in Deir ez-Zor aus (AJ 30.8.2023), in dessen Verlauf es den Aufständischen gelungen war, zeitweise die Kontrolle über Ortschaften entlang des Euphrat zu erlangen. UNOCHA dokumentierte 96 Todesfälle und über 100 Verwundete infolge der Kampfhandlungen, schätzungsweise 6.500 Familien seien durch die Gewalt vertrieben worden. Nach Rückerlangung der Gebietskontrolle durch die SDF kam es auch in den folgenden Wochen zu sporadischen Attentaten auf SDF sowie zu vereinzelten Kampfhandlungen mit Stammeskräften (AA 2.2.2024).
2. Rechtsschutz / Justizwesen
Nordost-Syrien
In Gebieten unter Kontrolle der sogenannten „Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien“ übernimmt diese quasi-staatliche Aufgaben wie Verwaltung und Personenstandswesen (AA 2.2.2024). Es wurde eine von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) geführte Verwaltung geschaffen, die neben diesen Rechtsinstitutionen auch eine eigene Polizei, Gefängnisse und Ministerien umfasst (AI 12.7.2017). Das Justizsystem in den kurdisch kontrollierten Gebieten besteht aus Gerichten, Rechtskomitees und Ermittlungsbehörden (USDOS 20.3.2023). Juristen, welche unter diesem Justizsystem agieren, werden von der syrischen Regierung beschuldigt, eine illegale Justiz geschaffen zu haben. Richter und Justizmitarbeiter sehen sich mit Haftbefehlen der syrischen Regierung konfrontiert, verfügen über keine Pässe und sind häufig Morddrohungen ausgesetzt (JS 28.10.2019).
In den Gebieten unter der Kontrolle der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (engl. Abk.: AANES) - auch kurd. "Rojava" genannt, setzten die Behörden einen Rechtskodex basierend auf einem "Gesellschaftsvertrag" ("social contract") durch. Dieser besteht aus einer Mischung aus syrischem Straf- und Zivilrecht und Gesetzen, die sich in Bezug auf Scheidung, Eheschließung, Waffenbesitz und Steuerhinterziehung an EU-Recht orientieren. Allerdings fehlen gewisse europäische Standards für faire Verfahren, wie das Verbot willkürlicher Festnahmen, das Recht auf gerichtliche Überprüfung und das Recht auf einen Anwalt (USDOS 20.3.2023). Zudem mangelt es an der Durchsetzung der Rechte für einen fairen Prozess (NMFA 6.2021).
Leute, die im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren gesucht werden, erhalten keine Vorladung, sondern werden einfach verhaftet. In Pressekonferenzen der Asayish werden nur Verhaftungen von Verdächtigen in Strafverfahren vermeldet - nicht die Verhaftungen von Personen, welche wegen ihrer Meinungsäußerungen festgenommen oder die entführt wurden (NMFA 6.2021). Die SDF (Syrian Democratic Forces) führen willkürliche Verhaftungen von ZivilistInnen, einschließlich JournalistInnen durch (HRW 11.1.2024).
Verfahren gegen politische Gefangene werden in der Regel vor Strafgerichten oder vor einem Gericht für Terrorismusbekämpfung verhandelt. In Strafgerichten können Inhaftierte einen Anwalt beauftragen, in Gerichten für Terrorismusbekämpfung geht dies laut International Center for Transitional Justice (ICTJ) nicht und auch eine Berufung ist nicht möglich. Die meisten Inhaftierten werden nicht vor Gericht gestellt, sondern entweder freigelassen - oft unter Bedingungen, die mit Stammesführern ausgehandelt wurden - oder die Betroffenen verschwinden unter Gewaltanwendung (NMFA 6.2021).
Im März 2021 einigten sich Repräsentanten von kurdischen, jesidischen, arabischen und assyrischen Stämmen im Nordosten Syriens auf die Einrichtung eines Stammesgerichtssystems, bekannt als "Madbata", für die Klärung von intertribalen Streitigkeiten, Raubüberfällen, Rache und Plünderungen in der Jazira-Region in der Provinz Hassakah. Es besteht aus einer Reihe von Gesetzen und Bräuchen, die als Verfassung dienen, welche die Stammesbeziehungen regeln und die Anwendung dieser Gesetze überwachen, auf die sich eine Gruppe von Stammesältesten geeinigt hat. Aufgrund von schlechten Sicherheitsbedingungen und dem Fehlen einer effektiven und unparteiischen Justiz wurde wieder auf dieses traditionelle Rechtssystem zurückgegriffen (AM 4.4.2021).
Umgang mit ehemaligen in- und ausländischen IS-Kämpfern, -Mitgliedern, und -Familienangehörigen
Das sogenannte Volksverteidigungsgericht (People's Defense Court) als Spezialgericht für Terrorismusstraftaten weist Verletzungen der Bedingungen für faire Gerichtsprozesse auf (NMFA 5.2022, Haaretz 8.5.2018). Zum Beispiel wird bei einer erstmaligen Anklage oft eher eine Hilfe oder Anleitung für die DeliquentInnen statt einer Strafe besc