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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AufG 1992 §2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 29. November 1994, Zl. 107.969/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 29. November 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes - AufG (i.d.F. vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) abgewiesen.
Nach der zitierten Gesetzesstelle dürften keine weiteren Bewilligungen erteilt werden, wenn die im § 2 Abs. 1 AufG und in der darauf beruhenden Verordnung festgelegte Anzahl von Bewilligungen erreicht sei. Ab diesem Zeitpunkt seien Anträge, die sich nicht auf den im § 3 AufG verankerten Rechtsanspruch stützten, abzuweisen. Für das Bundesland Wien sei in der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1994, BGBl. Nr. 72/1994, eine Höchstzahl von 4300 Bewilligungen festgesetzt worden. Diese Höchstzahl sei nunmehr erreicht.
Angesichts dieser Rechtslage sei, ohne auf das Berufungsvorbringen einzugehen, spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt unbestritten, daß die maßgebliche Höchstzahl von 4.300 Bewilligungen "nunmehr", also im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde, erreicht gewesen sei. Ausgehend von dieser Sachverhaltsfeststellung steht die mit dem angefochtenen Bescheid im Instanzenzug ausgesprochene Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers mit dem Gesetz (§ 9 Abs. 3 AufG) in Einklang.
2.1. Die Beschwerde vertritt die Ansicht, daß es eine dem Gesetz entsprechende Bescheidbegründung erforderlich gemacht hätte, "hinsichtlich der nicht ohne weiteres zu ermittelnden Ausschöpfung der Höchstzahl genaue Angaben zu machen, weil nur dann eine Überprüfung des Bescheides durch den angerufenen Gerichtshof möglich ist". In diesem Sinn wäre es z.B. geboten gewesen, "die genaue Uhrzeit der Antragstellung bzw. des (früheren) Erreichens der Höchstzahl festzuhalten".
2.2. Diese Verfahrensrüge ist nicht berechtigt. Der Beschwerdeführer übersieht, daß sich die belangte Behörde hinsichtlich der Anzahl der bereits erteilten Bewilligungen auf das von ihr gemäß § 9 Abs. 1 AufG geführte Register stützen konnte (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 9. März 1995, Zlen. 95/18/0220, 0221, und vom 18. Mai 1995, Zl. 94/18/1174). Ein ausdrücklicher Hinweis auf diese Erkenntnisquelle in der Bescheidbegründung ist nicht erforderlich.
3.1. Die Beschwerde vermißt eine Auseinandersetzung der belangten Behörde mit der Frage, ob die Entscheidung in das Recht des Beschwerdeführers auf Privat- und Familienleben im Sinne des Abs. 8 MRK eingreife, bejahendenfalls eine Abwägung dahingehend, ob der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit derart gefährden würde, daß die im Art. 8 Abs. 2 MRK umschriebenen öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigten.
3.2. Mit diesem Einwand verkennt die Beschwerde, daß im Rahmen einer auf § 9 Abs. 3 AufG gestützten Entscheidung, sofern es sich nicht um Anträge "gemäß § 3" handelt (was vorliegend auch unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens zutrifft), vom Gesetz eine Bedachtnahme auf das Privat- und Familienleben des Fremden nicht vorgesehen ist. Dem allfälligen Schutz dieser Lebensbereiche wird durch die im Fall einer Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 FrG im Grunde des § 19 leg. cit. gebotene Abwägung Rechnung getragen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1132, m.w.N.).
4.1. Unter dem Titel inhaltlicher Rechtswidrigkeit vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, die für die Entscheidung der belangten Behörde "präjudizielle Verordnung"
BGBl. Nr. 72/1994 sei insofern gesetzwidrig, als sie das Ermessen der Behörde bei der Erteilung von Bewilligungen in rechtswidriger Weise einschränke. Die sich aus § 1 Abs. 3 dieser Verordnung ergebende Bevorzugung von Ehegatten und mj. Kindern von Personen, die gemäß § 1 Abs. 4 AufG keine Bewilligung benötigten, entbehre der gesetzlichen Deckung. Jede in der Folge auf der Grundlage dieser Verordnung ergangene Entscheidung sei rechtswidrig, "da lt. VO jeder Antrag einer wie vorstehend bezeichneten begünstigten Person dem Antrag des Beschwerdeführers vorzuziehen wäre."
4.2. Dieser Einwand ist schon deshalb nicht zielführend, weil - anders als der Beschwerdeführer meint - der besagte § 1 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 72/1994 für die hier bekämpfte Entscheidung nicht präjudiziell ist: Weder war diese Bestimmung von der belangten Behörde im Beschwerdefall anzuwenden (und wurde von ihr - zutreffend - auch nicht angewendet), geht doch nicht einmal aus der Beschwerde hervor, daß der Beschwerdeführer dem in § 1 Abs. 3 der genannten Verordnung umschriebenen Personenkreis angehören würde, noch ist sie vom Verwaltungsgerichtshof bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides anzuwenden. Die vorliegend allein präjudizielle Verordnungsbestimmung ist § 1 Abs. 2, mit dem die Höchstzahl der zu erteilenden Bewilligungen für das Bundesland Wien mit 4300 festgelegt wurde. Daß aber diese Zahl im Zeitpunkt der Entscheidung durch die belangte Behörde erreicht war, wird, wie bereits erwähnt (oben II.1), vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt.
5.1. Die Beschwerde macht weiters geltend, daß die §§ 2 und 9 AufG verfassungswidrig seien. Dies deshalb, weil diese Bestimmungen "keine nähere Regelung enthalten, wann und unter welchen Voraussetzungen konkret die jeweils fixierte Höchstzahl als ausgeschöpft gilt bzw. in welcher Reihenfolge Anträge als bewilligt zu gelten haben". Die unzureichende Regelung der §§ 2 und 9 AufG werde dem durch Art. 18 Abs. 1 B-VG gebotenen Legalitätsprinzip nicht gerecht, "weil sie die Erteilung der Aufenthaltsbewilligung im Rahmen der jeweiligen Höchstzahl von Zufälligkeiten des Verwaltungsverfahrens bzw. der Antragserledigung abhängig macht". Den Behörden "(wird) damit ein mit einem gesetzlichen freien Ermessen nicht mehr vertretbarer Spielraum eingeräumt, der in Extremfällen durchaus auch zu nur schwer durchschaubaren Manipulationen mißbraucht werden könnte". Die Ermöglichung einer derart unkontrollierten bzw. letztlich willkürlichen Vorgangsweise sei überdies mit Art. 6 MRK und dem BVG betreffend das Verbot rassischer Diskriminierung (BGBl. Nr. 390/1973) nicht vereinbar. § 2 AufG widerspreche schließlich auch dem Art. 8 MRK, weil durch die "Höchstzahlregelung" der Behörde die Berücksichtigung des Rechtes des Fremden auf sein Privat- und Familienleben verfassungswidrig abgeschnitten werde.
5.2. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diesen Bedenken nicht beizupflichten. Was die Bedachtnahme auf einen relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Fremden anlangt, so wird auf das dazu unter II. 3.2. Gesagte verwiesen. Was indes das übrige die Verfassungswidrigkeit der §§ 2 und 9 AufG behauptende Vorbringen betrifft, so ist die dafür gegebene Begründung, nämlich die der Behörde eröffnete Manipulations- und Mißbrauchsmöglichkeit, nicht geeignet, die im AufG enthaltene Quotenregelung als verfassungswidrig darzutun. Denn der Umstand, daß eine mißbräuchliche Handhabung dieser - im Gegensatz zur Beschwerdemeinung kein Ermessen einräumenden - Regelung durch die Behörde nicht ausgeschlossen werden kann - die Beschwerde selbst spricht von "Extremfällen" -, macht die Regelung an sich nicht verfassungswidrig. Bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise sind nicht Extremfälle heranzuziehen und ist nicht von (nie ganz auszuschließender) rechtswidriger, allenfalls willkürlicher Vorgangsweise der Vollziehung, sondern im Gegenteil vom Regelfall und von einem gesetzliche Regelungen nicht mißbräuchlich handhabenden Verhalten der Behörden auszugehen.
6. Im Hinblick auf die Ausführungen unter II. 4.2. und 5.2. sieht sich der Verwaltungsgerichtshof nicht veranlaßt, der Anregung des Beschwerdeführers folgend, beim Verfassungsgerichtshof die Prüfung des § 1 Abs. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 72/1994 und der §§ 2 und 9 des AufG auf seine Gesetzmäßigkeit bzw. ihre Verfassungsmäßigkeit zu beantragen.
7. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995181052.X00Im RIS seit
12.06.2001