Entscheidungsdatum
06.06.2024Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W191 2286982-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2024, Zahl 1326526409/223052649, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2024, Zahl 1326526409/223052649, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005, § 9 BFA-Verfahrensgesetz sowie §§ 46, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.Die Beschwerde wird gemäß Paragraphen 3,, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005, Paragraph 9, BFA-Verfahrensgesetz sowie Paragraphen 46,, 52 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger, reiste irregulär in Österreich ein und stellte am 29.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger, reiste irregulär in Österreich ein und stellte am 29.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.2. Der BF wurde am 29.09.2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, im Beisein eines geeigneten Dolmetsch, erstbefragt und gab an, dass er aus Ludhiana, Bundesstaat Punjab (Indien), stamme. Sein Vater und seine Geschwister würden noch dort leben, wie auch seine Ehegattin und sein Sohn.
Er sei am 13.09.2022 aus Indien mit dem Flugzeug ausgereist und nach Serbien geflogen. Weiter über angegebene Länder, sei er am 29.09.2022 in Österreich angekommen.
Als Fluchtgrund gab der BF folgendes an: „In Indien habe ich keine Arbeit [,] und mein Leben ist in Gefahr, ich war Mitglied einer Partei (Kongress I) und werde daher politisch verfolgt.“ Als Fluchtgrund gab der BF folgendes an: „In Indien habe ich keine Arbeit [,] und mein Leben ist in Gefahr, ich war Mitglied einer Partei (Kongress römisch eins) und werde daher politisch verfolgt.“
1.3. Der BF wurde am 18.07.2023 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi, einvernommen. Dabei bestätigte der BF die Richtigkeit seiner bisher gemachten Angaben. Er gehöre der Volksgruppe der Bazigar und der Religionsgemeinschaft des Hinduismus an.
Weiters gab er an, dass er bereits zum zweiten Mal in Österreich aufhältig sei. Nachdem er am 29.09.2022 das erste Mal angekommen sei, sei er sodann wieder ausgereist und in Italien, Portugal und Frankreich auf Jobsuche gewesen. Im Mai 2023 sei er dann wieder nach Österreich gekommen. Seinen Reisepass hätte er an den Schlepper abgegeben.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er gemeinsam mit seiner Familie Autoersatzteile verkauft habe. Es sei ihnen finanziell gut gegangen und sie hätten ein MLA (Member of the Legislative Assembly) unterstützt, dann ein anderes. Dieses habe bei der Wahl verloren. Das obsiegende MLA habe Kontakte zur Polizei. Der BF sei in der Folge wegen des Verkaufs von gestohlenen Autoersatzteilen 20 Mal angezeigt worden. Weiters habe ihn ein hochrangiger Polizist wegen Diebstahls von Zement und Stahl angezeigt, da sich seine Familie 200.000 INR (indische Rupien) ausgeborgt hätte. Die Summe hätte sie allerdings mit Zinsen zurückgezahlt. Er sei bereits zehn Monate in U-Haft gesessen. Auf Nachfrage, ob er selbst politisch tätig gewesen sei, gab er an, Mitglied der Kongresspartei gewesen zu sein und die Funktion des Vice Chairman innegehabt zu haben.
Weiters gab er an, dass er in Punjab aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Hindus von den Sikhs verfolgt worden sei.
1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 10.01.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 29.09.2022 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).1.4. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit Bescheid vom 10.01.2024 den Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 29.09.2022 gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG ab (Spruchpunkt römisch eins.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß Paragraph 8, Absatz eins, Ziffer eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß Paragraph 57, AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.) und gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen (Spruchpunkt römisch IV.). Es wurde gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt römisch VI.).
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat.
Der BF habe keine asylrelevanten Umstände vorgebracht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Indien. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.
Der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe das Recht des BF auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären Anknüpfungspunkten im Inland oder Integrationsmerkmalen nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Indien.
Zu seinem Fluchtvorbringen führte das BFA beweiswürdigend aus, dass das Vorbringen des BF verworren und unglaubhaft sei. Der BF sei legal aus seinem Herkunftsland ausgereist und könne keine persönliche Verfolgung oder Bedrohung anführen. Das BFA müsse davon ausgehen, dass der BF den Antrag auf internationalen Schutz zu Legalisierung seines illegalen Aufenthalts in Österreich gestellt habe.
1.5. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 06.02.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen unrichtiger Feststellungen, „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ und unrichtiger rechtlicher Beurteilung ein.
In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass der BF wegen konkreter Vorfälle, die er in der Einvernahme näher dargestellt hätte, ungerechtfertigten und willkürlichen Vorwürfen gegen ihn seitens der indischen Behörden und schwerwiegenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre, wogegen er sich aufgrund der Korruption und Inkompetenz der indischen Polizei nicht wehren hätte können. Zudem verfüge der BF in seiner Heimat über kein Auffangnetz mehr, das ihm eine Rückkehr ermöglichen könne. Er sei aus seiner Heimat entwurzelt und im Falle einer Rückkehr wäre davon auszugehen, dass er in eine ausweglose Lage geraten würde und damit eine Verletzung der durch Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde. In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen zusammengefasst vorgebracht, dass der BF wegen konkreter Vorfälle, die er in der Einvernahme näher dargestellt hätte, ungerechtfertigten und willkürlichen Vorwürfen gegen ihn seitens der indischen Behörden und schwerwiegenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen wäre, wogegen er sich aufgrund der Korruption und Inkompetenz der indischen Polizei nicht wehren hätte können. Zudem verfüge der BF in seiner Heimat über kein Auffangnetz mehr, das ihm eine Rückkehr ermöglichen könne. Er sei aus seiner Heimat entwurzelt und im Falle einer Rückkehr wäre davon auszugehen, dass er in eine ausweglose Lage geraten würde und damit eine Verletzung der durch Artikel 2 und 3 EMRK geschützten Rechte vorliegen würde.
Auch bemühe sich der BF intensiv um eine Anpassung an das Leben in Österreich, habe die deutsche Sprache erlernt, intensive soziale Kontakte geknüpft – ohne dies näher auszuführen oder zu konkretisieren –, sei unbescholten und durchaus selbsterhaltungsfähig.
Beantragt wurde unter anderem, der Beschwerde „aufschiebende Wirkung zu gewähren“ und eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.
2. Beweisaufnahme:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
• Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 29.09.2022 und der Einvernahme vor dem BFA am 18.07.2023, den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde
• Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Indien)
Der BF hat keinerlei Beweismittel oder sonstige Belege für sein Fluchtvorbringen oder seine angegebene Identität vorgelegt.
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:
3.1. Zur Person des BF:
Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist indischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe Bazigar an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Hindu. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Er stammt aus dem Dorf XXXX , Distrikt Ludhiana, Bundesstaat Punjab, in Indien. Der BF beherrscht Punjabi als Muttersprache sowie Hindi.Der BF führt den Namen römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , ist indischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe Bazigar an und bekennt sich zur Glaubensgemeinschaft der Hindu. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Er stammt aus dem Dorf römisch XXXX , Distrikt Ludhiana, Bundesstaat Punjab, in Indien. Der BF beherrscht Punjabi als Muttersprache sowie Hindi.
Der BF hat acht Jahre lang die Schule besucht und war danach gemeinsam mit seinem Vater selbständig tätig. Sein Vater, seine Geschwister, seine Ehegattin und sein Sohn sowie andere Verwandte leben in Indien.
3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:
Der BF hat sein Vorbringen, dass er aufgrund seiner Unterstützung eines MLA, seiner Mitgliedschaft in der indischen Kongresspartei sowie seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Hindus in seinem Heimatland Indien verfolgt werde oder in Gefahr sei, nicht glaubhaft gemacht.
3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:
Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass er im Falle seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat einer aufrechten Verfolgung ausgesetzt wäre.
Der BF kann in seinen Herkunftsstaat Indien zurückkehren.
Da der BF – er ist im erwerbsfähigen Alter, männlich und arbeitsfähig und verfügt über Schulbildung und Berufserfahrung – in Indien ein Fortkommen hat, ist es ihm auch zumutbar, einer allfälligen Verfolgung durch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw Schutzalternative zu entgehen. Etwaige Gründe, warum ihm eine Niederlassung in einem anderen Teil Indiens nicht möglich wäre, hat der BF nicht vorgebracht.
3.4. Zur Integration des BF in Österreich:
Der BF ist seit spätestens September 2022, und dann wieder mit Unterbrechung seit Mai 2023, in Österreich aufhältig. Ihm steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechts zu, und er hatte niemals ein anderes als das vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber in Österreich.
Der BF verfügt über keine familiären oder relevanten privaten Bindungen in Österreich. Auch Anhaltspunkte für die Annahme einer Integration in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht hervorgekommen.
Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.
Der BF hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich.Der BF hat keine hinsichtlich Artikel 8, EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich.
3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation des BFA zu Indien (Schreibfehler teilweise korrigiert, Stand 17.05.2023):
„[...] 3. Politische Lage
Letzte Änderung: 17.05.2023
Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen (AA 22.09.2021; vgl. CIA 01.09.2022) und einer multireligiösen sowie multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt. Trotz vieler, teils durchaus gravierender, Defizite im Menschenrechtsbereich ist die Stabilität Indiens als rechtsstaatliche Demokratie mit weitgehenden individuellen Freiheitsrechten - besonders im regionalen Vergleich - nicht gefährdet (AA 22.09.2021). Seit fast sieben Jahrzehnten finden freie und faire Wahlen statt (BS 23.02.2022; vgl. FH 24.02.2022). Das Parteiensystem ist relativ stabil und gesellschaftlich verwurzelt, wobei allerdings informelle Verfahren, Fraktionszwang und Klientelismus vorherrschen (BS 23.02.2022).Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen (AA 22.09.2021; vergleiche CIA 01.09.2022) und einer multireligiösen sowie multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt. Trotz vieler, teils durchaus gravierender, Defizite im Menschenrechtsbereich ist die Stabilität Indiens als rechtsstaatliche Demokratie mit weitgehenden individuellen Freiheitsrechten - besonders im regionalen Vergleich - nicht gefährdet (AA 22.09.2021). Seit fast sieben Jahrzehnten finden freie und faire Wahlen statt (BS 23.02.2022; vergleiche FH 24.02.2022). Das Parteiensystem ist relativ stabil und gesellschaftlich verwurzelt, wobei allerdings informelle Verfahren, Fraktionszwang und Klientelismus vorherrschen (BS 23.02.2022).
Indien ist eine Mehrparteiendemokratie. Die Wahlen und Auswahlverfahren der Exekutive werden im Allgemeinen als frei und fair angesehen. Die Exekutivgewalt liegt bei einem Premierminister, in der Regel dem Vorsitzenden der Mehrheitspartei in der Lok Sabha (Volkskammer), und einem Kabinett von Ministern, die vom Premierminister ernannt werden. Sie werden vom Präsidenten ernannt und sind der Lok Sabha verantwortlich. Narendra Modi wurde nach dem Sieg der BJP bei den Lok-Sabha-Wahlen 2019 für eine zweite Amtszeit als Premierminister vereidigt (FH 2023; vgl. USDOS 20.03.2023). Der Präsident, der eine weitgehend symbolische Rolle spielt, wird von den Gesetzgebern der Bundesstaaten und des Landes für eine fünfjährige Amtszeit gewählt (FH 2023). Er ist das Staatsoberhaupt, und der Premierminister fungiert als Regierungschef (USDOS 12.04.2022). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Weiters umfassen seine legislativen Befugnisse u. a. die Auflösung oder Einberufung des Parlaments. Zu seinen exekutiven Befugnissen gehört die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird; zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee, wenngleich der Premierminister über die exekutive Gewalt verfügt (KAS 7.2022). Seit Ende Juli 2022 hat den Posten des Präsidenten erstmals eine indigene Frau inne: Droupadi Murmu, die der Santal-Gemeinschaft (einer der ältesten und größten indigenen Gruppen Indiens) angehört (KAS 7.2022; vgl. E+E 27.07.2022).Indien ist eine Mehrparteiendemokratie. Die Wahlen und Auswahlverfahren der Exekutive werden im Allgemeinen als frei und fair angesehen. Die Exekutivgewalt liegt bei einem Premierminister, in der Regel dem Vorsitzenden der Mehrheitspartei in der Lok Sabha (Volkskammer), und einem Kabinett von Ministern, die vom Premierminister ernannt werden. Sie werden vom Präsidenten ernannt und sind der Lok Sabha verantwortlich. Narendra Modi wurde nach dem Sieg der BJP bei den Lok-Sabha-Wahlen 2019 für eine zweite Amtszeit als Premierminister vereidigt (FH 2023; vergleiche USDOS 20.03.2023). Der Präsident, der eine weitgehend symbolische Rolle spielt, wird von den Gesetzgebern der Bundesstaaten und des Landes für eine fünfjährige Amtszeit gewählt (FH 2023). Er ist das Staatsoberhaupt, und der Premierminister fungiert als Regierungschef (USDOS 12.04.2022). Neben seiner allgemeinen repräsentativen Funktion entscheidet der Präsident, welche Partei am besten in der Lage ist, eine Regierung zu bilden. Weiters umfassen seine legislativen Befugnisse u. a. die Auflösung oder Einberufung des Parlaments. Zu seinen exekutiven Befugnissen gehört die Ernennung des Obersten Richters Indiens aus einer Liste, die ihm vom Obersten Gerichtshof übermittelt wird; zudem fungiert der indische Präsident auch als Oberbefehlshaber der Armee, wenngleich der Premierminister über die exekutive Gewalt verfügt (KAS 7.2022). Seit Ende Juli 2022 hat den Posten des Präsidenten erstmals eine indigene Frau inne: Droupadi Murmu, die der Santal-Gemeinschaft (einer der ältesten und größten indigenen Gruppen Indiens) angehört (KAS 7.2022; vergleiche E+E 27.07.2022).
Als Premierminister wird normalerweise der Spitzenkandidat der stärksten Parteien bzw. der Mehrheitsfraktion in der Lok Sabha, dem indischen Unterhaus, berufen. Er wird formal vom Unterhaus für fünf Jahre gewählt und kann ebenfalls wiedergewählt werden. Der Premierminister und der Ministerrat führen die Regierungsgeschäfte. Aufgrund der dynastischen Traditionen werden wichtige Entscheidungen oft vom Premierminister und seinen Beraterstäben ohne Abstimmung und Rücksprache mit den jeweiligen Ministerien getroffen (BPB 07.04.2014).
Bei den Parlamentswahlen 2019 erzielte das von der amtierenden Bharatiya Janata Party (BJP, „Indische Volkspartei“) angeführte Bündnis einen weiteren Sieg gegen den Indischen Nationalkongress (INC) und seine oppositionellen Verbündeten (BBC 23.05.2019; vgl. KAS 4.2022). Die BJP gewann 37,76% der Stimmen und 55,8% der Sitze im Parlament. Hingegen errang die INC 19,7% der Stimmen und 9,7% der Parlamentssitze (IV o. D.; vgl. PILS 10.11.2020).Bei den Parlamentswahlen 2019 erzielte das von der amtierenden Bharatiya Janata Party (BJP, „Indische Volkspartei“) angeführte Bündnis einen weiteren Sieg gegen den Indischen Nationalkongress (INC) und seine oppositionellen Verbündeten (BBC 23.05.2019; vergleiche KAS 4.2022). Die BJP gewann 37,76% der Stimmen und 55,8% der Sitze im Parlament. Hingegen errang die INC 19,7% der Stimmen und 9,7% der Parlamentssitze (römisch IV o. D.; vergleiche PILS 10.11.2020).
Es gibt eine Vielzahl von Regionalparteien, die in einzelnen Bundesstaaten allein oder in Koalitionen die Landesregierungen bilden, aber auch auf nationaler Ebene zunehmend von politischer Bedeutung sind (AA 22.09.2021). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Die Hauptstadt Neu Delhi verfügt über einen besonderen Rechtsstatus (AA 25.02.2022). Die horizontale Gewaltenteilung ist in der Verfassung durch ein System der gegenseitigen Kontrolle („Check and Balances“), das weitgehend umgesetzt wird, gewährleistet (BS 23.02.2022).
Im Einklang mit der Verfassung haben die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien (INDI 5.2022; vgl. NPI o. D.) ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 12.04.2022). Hinsichtlich der Staatlichkeit weist das Gewaltmonopol des Staates auf seinem Territorium geringe Probleme auf. Die große Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert den indischen Nationalstaat als legitim. Die Legitimität des Nationalstaates wird jedoch in abgelegenen Gebieten, in denen der Staat und seine Institutionen praktisch nicht vorhanden sind, die von kleinen ethnischen Gruppen und Stämmen bewohnt werden und die auch durch die Präsenz von Rebellenorganisationen gekennzeichnet sind, in Frage gestellt (BS 23.02.2022).Im Einklang mit der Verfassung haben die 28 Bundesstaaten und acht Unionsterritorien (INDI 5.2022; vergleiche NPI o. D.) ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 12.04.2022). Hinsichtlich der Staatlichkeit weist das Gewaltmonopol des Staates auf seinem Territorium geringe Probleme auf. Die große Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert den indischen Nationalstaat als legitim. Die Legitimität des Nationalstaates wird jedoch in abgelegenen Gebieten, in denen der Staat und seine Institutionen praktisch nicht vorhanden sind, die von kleinen ethnischen Gruppen und Stämmen bewohnt werden und die auch durch die Präsenz von Rebellenorganisationen gekennzeichnet sind, in Frage gestellt (BS 23.02.2022).
Die von der Bharatiya Janata Party (BJP) geführte Regierung setzte ihre systematische Diskriminierung und Stigmatisierung von religiösen und anderen Minderheiten, insbesondere von Muslimen, fort. BJP-Anhänger verübten zunehmend gewalttätige Angriffe gegen bestimmte Gruppen. Die hinduistische Mehrheitsideologie der Regierung spiegelte sich in der Voreingenommenheit der Institutionen, einschließlich der Justiz und der Verfassungsorgane wie der Nationalen Menschenrechtskommission, wider (HRW 12.01.2023).
Aktivisten und Minderheitengruppen zufolge wandelt sich Indien allmählich von einer säkularen multikulturellen Nation zu einem hinduistisch geprägten Staat. Unter der seit 2014 amtierenden Regierung von Premierminister Narendra Modi ist demnach der säkulare Charakter des Landes ins Hintertreffen geraten (DW 14.08.2022). Die Hindutva-Ideologie, von der sich die regierende BJP leiten lässt, befürwortet die Vorherrschaft der Hindus und sieht die Errichtung eines „HinduStaates“ (einer „Hindu Rashtra“) vor, wobei Nicht-Hindus nicht alle Rechte eingeräumt werden, die den Hindus zukommen (HBS 12.07.2022). Die BJP gehört zu einem Netzwerk von Organisationen, in dessen Zentrum die radikal hindunationalistische Kaderorganisation „Rashtriya Swayamsevak Sangh“ (RSS) steht, die ursprünglich von den italienischen Faschisten in den Zwanzigerjahren inspiriert wurde (E+E 03.03.2022; vgl. HBS 12.07.2022).Aktivisten und Minderheitengruppen zufolge wandelt sich Indien allmählich von einer säkularen multikulturellen Nation zu einem hinduistisch geprägten Staat. Unter der seit 2014 amtierenden Regierung von Premierminister Narendra Modi ist demnach der säkulare Charakter des Landes ins Hintertreffen geraten (DW 14.08.2022). Die Hindutva-Ideologie, von der sich die regierende BJP leiten lässt, befürwortet die Vorherrschaft der Hindus und sieht die Errichtung eines „HinduStaates“ (einer „Hindu Rashtra“) vor, wobei Nicht-Hindus nicht alle Rechte eingeräumt werden, die den Hindus zukommen (HBS 12.07.2022). Die BJP gehört zu einem Netzwerk von Organisationen, in dessen Zentrum die radikal hindunationalistische Kaderorganisation „Rashtriya Swayamsevak Sangh“ (RSS) steht, die ursprünglich von den italienischen Faschisten in den Zwanzigerjahren inspiriert wurde (E+E 03.03.2022; vergleiche HBS 12.07.2022).
Außenpolitisch wird Indien derzeit vor allem vom Westen kritisch beäugt, da das Land den Krieg Russlands in der Ukraine noch nicht öffentlich verurteilt hat und sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegenüber der russischen Aggression enthielt. Eine Quelle erklärt, dass das Land eine Mittelposition einnimmt und von neuen günstigen Öllieferungen Moskaus profitiert (FAZ 21.07.2022; vgl. WW 05.03.2022). Einer anderen Quelle zufolge hat sich Indien in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt und verfolgt demnach - nachdem es sich während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profiliert hatte - heute eine pro-westliche Politik (BICC 7.2022). Nach wieder anderen Angaben betont das Land trotz der Annäherung an die USA und der zunehmenden Spannungen mit China weiterhin seine strategische Autonomie. Diese beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle im Kontext der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik. So haben Indien und China in den letzten Jahren auch immer wieder kooperiert, z. B. in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Innerhalb der Quad-Staaten (Anmerkung: Staatengruppe bestehend aus Australien, Japan, Indien und USA) hat sich Indien für ein inklusives Verständnis des Indo-Pazifiks ausgesprochen, das im Unterschied zu den Vorstellungen der USA bislang immer die Einbeziehung Chinas beinhaltete (SWP 7.2020). [...]Außenpolitisch wird Indien derzeit vor allem vom Westen kritisch beäugt, da das Land den Krieg Russlands in der Ukraine noch nicht öffentlich verurteilt hat und sich im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gegenüber der russischen Aggression enthielt. Eine Quelle erklärt, dass das Land eine Mittelposition einnimmt und von neuen günstigen Öllieferungen Moskaus profitiert (FAZ 21.07.2022; vergleiche WW 05.03.2022). Einer anderen Quelle zufolge hat sich Indien in den letzten Jahrzehnten zu einer regionalen Hegemonialmacht in Südostasien entwickelt und verfolgt demnach - nachdem es sich während des Kalten Krieges vor allem innerhalb der Blockfreienbewegung profiliert hatte - heute eine pro-westliche Politik (BICC 7.2022). Nach wieder anderen Angaben betont das Land trotz der Annäherung an die USA und der zunehmenden Spannungen mit China weiterhin seine strategische Autonomie. Diese beinhaltet auch den Anspruch auf eine eigenständige Rolle im Kontext der geopolitischen Spannungen zwischen China und den USA im Indo-Pazifik. So haben Indien und China in den letzten Jahren auch immer wieder kooperiert, z. B. in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. Innerhalb der Quad-Staaten (Anmerkung: Staatengruppe bestehend aus Australien, Japan, Indien und USA) hat sich Indien für ein inklusives Verständnis des Indo-Pazifiks ausgesprochen, das im Unterschied zu den Vorstellungen der USA bislang immer die Einbeziehung Chinas beinhaltete (SWP 7.2020). [...]
4. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 17.05.2023
Die Sicherheitslage in Indien wird vor allem durch drei wesentliche Konflikte geprägt: der Konflikt in Jammu und Kaschmir, die separatistischen Bewegungen in den nordöstlichen Bundesstaaten und der Aufstand der Naxaliten (EFSAS 12.2019). Im gesamten Land sind kleinere (BICC 7.2022), u. a. in Großstädten auch schwerere terroristische Anschläge möglich (BMEIA 11.10.2022; vgl. AA 18.10.2022, EDA 14.4.2023). Die Sicherheitslage bleibt diesbezüglich angespannt. Dies gilt insbesondere im zeitlichen Umfeld staatlicher und religiöser Feiertage sowie von Großereignissen (AA 18.10.2022). Indien unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung (Prevention of Terrorism Ordinance) verabschiedet (BICC 7.2022). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019 insgesamt 621 Todesopfer durch terroristische Gewalt, für 2020 591, für 2021 585; 2022 wurden bis zum 04.10. insgesamt 340 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP o. D.b.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in der Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 8.2021).Die Sicherheitslage in Indien wird vor allem durch drei wesentliche Konflikte geprägt: der Konflikt in Jammu und Kaschmir, die separatistischen Bewegungen in den nordöstlichen Bundesstaaten und der Aufstand der Naxaliten (EFSAS 12.2019). Im gesamten Land sind kleinere (BICC 7.2022), u. a. in Großstädten auch schwerere terroristische Anschläge möglich (BMEIA 11.10.2022; vergleiche AA 18.10.2022, EDA 14.4.2023). Die Sicherheitslage bleibt diesbezüglich angespannt. Dies gilt insbesondere im zeitlichen Umfeld staatlicher und religiöser Feiertage sowie von Großereignissen (AA 18.10.2022). Indien unterstützt die US-amerikanischen Maßnahmen gegen den internationalen Terrorismus. Intern wurde eine drakonische neue Anti-Terror-Gesetzgebung (Prevention of Terrorism Ordinance) verabschiedet (BICC 7.2022). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2019