Entscheidungsdatum
17.06.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L516 2287431-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2024, Zahl 1331664008-223463991, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb römisch XXXX , StA Pakistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.05.2024, Zahl 1331664008-223463991, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins,, Paragraph 8, Absatz eins,, Paragraph 57,, Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG 2005 in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG sowie Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2 und Absatz 9, sowie Paragraph 46 und Paragraph 55, FPG als unbegründet abgewiesen.
B) Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.B) Die ordentliche Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 31.10.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27.05.2024 (I.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG sowie (II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ (IV.) gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG, stellte (V.) gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (VI.) aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 31.10.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27.05.2024 (römisch eins.) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, AsylG sowie (römisch II.) des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß Paragraph 8, AsylG ab. Das BFA erteilte unter einem (römisch III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG, erließ (römisch IV.) gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG, stellte (römisch fünf.) gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei und sprach (römisch VI.) aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: S=Seite; AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich]
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan
Der Beschwerdeführer führt in Österreich die im Spruch angeführten Namen und sowie die ebenso dort angeführten Geburtsdaten. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der Volksgruppe der Punjabi und der Glaubensgemeinschaft der Sunniten an und spricht muttersprachlich Punjabi und Urdu. Seine Identität steht nicht fest. (NS EV 04.01.2024 S 3, 4)
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX in der pakistanischen Provinz Punjab geboren und lebte vor seiner Ausreise in XXXX im District Wazirabad in der Provinz Punjab. Er besuchte in Pakistan 12 Jahre die Schule und 3 Jahre ein College und arbeitete in Pakistan als Verkäufer in einer Bäckerei, womit er sein Leben finanzierte. Er ist ledig und hat keine Kinder. Sein Vater ist bereits verstorben, sein Bruder (38 Jahre alt) und seine drei Schwestern (45, 43 und 35 Jahre alt) leben nach wie vor mit ihren Ehepartnern in Pakistan und auch die Mutter (65 Jahre alt) lebt in Pakistan, an der Adresse, an welcher der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise gelebt hat. Ebenso leben weitere Cousins, Cousinen, Onkeln und Tanten in Pakistan. Sein Verhältnis zu seiner Familie bezeichnet der Beschwerdeführer als normal. (NS EV 04.01.2024 S 3, 4)Der Beschwerdeführer wurde in römisch XXXX in der pakistanischen Provinz Punjab geboren und lebte vor seiner Ausreise in römisch XXXX im District Wazirabad in der Provinz Punjab. Er besuchte in Pakistan 12 Jahre die Schule und 3 Jahre ein College und arbeitete in Pakistan als Verkäufer in einer Bäckerei, womit er sein Leben finanzierte. Er ist ledig und hat keine Kinder. Sein Vater ist bereits verstorben, sein Bruder (38 Jahre alt) und seine drei Schwestern (45, 43 und 35 Jahre alt) leben nach wie vor mit ihren Ehepartnern in Pakistan und auch die Mutter (65 Jahre alt) lebt in Pakistan, an der Adresse, an welcher der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise gelebt hat. Ebenso leben weitere Cousins, Cousinen, Onkeln und Tanten in Pakistan. Sein Verhältnis zu seiner Familie bezeichnet der Beschwerdeführer als normal. (NS EV 04.01.2024 S 3, 4)
Der Beschwerdeführer verließ Pakistan am 06.10.2022 legal mit einem Visum für Rumänien und reiste über Dubai, Rumänien und weiter Staaten nach Österreich, wo er am 31.10.2022 einreiste. (NS EV 04.01.2024 S6)
1.2 Zur Lebenssituation des Beschwerdeführers in Österreich
Der Beschwerdeführer reiste am 31.10.2022 unrechtmäßig in Österreich ein und stellte hier den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Seither ist er ununterbrochen im Bundesgebiet aufhältig. (IZR)
Der Beschwerdeführer bezieht seit Februar 2023 keine Leistungen aus der Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich. Er ist als Zeitungszusteller tätig und geht keiner sozialversicherungsrechtlich angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Zum Zeitpunkt der Einvernahme vor dem BFA am 04.01.2024 konnte er die deutsche Sprache nicht sprechen, nur ein bisschen verstehen.. (NS EV 04.01.2024 S 6; GVS-Auszug, GISA-Auszug und HV-Auszug [OZ 2])
Der Beschwerdeführer hat keine familiären Interessen und keine Verwandten in Österreich. Der Beschwerdeführer hat in Österreich bereits Freunde gefunden, die aus Pakistan stammen. (NS EV 04.01.2024 S 7)
Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten. (Strafregister der Republik Österreich) (OZ 2)
1.3 Zum Gesundheitszustand
Der Beschwerdeführer ist gesund und nicht in ärztlicher Behandlung. (NS EV 04.01.2024 S 2)
1.4 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz zusammengefasst im Wesentlichen Folgendes vor:
Bei der Erstbefragung am 01.11.2022 brachte der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrages vor, er habe in seiner Heimat vier Millionen Rupien Schulden. Er habe jenes Geld für sein rumänisches Arbeitsvisum benötigt. Er habe sein Land wegen der Armut verlassen. Er habe in Rumänien arbeiten wollen, um sich sein besseres Leben aufbauen zu können. Bei einer Rückkehr hätte er große Probleme wegen seiner Schulden (NS EB 01.11.2022 S 6)
Bei der Einvernahme vor dem BFA am 04.01.2024 führte der Beschwerdeführer zur Begründung seiner Ausreise aus Pakistan aus, dass er in Pakistan Probleme gehabt habe. Sein Vater habe Schulden aufgenommen und als sie die Schulden nicht mehr zurückzahlen hätten können, hätten die Geldgeber Probleme gemacht. Sie („Wir“) hätten den Geldgebern das Geld nicht zurückzahlen können und die Geldgeber hätten dann ihr Haus in Besitz genommen. Der Beschwerdeführer habe dadurch sein Studium nicht abschließen können. Der Geldgeber sei politisch mächtig und habe den Beschwerdeführer schlagen lassen. Wann ein solcher Vorfall genau gewesen sei, wisse er nicht. Es sei zu seiner Collegezeit gewesen. Er habe auch an einem anderen Ort Probleme gehabt. Jene hätten mit der Polizei herausgefunden, wo er lebe. Er habe sämtliche Gründe für seine Ausreise geschildert. Er sei in Pakistan nicht vorbestraft. (NS EV 04.01.2024 S 6 f)
Mit der Beschwerde vom 06.06.2024 wird – zusammengefasst – lediglich in allgemeiner Form vogebracht, dass der Beschwerdeführer in Pakistan Verfolgung aus religiösen bzw politische Gründen bzw wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe befürchte. Er sei wegen der von ihm in der Einvernahme näher dargestellten Gründen ungerechtfertigten, willkürlichen Vorwürfen gegen ihn seitens der pakistanischen Behörden und schwerwiegenden Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen, wogegen er sich aufgrund der Korruption und Inkompetenz der pakistanischen Behörden nicht habe wehren können. Die pakistanischen Behörden seien nicht schutzwillig und nicht schutzfähig und er habe jegliche Existenzmöglichkeit in Pakistan verloren. Aus dem Bescheid gehe keine nachvollziehbare Erklärung für die Behauptung des BFA hervor, dass die Befürchtung des Beschwerdeführers nicht asylrelevant und nicht glaubhaft sei. Die Verfolgung sei durchaus asylrelevant, nämlich aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sozialen Grupp der von mafiösen Kredithaien verfolgten Personen, die keine staatliche Unterstützung erhalten können. Der Beschwerdeführer habe genaue Zeit- und Ortsangaben gemacht und die Ereignisse chronologisch konsistent inklusive Erklärungen über sämtliche relevante Personen, sowie auch nebensächliche Detailangaben. Dem BFA sei es nicht gelungen, die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zu wiederlegen und sei dies nicht einmal versucht worden. Das BFA habe versäumt, ein mängelfreies Ermittlungsverfahren durchzuführen. (Beschwerde S 33 ff)
1.5 Zur Glaubhaftigkeit der vorgebrachten Antragsgründe und Rückkehrbefürchtung
Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm behaupteten Bedrohung und Verfolgung seiner Person in Pakistan ist nicht glaubhaft. Er hat somit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung oder Bedrohung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.
1.6 Zur Lage in Pakistan
(Quelle: Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation aus dem COI-CMS, Version 7, Stand 01.02.2024)
Sicherheitslage
Allgemeine Entwicklungen in Bezug auf Terrorismus
Pakistan konnte ab 2014 bedeutenden Erfolg in seiner Terrorbekämpfung aufweisen. Sie führten zu einer verbesserten allgemeinen Sicherheitslage, die allerdings aktuell wieder vor Herausforderungen steht (PIPS 10.1.2024).
Konstante Einsatz- und Überwachungskampagnen der Sicherheitskräfte und polizeilichen Anti-Terrorabteilungen, darunter die groß angelegten Militäroperationen Zarb-e-Azb, Khyber I-IV und Radd-ul-Fasaad sowie einige Anti-Extremismusmaßnahmen im Rahmen des Nationalen Aktionsplans, NAP, trugen zu einem kontinuierlichen Rückgang terroristischer Anschläge von 2009 bis 2020 - mit Ausnahme des Jahres 2013 - bei (PIPS 15.6.2021).
Die Operation Zarb-e-Azb 2014 war in erster Linie auf die Provinz Khyber Pakhtunkhwa und die damaligen Federal Administered Tribal Areas, FATA, ausgerichtet, um Terrorgruppen in Nord-Waziristan zu bekämpfen. Aus den meisten Gebieten konnten die militanten Extremisten vertrieben werden. Unter den Militäroperationen litt allerdings auch die Zivilbevölkerung vor Ort, eine hohe Anzahl an Personen wurde zu intern Vertriebenen. Die darauffolgende Operation Radd-ul-Fasaad involviert auch zivile Einsatzkräfte und konzentrierte sich auf geheimdienstliche Operationen im gesamten Land, um Schläferzellen und Verstecke militanter Extremisten auszuheben (EASO 10.2021)
Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vgl. PIPS 24.2.2023). Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings nur geringe Erfolge erzielt. Die Verbreitung extremistischer Literatur, extremistische Kundgebungen und die Verherrlichung von Terroristen hielten an (FES 12.2020). Ebenso zeigten sich wenige Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten (PIPS 18.2.2022).Auch wurden signifikante Maßnahmen zur Bekämpfung der Terrorfinanzierung unternommen (FES 12.2020; vergleiche PIPS 24.2.2023). Bei der Bekämpfung des Extremismus hat der NAP allerdings nur geringe Erfolge erzielt. Die Verbreitung extremistischer Literatur, extremistische Kundgebungen und die Verherrlichung von Terroristen hielten an (FES 12.2020). Ebenso zeigten sich wenige Fortschritte bei der Regulierung von Madrassen oder des Internets, um dem Extremismus entgegenzutreten (PIPS 18.2.2022).
Ab Mitte 2020 kam es zu einem Wiederaufleben jihadistischer militanter Gruppen in Gebieten wie Nord-Waziristan und Bajaur in Khyber Pakhtunkhwa (FES 12.2020). Der Regimewechsel in Afghanistan hat diese Gruppen bekräftigt. Dies wird besonders in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan sichtbar (PIPS 4.1.2022).
Trendumkehr bei den Anschlagszahlen seit 2021
Bereits das Jahr 2021 war von einem 42-prozentigen Anstieg der Zahl an Anschlägen im Vergleich zum Jahr 2020 auf 207 Terrorakte gezeichnet (PIPS 4.1.2022). Im Jahr 2022 stieg das zweite Jahr in Folge die Zahl der Anschläge, und zwar um 27 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 262 Terrorakte. Diese forderten zusammen 419 Menschenleben, ein Anstieg von 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ungefähr die Hälfte der Todesopfer 2022, 206, waren - laut Daten des Analyseinstituts Pak Institute for Peace Studies, PIPS, - Mitglieder der Sicherheitskräfte bzw. Exekutivbehörden, 152 waren Zivilisten und 61 Terroristen (PIPS 24.2.2023).
Das Jahr 2023 verzeichnete als drittes Jahr in Folge einen neuerlichen Anstieg in den Erhebungen von PIPS: um 17 Prozent in der Zahl der Anschläge auf 306; und um 65 Prozent in der Zahl der Todesopfer auf 693. Von den Todesopfern waren 330 - erneut beinahe die Hälfte - Sicherheitskräfte, 260 Zivilisten und 103 Terroristen (PIPS 10.1.2024).
Das Center for Research and Security Studies, CRSS, als Vergleichsquelle, verzeichnet in einer ersten Gesamtauswertung für das Jahr 2023 586 terroristische Anschläge mit 986 Toten (CRSS 31.12.2023). In der vertieften Auswertung für 2022 waren es 378 Anschläge mit 602 Todesopfern, davon 291 Mitglieder der Sicherheitskräfte, 297 Zivilisten und 14 Terroristen (CRSS 19.5.2023). Für das Jahr 2021 verzeichnete es 403 Terrorakte mit 555 Toten, davon 330 Zivilisten (CRSS 3.1.2022).
Eine spezifische Analyse des PIPS verdeutlicht konkret, dass im Zeitraum der 21 Monate zwischen der Machtübernahme der Taliban in Kabul vom August 2021 bis zum Stand der Auswertung im April 2023 im Vergleich zu den 21 Monaten davor eine Steigerung der Anschläge um 73 Prozent festgestellt werden kann, während die Todeszahlen eine Steigerung um 138 Prozent erfuhren. In diesem Vergleich zeigt sich allerdings auch eine starke Konzentration. Während Khyber Pakhtunkhwa einen Anstieg an Anschlägen um 92 Prozent in diesem Zeitraum erfuhr 11 und Belutschistan um 81 Prozent, gingen die Anschläge im Punjab, Islamabad und Sindh im selben Zeitraum zurück (PIPS 30.5.2023).
Regionale Konzentration der Anschläge
Seit vielen Jahren ist sichtbar, dass die terroristische Gewalt hauptsächlich auf Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa konzentriert bleibt (PIPS 4.1.2022). Regional aufgeschlüsselt betrafen im Jahr 2023 93 Prozent aller Anschläge in Pakistan diese beiden Provinzen. Wie zuvor entfiel die Mehrheit - konkret 174 der 306 landesweiten Anschläge und damit 57 Prozent auf Khyber Pakhtunkhwa. 422 der landesweit 693 Todesopfer entfielen auf die Provinz. Belutschistan verzeichnete 110 der Anschläge mit 229 Todesopfern (PIPS 10.1.2024).
Im Vorjahr, 2022, entfielen 95 Prozent aller Anschläge auf diese beiden Provinzen und hier wiederum allein 64 Prozent - beinahe zwei Drittel - auf Khyber Pakhtunkhwa mit 169 Anschlägen. Hier waren auch 294 der 419 Todesopfer des Jahres 2022 zu beklagen. Mehr noch ließ sich der Gesamtanstieg der Anschlagszahlen 2022 allein auf einen Anstieg der Anschläge um 52 Prozent in dieser Provinz zurückführen. In den übrigen Provinzen gingen 2022 die Anschläge zurück oder blieben auf gleichem Niveau. In Belutschistan, das von der zweithöchsten Zahl an Anschlägen betroffen war, wurden im Jahr 2022 79 Anschläge durchgeführt - im Vergleich zu 81 des Vorjahres. Dabei wurden 106 Menschen getötet (PIPS 24.2.2023). In der Auswertung von CRSS betrafen 303 von 378 Anschlägen im Jahr 2022 allein diese beiden Provinzen (CRSS 19.5.2023).
Im Jahr 2021 trafen 93 Prozent der gesamten von PIPS erfassten Anschläge die beiden Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan zusammengenommen, die meisten mit 111 von insgesamt 207 Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 4.1.2022).
Reaktion der Sicherheitskräfte
Auf den Anstieg der terroristischen Gewalt reagierten die Streitkräfte mit geheimdienstlichen Operationen, der Fortführung der Operation Radd-ul-Fasaad und in den Grenzregionen mit der Stationierung regulärer Armeetruppen (EASO 10.2021).
Die Sicherheitskräfte führten im Jahr 2023 129 Anti-Terror-Operationen in 31 Distrikten des Landes durch. Bei diesen starben - laut den Erhebungen von PIPS - 373 Terroristen, 50 Sicherheitskräfte und zwei Zivilisten. Zusätzlich kam es zu 24 bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Terroristen, bei denen 37 Terroristen und 18 Mitglieder der Sicherheitskräfte starben. 21 dieser Auseinandersetzungen betrafen Khyber Pakhtunkhwa. Außerdem nahmen die Sicherheitskräfte bei 87 Suchoperationen im gesamten Land 377 des Terrorismus Verdächtigte bzw. Mitglieder militanter Gruppen fest. Diese Zahl umfasst keine Personen, die nach ersten Untersuchungen wieder freigelassen wurden (PIPS 10.1.2024).
Im Vergleich wurden 2022 87 Anti-Terror-Operationen in 25 Distrikten durchgeführt. Diese forderten 327 Tote, laut Daten von PIPS 302 Terroristen, 24 Sicherheitskräfte und ein Zivilist. 57 der Sicherheitsoperationen des Jahres 2022 wurden in Khyber Pakhtunkhwa durchgeführt, 28 in Belutschistan. In 66 Suchoperationen wurden im Rahmen der Operation Radd-ul-Fasaad laut PIPS 129 des Terrorismus Verdächtigte festgenommen. Außerdem kam es zu elf bewaffneten Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Militanten/Terroristen in Khyber Pakhtunkhwa mit 25 Toten, davon 13 Terroristen und zwölf Soldaten. Für das Jahr 2021 wurden sechs derartige Zusammenstöße und 63 Anti-Terror-Operationen aufgezeichnet (PIPS 24.2.2023).
CRSS berichtet von 197 Operationen gegen Militante und Aufständische durch die Sicherheitskräfte im Jahr 2023 mit 537 Toten (CRSS 31.12.2023).
Für das Jahr 2022 zählte CRSS 128 Operationen, bei denen 368 Menschen getötet und 102 mutmaßliche Terroristen verhaftet worden sind. Die Mehrheit der Sicherheitsoperationen zeichnete CRSS in Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan auf (CRSS 19.5.2023). Für das Jahr 2021 registrierte CRSS 146 Sicherheitsoperationen (CRSS 3.1.2022).
In den letzten Jahren hat Pakistan außerdem mehrere rechtliche, administrative und operative Maßnahmen gegen Terrorfinanzierung gesetzt und 26 der 27 Bedingungen des Aktionsplanes der Financial Action Task Force, einer internationalen Organisation gegen Terrorismusfinanzierung, erfüllt (PIPS 24.2.2023).
Kommunale Gewalt aufgrund religiösen Fundamentalismus
Weiters zeigt sich, dass der religiöse Extremismus, auch abseits der Terrorgruppen, eine große Herausforderung darstellt. Zum einen ist dies in den Gewalttaten von aufgestachelten Menschenmengen, sogenannten Mobs, erkennbar [Anm. siehe dazu auch Kap. Religionsfreiheit]. Zum anderen manifestiert sich dies in den gewalttätigen Protesten der politisch-religiösen Bewegung Tehreek-e-Labbaik Pakistan, TLP. Die Gewalt der TLP erreichte 2021 einen Höhepunkt, als bei Demonstrationen in den Städten des Punjab 24 Menschen ums Leben kamen, 10 davon Polizisten, und eine Polizeistation gestürmt und besetzt wurde. Sie wurden erst beigelegt, nachdem 19 die Regierung dem Druck nachgab, den Anführer freiließ und das Verbot der Gruppe aufhob (PIPS 4.1.2022). Für 2022 zählte das Sicherheitsanalyseinstitut PIPS zwei Gewaltvorfälle auf, in denen Anhänger der TLP involviert waren und bei denen jeweils eine Person getötet wurde (PIPS 24.2.2023). 2023 war die TLP in zwei Gewaltakte durch aufgehetzte Menschenmengen gegen Minderheiten involviert (PIPS 10.1.2024).
Für das Jahr 2023 verzeichnete PIPS folgende Vorfälle kommunaler religiös-motivierter Gewaltausbrüche, also Gewalt durch religiös motiviert aufgehetzte Menschenmengen:
• Im Februar stürmte im Punjab eine aufgebrachte Menschenmenge einen Polizeiposten und tötete einen inhaftierten Blasphemiebeschuldigten (AJ 16.8.2023; vgl. PIPS 8.3.2023). Ein weiterer Mob verwüstete im Sindh eine Glaubensstätte der Ahmadi in Karatschi (PIPS 8.3.2023). • Im Februar stürmte im Punjab eine aufgebrachte Menschenmenge einen Polizeiposten und tötete einen inhaftierten Blasphemiebeschuldigten (AJ 16.8.2023; vergleiche PIPS 8.3.2023). Ein weiterer Mob verwüstete im Sindh eine Glaubensstätte der Ahmadi in Karatschi (PIPS 8.3.2023).
• Im März attackierten Anhänger einer islamistischen Partei Hindu-Studenten an einer Universität im Punjab bei einem religiösen Fest und verletzten 15 von ihnen (WION 7.3.2023; vgl. PIPS 5.4.2023). • Im März attackierten Anhänger einer islamistischen Partei Hindu-Studenten an einer Universität im Punjab bei einem religiösen Fest und verletzten 15 von ihnen (WION 7.3.2023; vergleiche PIPS 5.4.2023).
• Im Mai wurde eine Person nach angeblicher Blasphemie durch eine Menschenmenge in Khyber Pakhtunkhwa getötet (PIPS 8.6.2023).
• Im August verzeichnete PIPS zwei Mob-Vorfälle mit einem Toten (PIPS 6.9.2023): Im Punjab randalierte ein aufgebrachter Mob nach Blasphemievorwürfen in einem christlichen Viertel und setzte dabei auch Kirchen und Häuser in Brand. Die Rangers wurden herangezogen, um die Lage unter Kontrolle zu bringen (AJ 16.8.2023; vgl. Lowy Inst 21.9.2023, HRW 22.8.2023). In Belutschistan wurde eine Woche zuvor ein Lehrer nach Blasphemievorwürfen getötet (DAWN 7.8.2023; vgl. Lowy Inst 21.9.2023, AJ 16.8.2023).
• Im September randalierten in drei Vorfällen kommunaler Gewalt aufgebrachte Menschenmengen in Glaubensstätten von Christen und Ahmadis, ein christlicher Pfarrer wurde im Punjab in Folge angeschossen und verletzt (PIPS 4.10.2023). • Im August verzeichnete PIPS zwei Mob-Vorfälle mit einem Toten (PIPS 6.9.2023): Im Punjab randalierte ein aufgebrachter Mob nach Blasphemievorwürfen in einem christlichen Viertel und setzte dabei auch Kirchen und Häuser in Brand. Die Rangers wurden herangezogen, um die Lage unter Kontrolle zu bringen (AJ 16.8.2023; vergleiche Lowy Inst 21.9.2023, HRW 22.8.2023). In Belutschistan wurde eine Woche zuvor ein Lehrer nach Blasphemievorwürfen getötet (DAWN 7.8.2023; vergleiche Lowy Inst 21.9.2023, AJ 16.8.2023).
• Im September randalierten in drei Vorfällen kommunaler Gewalt aufgebrachte Menschenmengen in Glaubensstätten von Christen und Ahmadis, ein christlicher Pfarrer wurde im Punjab in Folge angeschossen und verletzt (PIPS 4.10.2023).
• Für April (PIPS 6.5.2023), Juni (PIPS 5.7.2023, Juli (PIPS 4.8.2023) und November (PIPS 7.12.2023) zeichnete PIPS keine Vorfälle von religiös motivierter Mob-Gewalt auf; für Jänner 2023 zwar einen Vorfall, allerdings ohne Tote oder Verletzte (PIPS 20.2.2023).
• Für Oktober wurde zwar kein derartiger Vorfall aufgezeichnet, allerdings kam es drei Mal im Kurram Tribal District von Khyber Pakhtunkhwa zu Zusammenstößen zwischen schiitischen und sunnitischen Stämmen, die zu 16 Todesopfern führten (PIPS 7.11.2023).
Für 2022 zeichnete PIPS acht Vorfälle kommunaler religiöser Gewalt auf, bei drei davon handelte es sich um Mobs aufgrund von Blasphemievorwürfen. Bei den Vorfällen wurden fünf Menschen getötet - drei Ahmadis und zwei der Blasphemie Beschuldigte - sowie ein Hindu-Tempel beschädigt (PIPS 24.2.2023).
Gesamtzahl sicherheitsrelevanter Gewaltvorfälle
Zusammen genommen registrierte PIPS für das Jahr 2023 498 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 1.232 Toten. Neben den bereits behandelten, waren dies u.a. jeweils zwei Vorfälle ethno-politischer Gewalt und Auseinandersetzungen unter Stämmen sowie ein Kampf unter verschiedenen militanten Gruppen (PIPS 10.1.2024).
Das Jahr 2022 schlug sich laut PIPS mit 398 Fällen sicherheitsrelevanter Gewalt mit insgesamt 832 Toten zu Buche (PIPS 24.2.2023); 2021 mit 326 sicherheitsrelevanten Vorfällen und 609 darauf resultierenden Todesopfern (PIPS 4.1.2022).
CRSS berichtet in seiner Auswertung von 1524 Toten in 789 Vorfällen sicherheitsrelevanter Gewalt im Jahr 2023. Von den Todesopfern waren demnach 479 Zivilisten, 545 Terroristen und 500 Sicherheitskräfte (CRSS 31.12.2023). Für das Jahr 2022 zeichnete es 512 Vorfälle mit 980 Toten auf (CRSS 19.5.2023).
In der quart