TE Vwgh Erkenntnis 1995/6/29 94/07/0007

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Veröffentlicht am 29.06.1995
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §68 Abs4;
B-VG Art133 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
VStG §1 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z2;
VStG §5 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
WRG 1959 §111 Abs3;
WRG 1959 §137 Abs4 liti;
WRG 1959 §138 Abs1;
WRG 1959 §39 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in K, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. August 1993, Zl. KUVS-1148/8/93, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 26. Juli 1989, Zl. 15.188/6/84-V, wurde folgender Spruch gefaßt:

"Die Bezirkshauptmannschaft als Wasserrechtsbehörde erster Instanz stellt gemäß § 39 des Wasserrechtsgesetzes 1959 i. d.g.F. fest, daß die rechtswinkelige Ableitung des von Nord nach Süd fließenden Gerinnes auf der Parzelle Nr. 29/6 KG T., wodurch der natürliche Zulauf zum S.-Teich gehindert wird, unzulässig ist und erteilt gem. § 138 Abs. 1 dem Verursacher der Ableitung, Herrn (Beschwerdeführer), den Auftrag diese konsenslose Änderung der natürlichen Abflußverhältnisse durch Beseitigung der künstlich geschaffenen Hindernisse (Kleinteich, Steckbrett, Mönch, Kanal und Einfallschacht) zu beseitigen.

Für die Beseitigung wird eine Frist von drei Monaten nach Rechtskraft des Bescheides bestimmt."

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Kärnten vom 22. Mai 1990 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 1. Juni 1990 zugestellt.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. August 1993 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, dem im Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt vom 26. Juli 1989 erteilten Auftrag, "die konsenslosen Änderungen der natürlichen Abflußverhältnisse auf der Parzelle 29/6, KG T., durch Beseitigung der künstlich geschaffenen Hindernisse (Kleinteich, Steckbrett, Mönch, Kanal und Einfallschacht) zu beseitigen", innerhalb der bescheidmäßig festgesetzten Frist nicht nachgekommen sei. Er habe dadurch gegen § 137 Abs. 4 lit. i WRG 1959 in Verbindung mit § 138 Abs. 1 leg. cit. verstoßen. Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, ein vom Amt der Wasserwirtschaft Klagenfurt am 9. Juli 1992 durchgeführter Lokalaugenschein habe ergeben, daß der Beschwerdeführer dem Auftragsbescheid der BH Klagenfurt vom 26. Juli 1989 nicht entsprochen habe. Es stehe sohin zweifelsfrei fest, daß der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung nach § 137 Abs. 4 lit. i WRG 1959 begangen habe. Eine Änderung der Rechtslage nach Erlassung des wasserpolizeilichen Auftragsbescheides sei nicht eingetreten.

Dagegen richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 29. November 1993, B 1721/93-3, nach Ablehnung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abgetretene Beschwerde. Seinem gesamten Vorbringen zufolge, erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 137 Abs. 4 lit. i WRG 1959 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist, sofern die Tat nicht nach Abs. 5 einer strengeren Strafe unterliegt, mit einer Geldstrafe bis zu S 250.000,-- zu bestrafen, wer einem ihm gemäß § 138 Abs. 1 erteilten Auftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes nicht nachkommt.

Dieser Tatbestand bedroht somit die Nichterfüllung oder die nicht fristgerechte Erfüllung von Aufträgen nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 mit Strafe. Es handelt sich hiebei um ein Ungehorsamsdelikt und um ein Dauerdelikt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1969, 688/69). Insoweit der Beschwerdeführer in seiner Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde auf die Ausführungen seiner Verfassungsgerichtshofsbeschwerde betreffend die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch den angefochtenen Bescheid Bezug nimmt, ist darauf hinzuweisen, daß der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG über Beschwerden zu erkennen hat, womit die Rechtswidrigkeit von Bescheiden der Verwaltungsbehörden einschließlich der unabhängigen Verwaltungssenate behauptet wird. Die Überprüfung einer behaupteten Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hingegen obliegt gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG der Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes und ist zufolge Art. 133 Z. 1 B-VG von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.

Insoweit der Beschwerdeführer in den Ausführungen zur Verfassungsgerichtshofsbeschwerde - auf welche sich der Beschwerdeführer auch vor dem Verwaltungsgerichtshof beruft - ausführt, der auf § 138 Abs. 1 WRG 1959 gestützte Bescheid der BH Klagenfurt vom 26. Juli 1989 stelle einen absolut nichtigen Verwaltungsakt dar, welcher auch die absolute Nichtigkeit des angefochtenen Bescheides zur Folge hätte, zielen diese Ausführungen offenkundig auf den Vorwurf eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 1 VStG, wonach als Verwaltungsübertretung nur eine Tat (Handlung oder Unterlassung) bestraft werden kann, wenn sie vor ihrer Begehung mit Strafe bedroht war.

Die Bestrafung nach § 137 Abs. 4 lit. i WRG 1959 setzt einen an den Beschuldigten erteilten Auftrag gemäß § 138 Abs. 1 WRG 1959 voraus, pönalisiert somit ein Zuwiderhandeln gegen einen Bescheid. Liegt ein solcher Bescheid (hier Auftrag nach § 138 Abs. 1 WRG 1959) zum Zeitpunkt der Begehung der Tat nicht (mehr) vor, kann der Beschuldigte nicht nach § 137 Abs. 4 lit. i WRG 1959 bestraft werden.

Der Beschwerdeführer geht in seinen Beschwerdeausführungen - durch die Aktenlage gedeckt - selbst davon aus, daß ein rechtskräftiger Bescheid im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 vorliegt und er nach Ablauf der mit diesem Bescheid festgesetzten Frist diesen Auftrag nicht erfüllt hat, meint jedoch, daß die belangte Behörde verpflichtet gewesen wäre, diesen wasserpolizeilichen Auftrag als nichtigen Bescheid zu behandeln und eine entsprechende Abänderung oder Aufhebung gemäß § 68 AVG durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu veranlassen. Hiezu führt der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung aus, daß die österreichische Rechtsordnung keine absolut nichtigen Bescheide kennt, sondern nur die Vernichtbarkeit von Bescheiden unter den in § 68 Abs. 4 AVG genannten Voraussetzungen ermöglicht. Die Nichtigerklärung bewirkt, daß der Bescheid für die Zukunft nicht mehr besteht (ex nunc-Wirkung), daß aber für die Vergangenheit die rechtlichen Wirkungen unberührt bleiben (VfSlg. 10.086). Verwaltungsakte, die mit Nichtigkeitsgründen behaftet sind, bedürfen daher der Nichtigerklärung, um ihre Rechtswirksamkeit zu verlieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. September 1985, Slg. N.F. Nr. 11.848/A). Selbst wenn somit die Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen sollte, der dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte wasserpolizeiliche Auftrag leide an einer Nichtigkeit im Sinne des § 68 Abs. 4 AVG, ist dieser Auftrag mangels erfolgter Nichtigerklärung durch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ungeachtet seiner Mängel existent, das heißt in Rechtsgeltung.

Da - wie bereits oben ausgeführt - § 137 Abs. 4 lit. i WRG 1959 ein Dauerdelikt ist, bei dem nicht nur die Herbeiführung eines rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert ist, beginnt die Verjährung ab dem Aufhören (Beseitigung) des rechtswidrigen Zustandes. Der Beschwerdeführer hat dem der Strafnorm zugrundeliegenden wasserpolizeilichen Auftrag bisher nicht Folge geleistet - Gegenteiliges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet -, weshalb entgegen den Beschwerdeausführungen die Verjährungsfrist noch nicht zu laufen begonnen hat.

Mit den Ausführungen, ein Entfernungsauftrag gemäß § 39 WRG 1959 iVm. § 138 leg. cit. könne nur soweit erlassen werden, als dadurch die ursprünglichen Abflußverhältnisse wieder hergestellt werden, bekämpft der Beschwerdeführer im Strafverfahren gemäß § 137 Abs. 4 lit. i WRG 1959 in unzulässiger Weise einen rechtskräftigen wasserpolizeilichen Auftrag.

Ein Zuwiderhandeln gegen einen Bescheid kann nur als strafbar betrachtet werden, wenn dieser eine klare Norm enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 10. Juni 1987, 86/04/0184). Für den Verwaltungsgerichtshof ist - auch unter Berücksichtigung der geringfügigen sprachlichen Unebenheiten im Spruch - nicht erkennbar, warum der wasserpolizeiliche Auftrag nicht erfüllbar sein soll. Auch die diesbezüglich erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen machen dies nicht einsichtig. Der Auftrag ist vielmehr im Sinne der vorher dargestellten Rechtsprechung hinreichend bestimmt.

Ob der Beschwerdeführer privatrechtliche Vereinbarungen oder ein Übereinkommen gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 bezüglich der Nutzung der auf der Parzelle Nr. 29/6 KG T. befindlichen Wässer abgeschlossen hat, ist für die strafrechtliche Beurteilung der Nichterfüllung oder nicht fristgerechten Erfüllung eines Auftrages nach § 138 Abs. 1 WRG 1959 nicht entscheidungserheblich. Warum dem Beschwerdeführer kein schuldhaftes Verhalten hinsichtlich der Nichterfüllung des vorliegenden Auftragsbescheides vorgeworfen werden kann, vermag er mit seinen diesbezüglichen Ausführungen in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise nicht darzulegen.

Mit den allgemein gehaltenen Ausführungen, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage sei von der belangten Behörde nicht klar und übersichtlich zusammengefaßt worden, vermag der Beschwerdeführer auch einen entscheidungserheblichen Verfahrensmangel nicht aufzuzeigen, abgesehen davon, daß dieser Vorwurf auch sachlich nicht gerechtfertigt ist.

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994070007.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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