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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §67a Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der A-Aktiengesellschaft in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 25. Juni 1992, Zl. 2-002/92/E2, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde gegen eine wasserpolizeiliche Anordnung nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
In der an die belangte Behörde gerichteten Maßnahmenbeschwerde vom 19. Juni 1992 wird von der Beschwerdeführerin die auf der Grundlage des § 31 Abs. 3 WRG 1959 mittels Telefax ergangene Anordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch (BH) vom 16. Juni 1992 angefochten.
In dieser Anordnung der BH wurde der Beschwerdeführerin gegenüber die umgehende Durchführung folgender Maßnahmen angeordnet:
"1.
Im Bereich des von der Firma B.-Gesellschaft m.b.H. erstellten Schürfschlitzes 3 laut Aktenvermerk des Dipl.Ing. C.M. und des Ing. K. vom Landeswasserbauamt vom 3.6.1992 ist das vorhandene ölkontaminierte Wasser abzupumpen.
2.
Der Schürfschlitz 4 laut Lageplan des Landeswasserbauamtes B. vom 2.6.1992, Zl. ..., ist so zu erstellen, daß er in Verlängerung der laut Niederschrift vom 15.6.1992 festgestellten Drainageleitung im Bereich der zwischen den Probeschlitzen 2 und 3 situierten Betonplatte zu liegen kommt. Dieser Schürfschlitz ist bis zur vermutlichen Kreuzung mit der vermutlich entlang des Bahnanschlusses verlaufenden Hauptdrainageleitung zu erstellen.
3.
Der Schürfschlitz 5 laut Lageplan des Landeswasserbauamtes B. vom 2.6.1992, Zl. ..., ist zu erstellen und bis zur Kreuzung mit dem Schürfschlitz 4 in Richtung Westen zu führen.
4.
Nach Freilegung der Drainageleitungen laut Punkt 2. und 3. ist im nordwestlichen Bereich der GP. 1966/2, KG. K. (Firmenareal der B.-Gesellschaft m.b.H.) eine provisorische Ölabscheideeinrichtung laut Anweisung des Landeswasserbauamtes B. einzurichten.
5.
Sämtliche Maßnahmen sind unter Aufsicht des Landeswasserbauamtes B. durchzuführen und ist das Landeswasserbauamt B. vor Beginn der Arbeiten zu verständigen.
6.
Das Aushubmaterial ist nach den Anweisungen des Landeswasserbauamtes B. zwischenzulagern bzw. zu entsorgen.
7.
Sämtliche Maßnahmen sind ohne Unterbrechung durchzuführen.
8.
Sollte mit diesen Maßnahmen nicht bis Montag, den 22. Juni 1992, 08.00 Uhr begonnen werden, wird die Behörde zur Durchführung dieser Maßnahmen direkt Auftrag an eine Baufirma erteilen."
Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Maßnahmenbeschwerde an die belangte Behörde aus, daß die Anordnung der BH eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstelle, welche durch Beschwerde bei der belangten Behörde bekämpft werden könne. Sie habe auf der Liegenschaft EZ 772, KG K., mit den Grundstücken 1966/2 und 1968/2, jeweils landwirtschaftlich genutzt, sowie 291 und 292, jeweils Baufläche, mit der Grundstücksadresse T.-Straße 2, bis zum Jahre 1986 ein Tanklager betrieben. Aufgrund von Ende 1975 und Anfang 1976 festgestellten Austritten von Mineralölprodukten auf dieser Liegenschaft seien die erforderlichen Sofortmaßnahmen zur Vermeidung von Verunreinigungen des M.-Grabens und in weiterer Folge des K.-Baches unverzüglich getroffen worden. Dieser Umbau sei ordnungsgemäß durchgeführt worden.
Im Jahre 1986 seien das Tanklager aufgelassen und die erforderlichen Maßnahmen gesetzt worden. Die zuständige Behörde habe das Hinreichen der getroffenen Maßnahmen im Zuge der Auflassung des Tanklagers überprüft und bestätigt. Dies sei insbesondere auch in gewässerschutztechnischer Hinsicht erfolgt.
Die Liegenschaft EZ 772, KG K., sei mit Vertrag vom 18. Februar/6. März 1986 an die B.-Gesellschaft m.b.H. und Co. KG verkauft und dieser übergeben worden.
Diese Gesellschaft habe in der Folge mit behördlicher Bewilligung vom 9. Juni 1986 auf dieser Liegenschaft eine LKW-Garage und eine Betriebstankstelle errichtet und betrieben. Ein Teil der Liegenschaft sei offensichtlich zu einem späteren Zeitpunkt an die B.-Entsorgungs-Gesellschaft m.b.H. weiterveräußert worden. Der letztgenannten Gesellschaft sei mit Bescheid der BH vom 28. September 1990 die Bewilligung für die Errichtung einer Abwassertrennanlage auf dem Grundstück 966/2, KG K., erteilt worden. Im Zuge des Beginns der Bauarbeiten für die Errichtung dieser Anlage seien durch die B.-Entsorgungs-Gesellschaft m.b.H. Bodenproben entnommen worden, die teilweise überhöhte Werte betreffend Ölkontamination aufgewiesen hätten.
Aufgrund der in der Folge von der BH durchgeführten Erhebungen und von zwei Verhandlungen an Ort und Stelle wurde der Beschwerdeführerin mit Anordnung vom 16. Juni 1992 die umgehende Durchführung der oben angeführten Sanierungsmaßnahmen vorgeschrieben.
Diese Anordnung sei rechtswidrig, weil sie zu Unrecht auf § 31 Abs. 3 WRG 1959 gestützt werde. Es sei sinnlos, der Beschwerdeführerin Maßnahmen vorzuschreiben, zumal diese ohnedies bereits von der B.-Entsorgungs-Gesellschaft m.b.H. in Angriff genommen worden seien bzw. beabsichtigt sei, diese nach genaueren behördlichen Festlegungen durchzuführen. Soweit sich die Anordnung auf die im Grundstück verlegte "alte" Drainageleitung beziehe, sei darauf zu verweisen, daß diese weder von der Beschwerdeführerin stamme noch ihr gehöre. Überdies sei die gesamte Drainage "funktionslos" und in keiner Verbindung mit irgendwelchen Gewässern.
Von dieser könnte daher auch keine Gefahr im Hinblick auf eine "Einwirkung auf Gewässer" im Sinne des § 31 Abs. 1 WRG 1959 ausgehen. Es sei auch aufgrund der Aktenlage auszuschließen, daß die im Boden vorhandenen Mineralölkontaminierungen eine Gewässerverunreinigung herbeiführen könnten. Es liege somit nicht Gefahr im Verzug vor, weshalb eine verfahrenfreie Anordnung nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 unzulässig sei. Ungeklärt sei im übrigen, ob die Beschwerdeführerin überhaupt Verursacherin der im Erdreich vorhandenen Kontaminierung sei, dies insbesondere im Hinblick auf den Umstand, daß deren Einzelrechtsnachfolgerin im Eigentum, nämlich die Ba.-Gesellschaft m.b.H. und Co KG auf der Liegenschaft ebenfalls Mineralölprodukte gelagert und umgeschlagen habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Maßnahmenbeschwerde der Beschwerdeführerin nach § 67c Abs. 3 AVG als unzulässig zurück.
In der Begründung führte die belangte Behörde dazu aus, daß sich die unmittelbare Anordnung von Maßnahmen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 nur dann gegen den gemäß § 31 WRG 1959 "Verpflichteten" richte, wenn mit den angeordneten Maßnahmen selbst in seine Rechte eingegriffen werde. Dies sei beispielsweise dann der Fall, wenn ihn eine Duldungspflicht durch Inanspruchnahme seines Grundeigentums treffe oder in seinem Eigentum stehende Objekte entfernt würden.
Einen solchen rechtswidrigen Eingriff in ihre Rechte habe die Beschwerdeführerin nicht behauptet.
Aufgrund der Eigentumsverhältnisse - die Liegenschaften in EZ 722, KG K., befänden sich seit 1986 nicht mehr im Eigentum der Beschwerdeführerin - habe die Beschwerdeführerin durch die Anordnung der BH vom 16. Juni 1992 in ihren Rechten auch gar nicht verletzt werden können.
Die Anordnung der BH vom 16. Juni 1992 stelle der Beschwerdeführerin gegenüber somit nicht die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluß vom 12. Oktober 1992, B 939/92, abgelehnt und sie dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten hat. Vor diesem Gerichtshof beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde habe durch den angefochtenen Bescheid die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten ihres Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft hat von seiner ihm nach § 21 Abs. 1 VwGG zukommenden Parteistellung Gebrauch gemacht und in einer zu Fragen der Auslegung der Bestimmung des § 31 Abs. 3 WRG 1959 grundsätzlich Stellung nehmenden Äußerung die Ansicht vertreten, daß der angefochtene Bescheid als rechtswidrig zu beurteilen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Gemäß § 67c Abs. 3 erster Satz AVG ist ein angefochtener Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist.
Da durch die belangte Behörde eine Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde der Beschwerdeführerin erfolgte, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der BH vom 16. Juni 1992 zu überprüfen, sondern ausschließlich die Frage zu beurteilen, ob die Zurückweisung der Maßnahmenbeschwerde zu Recht erfolgte.
Gemäß § 31 Abs. 3 erster Satz WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde, wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, soweit nicht der unmittelbare Werksbereich eines Bergbaues betroffen wird, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.
Maßgeblich für die Qualifikation behördlichen Vorgehens als verwaltungsbehördliche Befehls- und Zwangsgewalt ist die äußere Form und der für den Adressaten von der Behörde deutlich erkennbar geäußerte Wille (vgl. dazu das hg. Erkenntnis des verstärkten Senates vom 17. Jänner 1995, 93/07/0126, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Die einleitend dargestellte Anordnung der BH vom 16. Juni 1992 ist als eine Maßnahme verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren, weil die verpflichtete Beschwerdeführerin mit einer zwangsweisen Realisierung nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 im Fall der Nichterfüllung bis zu einem mit genauer Uhrzeit genannten Zeitpunkt rechnen mußte (vgl. auch das vorgenannte hg. Erkenntnis).
Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann jedoch der Beschwerdeführerin die Beschwerdelegitimation im Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat nicht damit abgesprochen werden, daß infolge geänderter Eigentumsverhältnisse an der Liegenschaft EZ 772, KG K., die seit 1986 nicht mehr der Beschwerdeführerin gehört, die behördliche Anordnung nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 gegenüber der Beschwerdeführerin ins Leere gegangen sei, sodaß diese nicht in ihren Rechten verletzt werden konnte.
Im Gegensatz zu dem von der belangten Behörde zitierten hg. Erkenntnis vom 13. Oktober 1990, 87/07/0182, wandte sich die Beschwerdeführerin im Beschwerdefall konkret gegen die nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 angeordneten Maßnahmen und sprach sich mit hinreichender Deutlichkeit gegen ihre Inpflichtnahme durch die BH aufgrund der eindeutig an sie adressierten Anordnung aus. Zweifelsfrei wollte die BH durch die an die Beschwerdeführerin, zu Handen ihrer Rechtsvertreter, gerichtete Anordnung vom 16. Juni 1992 jene verpflichten, bestimmte Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung bis zu einem bestimmten Termin zu setzen. Der Umstand der Adressierung des Leistungsbefehls an die Beschwerdeführerin berechtigte sie dazu, die erlassenen Anordnungen zu bekämpfen. Da sie dies auch getan und sich nicht wie im Fall des vorgenannten Erkenntnisses bloß damit begnügt hat, ihre Eigenschaft als Verpflichtete zu bestreiten, durfte ihr die meritorische Erledigung nicht verwehrt werden.
Da die belangte Behörde insofern die Rechtslage verkannte und infolge Zurückweisung der Beschwerde zu Unrecht der Beschwerdeführerin eine meritorische Erledigung verweigerte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte der Verwaltungsgerichtshof nach der Lage des Falles aus dem in § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Grund Abstand nehmen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren betreffend Stempelgebühren war abzuweisen, da derartige Gebühren für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung lediglich hinsichtlich von drei Ausfertigungen der Beschwerde (S 360,--) sowie einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides (S 30,--) erforderlich waren.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992070201.X00Im RIS seit
12.11.2001