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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §59 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des E in I, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 23. März 1993, Zl. IIIa1-12.719/3, betreffend einen wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer betreibt das Gewerbe der Kanalräumung.
Am 28. Oktober 1991 wurde durch drei seiner Arbeitnehmer mit drei Tankwagen eine mechanische Dreikammerfaulanlage geräumt. Anstelle des Transportes des Räumgutes zu einem vorgesehenen Abnehmer entschlossen sich jedoch alle drei Arbeitnehmer des Beschwerdeführers dazu, das Räumgut in einen unweit gelegenen Kanalschacht zu entleeren, der in den G. Bach führte, was zur Folge hatte, daß der gesamte Inhalt der entleerten Dreikammerfaulanlage in den in einem Schutzgebiet gelegenen G. Bach gelangte.
Nachdem das Kulturbauamt des Amtes der Tiroler Landesregierung am 31. Oktober 1991 vom Eigentümer eines vom G. Bach durchflossenen Grundstückes von starker Verunreinigung des Gewässers in Kenntnis gesetzt worden war, wurde von den Vertretern dieses Amtes nach Vornahme eines Ortsaugenscheines die Suche nach dem Verursacher in Angriff genommen, wobei die behördlichen Ermittlungen auf das Unternehmen des Beschwerdeführers stießen, welcher nach Konfrontation mit den für eine Verursachung der Verunreinigung des G. Baches durch sein Unternehmen zwischenzeitig vorliegenden Beweisen die Urheberschaft seines Unternehmens an der festgestellten Gewässerverunreinigung zugestand.
Am 2., 4. und 6. November 1991 wurden unter Aufsicht behördlicher Vertreter vom Beschwerdeführer Reinigungsarbeiten in Form der Durchspülung des Kanalbereiches mittels Hochdruckspülwagens und Absaugen des abfließenden Wassers und Aufspritzen und Absaugen der Ablagerungen an der Gerinnesohle durchgeführt, wobei am Abend des 6. November 1991 von seiten der Behördenvertreter die Reinigungsaktion für beendet erklärt wurde. Noch am 4. November 1991 wurden vom Amtssachverständigen für Kulturbautechnik und vom Amtssachverständigen für Hygiene weitere Säuberungsmaßnahmen für erforderlich erachtet und wurde es ebenso für notwendig befunden, daß aus bestimmt bezeichneten Grundwassersonden und aus dem Pumpwerk "Am G." von November 1991 bis Oktober 1992 monatlich durch ein befugtes Institut Wasserproben entnommen und hinsichtlich chemischer und hygienischer Parameter untersucht würden, wobei der Umfang der chemischen und hygienischen Parameter durch das Kulturbauamt und das Hygiene-Institut einvernehmlich festzulegen sei. Der Beschwerdeführer erklärte ausdrücklich, der Durchführung dieser Maßnahmen auf seine Kosten zuzustimmen.
Mit Bescheid vom 6. August 1992 trug der Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck (BM) als Bezirksverwaltungsbehörde dem Beschwerdeführer gemäß § 31 Abs. 1 und 3 WRG 1959 zur Vermeidung einer weiteren Gewässerverunreinigung im Bereich des Schutzzone III des Grundwasserwerkes der Stadtgemeinde Innsbruck "Am G." folgende Maßnahmen auf:
"1.
Allenfalls noch im Kanal (verrohrter und offener G. im Bereich ...) vorhandene Verunreinigungen aus der Einleitung von Räumgut aus Hauskläranlagen und aus Fettabscheidern vom 28. 10. 1991 sind umgehend unter Aufsicht eines Vertreters des Wasserwerkes Innsbruck und des Landeskulturbauamtes zu säubern.
2.
Aus den im Sondenplan blau umrandeten Grundwassersonden G. 11, G. 19 sowie aus dem Pumpwerk "Am G." sind ab sofort bis Oktober 1992 monatlich durch das Hygieneinstitut der Universität Innsbruck Wasserproben zu entnehmen und hinsichtlich folgender chemischer und hygienischer Parameter untersuchen zu lassen:
...
Die Probenentnahme hat mittels Schöpfprobe zu erfolgen."
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß sich dem Bescheid die Erforderlichkeit der aufgetragenen Maßnahmen nicht entnehmen lasse. Die am 28. Oktober 1991 erfolgte Verunreinigung des G. Baches durch Beschäftigte seines Unternehmens sei unbestritten; es seien aber die Verunreinigungen unverzüglich und gründlich unter behördlicher Aufsicht beseitigt und die Reinigungsarbeiten von Vertretern der Behörde am 6. November 1991 für beendet erklärt worden. Mittlerweile seien nahezu zehn Monate vergangen, in denen offenbar keine Beeinträchtigungen des Gewässers aufgetreten seien, da andernfalls unverzüglich gehandelt hätte werden müssen. Da es sich um ein fließendes Gewässer handle, könnten nach so vielen Monaten keine Verschmutzungsrückstände mehr bestehen, da diese durch den natürlichen Ablauf weggespült oder aufgelöst worden sein müßten.
Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige für Kulturbautechnik bestätigte in seiner Stellungnahme, daß die Verunreinigungen des G. Baches seinerzeit ordnungsgemäß beseitigt worden seien, brachte aber seine Verwunderung darüber zum Ausdruck, daß der Beschwerdeführer trotz seiner am 4. November 1991 erklärten Zustimmung zu den Probenentnahmen und Analysen diese nie in Auftrag gegeben habe. Aus fachlicher Sicht sei zumindest noch eine Beprobung während des Grundwasserniedrigstandes im Winter 1992/93 und bei höheren Grundwasserständen im Mai 1993 sowie eine Analyse der gezogenen Proben nach den angeführten Parametern erforderlich. Die Kosten hiefür sowie für die vom Hygiene-Institut der Universität Innsbruck "aus fachlichem Interesse und ohne weiteren Auftrag" im September und Oktober 1992 entnommenen Proben hätten zulasten des Beschwerdeführers zu gehen.
Konfrontiert mit diesen Ausführungen des Amtssachverständigen der belangten Behörde erklärte der Beschwerdeführer, daß die behördlicherseits aufgetragenen Maßnahmen seiner Auffassung nach nicht geeignet sein könnten, die von der Behörde beabsichtigten Zielsetzungen zu erfüllen. Weitere Auswirkungen auf die Umgebung durch den Vorfall vom 28. Oktober 1991 könnten ausgeschlossen werden. Vorgefundene Verunreinigungen müßten auf andere Verursacher aus früherer oder späterer Zeit zurückgeführt werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des BM vom 6. August 1992 als unbegründet ab (Spruchpunkt I.), ergänzte jedoch Spruchpunkt 2. des vor ihr bekämpften Bescheides durch folgenden Abspruch (Spruchpunkt II.):
"Zwischen 20. und 31. Mai 1993 ist ebenfalls an diesen Sonden eine Grundwasserprobe durch das Hygienische Institut der Universität Innsbruck zu entnehmen und auf die dort angeführten Parameter zu untersuchen.
Die Vorschreibung weiterer Untersuchungen wird vorbehalten."
Begründend führte die belangte Behörde aus, daß zu den Maßnahmen zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung auch die Feststellung der eingetretenen Kontamination gehöre. Da die vorgenommene unerlaubte Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer, welche zu einer massiven Verunreinigung des G. Baches geführt habe, in einem Schutzgebiet erfolgt sei, müsse sich der Beschwerdeführer sämtliche Maßnahmen zurechnen lassen, welche zur Feststellung des Ausmaßes der Verunreinigung insbesondere auch hinsichtlich einer drohenden Verunreinigung des Grundwassers vorzunehmen seien. Der Amtssachverständige für Kulturbautechnik habe die Vornahme weiterer Untersuchungen in der Niedrigwasserzeit und zum Grundwasserhöchststand im Frühsommer für notwendig erachtet; im Hinblick auf den Zeitablauf sei jedenfalls die Untersuchung im Sommer noch anzuordnen gewesen, worüberhinaus den Beschwerdeführer die Kostentragung für die zwischenzeitlich nach Auffassung der Sachverständigen notwendigen Untersuchungen treffe, wie sie auch im Bescheid vorgeschrieben worden seien. Die Ergänzungen im Spruch seien im Hinblick auf den Zeitablauf erforderlich gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides aus dem Grunde seiner inhaltlichen Rechtswidrigkeit begehrt; der Beschwerdeführer erklärt sich seinem Vorbringen nach durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht darauf als verletzt, daß ihm nicht Maßnahmen nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 vorgeschrieben würden, welche zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung nicht mehr erforderlich seien.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 31 Abs. 3 WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde, wenn die zur Vermeidung einer Gewässerverunreinigung erforderlichen Maßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig getroffen werden, die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzuge unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen.
Der BM hat sich im Beschwerdefall, Gefahr im Verzug nicht annehmend, für den Weg der Bescheiderlassung entschieden und dem Beschwerdeführer zum einen die Säuberung allenfalls noch vorhandener Verunreinigung aus der Einleitung von Räumgut am 28. Oktober 1991 und andererseits die monatliche Probenentnahme und Untersuchung von Grundwasser ab dem Zeitpunkt der Erlassung seines Bescheides bis Oktober 1992 aufgetragen.
Indem die belangte Behörde diesen vor ihr bekämpften Bescheid des BM durch Abweisung der Berufung im Umfang der Bekämpfung von Spruchpunkt 1. dieses Bescheides bestätigte, ist ihr entgangen, daß dieser Auftrag zur Beseitigung "allenfalls noch vorhandener Verunreinigungen" auf eine vom Amtssachverständigen für Kulturbautechnik am 4. November 1991 erstattete Empfehlung zurückgegangen war, die am Abend des 6. November 1991, wie sich dies auch aus den Bekundungen desselben Sachverständigen im Berufungsverfahren ergibt, bereits erfüllt war. Diesen Auftrag dem Beschwerdeführer in dem vom BM am 6. August 1992 erlassenen Bescheid noch zu erteilen, war wegen bereits zuvor erfolgter Erfüllung nicht mehr rechtens, was den angefochtenen Bescheid in der Bestätigung des Bescheides des BM vom 6. August 1992 auch in diesem Abspruch mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Daß die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers gegen Spruchpunkt 2. des Bescheides des BM vom 6. August 1992 nicht Folge gegeben hat, verletzt den Beschwerdeführer in seinen Rechten deswegen nicht, weil der Bescheid des BM in diesem Umfang zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides zeitlich überholt war. Der erstinstanzliche Auftrag erstreckte sich auf den Zeitraum ab Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bis Oktober 1992. Innerhalb dieses Zeitraumes hatte der Beschwerdeführer monatlich Proben zu entnehmen und analysieren zu lassen. Da der BM einer gegen seinen Bescheid vom 6. August 1992 erhobenen Berufung die aufschiebende Wirkung aber nicht aberkannt hatte, blieben die Rechtswirkungen seines Bescheides zufolge der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung sistiert, sodaß die im Bescheid des BM vom 6. August 1992 zu Spruchpunkt 2. dem Beschwerdeführer aufgetragene Verpflichtung rechtlich nicht zum Tragen kam und auch durch Bestätigung des bekämpften Bescheides durch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid vom 23. März 1993 zufolge Zeitablaufes nicht mehr wirksam werden konnte.
Mit der in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides aber vorgenommenen "Ergänzung" des Bescheides des BM vom 6. August 1992 durch Vorschreibung einer Probenentnahme und Untersuchung auch im Zeitraum zwischen dem 20. und 31. Mai 1993 hat die belangte Behörde ihre Befugnis zur Sachentscheidung nach § 66 Abs. 4 AVG überschritten. Gegenstand ihres Berufungsverfahrens war diesbezüglich der dem Beschwerdeführer in erster Instanz erteilte Auftrag zu monatlicher Probenziehung und Analyse innerhalb des Zeitraumes von Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides bis Oktober 1992. Eine über diesen Zeitraum hinausgehende Rechtsgestaltung hinsichtlich der vom Beschwerdeführer nach § 31 Abs. 3 WRG 1959 zu setzenden Maßnahmen war der belangten Behörde verwehrt, weil sie damit den Rahmen der Sache ihres Berufungsverfahrens verließ. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit auch dadurch als inhaltlich rechtswidrig.
Er war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es eines Eingehens auf die vorgetragenen Beschwerdegründe bedurfte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994; an Stempelgebührenaufwand war lediglich ein Betrag von S 360,-- für die Beschwerde, von S 120,-- für die Vollmacht und von S 30,-- für den angefochtenen Bescheid zuzusprechen.
Schlagworte
Inhalt der BerufungsentscheidungRechtsnatur und Rechtswirkung der BerufungsentscheidungBeschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Bindung an den Gegenstand des vorinstanzlichen Verfahrens AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1993070061.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
17.12.2015