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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der HB-Gesellschaft m.b.H., vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 10. April 1992, Zl. 510.188/03-I 5/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung, nach durchgeführter mündlicher Verhandlung mit Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerdeführerin, Rechtsanwalt Dr. M, sowie der Vertreterin der belangten Behörde, Rätin Dr. N, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 9.765,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich (LH) vom 28. Oktober 1971 wurde Frau H.B. gemäß § 32 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung einer Müllablagerungsstätte auf der Parzelle Nr. 969, KG W., im Bereich der dort befindlichen aufgelassenen Schottergrube erteilt. Die Bewilligung wurde gemäß § 21 WRG 1959 bis zum 31. Dezember 1987 erteilt. Dieser Zeitpunkt wurde auch gemäß § 112 WRG 1959 für das Ende der Müllablagerung bestimmt.
Mit Bescheid des LH vom 18. Oktober 1978 wurde Frau H.B. die wasserrechtliche Bewilligung zur Ablagerung von Beizereischlämmen auf der mit Bescheid des LH vom 28. Oktober 1971 bewilligten Müllablagerungsstätte erteilt. Als Frist für die Vollendung der Ablagerungstätigkeit wurde nach § 112 WRG 1959 ebenfalls der 31. Dezember 1987 bestimmt.
Mit Bescheid des LH vom 23. Juli 1982 wurde Frau H.B. gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 unter anderem verpflichtet, die Grubensohle von einem Fachkundigen einmessen zu lassen (Lage der Grubensohle bezogen auf die Geländeoberkante) und drei der vorhandenen Deponieabschnitte durch eine entsprechende Zwischenabdeckung vorübergehend stillzulegen.
Mit Bescheid des LH vom 3. Dezember 1985 wurde Frau H.B. zur Durchführung zusätzlicher Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers im bereits verfüllten Grubenteil dieser Parzelle gemäß § 33 Abs. 2 WRG 1959 verpflichtet.
Ende 1987 erloschen die wasserrechtlichen Bewilligungen.
Die Wasserrechtsbehörde befaßte sich in der Folge mit der Frage des Inhaltes allfälliger letztmaliger Vorkehrungen in einem Erlöschensverfahren und holte mehrere Gutachten ein. Die beauftragte Analyse ergab eine zumindest aus technischer Sicht sehr starke Kontamination des Grundwasserabstromes der Deponie. Die gemessenen Konzentrationen bestimmter Inhaltsstoffe im Deponieabstrom lägen zum Großteil über den für Trinkwasser geltenden Richt-, aber teilweise auch Grenzwerten und es trete eine signifikante Konzentrationserhöhung bei spezifischen chlorierten Kohlenwasserstoffen auf.
Mit Bescheid des LH vom 4. Dezember 1991 wurde Frau H.B. gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 von Amts wegen im öffentlichen Interesse verpflichtet, sämtliche Ablagerungen von Hausmüll, Gewerbe- und Industriemüll, einschließlich Beizereischlämmen der B.-AG, sowie alle weiteren wasserrechtlich bewilligungspflichtigen Ablagerungen und den durch die genannten Ablagerungen kontaminierten Bodenkörper (anstehender Kies/Sand/Schluf/Ton) welche sich im Bereich der Grundstücke Nr. 969/1 und 969/2, KG. W., befinden, zu entfernen.
Die Räumung wurde in zeitlicher und örtlicher Hinsicht in bestimmte, im Bescheid näher definierte Abschnitte gegliedert. Ebenso wurde Frau H.B. aufgetragen, die im Grundwasserschwankungsbereich gelegenen Flächen dieser Grundstücke nach erfolgter Räumung abschnittsweise mit bodenständigem Material anzuheben.
Dieser Bescheid wurde auch der Beschwerdeführerin zugestellt.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie geltend machte, daß durch den Räumungsauftrag Eingriffe in ihre Eigentumsrechte gegeben seien, daß sie Eigentümerin von Büro-, Werkstätten- und LKW-Einstellgebäuden, sowie einer Betriebstankstelle, sämtliche errichtet im Osten des der Frau H.B. gehörigen Grundstückes 969/1, KG. W, sei. Die genannten Baulichkeiten würden Superädifikate darstellen und alle einschlägigen Bewilligungen besitzen. Die Behörde habe sich nicht mit der Frage befaßt, was nun mit diesen in ihrem Eigentum befindlichen Baulichkeiten und Anlagen im Zuge der bescheidmäßig vorgeschriebenen Räumungsverpflichtungen zu geschehen habe. Eine Beseitigung der in diesem Abschnitt unterhalb dieser Gebäude befindlichen Ablagerungen sei ohne Abtragung derselben nicht möglich, sodaß der Entfernungsauftrag auf die Herbeiführung eines gesetzwidrigen Zustandes gerichtet sei. Bei Demolierung dieser Betriebsgebäude wäre die Gesellschaft um ihre finanzielle Existenz gebracht.
In weiterer Folge richtet sich die Berufung noch gegen die inhaltliche Rechtfertigung des Räumungsauftrages.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. April 1992 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück.
In der Begründung führte die belangte Behörde dazu aus, daß der vorliegende Räumungsauftrag gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 lediglich Frau H.B. selbst zur Räumung der Deponie und zur Anhebung der Grubensohle verpflichte. Die Beschwerdeführerin scheine nicht als Verpflichtete dieses Räumungsauftrages auf. Die Beschwerdeführerin komme weder als Betroffene im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 noch als Verpflichtete des wasserpolizeilichen Auftrages in Frage. Parteistellung im wasserrechtlichen Verfahren betreffend den gegenständlichen Räumungsauftrag der Deponie komme ihr daher nicht zu. Das Recht zur Erhebung eines Rechtsmittels, im gegenständlichen Fall der Berufung, komme nur den Parteien des Verfahrens zu. Da die Beschwerdeführerin keine Partei des gegenständlichen Räumungsverfahrens sei, könne sie auch nicht rechtmäßigerweise Berufung erheben.
Mit vermögensrechtlichen Nachteilen durch allfällige Demolierung der Betriebsgebäude infolge der Beseitigung der in diesem Abschnitt unterhalb der Gebäude befindlichen Ablagerungen sei die Beschwerdeführerin auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluß vom 29. September 1992, B 733/92, die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde abgelehnt und diese zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpft die Beschwerdeführerin den Bescheid der belangten Behörde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragte eine mündliche Verhandlung.
Sie betrachtet sich in ihrem subjektiven Recht auf Gesetzmäßigkeit des verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Wahrung des Parteiengehörs, sowie in ihrem subjektiven Recht auf Unterlassung eines gesetzwidrigen wasserpolizeilichen Entfernungsauftrages verletzt.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei ihr in jenem Verfahren, in dem Frau H.B. zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes verpflichtet wurde, Parteistellung zugekommen; diese würde sich unmittelbar aus § 138 Abs. 1 und 6 WRG 1959 ergeben, zumal ihr Eigentum an einem Superädifikat als bestehendes Recht im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 anzusehen sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung erwogen:
Gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen. Ein wasserpolizeilicher Auftrag kann somit entweder aus Gründen des öffentlichen Interesses oder aufgrund eines Verlangens eines Betroffenen ergehen; als Betroffener im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 sind nach dem sechsten Absatz dieses Paragraphen die Inhaber bestehender Rechte (§ 12 Abs. 2), die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen. Nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 sind als bestehende Rechte rechtmäßig geübte Wassernutzungen mit Ausnahme des Gemeingebrauches (§ 8), Nutzungsbefugnisse nach § 5 Abs. 2 und das Grundeigentum zu verstehen.
Den gemäß § 138 Abs. 6 WRG 1959 von einem gesetzwidrigen Zustand Betroffenen kommt die Befugnis zu, die Hilfe der Behörde zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes in Anspruch zu nehmen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1987, 87/07/0013).
Die Beschwerdeführerin ist nun keinesfalls durch den gesetzwidrigen Zustand, dem im Wege eines aus öffentlichen Rücksichten ergangenen wasserpolizeilichen Auftrages begegnet wurde, "betroffen" im Sinne des § 138 Abs. 1 und 6 WRG 1959, sondern ihre Interessen sind durch die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes berührt.
Die Beschwerdeführerin beruft sich auf ihr Eigentum an dem Superädifikat. Die Berufung darauf muß schon deswegen fehlgehen, weil Superädifikate nicht zu den wasserrechtlich geschützten Rechten nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 gehören (vgl. dazu den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Februar 1980, VfSlg. 8746 und die hg. Erkenntnisse vom 3. Dezember 1985, 85/07/0275 und 85/07/0276).
Durch die bloße Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an die Beschwerdeführerin konnte schließlich die Parteistellung und damit das Recht zur Einbringung einer Berufung nicht begründet werden (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens4, S. 108, die unter E 38 zu § 8 AVG dargestellte hg. Judikatur).
Wenn die Beschwerdeführerin vermeint, ihr komme aufgrund des § 17 AlSAG Parteistellung zu, so ist sie darauf zu verweisen, daß der Überprüfungsrahmen des Verwaltungsgerichtshofes durch den Gegenstand der im angefochtenen Bescheid erledigten Verwaltungssache beschränkt ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1994, 90/07/0163). Prüfungsbefugt war der Verwaltungsgerichtshof im vorliegenden Verfahren ausschließlich im Hinblick auf die Parteistellung in einem Verfahren nach § 138 WRG 1959, da dies Gegenstand des angefochtenen Bescheides gewesen ist.
Daß die belangte Behörde in einem anderen Verfahren mit Bescheid vom 13. April 1992 aufgrund der Berufung von Frau H.B. den Spruchteil I des Bescheides des LH vom 4. Dezember 1991 gemäß § 66 Abs. 4 AVG insofern ergänzte, als als Rechtsgrundlage des Spruches § 17 AlSAG zusätzlich angeführt wurde, ist für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren belanglos, zumal der erstinstanzliche Bescheid nicht Prüfungsgegenstand vor dem Verwaltungsgerichtshof ist (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 1994, 92/07/0169).
Da der Beschwerdeführerin Parteistellung somit nicht zukam, erübrigt sich ein Eingehen auf die Beschwerdeausführungen, die die inhaltliche Gestaltung des Räumungsauftrages betreffen.
Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH AllgemeinMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONParteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger ZustellungBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung AnfechtungserklärungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1992070195.X00Im RIS seit
12.11.2001Zuletzt aktualisiert am
22.08.2010