Entscheidungsdatum
15.04.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W114 2287437-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Arabische Republik Syrien, vertreten durch das Land Steiermark, dieses vertreten durch die Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie, dieses vertreten durch die Rechtsabteilung der Caritas der Diözese Graz-Seckau, Caritas-Marianum, Mariengasse 24, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz vom 30.01.2024, Zl. 1325254903/222959859, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Bernhard DITZ über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Arabische Republik Syrien, vertreten durch das Land Steiermark, dieses vertreten durch die Stadt Graz, Amt für Jugend und Familie, dieses vertreten durch die Rechtsabteilung der Caritas der Diözese Graz-Seckau, Caritas-Marianum, Mariengasse 24, 8020 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz vom 30.01.2024, Zl. 1325254903/222959859, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.04.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. XXXX , geboren am XXXX , im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF, ein Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet in Österreich am 20.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.1. römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , im Weiteren: Beschwerdeführer oder BF, ein Staatsbürger der Arabischen Republik Syrien, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet in Österreich am 20.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. In der Erstbefragung am 21.09.2022 gab er an, syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem zu sein. Er sei am „24.06.2006“ in Syrien geboren. Einen Geburtsort nannte der BF nicht. Er habe drei Jahre lang eine Grundschule besucht und verfüge weder über eine Berufsausbildung, noch habe er in Syrien gearbeitet. Er sei mit seinen beiden Brüdern XXXX und XXXX nach Österreich gekommen.2. In der Erstbefragung am 21.09.2022 gab er an, syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und Moslem zu sein. Er sei am „24.06.2006“ in Syrien geboren. Einen Geburtsort nannte der BF nicht. Er habe drei Jahre lang eine Grundschule besucht und verfüge weder über eine Berufsausbildung, noch habe er in Syrien gearbeitet. Er sei mit seinen beiden Brüdern römisch XXXX und römisch XXXX nach Österreich gekommen.
Sein syrischer Wohnsitz befinde sich in „Rakka“. Er habe vor fünf Jahren beschlossen, Syrien zu verlassen und habe auch im Jahr 2017 Syrien verlassen. Er habe fünf Jahre in der Türkei gelebt.
Zu seinen Gründen, warum er Syrien verlassen habe, führte er aus, dass es in Syrien keine Sicherheit gebe und dass er Angst vor Armut und vor der Zukunft habe.
3. Die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, die offensichtlich mit den vom BF im Rahmen der Erstbefragung abgegebenen Antworten nicht zufrieden war, wandte sich am 31.10.022 im Asylverfahren in einer E-Mail an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und führte aus, dass „der Beschwerdeführer die Daten seiner Erstbefragung (im Protokoll) richtigstellen wolle. Er habe zudem Angst vor einer Zwangsrekrutierung. Er befürchte, wenn er sich bei der Rückkehr (nach Syrien) nicht ausweisen könne, sofort zwangsrekrutiert zu werden, spätestens aber, sobald er volljährig werde.“ Zusätzlich legte die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH nahezu unleserliche Kopien von Schriftstücken mit arabischen Schriftzeichen vor und behauptete, dass es sich dabei um folgende Dokumente handeln würde:
- „Auszug des Familienbuches (Seite des BF, eingescannt)
- Ausweis des Vaters des BF“.
4. Im weiteren Asylverfahren wurden beim BF sachverständig medizinische Untersuchungen zur Feststellung seines Alters durchgeführt. Ergebnis dieser sachverständig durchgeführten Alterfeststellung war ein fiktives Geburtsdatum des BF mit 08.07.2005, sodass davon auszugehen sei, dass der BF am 08.07.2023 18 Jahre alt werden würde.
5. Am 13.02.2023 wurde eine nicht datierte Vollmacht des Amtes für Jugend und Familie der Stadt Graz zu Gunsten der Rechtsberatung der Caritas der Diözese Graz-Seckau hinsichtlich der Vertretung des BF im Asyl- als auch in einem allfälligen Beschwerdeverfahren vor dem BVwG vorgelegt.
6. Am 22.11.2023 fand seine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt. Dabei wies sich der BF auch durch eine Kopie einer syrischen Geburtsurkunde aus. Aus dieser Kopie ergibt sich, dass er am XXXX im Dorf Al Raheyat (auch als Ar Ruhayyat bezeichnet) im Gouvernement Raqqa geboren worden sei. 6. Am 22.11.2023 fand seine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt. Dabei wies sich der BF auch durch eine Kopie einer syrischen Geburtsurkunde aus. Aus dieser Kopie ergibt sich, dass er am römisch XXXX im Dorf Al Raheyat (auch als Ar Ruhayyat bezeichnet) im Gouvernement Raqqa geboren worden sei.
Er habe Syrien im Jahr 2017 verlassen, als in seinem Herkunftsgebiet der Islamische Staat die Kontrolle ausgeübt habe. Er habe in Syrien nur drei Jahre lang und in der Türkei bis zur fünften Klasse eine Schule besucht. Er habe in der Türkei auch als Erntehelfer gearbeitet. Er habe in Begleitung seiner beiden älteren Brüder die Türkei verlassen und habe schlepperunterstützt Österreich erreicht.
Er sei ledig und habe in Syrien auch noch keinen Militärdienst absolviert. Befragt, warum er seinen Herkunftsstaat verlassen habe, gab er an, dass die Sicherheitslage in Syrien schlecht gewesen sei und er nicht mehr eine Schule habe besuchen können. Sein Vater sei gefragt worden, ob er einer Verheiratung seiner Töchter mit IS-Kämpfern zustimmen würde. Sein Vater habe Angst gehabt und sei daher mit der ganzen Familie in die Türkei geflüchtet. Da die Türken aber gegenüber Syrern „rassistisch“ seien, sei er auch aus der Türkei geflohen. Der Vater habe aber auch eine allfällige Abschiebung nach Syrien befürchtet. Er selbst habe keine sonstigen Fluchtgründe. Die allgemeine Lage sei schlecht gewesen. Er habe aber auch Angst seinen Militärdienst antreten zu müssen. Er wolle niemanden töten und auch selbst nicht getötet werden.
7. Am 12.12.2023 gab die Rechtsvertretung des BF eine Stellungnahme zu dieser Einvernahme ab.
8. Mit Bescheid des BFA vom 30.01.2024, Zl. 1325254903/222959859, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Arabische Republik Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).8. Mit Bescheid des BFA vom 30.01.2024, Zl. 1325254903/222959859, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.), gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer jedoch der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Arabische Republik Syrien zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.).
Begründend wurde im Wesentlichsten zusammenfassend in dieser Entscheidung ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Syrien mit 17 Jahren noch nicht im wehrpflichtigen Alter sei und daher auch keinen Militärdienst antreten müsse. Daher würde er zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das BFA auch nicht verfolgt werden. Sein syrisches Herkunftsgebiet stünde unter kurdischer Kontrolle. Es bestünde keine maßgebliche Gefahr, in seiner Heimatregion durch die syrische Regierung zwangsrekrutiert bzw. verfolgt zu werden. Es bestehe auch keine Gefahr, in Syrien von den Kurden zum verpflichtenden Wehrdienst eingezogen zu werden. Eine Verfolgung, insbesondere eine Verfolgung aufgrund eines sich aus der Genfer Flüchtlingskonvention ergebenden Konventionsgrundes habe der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen können.
Wann dieser Bescheid dem Beschwerdeführer bzw. seiner Rechtsvertretung zugestellt wurde, lässt sich aus den vom BFA vorgelegten Unterlagen des Verwaltungsverfahrens nicht zweifelsfrei entnehmen. Der Bescheid wurde mit 30.01.2024 datiert. Somit kommt als frühestmöglicher Zustellungszeitpunkt auch kein früheres Datum in Betracht. Da die verfahrensgegenständliche Beschwerde gegen diese Entscheidung mit Telefax am 26.02.2024 erhoben wurde, ist diese Beschwerde – unabhängig vom genauen Zeitpunkt der Zustellung des verfahrensgegenständlichen Bescheides an den BF bzw. an seine Rechtsvertretung – jedenfalls rechtzeitig.
9. Gegen die abweisende Entscheidung hinsichtlich der Gewährung des Status eines Asylberechtigten erhob der BF, vertreten durch das Land Steiermark, dieses vertreten durch, das Amt für Jugend und Familie der Stadt Graz, dieses vertreten durch die Rechtsabteilung der Caritas der Diözese Graz-Seckau, Caritas-Marianum, Mariengasse 24, 8020 Graz, mit Schriftsatz vom 26.02.2024 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
In dieser Beschwerde wird vorgebracht, dass der Beschwerdeführer aus dem unter kurdischer Kontrolle befindlichen Dorf Al Raheyat (auch als Ar Ruhayyat bekannt und bezeichnet) stamme, und dass er von Geburt an bis zu seiner Flucht dort gelebt habe. Seine Kernfamilie – abgesehen von seinen Brüdern, mit denen er bis nach Österreich gereist sei, befände sich immer noch in der Türkei.
Er sei aus Angst vor einer ihm drohenden Zwangsrekrutierung durch „die verschiedenen am Bürgerkrieg in Syrien partizipierenden Kräfte“ aus Syrien geflüchtet. Es sei dabei festzustellen, dass der BF offenkundig „die Position der Regierung im Bürgerkrieg“ ablehne. Er sei daher politisch oppositionell gesinnt.
Dem noch jugendlichen Minderjährigen sei eine entsprechende Reife hinsichtlich seiner Weigerung, an Kampfhandlungen teilzunehmen, zuzugestehen. Seine Ausreise aus Syrien beruhe nicht nur auf dem allgemeinen Wunsch, seine Lebensbedingungen zu verbessern, sondern insbesondere auch auf seiner bewussten Weigerung, am Bürgerkrieg in Syrien, egal auch auf wessen Seite, teilnehmen zu wollen. Schon in diesem Vorbringen des BF offenbare sich in Anbetracht der zu erwartenden Sanktionen somit auch der in der Judikatur des EuGH aufgegriffene Wertekonflikt mit den syrischen Behörden bzw. mit den in seiner Herkunftsregion die Macht innehabenden kurdischen Behörden. Der BF wäre daher in Syrien der konkreten Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung aufgrund seiner Weigerung, auf welcher Seite auch immer zu kämpfen, und aufgrund der daraus resultierenden, ihm zumindest unterstellten politischen Gesinnung, ausgesetzt. Dabei spiele insbesondere die Rekrutierung von Minderjährigen insbesondere im Kurdengebiet eine besondere Rolle. Es sei davon auszugehen, dass eine beharrliche Weigerung des BF, auf kurdischer Seite mitzukämpfen, auch im kurdisch kontrollierten Gebiet von den Autonomiebehörden zumindest als Ausdruck einer kurdisch-oppositionellen politischen Gesinnung betrachtet, und dem BF zumindest eine entsprechende politische Gesinnung unterstellt werden würde.
Dazu wird in der Beschwerde weiter ausgeführt, dass es das BFA unterlassen habe, sich eingehend und hinreichend detailliert mit der Situation in Syrien von wehrpflichtigen Männern und der Situation Minderjähriger, die zum Wehrdienst gezwungen werden würden, auseinanderzusetzen. Generell würden auch Flüchtlingen, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehren würden, und in Syrien deswegen als Verräter bezeichnet werden würden, in Syrien auch wegen ihrer politischen Gesinnung verfolgt werden. Zudem gehöre der Beschwerdeführer auch zur „sozialen Gruppe der von Zwangsrekrutierung bedrohten Jugendlichen“ bzw. zur sozialen Gruppe „der Familie“.
Der Beschwerdeführer müsste in Syrien seinen verpflichtenden Wehrdient ableisten. Bei einer Weigerung würde er eingesperrt und gefoltert werden. Auch UNHCR ginge davon aus, dass allen Wehrdienstverweigerern eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werde und dass ihnen daher der Status eines Asylberechtigten zu gewähren sei.
Zudem könne er Syrien legal und sicher nur über Grenzübergänge erreichen, die vom syrischen Regime kontrolliert werden würden. Daher würde er bereits bei einer Einreise in Syrien verhaftet und zwangsrekrutiert werden. Das BFA hätte bei einer Berücksichtigung des relevanten Länderinformationsmaterials zur Auffassung gelangen müssen, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine asylrelevante Verfolgung durch das syrische Assad-Regime, das syrische Assad-Militär als auch durch die Kurden bzw. kurdische Milizen drohe.
In dieser Beschwerde wurde auch ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung gestellt.
10. Die gegenständliche Beschwerde und die Unterlagen des Verwaltungsverfahrens wurden dem BVwG am 29.02.2024, mit Schreiben des BFA vom 27.02.2024, zur Entscheidung vorgelegt.
11. Mit der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.03.2024 zur GZ W114 2287437-1/3Z, wurde eine umfangreiche Liste von aktuellen Dokumenten, die damit in das verfahrensgegenständliche Beschwerdeverfahren eingebracht wurden, zum Parteiengehör übermittelt. In der Ladung wurde auch darauf hingewiesen, dass erforderlichenfalls diese Dokumente auch beim BVwG bezogen werden könnten. Das BFA und der vertretene BF verzichteten auf eine Zurverfügungstellung von einzelnen Dokumenten.
12. Am 14.03.2024 veröffentlichte die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl – noch vor der mündlichen Beschwerdeverhandlung bzw. vor Entscheidung durch das erkennende Gericht – mit seiner Version 10 ein neues Länderinformationsblatt zu Syrien.
Da nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte das BVwG bereits ab dem Tag der Veröffentlichung eines neuen Länderberichtes der Staatendokumentation bei einer Entscheidung durch das BVwG darauf Bezug zu nehmen sei, wurde diese Version 10 des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation am 15.03.2024 zu GZ. W114 2287437-1/4Z an die Parteien des Beschwerdeverfahrens gemäß § 45 Abs. 3 AVG zum Parteiengehör übermittelt und ersucht, allenfalls binnen einer Frist von 14 Tagen auch zu diesem Länderbericht ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten.Da nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte das BVwG bereits ab dem Tag der Veröffentlichung eines neuen Länderberichtes der Staatendokumentation bei einer Entscheidung durch das BVwG darauf Bezug zu nehmen sei, wurde diese Version 10 des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation am 15.03.2024 zu GZ. W114 2287437-1/4Z an die Parteien des Beschwerdeverfahrens gemäß Paragraph 45, Absatz 3, AVG zum Parteiengehör übermittelt und ersucht, allenfalls binnen einer Frist von 14 Tagen auch zu diesem Länderbericht ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten.
Innerhalb der offenen Frist langte im BVwG jedoch keine ergänzende Stellungnahme ein.
13. Am 27.03.2024 erschien eine weitere Version 11 des Länderinformationsblattes der BFA-Staatendokumentation zur Arabischen Republik Syrien, die sich von der Version 10 nur in einem einzigen Kapitel unterscheidet. Darauf wurde vom erkennenden Gericht in der mündlichen Beschwerdeverhandlung auch hingewiesen.
14. Weder das BFA noch der BF oder seine Rechtsvertretung haben vor der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 04.04.2024 zum vom BVwG ins Beschwerdeverfahren eingebrachten Länderinformationsmaterial eine Stellungnahme abgegeben.
15. Am 04.04.2024 fand in entschuldigter Abwesenheit eines Vertreters des BFA im BVwG eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, bei der der Beschwerdeführer hinsichtlich der Plausibilität und Nachvollziehbarkeit seiner von ihm behaupteten Fluchtgründe und einer allenfalls daraus sich ergebenden Verfolgungsgefahr befragt wurde.
In dieser Verhandlung gestand der Beschwerdeführer selbst zu, in seinem Heimatort Ar Ruhayyat aktuell nicht vom syrischen Regime verfolgt zu werden, zumal sich in seinem syrischen Herkunftsgebiet das syrische Regime nicht befinde und dort auch keine Kontrolle ausübe. Der BF verwies diesbezüglich auf die theoretische Möglichkeit, dass sich die Situation in seinem Herkunftsgebiet zukünftig ändern könnte.
Von einer mündlichen Verkündung des Erkenntnisses wurde Abstand genommen, jedoch die mündliche Verhandlung als auch das Ermittlungsverfahren für geschlossen erklärt.
II. Daraus ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht:römisch II. Daraus ergibt sich für das Bundesverwaltungsgericht:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des verfahrensgegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 20.09.2022, der diesbezüglichen Erstbefragung am 21.09.2022 und der Einvernahme des BF vor dem BFA am 22.11.2023, den vom BF vor dem BFA vorgelegten Kopien von syrischen Dokumenten, insbesonder einer Kopie einer syrischen Geburtsurkunde des BF, der Tatsache, dass die Angaben des BF im Wesentlichsten in den Asyl- bzw. Beschwerdeverfahren seiner beiden Brüder XXXX (BVwG-GZ: W114 2282523-1) und XXXX (BVwG-GZ: W114 2287467-1) bestätigt wurden, des angefochtenen Bescheides des BFA vom 30.01.2024, Zl. 1325254903/222959859, der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom 26.02.2024, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verfahrensunterlagen des BFA, einer Berücksichtigung folgender Dokumente, Berichte und Anfragenbeantwortungen:Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des verfahrensgegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 20.09.2022, der diesbezüglichen Erstbefragung am 21.09.2022 und der Einvernahme des BF vor dem BFA am 22.11.2023, den vom BF vor dem BFA vorgelegten Kopien von syrischen Dokumenten, insbesonder einer Kopie einer syrischen Geburtsurkunde des BF, der Tatsache, dass die Angaben des BF im Wesentlichsten in den Asyl- bzw. Beschwerdeverfahren seiner beiden Brüder römisch XXXX (BVwG-GZ: W114 2282523-1) und römisch XXXX (BVwG-GZ: W114 2287467-1) bestätigt wurden, des angefochtenen Bescheides des BFA vom 30.01.2024, Zl. 1325254903/222959859, der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom 26.02.2024, der Einsichtnahme in die Bezug habenden Verfahrensunterlagen des BFA, einer Berücksichtigung folgender Dokumente, Berichte und Anfragenbeantwortungen:
? UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der arabischen Republik Syrien fliehen vom März 2021;
? Accord-Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak vom 23.05.2022;
? Bericht des Danish Immigration Service – Country of origin information – Syria – Military recruitment in Hasakah Governorate vom Juni 2022;
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Fragen des BVwG zur Wehrpflicht in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung“ vom 14.10.2022;
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien „Fragen des BVwG zu Rückkehrern nach Syrien“ vom 14.10.2022;
? Accord-Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritikerinnen ermöglichen vom 24.08.2023;
? Anfragebeantwortung der Staatendokumentation hinsichtlich Fragen des BVwG zu Ein- und Durchreisebestimmungen für Syrer, Passieren von Grenzübergängen zu Syrien vom 24.10.2023;
? Themenbericht der BFA-Staatendokumentation - Syrien - Situation bei Grenzübertritten nach Syrien vom 25.10.2023;
? derzeit aktuellstes Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27.03.2024 (aus dem COI-CMS – Version 11) (LIB);
einer Einsichtnahme in das Strafregister des Beschwerdeführers und das Grundversorgungsregister und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der am 04.04.2024 im BVwG durchgeführten Beschwerdeverhandlung bzw. des persönlichen Eindruckes, den sich das erkennende Gericht in dieser mündlichen Verhandlung vom Beschwerdeführer verschaffen konnte, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer wurde am XXXX in Ar Ruhayyat im Gouvernement Raqqa in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er ist aktuell mit 17 Jahren noch minderjährig und wird bereits am 01.08.2024 18 Jahre alt, und damit volljährig. Er ist ledig und hat keine Kinder. Seine beiden Brüder XXXX und XXXX befinden sich ebenfalls in Österreich und verfügen in Österreich über den Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Heimatstaat die Arabische Republik Syrien. Seine Eltern und weitere Geschwister befinden sich in der Türkei. Der Beschwerdeführer wurde am römisch XXXX in Ar Ruhayyat im Gouvernement Raqqa in Syrien geboren. Er ist syrischer Staatsbürger, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Arabisch. Er ist aktuell mit 17 Jahren noch minderjährig und wird bereits am 01.08.2024 18 Jahre alt, und damit volljährig. Er ist ledig und hat keine Kinder. Seine beiden Brüder römisch XXXX und römisch XXXX befinden sich ebenfalls in Österreich und verfügen in Österreich über den Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Heimatstaat die Arabische Republik Syrien. Seine Eltern und weitere Geschwister befinden sich in der Türkei.
Der Beschwerdeführer selbst hat im Jahr 2017 sein Heimatland Syrien verlassen und reiste mit Teilen seiner Familie in die Türkei, wo er seine Schulbildung fortsetzte und auch als Erntehelfer tätig war. Im Jahr 2022 reiste er schlepperunterstützt in Begleitung seiner beiden Brüder XXXX und XXXX nach Österreich, wo er am 20.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.Der Beschwerdeführer selbst hat im Jahr 2017 sein Heimatland Syrien verlassen und reiste mit Teilen seiner Familie in die Türkei, wo er seine Schulbildung fortsetzte und auch als Erntehelfer tätig war. Im Jahr 2022 reiste er schlepperunterstützt in Begleitung seiner beiden Brüder römisch XXXX und römisch XXXX nach Österreich, wo er am 20.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des BFA vom 30.01.2024, Zl. 1325254903/222959859, in Bezug auf seinen Heimatstaat Arabische Republik Syrien der Status eines subsidiär Schutzberechtigten und eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Der BF verfügt damit aktuell jedenfalls bis zum 30.01.2025 eine Berechtigung sich im Staatsgebiet der Republik Österreich aufhalten zu dürfen.
Das syrische Dorf Ar Ruhayyat befindet sich ca. 20 km nördlich der Gouvernementshauptstadt Ar Raqqa im kurdisch kontrollierten Teil Nordsyriens. Ausgehend von einer Vereinbarung zwischen dem syrischen Assad-Regime und den Kurden können sich auch Soldaten des syrischen Assad-Regimes auf kurdisch kontrolliertem Gebiet aufhalten, ohne jedoch dort Verhaftungen von Personen, Rekrutierungen oder Zwangsrekrutierungen vorzunehmen.
Der vom syrischen Regime kontrollierte Flughafen Qamishli sowie die ebenfalls in Qamishli vom syrischen Assad-Regime kontrollierten Regime-Enklaven („Sicherheitsquadrate“) befinden sich in östlicher Richtung in einer Entfernung von ca. 220 km. Die vom syrischen Assad-Regime kontrollierten Enklaven in bzw. bei Al Hasaka befinden sich in einer Entfernung von ca. 170 km.
Der Beschwerdeführer ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er befindet sich bis zur Erreichung des 18. Lebensjahres am 01.08.2024 in staatlicher Obsorge. Er besucht aktuell weder eine Schule noch absolviert er eine Lehre oder ist berufstätig. Er trägt aktuell auch nicht zu seinen Lebenshaltungskosten bei. Er vermag eine sehr einfache Unterhaltung in deutscher Sprache zu führen und vermag sich auch in einer sehr einfachen Weise in der deutschen Sprache zu sprechen, ist jedoch, wenn er Deutsch spricht, wegen einer undeutlichen Aussprache nur schwer verständlich.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Beschwerdeführer hat Syrien zu einem Zeitpunkt verlassen, als er noch minderjährig und nicht wehrpflichtig war.
1.2.2. Der Beschwerdeführer hat in Syrien weder beim syrischen Assad-Militär noch bei kurdischen Milizen einen Wehrdienst abgeleistet. Er hat auch keinen Einberufungsbefehl erhalten.
1.2.3. In Syrien gilt für alle Männer im Alter von 18 bis 42 Jahren eine allgemeine Wehrpflicht beim syrischen Assad-Regime.
1.2.4. Das syrische Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers mit seinem syrischen Herkunftsort Ar Ruhayyat befindet sich unter kurdischer Kontrolle. Das syrische Assad-Regime bzw. das syrische Assad-Militär sind in der Regel im von kurdischen Milizen kontrolliertem Gebiet nicht in der Lage, dort wehrpflichtige Syrer zwangsweise zu rekrutieren. Der Beschwerdeführer würde daher bei einer allfälligen Rückkehr in sein syrisches Herkunftsgebiet mit seinem Herkunftsort Ar Ruhayyat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vom syrischen Assad-Regime oder vom syrischen Assad-Militär zwangsweise rekrutiert werden. Das syrische Assad-Regime bzw. das syrische Assad-Militär würden daher aktuell, bzw. auch im Rahmen einer anzustellenden Prognoseentscheidung, den Beschwerdeführer dort auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgen.
1.2.5. Im von kurdischen Milizen kontrollierten Gebiet Nord- bzw. Nordostsyriens, in dem sich auch das Herkunftsgebiet mit dem Herkunftsort Ar Ruhayyat des Beschwerdeführers befindet, unterliegen aktuell alle Männer im Alter von 18 bis 24 einer kurdischen Wehrpflicht, die von den Kurden selbst als Selbstverteidigungspflicht bezeichnet wird. Angesichts seines Alters unterliegt der 17jährige Beschwerdeführer damit aktuell auch nicht der im kurdisch kontrollierten Teil Syriens geltenden kurdischen Selbstverteidigungspflicht. Die Kurden würden den BF aktuell bei einer allfälligen Rückkehr in sein syrisches Herkunftsgebiet damit nicht im Zusammenhang mit der geltenden Selbstverteidigungspflicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgen.
1.2.6. Mit Erreichung seines 18. Lebensjahres am 01.08.2024 ist der Beschwerdeführer jedoch in seinem syrischen Herkunftsgebiet wehrpflichtig und würde dort im Falle eines dortigen Aufenthaltes zur kurdischen Selbstverteidigungspflicht eingezogen werden.
1.2.7. Es ist davon auszugehen, dass auch am 01.08.2024 für alle Männer im Alter von 18 bis 24 Jahren aus Rojava immer noch die Verpflichtung bestehen wird, die kurdische Selbstverteidigungspflicht zu erfüllen. Der BF wird ab 01.08.2024 daher voraussichtlich verpflichtet sein, die ihn dann treffende kurdische Selbstverteidigungspflicht bei einer Anwesenheit in seinem syrischen Herkunftsgebiet erfüllen zu müssen. Bei einer allfälligen Weigerung zur Absolvierung der kurdischen Selbstverteidigungspflicht könnte der Beschwerdeführer - vorausgesetzt er befindet sich dann überhaupt in seinem kurdisch kontrollierten syrischen Herkunftsgebiet - zwangsweise dazu verpflichtet werden, und in weiterer Folge bei einer allfälligen Weigerung deswegen auch verfolgt werden.
1.2.8. Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des BFA vom 30.01.2024, befristet auf ein Jahr der Status eines subsidiär Schutzberechtigten hinsichtlich seines Heimatstaates Arabische Republik Syrien erteilt. Diese einjährige Frist begann mit der Zustellung des BFA-Bescheides und endet frühestens am 30.01.2025.
Damit wird vom erkennenden Gericht auch bereits an dieser Stelle hingewiesen, dass damit auszuschließen ist, dass der Beschwerdeführer selbst als Minderjähriger in Syrien einer Rekrutierung durch eine bewaffnete Gruppierung des syrischen Bürgerkrieges ausgesetzt ist. Solange der Beschwerdeführer noch minderjährig sein wird, wird er sich – entsprechend seines Aufenthaltsstatuses als subsidiär Schutzberechtigter – vermutlich in Österreich, jedenfalls jedoch nicht in der Arabischen Republik Syrien aufhalten. Die Problematik einer allfälligen Zwangsrekrutierung von Minderjährigen stellt sich damit in der gegenständlichen Angelegenheit lediglich als rechtstheoretische Frage ohne jeglichen auch nur ansatzweise praktischen Bezug. Die Frage, ob dem Beschwerdeführer aktuell bzw. bis zum 01.08.2024 als Minderjährigem in Syrien eine Verfolgung wegen einer allfälligen Rekrutierung oder einer Zwangsrekrutierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohen könnte, ist jedenfalls mit einem klaren Nein zu beantworten.
1.2.9. Ob die Umstände in Syrien, weswegen dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigtem erteilt wurde, sich bis zum Zeitpunkt, an dem seine ihm befristet erteilte Aufenthaltsberechtigung in Österreich ausläuft, so weit verbessert haben werden, dass dem Beschwerdeführer deswegen der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr zu verlängern sein wird, und eine entsprechende Aufenthaltsberechtigung in Österreich damit endet, kann aus heutiger Sicht allenfalls nur vermutet werden.
Angesichts der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass der Status als subsidiär Schutzberechtigter dem Beschwerdeführer nicht verlängert wird, hat sich das erkennende Gericht daher auch die Fragen zu stellen, ob die festgestellte mögliche Verfolgungsgefahr (durch Kurden infolge einer allenfalls verweigerten Selbstverteidigungspflicht) dann in einem solchen Fall mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, bzw., ob – falls eine solche Verfolgungsgefahr auch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht – diese Verfolgungsgefahr in Zusammenhang mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Konventionsgrund steht.
1.2.10. Diesbezüglich gelangt das erkennende Gericht zur Auffassung, dass die oben festgestellte mögliche Verfolgungsgefahr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit besteht, zumal der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht glaubhaft gemacht hat, dass er im Falle einer Rückkehr in sein syrisches Herkunftsgebiet bei den Kurden eine Ableistung seines Wehrdienstes im Rahmen der kurdischen Selbstverteidigungspflicht auch tatsächlich verweigern würde. Der BF hat lediglich behauptet, dass er die kurdische Selbstverteidigungspflicht verweigern würde. Der Beschwerdeführer vermochte diese Behauptung jedoch weder entsprechend verbal glaubhaft darzulegen, noch auf sonstige Weise so zu untermauern, dass das erkennende Gericht dieser Behauptung Glauben schenkt.
1.2.11. Exkurs: Die syrische Selbstverteidigungspflicht:
Im Zuge des in Syrien herrschenden Bürgerkrieges hat sich das syrische Assad-Regime aus mehreren Teilen Syriens zurückgezogen und kurdische Einheiten haben in einem dieser Teile, der von den Kurden auch als „Rojava“ bezeichnet wird, die politische, verwaltungsmäßige und auch militärische Kontrolle übernommen. Auch das Herkunftsgebiet des Beschwerdeführers rund um den syrischen Ort Ar Ruhayyat gehört zu diesem Teil Syriens.
Rojava, ist eine de facto autonome Region im Nordosten Syriens, die aus selbstverwalteten Unterregionen in den Gebieten Afrin, Dschazira, Euphrat, Raqqa, Tabaqah, Manbij und Deir Ez-Zor besteht. Die Region erlangte ihre de-facto-Autonomie im Jahr 2012 im Kontext des anhaltenden Rojava-Konflikts und des umfassenderen syrischen Bürgerkriegs, an dem ihre offiziellen Streitkräfte, die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), teilgenommen haben.
Das syrische Assad-Regime hat die Auonomie von Rojava nicht offiziell anerkannt und seinen eigenen Anspruch auf Ausübung der vollen Staatsgewalt auch in Rojava nicht offiziell aufgegeben. De facto besteht jedoch eine Vereinbarung zwischen dem syrischen Assad-Regime mit den Kurden, dass das syrische Assad-Regime in Rojava die Staatsgewalt nicht ausübt und in der Regel weder dort befindliche wehrpflichtige Syrer zwangsweise rekrutiert, noch dort befindliche Deserteure des Assad-Militärs festnimmt bzw. verhaftet. Damit sind wehrpflichtige Syrer in Rojava in der Regel vor einer Verfolgung durch das Assad-Militär oder Behörden des Assad-Regimes wegen einer zwangsweisen Rekrutierung zum syrischen Assad-Militär oder wegen einer allfälligen Desertion vom syrischen Assad-Militär weitgehend sicher.
Die kurdische Selbstverteidigungspflicht ist die von den Kurden selbst verordnete Verpflichtung zur Absolvierung einer einjährigen kurdischen Wehrpflicht. Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur Selbstverteidigungspflicht, das den verpflichtenden Militärdienst regelt. Am 04.09.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren beschränkt. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur Selbstverteidigungspflicht eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert.
Das Gesetz zur „Selbstverteidigungspflicht“ stößt insbesondere bei vielen jungen Männern, welche die vom Regime kontrollierten Gebiete verlassen hatten, um diesem Militärdienst zu entgehen, auf Ablehnung. Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zor und Raqqa Proteste ausgelöst. Am 01.06.2021 wurden in Manbij ca. 10 Personen bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 02.06.2021 einigten sich die SDF, der Militärrat von Manbij und der Zivilrat von Manbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Einigung resultierte nach einer Rekrutierungspause in der Herabsetzung des Alterskriteriums auf 18 bis 24 Jahre, was später auf die anderen Gebiete ausgeweitet wurde. Im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird.
Was den Zwangsbeitritt zur kurdischen Selbstverteidigungspflicht betrifft, gibt es aufgrund des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht offiziell eine Gleichbehandlung; Araber, die sich dem Dienst in den Selbstverteidigungskräften entziehen, werden jedoch nicht im gleichen Ausmaß zum Beitritt gezwungen, wie Kurden. In der AANES zeigt man gegenüber Arabern mehr Flexibilität, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer haben lokal die Macht und können für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir ez-Zor haben die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz Hasaka durchzusetzen.
Die Absolventen der Selbstverteidigungspflicht werden nicht Mitglieder der kämpfenden Truppe kurdischer Einheiten. Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die kämpfenden SDF erfolgt dagegen freiwillig.
Die Selbstverteidigungskräfte werden im Allgemeinen nicht in kurdischen Kampfhandlungen eingesetzt. Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der Selbsverteidigungspflicht erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in Al Hasaka, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten nur bei Bedarf im Konfliktfall an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa. Gerade in den letzten Jahren, nachdem die SDF offiziell bekanntgegeben hat, dass der IS besiegt wurde, gibt es keine Kampfhandlungen mehr, bei denen Absolventen im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an militärischen Auseinandersetzungen an einer nicht mehr vorhandenen Front eingesetzt wurden.
Es gibt keine Berichte, wonach es durch Absolventen der syrischen Selbstverteidigungspflicht zu Übergriffen auf Zivilisten gekommen ist. Nicht-kurdische ethnische Minderheiten werden während ihres Dienstes im Rahmen der kurdischen Selbstverteidigungspflicht nicht diskriminiert.
Verweigerer der kurdischen Selbstverteidigungspflicht und Deserteure des obligatorischen Selbstverteidigungsdienstes werden - manchmal nach einer kurzen Inhaftierung - wieder in den Dienst zurückgeschickt. Es gibt keine Berichte über Misshandlungen während der Inhaftierung. Je nach den Umständen der Desertion können Deserteure strafrechtlich verfolgt werden. Flucht und Desertion haben für die Familien der Deserteure keine anderen Folgen als eine mögliche Befragung. Eine Verweigerung der kurdischen Selbstverteidigungspflicht wird auch von der kurdischen Autonomiebehörde nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung gesehen. Konsequenz einer Desertion kann eine Verlängerung des Militärdienstes um einige Wochen sein.
1.2.12. Der Beschwerdeführer lehnt einen Einsatz im Rahmen der kurdischen Selbstverteidigungspflicht ab, ohne jedoch auch nur geringe Kenntnisse über die kurdische Selbstverteidigungspflicht, insbesondere was den Einsatz und die Aufgaben im Rahmen der kurdischen Selbstverteidigungspflicht und die politischen Hintergründe betrifft, zu haben.
Der Beschwerdeführer hat kein Wissen über das politische Geschehen in Syrien bzw. über politische und militärische Auseinandersetzungen, in die kurdische Milizen in Syrien aktuell verstrickt sind.
1.2.13. Abgesehen davon, dass das erkennende Gericht auch im Rahmen einer Prognoseentscheidung keine dem BF drohende Verfolgungsgefahr zu erkennen bzw. festzustellen vermag, liegt nach Auffassung des erkennenden Gerichtes auch ein Zusammenhang mit einem in der Genfer Flüchtlingskonvention enthaltenen Konventionsgrund nicht vor.
1.2.14. Für das erkennende Gericht ist auch nicht nachvollziehbar bzw. erkennbar, warum der BF wegen „seiner politische Gesinnung“ oder auch wegen einer allfälligen unterstellten politischen Gesinnung von irgend jemandem bei einer allfälligen Rückkehr in sein syrisches Herkunftsgebiet verfolgt werden würde.
1.2.15. Auch ist dem erkennenden Gericht unter Berücksichtigung der sich aus Art. 10 Abs. 1 lit. d der Richtlinie 2011/95/EU ergebenden Definition zur sozialen Gruppe nicht erschließbar, dass eine „sozialen Gruppe der von Zwangsbedrohung bedrohten Jugendlichen“ überhaupt bestehen kann, bzw. der BF einer solchen sozialen Gruppe überhaupt auch angehört.1.2.15. Auch ist dem erkennenden Gericht unter Berücksichtigung der sich aus Artikel 10, Absatz eins, Litera d, der Richtlinie 2011/95/EU ergebenden Definition zur sozialen Gruppe nicht erschließbar, dass eine „sozialen Gruppe der von Zwangsbedrohung bedrohten Jugendlichen“ überhaupt bestehen kann, bzw. der BF einer solchen sozialen Gruppe überhaupt auch angehört.
1.2.16. Dem BF drohen wegen seiner Herkunft aus einem oppositionell kontrollierten Gebiet, seiner Ausreise und Asylantragstellung in Österreich keine psychischen oder physischen Eingriffe in seine körperliche Integrität in Syrien. Der Beschwerdeführer hat eine diesbezüglich aufgestellte Behauptung nicht glaubhaft gemacht.
1.2.17. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass speziell er selbst bei einer allfälligen Rückkehr in sein syrisches Herkunftsgebiet mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vom Islamischen Staat (IS) verfolgt werden würde.
1.2.18. Dem BF droht in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung auf Grund seiner ethnischen der religiösen Zugehörigkeit, wegen seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung.
1.2.19. Der Beschwerdeführer kann seinen syrischen Herkunftsort erreichen, ohne ein Gebiet durchqueren zu müssen, welches unter Kontrolle des syrischen Regimes steht. Er könnte entweder gänzlich über den Landweg von Österreich aus oder auch auf dem Luftweg und dann weiter auf dem Landweg seinen syrischen Herkunftsort Ar Ruhayyat erreichen, ohne dabei der Gefahr ausgesetzt zu sein, vom syrischen Assad-Regime oder dem syrischen Assad-Militär zwangsweise rekrutiert zu werden. Eine Einreise nach Syrien ist für den Beschwerdeführer sowohl über immer wieder auch für Personenübertritte geöffnete Grenzübergänge zwischen der Türkei und Syrien als auch über den geöffneten Grenzübergang Semalka/Fayes Khabour zwischen Kurdisch-Irak und Syrien, die nicht vom syrischen Assad-Regime kontrolliert werden, möglich. Eine Weiterreise in sein syrisches Herkunftsgebiet würde auf dem Straßennetz auf syrischem Gebiet erfolgen, das nicht vom syrischen Assad-Regime kontrolliert wird, und wo nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass das syrische Regime bzw. das syrische Militär dort Zwangsrekrutierungen vornehmen.
1.2.20. Nicht festgestellt werden kann, ob das syrische Assad-Regime überhaupt Kenntnis davon hat, dass der Beschwerdeführer sich nicht mehr in Syrien befindet. Es kann vom erkennenden Gericht auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer, weil er Syrien verlassen hat und weil er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, bei einer allfälligen Rückkehr nach Ar Ruhayyat, das – wie bereits ausgeführt - auch aktuell unter kurdischer Kontrolle steht, vom Assad-Regimes oder von Kurden oder sonstigen Personen in Syrien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus politischen Gründen, oder aus einem sonstigen in der GFK genannten Konventionsgrund verfolgt werden würde. Eine Verfolgung des BF in Ar Ruhayyat durch syrische Assad-Kräfte infolge einer ihm allenfalls unterstellten politischen Gesinnung ist auch deswegen auszuschließen, weil – wie bereits dargelegt – das syrische Assad-Regime in Ar Ruhayyat keinen Zugriff auf die dortige Administration bzw. keinen Zugriff auf dort befindliche Personen hat.
1.3. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 27.03.2024:
„[…]
Politische Lage:
Letzte Änderung 2024-03-08 10:59
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018).
Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.08.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint d