Entscheidungsdatum
29.04.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W200 2282586-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ulrike SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg vom 13.11.2023, Zl. 1331615101/223457325, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.02.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Ulrike SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg vom 13.11.2023, Zl. 1331615101/223457325, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.02.2024, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger, reiste illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 31.10.2022 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei seiner Erstbefragung am gleichen Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch an, dass er in Ain Alarab in Syrien geboren worden und Muslim sei. Er gehöre der Volksgruppe der Kurden an und seine Muttersprache sei Arabisch. Er habe in Syrien die Grundschule besucht, eine Berufsausbildung als Friseur erhalten und sei zuletzt als solcher auch tätig gewesen. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe einen Sohn, welcher in Syrien leben würde. Sein Vater sei verstorben. Die Mutter, fünf Brüder sowie eine Schwester des Beschwerdeführers würden in Syrien leben. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass er Syrien wegen dem Krieg und Hunger verlassen habe. Bei einer Rückkehr in seine Heimat müsste er dort Militärdienst leisten. Die Frage nach konkreten Hinweisen, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würden oder er mit irgendwelchen Sanktionen in seinem Heimatstaat zu rechnen hätte, verneinte der Beschwerdeführer.
Am 03.10.2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion Salzburg, Außenstelle Salzburg, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch Kirmanci (Kurmanji) einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen an, dass er keine Medikamente einnehme und nicht in ärztlicher Behandlung sei. Er gehöre der Volksgruppe der Kurden an und sei Muslim. Der Beschwerdeführer habe immer in Ain alarab (auch Kobani oder Kobane) gelebt. Nachdem Daesh das Gebiet übernommen habe, sei er einmal für sechs Monate in der Türkei gewesen, danach jedoch wieder zurückgekehrt. Die Ehefrau und der Sohn des Beschwerdeführers befänden sich im Irak, bei ihrer Familie in Kurdistan. Seine Brüder seien noch in Syrien. Ein Bruder und zwei Schwestern würden hier leben. Eine Schwester lebe in Deutschland, die andere in Schweden. Sein Bruder lebe in Österreich. Der Vater sei verstorben. Die Mutter lebe noch in Syrien. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte der Beschwerdeführer aus, dass in Kobani Krieg herrsche. Viele Milizen, türkische Einheiten und die Regierung würden dort gegeneinander kämpfen. Es gäbe ständig Bombenanschläge und Raketenangriffe. Die Regierung kontrolliere die Stadt und der Beschwerdeführer werde wegen dem Militärdienst gesucht. Auch die PKK wolle, dass er eine Waffe trage und mitkämpfe. Der Beschwerdeführer sei ein friedlicher Mensch und wolle auf keinem Fall kämpfen. Das Leben gehe dort nicht mehr weiter. Es gäbe ständig Nachrichten über das Gebiet und was dort passiere. Der Beschwerdeführer werde wegen dem Militärdienst gesucht. Es sei bekannt, dass wenn man bei einem Kontrollpunkt festgenommen werde, man zum Militär gebracht werden würde. In den letzten 11 Jahren sei er wegen dem Militärdienst von den Kurden Personenkontrollen unterzogen und immer freigelassen worden. Sein Bruder sei bereits im Militärdienst gewesen und es dürften nicht zwei Brüder gleichzeitig Militärdienst leisten. Man könne keine Kontrollpunkte passieren. Die Regierung sei erst seit 2019 in ihrem Gebiet, davor habe sie keine Einberufungsbefehle erteilen können. Bei den Kurden sei es so, dass sie Kontrollpunkte hätten. Wenn man festgenommen werde, werde man zum Militär gebracht. Bei ihnen gäbe es keine Einberufungsbefehle, man werde bei Kontrollpunkten oder Razzien festgenommen. Die Anhaltung des Beschwerdeführers, während sein Bruder Militärdienst geleistet habe, habe sich 2019 oder 2020 ereignet. Die Regierung und die Kurden hätten immer wieder Razzien durchgeführt, sie kämen nicht persönlich zu den einzelnen Personen. Sie würden niemanden zu den Adressen schicken. Der Beschwerdeführer sei im Herkunftsstaat oder in einem anderen Land nicht vorbestraft. Er habe keine sonstigen persönlichen Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei im Herkunftsstaat gehabt und sei nicht politisch tätig, Mitglied einer politischen Partei oder Gruppierung gewesen.
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 13.11.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ihm wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer Syrien aufgrund des anhaltenden Bürgerkriegs und der daraus resultierenden allgemeinen sozioökonomischen Lage verlassen habe. Ihm drohe nicht die Einberufung / (zwangsweise) Einziehung in den Militärdienst der Regierung und keine Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung durch die syrische Regierung. Es könne nicht festgestellt werden, dass er von der syrischen Regierung wegen der Militärdienstleistung bzw. wegen Wehrdienstverweigerung gesucht werden würde. Der Beschwerdeführer sei nicht bedroht, von der syrischen Regierung als Oppositioneller / (politischer) Gegner angesehen zu werden. Ihm drohe nicht die zwangsweise Rekrutierung durch eine andere Partei / durch einen anderen Akteur (etwa durch die Freie syrische Armee oder kurdische Milizen) und er laufe nicht Gefahr, von diesen verfolgt zu werden. Der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatstaat nicht politisch oder parteipolitisch tätig gewesen und auch nicht wegen seiner politischen Ansichten verfolgt worden. Er habe das Vorliegen jeglicher möglicher Fluchtgründe, welche in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführt seien, ausdrücklich verneint. Sein Fluchtvorbringen habe zwischen der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme erhebliche Modifikation erfahren. Während der Erstbefragung habe er primär angegeben, dass der Syrien aufgrund des Krieges verlassen habe müssen und er bei einer Rückkehr fürchte Militärdienst leisten zu müssen. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme beim BFA habe er zuerst behauptet, dass die syrische Regierung nach ihm fahnden würde und später habe er angegeben, dass er bei kurdischen Miliz-Einheiten einen „Militärdienst“ leisten müsste. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer niemals einen Einberufungsbefehl erhalten habe. Hervorzuheben sei, dass er nach seinen Angaben im Jahr 2014 in die Türkei gezogen sei und nach sechs Monaten wieder freiwillig seinen Wohnsitz nach Syrien verlegt habe. Seine Familie inklusive insgesamt zehn Brüder und Halbbrüder würden in Kobani, sein Ehefrau und der gemeinsame Sohn würden im Irak unbehelligt leben. Der Beschwerdeführer habe kein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft machen können. Es hätten sich im Verfahren keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft ergeben. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung landesweit ausgesetzt wäre. Dem Beschwerdeführer werde aufgrund der Sicherheitslage im Herkunftsstaat Syrien und somit der bestehenden Gefahr, dass er bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Lage geraten könnte, subsidiärer Schutz gewährt. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 13.11.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Ihm wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer Syrien aufgrund des anhaltenden Bürgerkriegs und der daraus resultierenden allgemeinen sozioökonomischen Lage verlassen habe. Ihm drohe nicht die Einberufung / (zwangsweise) Einziehung in den Militärdienst der Regierung und keine Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung durch die syrische Regierung. Es könne nicht festgestellt werden, dass er von der syrischen Regierung wegen der Militärdienstleistung bzw. wegen Wehrdienstverweigerung gesucht werden würde. Der Beschwerdeführer sei nicht bedroht, von der syrischen Regierung als Oppositioneller / (politischer) Gegner angesehen zu werden. Ihm drohe nicht die zwangsweise Rekrutierung durch eine andere Partei / durch einen anderen Akteur (etwa durch die Freie syrische Armee oder kurdische Milizen) und er laufe nicht Gefahr, von diesen verfolgt zu werden. Der Beschwerdeführer sei in seinem Heimatstaat nicht politisch oder parteipolitisch tätig gewesen und auch nicht wegen seiner politischen Ansichten verfolgt worden. Er habe das Vorliegen jeglicher möglicher Fluchtgründe, welche in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführt seien, ausdrücklich verneint. Sein Fluchtvorbringen habe zwischen der Erstbefragung und der niederschriftlichen Einvernahme erhebliche Modifikation erfahren. Während der Erstbefragung habe er primär angegeben, dass der Syrien aufgrund des Krieges verlassen habe müssen und er bei einer Rückkehr fürchte Militärdienst leisten zu müssen. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme beim BFA habe er zuerst behauptet, dass die syrische Regierung nach ihm fahnden würde und später habe er angegeben, dass er bei kurdischen Miliz-Einheiten einen „Militärdienst“ leisten müsste. Es stehe fest, dass der Beschwerdeführer niemals einen Einberufungsbefehl erhalten habe. Hervorzuheben sei, dass er nach seinen Angaben im Jahr 2014 in die Türkei gezogen sei und nach sechs Monaten wieder freiwillig seinen Wohnsitz nach Syrien verlegt habe. Seine Familie inklusive insgesamt zehn Brüder und Halbbrüder würden in Kobani, sein Ehefrau und der gemeinsame Sohn würden im Irak unbehelligt leben. Der Beschwerdeführer habe kein asylrelevantes Vorbringen glaubhaft machen können. Es hätten sich im Verfahren keine begründeten Hinweise auf eine Flüchtlingseigenschaft ergeben. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung landesweit ausgesetzt wäre. Dem Beschwerdeführer werde aufgrund der Sicherheitslage im Herkunftsstaat Syrien und somit der bestehenden Gefahr, dass er bei einer Rückkehr in eine aussichtslose Lage geraten könnte, subsidiärer Schutz gewährt.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter am 1.12.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer ein syrischer Mann im wehrdienstfähigen Alter sei, er keinen gültigen Aufschub für den Wehrdienst habe und diesen noch nicht abgeleistet habe. Er sei somit in Syrien wehrpflichtig, weigere sich allerdings für das syrische Regime zu kämpfen und den Wehrdienst abzuleisten. Der Beschwerdeführer wolle nicht an Kampfhandlungen teilnehmen und niemanden töten. Er sei somit ein Wehrdienstverweigerer. Wehrdienstverweigerern würde in Syrien regelmäßig eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden und sie würden aufgrund dieser durch die syrische Regierung verfolgt werden. Der Beschwerdeführer fürchte bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien durch die syrische Regierung für den Wehrdienst zwangsrekrutiert oder direkt festgenommen und getötet zu werden. Er sei illegal aus Syrien ausgereist, habe einen Asylantrag im Ausland gestellt und stammt aus einem von der Opposition kontrollierten Gebiet Syriens. All diese Fakten könnten eigenständig zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung und einer Verfolgung aus dem jeweiligen Grund führen. In Kumulation insbesondere mit der Wehrdienstverweigerung sei eine asylrelevante Verfolgung aus dem Grund der politischen Gesinnung durch die syrische Regierung geradezu garantiert. Die Regierung habe auch eine Präsenz in der Heimatregion des Beschwerdeführers. Er wäre bei einer Rückkehr akut gefährdet wegen seiner bisherigen Wehrdienstverweigerung verfolgt oder von der Regierung für den Wehrdienst zwangsrekrutiert zu werden. In der Heimatregion des Beschwerdeführers hätten kurdische Milizen die Kontrolle. Er würde bei einer Rückkehr in seine Heimatregion von diesen für den Selbstverteidigungsdienst einberufen werden. Der Beschwerdeführer verweigere es diesen abzuleisten. Er wolle für keine der Parteien im syrischen Bürgerkrieg kämpfen, da er niemanden töten wolle. Von Seiten der kurdischen Milizen würde daher asylrelevante Verfolgung drohen, da diese eine Weigerung mit ihnen zu kämpfen ebenfalls als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung sehen würden. Bisher sei keine Zwangsrekrutierung erfolgt, da bei den bisherigen Malen, bei denen der Beschwerdeführer angehalten worden sei, immer einer seiner Brüder für den Militärdienst bei den kurdischen Milizen in Verwendung gewesen sei und nicht zwei Brüder gleichzeitig rekrutiert werden würden. Dies sei nicht mehr der Fall. Der Beschwerdeführer sei einer Reflexverfolgung sowie auch „Sippenhaft“ seitens der syrischen Regierung ausgesetzt. Er habe familiäre Verbindungen zu Personen, die für die kurdischen Milizen gekämpft hätten, was ebenfalls zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung führen könne. Im Zuge der Beschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter am 1.12.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer ein syrischer Mann im wehrdienstfähigen Alter sei, er keinen gültigen Aufschub für den Wehrdienst habe und diesen noch nicht abgeleistet habe. Er sei somit in Syrien wehrpflichtig, weigere sich allerdings für das syrische Regime zu kämpfen und den Wehrdienst abzuleisten. Der Beschwerdeführer wolle nicht an Kampfhandlungen teilnehmen und niemanden töten. Er sei somit ein Wehrdienstverweigerer. Wehrdienstverweigerern würde in Syrien regelmäßig eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werden und sie würden aufgrund dieser durch die syrische Regierung verfolgt werden. Der Beschwerdeführer fürchte bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien durch die syrische Regierung für den Wehrdienst zwangsrekrutiert oder direkt festgenommen und getötet zu werden. Er sei illegal aus Syrien ausgereist, habe einen Asylantrag im Ausland gestellt und stammt aus einem von der Opposition kontrollierten Gebiet Syriens. All diese Fakten könnten eigenständig zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung und einer Verfolgung aus dem jeweiligen Grund führen. In Kumulation insbesondere mit der Wehrdienstverweigerung sei eine asylrelevante Verfolgung aus dem Grund der politischen Gesinnung durch die syrische Regierung geradezu garantiert. Die Regierung habe auch eine Präsenz in der Heimatregion des Beschwerdeführers. Er wäre bei einer Rückkehr akut gefährdet wegen seiner bisherigen Wehrdienstverweigerung verfolgt oder von der Regierung für den Wehrdienst zwangsrekrutiert zu werden. In der Heimatregion des Beschwerdeführers hätten kurdische Milizen die Kontrolle. Er würde bei einer Rückkehr in seine Heimatregion von diesen für den Selbstverteidigungsdienst einberufen werden. Der Beschwerdeführer verweigere es diesen abzuleisten. Er wolle für keine der Parteien im syrischen Bürgerkrieg kämpfen, da er niemanden töten wolle. Von Seiten der kurdischen Milizen würde daher asylrelevante Verfolgung drohen, da diese eine Weigerung mit ihnen zu kämpfen ebenfalls als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung sehen würden. Bisher sei keine Zwangsrekrutierung erfolgt, da bei den bisherigen Malen, bei denen der Beschwerdeführer angehalten worden sei, immer einer seiner Brüder für den Militärdienst bei den kurdischen Milizen in Verwendung gewesen sei und nicht zwei Brüder gleichzeitig rekrutiert werden würden. Dies sei nicht mehr der Fall. Der Beschwerdeführer sei einer Reflexverfolgung sowie auch „Sippenhaft“ seitens der syrischen Regierung ausgesetzt. Er habe familiäre Verbindungen zu Personen, die für die kurdischen Milizen gekämpft hätten, was ebenfalls zur Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung führen könne. Im Zuge der Beschwerde wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 11.12.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 28.02.2024 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Kurdisch zu seinen persönlichen Umständen, seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt.
Mit Parteiengehör vom 18.03.2024 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht ergänzend das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Version 10 vom 14.03.2024 in das Verfahren einbringt und eine allfällige Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens beim Bundesverwaltungsgericht einlangend schriftlich einzubringen ist. Mit Stellungnahme vom 02.04.2024 wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer die Bezahlung einer Befreiungsgebühr betreffend den Militärdienst ablehne, da sie keine Sicherheit biete nicht dennoch eingezogen zu werden. Er wolle auch das verbrecherische Assad-Regime nicht unterstützen. Der Beschwerdeführer müsste vor seiner Rückkehr das Wehrersatzgeld bezahlen, weil die Freikaufsoption in Syrien nicht mehr offen stünde. Fest stehe, dass er eine Befreiungsgebühr nicht geleistet habe. Der Beschwerdeführer müsse in Folge seiner illegalen Ausreise in einem langwierigen Prozess eine individuelle Statusbereinigung beantragen. Ob diesem Antrag überhaupt stattgegeben werden würde, stehe auf Basis der Berichtslage keineswegs fest. Die optionale Zahlung des Wehrersatzgeldes sei keine alternative Möglichkeit, um dem Wehrdienst mit der ausreichenden Sicherheit zu entgehen. Auch wäre der Beschwerdeführer bei Rückkehr nicht vor Repressionsmaßnahmen sicher. Die Ablehnung der Leistung des Wehrdienstes basiere auf politischen Gründen. Festgehalten werde, dass auch die aktuellen Länderberichte belegen würden, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Syrien asylrechtlich relevante Verfolgung aufgrund einer ihm zugeschriebenen oppositionellen politischen Gesinnung durch das Regime drohe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zum islamischen Glauben. Er wurde am XXXX in Ain al-Arab (auch Kobane) im Gouvernement Aleppo geboren und ist zum Entscheidungszeitpunkt 30 Jahre alt. Seine Muttersprache ist Kurdisch Kurmanji (Nordkurdisch). Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Kurden an und bekennt sich zum islamischen Glauben. Er wurde am römisch XXXX in Ain al-Arab (auch Kobane) im Gouvernement Aleppo geboren und ist zum Entscheidungszeitpunkt 30 Jahre alt. Seine Muttersprache ist Kurdisch Kurmanji (Nordkurdisch).
Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Beschwerdeführer hat elf Brüder und Halbbrüder sowie sieben Schwestern und Halbschwestern. Von ihnen befindet sich ein Halbbruder, dem der Status eines Asylberechtigten zuerkannt wurde, in Österreich und jeweils eine Schwester in Deutschland und Schweden. Die Mutter des Beschwerdeführers und seine übrigen Geschwister sind weiterhin in Ain al-Arab aufhältig.
Der Beschwerdeführer ist mit XXXX (geb. XXXX ) verheiratet und hat mit ihr einen Sohn. Seine Ehefrau lebt gemeinsam mit dem Sohn bei ihrer Familie im kurdischen Teil des Irak (Autonome Region Kurdistan). Der Beschwerdeführer ist mit römisch XXXX (geb. römisch XXXX ) verheiratet und hat mit ihr einen Sohn. Seine Ehefrau lebt gemeinsam mit dem Sohn bei ihrer Familie im kurdischen Teil des Irak (Autonome Region Kurdistan).
Der Beschwerdeführer besuchte bis zum 13./14. Lebensjahr die Schule in Syrien. Anschließend war er als Friseur berufstätig.
Sein Herkunftsgebiet ist die Stadt Ain al-Arab (auch Kobane) im Gouvernement Aleppo. Diese befindet sich aktuell unter Kontrolle kurdischer Kräfte.
Der Beschwerdeführer wohnte bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2022 in seinem Geburtsort Ain al-Arab. Aufgrund der Machtergreifung des Islamischen Staates (IS oder auch Daesh) im Jahr 2014 war er zwischenzeitlich für einen Zeitraum von sechs Monaten in der Türkei aufhältig. Infolge des Einmarsches türkischer Truppen befand sich der Beschwerdeführer im Jahr 2019 für eine Woche in XXXX (auch XXXX ) im Gouvernement ar-Raqqa. Am 22.09.2022 verließ der Beschwerdeführer Syrien schließlich in die Türkei und reiste über Bulgarien und weitere (unbekannte) Länder unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 31.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.Der Beschwerdeführer wohnte bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Jahr 2022 in seinem Geburtsort Ain al-Arab. Aufgrund der Machtergreifung des Islamischen Staates (IS oder auch Daesh) im Jahr 2014 war er zwischenzeitlich für einen Zeitraum von sechs Monaten in der Türkei aufhältig. Infolge des Einmarsches türkischer Truppen befand sich der Beschwerdeführer im Jahr 2019 für eine Woche in römisch XXXX (auch römisch XXXX ) im Gouvernement ar-Raqqa. Am 22.09.2022 verließ der Beschwerdeführer Syrien schließlich in die Türkei und reiste über Bulgarien und weitere (unbekannte) Länder unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 31.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Zu den geltend gemachten Fluchtgründen wird vom erkennenden Gericht Folgendes festgehalten:
Der Beschwerdeführer hat seinen verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Er hat sich keiner Stellung (Musterung) unterzogen und verfügt über kein Militärbuch. Mit einem aktuellen Lebensalter von 30 Jahren befindet er sich entsprechend der gesetzlichen Regelung in Syrien im wehrdienstpflichtigen Alter.
Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Einziehung oder Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee bzw. einer realen Gefahr einer sonstigen konkret und gezielt gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt.
Dem Beschwerdeführer droht insbesondere auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Reflexverfolgung seitens des syrischen Regimes aufgrund der Ableistung der „Selbstverteidigungspflicht“ durch zwei seiner Brüder in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ (kurdische Selbstverwaltungsregion).
Die staatlichen (Rekrutierungs)Behörden Syriens haben in den Gebieten, die unter Kontrolle der Kurden stehen, im Allgemeinen keinen Zugriff auf bestimmte Personen und können dort keine staatliche Macht (z. B. Vollstreckung von Einberufungs- oder Haftbefehlen) ausüben.
Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Gefahr der Verfolgung bzw. der Zwangsrekrutierung seitens kurdischer Gruppierungen.
Ihm droht auch keine Gefahr, wegen der illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.
Dem Beschwerdeführer steht (für die Einreise) insbesondere die Benützung des Grenzüberganges von Semalka (zwischen der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien und der Autonomen Region Kurdistan im Irak), der nicht vom syrischen Regime kontrolliert wird, zur Verfügung, womit ihm die Einreise nach Syrien in das Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung, grundsätzlich möglich ist – auch wenn dieser Grenzübergang nicht permanent passiert werden kann. Dem Beschwerdeführer, dem im Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht, ist eine Fortbewegung durch das kurdische Selbstverwaltungsgebiet in sein unter kurdischer Selbstverwaltung stehendes Herkunftsgebiet möglich, ohne dass ihm dabei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine konkret und gezielt gegen seiner Person gerichtete Verfolgung aufgrund seiner Religion, Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung droht.
Zusammengefasst droht dem Beschwerdeführer in Syrien daher keine konkrete Gefährdung aus Gründen der „Rasse“, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:
Politische Lage
Letzte Änderung 08.03.2024
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
Letzte Änderung 08.03.2024
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfol