TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/4 95/08/0099

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Veröffentlicht am 04.07.1995
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Möslinger-Gehmayr, über die Beschwerde der L in S, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in S, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg vom 24. Februar 1995, Zl. 4-7022 B, VNr.: 1406 131152, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Jänner 1995 sprach das Arbeitsamt Salzburg aus, daß die Beschwerdeführerin den Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß § 10 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977 (AlVG) für die Zeit vom

2. bis 29. Jänner 1995 verloren habe, da von ihr das Zustandekommen eines Dienstverhältnisses zur Firma M vereitelt worden sei. Eine Nachsicht werde nicht erteilt.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, wobei sie im wesentlichen vorbrachte, beim Vorstellungsgespräch wahrheitsgemäß mitgeteilt zu haben, daß sie ein Adoptionsverfahren eingeleitet habe, welches in den nächsten Monaten mit Sicherheit zum Abschluß kommen werde. Auch eine werdende Mutter sei vom Gesetz aus verpflichtet, die Schwangerschaft dem Dienstgeber mitzuteilen. Sie sei nicht arbeitsunwillig, sondern bereit, Arbeit bis zum Abschluß des Adoptionsverfahrens anzunehmen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und die Entscheidung der Behörde erster Instanz bestätigt. Nach der Begründung sei unbestritten, daß die der Beschwerdeführerin angebotene Stelle als Kassierin im Sinne des AlVG zumutbar sei. Die Beschwerdeführerin habe jedoch mit ihrem Hinweis während des Vorstellungsgespräches, daß sie der Firma nur einige Zeit zur Verfügung stehen könne, da sie voraussichtlich Kinderbetreuungspflichten nachgehen müßte, in Kauf genommen, daß das gegenständliche Beschäftigungsverhältnis nicht zustandegekommen sei. Dadurch sei der Tatbestand der Arbeitsvereitelung im Sinne des AlVG verwirklicht worden. Der Grund, weswegen die Beschwerdeführerin die angebotene Beschäftigung als Übergangslösung bezeichnet habe, sei dabei belanglos. Berücksichtigungswürdige Gründe hätten nicht festgestellt werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 9 Abs. 1 AlVG in der Fassung der Novelle, BGBl. Nr. 977/1944, ist arbeitswillig, wer u.a. bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.

Gemäß § 10 Abs. 1 AlVG in der Fassung des AMS-Begleitgesetzes, BGBl. Nr. 314/1994, verliert der Arbeitslose, wenn er sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden vier Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Gemäß § 10 Abs. 2 AlVG kann der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. der Aufnahme einer anderen Beschäftigung, ganz oder teilweise, nachgesehen werden. Vor dieser Nachsicht sowie vor der Erlassung einer Entscheidung gemäß Abs. 1 ist der Regionalbeirat anzuhören.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides bringt die Beschwerdeführerin vor, die belangte Behörde gehe unbegründet davon aus, daß die wahrheitsgemäße Mitteilung hinsichtlich eines laufenden Adoptionsverfahrens (bezüglich zweier Kinder aus Rumänien) der Grund für die Nichteinstellung der Beschwerdeführerin gewesen sei. Die belangte Behörde nehme auch fälschlich an, daß die Vereitelung im Sinne der zitierten Norm deshalb vorliege, weil die Beschwerdeführerin die Beschäftigung auf Grund ihrer Äußerung nur als Übergangslösung betrachte und sie sohin ihre Arbeitswilligkeit in Zweifel stelle. Auf Grund der rechtlichen Gleichstellung zwischen leiblichen und Adoptivkindern bedeute die Äußerung der Beschwerdeführerin - objektiv betrachtet - nichts anderes, als daß sie beabsichtige, Mutter zu werden, wobei jedoch die Tatsache und der Zeitpunkt noch ungewiß seien. Wäre ein zukünftiger Kinderwunsch regelmäßig als Vereitelungsgrund zu werten, so dürften - in logischer Konsequenz - überhaupt keine Frauen mehr als arbeitssuchend vermittelt werden, da dann Arbeitsverhältnisse regelmäßig nicht von unbestimmter Dauer wären.

Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Beschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Unter dem Begriff der "Vereitelung" im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein auf das zugewiesene Beschäftigungsverhältnis bezogenes Verhalten des Vermittelten zu verstehen, das - bei gegebener Zumutbarkeit der Beschäftigung - das Nichtzustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses herbeiführt.

Das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses muß nicht nur in der Sphäre des Vermittelten, sondern darüber hinaus in einem auf das Nichtzustandekommen gerichteten oder dies zumindest in Kauf nehmenden Tun des Vermittelten seinen Grund haben (vgl. u.a. die Erkenntnisse vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0101, und vom 16. November 1993, Zl. 93/08/0233).

Daß der Hinweis der Beschwerdeführerin auf ein laufendes Adoptionsverfahren die Ursache für ihre Nichteinstellung bei der zugewiesenen Firma war, ergibt sich bereits aus den Angaben der Beschwerdeführerin anläßlich der mit ihr aufgenommenen Niederschrift vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg am 18. Jänner 1995. Dafür sprechen ferner auch die der belangten Behörde vorliegenden Angaben der Firma, wonach die Beschwerdeführerin bei ihrer Vorstellung erklärt habe, ein Kind aus Rumänien adoptieren zu wollen und aus diesem Grund auch ihr Dienstverhältnis beim Magistrat gelöst zu haben. Dies könne nach ihren Angaben noch etwa drei bis vier Monate dauern, eventuell aber auch schon früher erfolgen. Im Hinblick auf die gebotene Einschulungszeit von mindestens einem Monat sei die Beschwerdeführerin deshalb nicht eingestellt worden. Daß die Beschwerdeführerin ein etwaiges Dienstverhältnis nur bis zum Abschluß des laufenden Adoptionsverfahrens ausüben wolle, hat sie selbst in ihrer Berufung angegeben.

Die belangte Behörde handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie in dem Hinweis der Beschwerdeführerin auf das laufende Adoptionsverfahren die Ursache für ihre Nichteinstellung bei der zugewiesenen Firma angenommen hat.

Für die Beschwerdeführerin bestand keinerlei Verpflichtung, bei ihrem Vorstellungsgespräch auf das laufende Adoptionsverfahren, dessen Ausgang völlig ungewiß war, hinzuweisen. Im Hinblick auf diese Ungewißheit geht auch der in der Beschwerde gezogene Vergleich mit einer bestehenden Schwangerschaft insofern ins Leere. Das Verhalten der Beschwerdeführerin war unter diesen Umständen vielmehr geeignet, ihr Desinteresse an der angebotenen Dauerstellung zu bekunden. Um sich in bezug auf eine vom Arbeitsamt vermittelte, zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, hat der Arbeitslose jedoch jedes Verhalten zu unterlassen, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 12. Mai 1992, Zl. 92/08/0051, und vom 24. November 1992, Zl. 92/08/0132).

Der Beschwerdeführerin kann auch nicht gefolgt werden, wenn sie die Auffassung vertritt, die Angabe anläßlich ihrer Antragstellung um Arbeitslosengeld, sie besuche einen "Pflege- und Adoptivelternkurs" am Abend, hätten die Behörde zu einer näheren Prüfung veranlassen müssen, ob sie tatsächlich für eine in zeitlicher Hinsicht unbeschränkte Tätigkeit in Frage komme.

Was das Vorliegen von berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG anlangt, so wurde die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 17. Jänner 1995 ausdrücklich aufgefordert, sich diesbezüglich bei der regionalen Geschäftsstelle zu äußern. Da die Behörden nicht verhalten sind, Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, damit einem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0432), geht der Hinweis in der Beschwerde auf § 13a AVG ins Leere.

Gründe für eine Nachsichtserteilung im Sinne des § 10 Abs. 2 AlVG können nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur solche sein, die dazu führen, daß der Ausschluß vom Bezug des Arbeitslosengeldes den Arbeitslosen unverhältnismäßig härter träfe, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 4. Juli 1995, Zl. 95/08/0159, mit weiteren Judikaturhinweisen). Wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall das Vorliegen solcher Gründe verneint hat, so kann dies vor dem Hintergrund der wiedergegebenen Rechtsprechung ebenfalls nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995080099.X00

Im RIS seit

18.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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