TE Bvwg Erkenntnis 2024/5/24 W200 2282059-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.05.2024
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Entscheidungsdatum

24.05.2024

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W200 2282059-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 16.10.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2024, zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von römisch XXXX , geb römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 16.10.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.04.2024, zu Recht:

A)       Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.A)       Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. B)       Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsbürger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am 01.12.2022 stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei seiner Erstbefragung am 02.12.2022 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch an, dass er in Aleppo in Syrien geboren worden und Muslim sei. Er gehöre der Volksgruppe der Araber an und seine Muttersprache sei Arabisch. Der Beschwerdeführer habe in Syrien 6 Jahre die Grundschule besucht, verfüge über keine Berufsausbildung und sei zuletzt als Mechaniker tätig gewesen. Er sei ledig. Seine Eltern, ein Bruder und eine Schwester würden in Syrien leben. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass in Syrien Bürgerkrieg herrsche und er 2017 sein Heimatland verlassen habe, weil er zum Militär müssen hätte. Er habe keine Waffe tragen und niemanden töten bzw. getötet werden wollen. Daher sei er in die Türkei geflüchtet. Der Beschwerdeführer habe Angst gehabt, dass ihn die Türkei zurück nach Syrien abschiebt, weshalb er dann nach Europa gekommen sei. Befragt was er im Falle der Rückkehr in seine Heimat befürchte, antwortete er „Krieg oder Militärdienst“. Die Frage nach dem Bestehen konkreter Hinweise, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen würde oder er mit irgendwelchen Sanktionen in seinem Heimatstaat zu rechnen hätte, negierte der Beschwerdeführer.

Am 01.08.2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion Burgenland, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen an, dass er gesund und in der Lage sei die Einvernahme durchzuführen. Er nehme keine Medikamente. Der Beschwerdeführer habe sich zuletzt im Jahr 2022 in Syrien aufgehalten. Seine Ortschaft habe er im Jahr 2017 in die Türkei verlassen. Dort habe er eine Karte namens Kimlik bekommen, die ihm im Juli 2022 seitens der Türken abgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer sei gezwungen worden seine Karte zurückzugeben und zu unterschreiben, dass er das Land freiwillig verlasse. Daraufhin sei er nach Syrien zurückgeschoben worden. Der Beschwerdeführer sei dort ca. 4 Tage verblieben und danach wieder in die Türkei und nach einem kurzen Aufenthalt in Istanbul nach Griechenland gereist. Der Beschwerdeführer habe vor seiner Ausreise mit seinem Vater, dessen zweiter Ehefrau, zwei leiblichen Geschwistern und einer Halbschwester zusammengelebt. Die Angehörigen würden noch immer dort leben. Sein Bruder XXXX lebe in der Türkei. Zum Zeitpunkt der Erstbefragung sei er aber noch in Syrien gewesen. Sein Bruder besitze eine Kimlik. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er am XXXX vom kurdischen Militär eingezogen worden sei, wo er bis zum XXXX verblieben sei. Danach sei der Beschwerdeführer geflüchtet. Er wolle keine Waffen tragen, niemanden töten und auch nicht selbst getötet werden. Die Kurden seien ca. 2 Mal zu ihnen nach Hause gekommen. Im Falle der Rückkehr nach Syrien fürchte er seitens der Kurden getötet zu werden. Er habe telefonische Bedrohungen bekommen. Von der syrischen Armee werde er als Verräter angesehen, da er sich den Kurden anschließen habe müssen. Der Beschwerdeführer fürchte eine Inhaftierung. Auf die Frage ob er in seiner Heimat irgendwelchen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei, antwortete dieser „Außer den Kurden niemanden“. Die Kurden würden ihn suchen. Am 01.08.2023 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: „BFA“ oder „belangte Behörde“), Regionaldirektion Burgenland, im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen. Dabei gab er zu seinen persönlichen Verhältnissen an, dass er gesund und in der Lage sei die Einvernahme durchzuführen. Er nehme keine Medikamente. Der Beschwerdeführer habe sich zuletzt im Jahr 2022 in Syrien aufgehalten. Seine Ortschaft habe er im Jahr 2017 in die Türkei verlassen. Dort habe er eine Karte namens Kimlik bekommen, die ihm im Juli 2022 seitens der Türken abgenommen worden sei. Der Beschwerdeführer sei gezwungen worden seine Karte zurückzugeben und zu unterschreiben, dass er das Land freiwillig verlasse. Daraufhin sei er nach Syrien zurückgeschoben worden. Der Beschwerdeführer sei dort ca. 4 Tage verblieben und danach wieder in die Türkei und nach einem kurzen Aufenthalt in Istanbul nach Griechenland gereist. Der Beschwerdeführer habe vor seiner Ausreise mit seinem Vater, dessen zweiter Ehefrau, zwei leiblichen Geschwistern und einer Halbschwester zusammengelebt. Die Angehörigen würden noch immer dort leben. Sein Bruder römisch XXXX lebe in der Türkei. Zum Zeitpunkt der Erstbefragung sei er aber noch in Syrien gewesen. Sein Bruder besitze eine Kimlik. Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Kinder. Befragt zu seinen Fluchtgründen führte er aus, dass er am römisch XXXX vom kurdischen Militär eingezogen worden sei, wo er bis zum römisch XXXX verblieben sei. Danach sei der Beschwerdeführer geflüchtet. Er wolle keine Waffen tragen, niemanden töten und auch nicht selbst getötet werden. Die Kurden seien ca. 2 Mal zu ihnen nach Hause gekommen. Im Falle der Rückkehr nach Syrien fürchte er seitens der Kurden getötet zu werden. Er habe telefonische Bedrohungen bekommen. Von der syrischen Armee werde er als Verräter angesehen, da er sich den Kurden anschließen habe müssen. Der Beschwerdeführer fürchte eine Inhaftierung. Auf die Frage ob er in seiner Heimat irgendwelchen Bedrohungen oder Verfolgungen ausgesetzt gewesen sei, antwortete dieser „Außer den Kurden niemanden“. Die Kurden würden ihn suchen.

Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 16.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ihm wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt werden habe können, dass er in Syrien einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. einer solchen gegenwärtig ausgesetzt sei. Eine individuelle Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung habe der Beschwerdeführer nicht angegeben. Er habe Syrien aufgrund der allgemeinen Situation und Lage, konkret aufgrund des Bürgerkrieges, in die Türkei verlassen. Dass dem Beschwerdeführer in Syrien eine Einberufung zum Militärdienst drohe, habe nicht festgestellt werden können. Es bestehe die Möglichkeit des Freikaufes vom Militärdienst. Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde im Wesentlichen auf die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Erstbefragung. Würden seine Ausführungen vor der Regionaldirektion Burgenland den Tatsachen entsprechen, hätte der Beschwerdeführer die besagten und für seine Ausreise bzw. Asylantragstellung ausschlaggebenden Gründe, insbesondere auch seine nunmehr behauptete Abschiebung nach Syrien im Juli 2022 sowie die Einziehung durch das kurdische Militär auch schon anlässlich der Erstbefragung vorgebracht. Ein weiteres Indiz für seine Unglaubwürdigkeit sei, dass sich sein Bruder nunmehr rechtmäßig mit Kimlik in der Türkei aufhalte. Einen triftigen Grund, warum man dem Beschwerdeführer im Juli 2022 seine Kimlik weggenommen haben soll, habe dieser nicht vorgebracht. Er sei ausschließlich aus wirtschaftlichen Interessen von der Türkei nach Österreich immigriert. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 16.10.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.). Ihm wurde gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Begründend führte die belangte Behörde aus, dass nicht festgestellt werden habe können, dass er in Syrien einer begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt gewesen sei bzw. einer solchen gegenwärtig ausgesetzt sei. Eine individuelle Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung habe der Beschwerdeführer nicht angegeben. Er habe Syrien aufgrund der allgemeinen Situation und Lage, konkret aufgrund des Bürgerkrieges, in die Türkei verlassen. Dass dem Beschwerdeführer in Syrien eine Einberufung zum Militärdienst drohe, habe nicht festgestellt werden können. Es bestehe die Möglichkeit des Freikaufes vom Militärdienst. Beweiswürdigend verwies die belangte Behörde im Wesentlichen auf die Angaben des Beschwerdeführers in seiner Erstbefragung. Würden seine Ausführungen vor der Regionaldirektion Burgenland den Tatsachen entsprechen, hätte der Beschwerdeführer die besagten und für seine Ausreise bzw. Asylantragstellung ausschlaggebenden Gründe, insbesondere auch seine nunmehr behauptete Abschiebung nach Syrien im Juli 2022 sowie die Einziehung durch das kurdische Militär auch schon anlässlich der Erstbefragung vorgebracht. Ein weiteres Indiz für seine Unglaubwürdigkeit sei, dass sich sein Bruder nunmehr rechtmäßig mit Kimlik in der Türkei aufhalte. Einen triftigen Grund, warum man dem Beschwerdeführer im Juli 2022 seine Kimlik weggenommen haben soll, habe dieser nicht vorgebracht. Er sei ausschließlich aus wirtschaftlichen Interessen von der Türkei nach Österreich immigriert.

Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter am 21.11.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer zu den Umständen seiner Erstbefragung vor dem BFA angegeben habe, dass er den Dolmetscher bei der Polizei nicht gut verstanden habe und auf Nachfrage der Rechtsberatung habe er ausgeführt, dass der Dolmetscher ein Afrikaner sei und einen schwer verständlichen Akzent gehabt habe. Der Dolmetscher habe die Fluchtgründe des Beschwerdeführers in eigenen Worten zusammengefasst und die gesamte Erstbefragung sei zügig abgewickelt worden. Bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde habe der Beschwerdeführer dann ein detailliertes, stringentes und nachvollziehbares Vorbringen erstattet. Nach seiner Einziehung durch die Kurden sei es ihm im Jahr 2017 gelungen aus deren Gewalt zu fliehen und in die Türkei zu flüchten wo er bis zum Entzug der Kimlik gelebt und gearbeitet habe. Im Juli 2022 sei er nach Syrien abgeschoben worden. Dort sei er von der FSA festgenommen worden, da er verdächtigt worden sei Kurde zu sein und für die Kurden zu kämpfen. Nach Zahlung eines Bestechungsgeldes sei er freigekommen und habe Syrien rasch wieder verlassen. Der Beschwerdeführer fürchte im Falle der Rückkehr auch eine Einberufung zum Militärdienst des syrischen Regimes sowie Sanktionen, da er sich dem Wehrdienst durch Flucht entzogen und sich einer kurdischen Miliz angeschlossen habe, was aus Sicht der syrischen Behörden Ausdruck einer regimefeindlichen Einstellung sei, als Verrat gelte und schwere Strafen bis hin zum Tod nach sich ziehen würde. Zudem fürchte der Beschwerdeführer Verfolgung durch die Kurden, da er aus ihrer Gewalt geflüchtet sei, was aus deren Sicht ebenfalls als Verrat gewertet werden würde. Er wolle unter keinen Umständen Kriegsdienst leisten, lehne das Tragen und den Gebrauch von Waffen kategorisch ab, wolle niemanden töten und nicht getötet werden. Auf einem im XXXX hergestellten Propagandavideo der kurdischen Milizen, wo fröhlich singende Jugendliche bei Trainingseinheiten mit diversen Waffen zu sehen seien, sei auch der Beschwerdeführer mit vier jungen Frauen und einem anderen Mann zu sehen. Dies beweise, dass er in besagtem Trainingslager gewesen sei und mache nachvollziehbar, dass er Angst habe aufgrund dieses Videos sowohl von der syrischen Armee als Feind des Regimes sowie von den Kurden als Verräter gesehen zu werden, weil er das Trainingslager verlassen habe. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer über seinen Rechtsvertreter am 21.11.2023 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der Beschwerdeführer zu den Umständen seiner Erstbefragung vor dem BFA angegeben habe, dass er den Dolmetscher bei der Polizei nicht gut verstanden habe und auf Nachfrage der Rechtsberatung habe er ausgeführt, dass der Dolmetscher ein Afrikaner sei und einen schwer verständlichen Akzent gehabt habe. Der Dolmetscher habe die Fluchtgründe des Beschwerdeführers in eigenen Worten zusammengefasst und die gesamte Erstbefragung sei zügig abgewickelt worden. Bei seiner Einvernahme durch die belangte Behörde habe der Beschwerdeführer dann ein detailliertes, stringentes und nachvollziehbares Vorbringen erstattet. Nach seiner Einziehung durch die Kurden sei es ihm im Jahr 2017 gelungen aus deren Gewalt zu fliehen und in die Türkei zu flüchten wo er bis zum Entzug der Kimlik gelebt und gearbeitet habe. Im Juli 2022 sei er nach Syrien abgeschoben worden. Dort sei er von der FSA festgenommen worden, da er verdächtigt worden sei Kurde zu sein und für die Kurden zu kämpfen. Nach Zahlung eines Bestechungsgeldes sei er freigekommen und habe Syrien rasch wieder verlassen. Der Beschwerdeführer fürchte im Falle der Rückkehr auch eine Einberufung zum Militärdienst des syrischen Regimes sowie Sanktionen, da er sich dem Wehrdienst durch Flucht entzogen und sich einer kurdischen Miliz angeschlossen habe, was aus Sicht der syrischen Behörden Ausdruck einer regimefeindlichen Einstellung sei, als Verrat gelte und schwere Strafen bis hin zum Tod nach sich ziehen würde. Zudem fürchte der Beschwerdeführer Verfolgung durch die Kurden, da er aus ihrer Gewalt geflüchtet sei, was aus deren Sicht ebenfalls als Verrat gewertet werden würde. Er wolle unter keinen Umständen Kriegsdienst leisten, lehne das Tragen und den Gebrauch von Waffen kategorisch ab, wolle niemanden töten und nicht getötet werden. Auf einem im römisch XXXX hergestellten Propagandavideo der kurdischen Milizen, wo fröhlich singende Jugendliche bei Trainingseinheiten mit diversen Waffen zu sehen seien, sei auch der Beschwerdeführer mit vier jungen Frauen und einem anderen Mann zu sehen. Dies beweise, dass er in besagtem Trainingslager gewesen sei und mache nachvollziehbar, dass er Angst habe aufgrund dieses Videos sowohl von der syrischen Armee als Feind des Regimes sowie von den Kurden als Verräter gesehen zu werden, weil er das Trainingslager verlassen habe.

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt langte am 29.11.2023 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.04.2024 eine mündliche Verhandlung durch, in welcher der Beschwerdeführer im Beisein seiner Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch zu seinen persönlichen Umständen, seinen Fluchtgründen und der Situation im Falle einer Rückkehr befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, die Verhandlungsschrift wurde ihr übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er wurde in XXXX (auch Manbedsch) im Gouvernement Aleppo geboren und ist zum Entscheidungszeitpunkt zumindest 24 Jahre alt. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Kenntnisse der türkischen Sprache. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er wurde in römisch XXXX (auch Manbedsch) im Gouvernement Aleppo geboren und ist zum Entscheidungszeitpunkt zumindest 24 Jahre alt. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der Beschwerdeführer verfügt auch über Kenntnisse der türkischen Sprache.

Die Eltern des Beschwerdeführers, zwei leibliche Geschwister und eine Halbschwester leben weiterhin in Syrien. Sein Bruder XXXX ist in der Türkei aufhältig, wo er über eine Kimlik (Aufenthaltsberechtigung) verfügt. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Die Eltern des Beschwerdeführers, zwei leibliche Geschwister und eine Halbschwester leben weiterhin in Syrien. Sein Bruder römisch XXXX ist in der Türkei aufhältig, wo er über eine Kimlik (Aufenthaltsberechtigung) verfügt. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer besuchte 6 Jahre die Grundschule und war bis zu seiner Ausreise aus Syrien als KFZ-Mechaniker berufstätig. Während seines Aufenthalts in der Türkei ging er einer Beschäftigung als Bäcker und Bauarbeiter nach.

Sein Herkunftsgebiet ist die Stadt XXXX im gleichnamigen Distrikt im Gouvernement Aleppo. Dieses befindet sich aktuell unter Kontrolle kurdischer Kräfte. Sein Herkunftsgebiet ist die Stadt römisch XXXX im gleichnamigen Distrikt im Gouvernement Aleppo. Dieses befindet sich aktuell unter Kontrolle kurdischer Kräfte.

Der Beschwerdeführer wohnte bis zur Ausreise in die Türkei im Jahr 2017 in XXXX . Im Jahr 2022 kehrte er nach Syrien zurück, bevor er sein Heimatland im selben Jahr neuerlich in die Türkei verließ. Von dort reiste der Beschwerdeführer über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien, Ungarn und die Slowakei unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 01.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Der Beschwerdeführer wohnte bis zur Ausreise in die Türkei im Jahr 2017 in römisch XXXX . Im Jahr 2022 kehrte er nach Syrien zurück, bevor er sein Heimatland im selben Jahr neuerlich in die Türkei verließ. Von dort reiste der Beschwerdeführer über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien, Ungarn und die Slowakei unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 01.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Zu den geltend gemachten Fluchtgründen wird vom erkennenden Gericht Folgendes festgehalten:

Der Beschwerdeführer hat die „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien“ (AANES) vollständig abgeleistet. Er wurde in diesem Zusammenhang jedoch nicht durch kurdische Kräfte zwangsrekrutiert.

Dem Beschwerdeführer droht daher bei einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine reale Gefahr der Verfolgung bzw. der Zwangsrekrutierung seitens kurdischer Gruppierungen.

Der Beschwerdeführer hat seinen verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee noch nicht abgeleistet. Er hat sich keiner Stellung (Musterung) unterzogen und verfügt über kein Militärbuch. Mit seinem derzeitigen Lebensalter befindet er sich entsprechend der gesetzlichen Regelung in Syrien noch im wehrdienstpflichtigen Alter.

Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Syrien in seine Herkunftsregion nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Einziehung oder Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee bzw. einer realen Gefahr einer sonstigen konkret und gezielt gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

Die staatlichen (Rekrutierungs)Behörden Syriens haben in den Gebieten, die unter Kontrolle der Kurden stehen, im Allgemeinen keinen Zugriff auf bestimmte Personen und können dort keine staatliche Macht (z. B. Vollstreckung von Einberufungs- oder Haftbefehlen) ausüben.

Ebenso droht dem Beschwerdeführer seitens der FSA (Freie Syrische Armee) nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr asylrelevanter Verfolgung.

Dem Beschwerdeführer droht keine Gefahr, wegen der illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

Dem Beschwerdeführer steht (für die Einreise) insbesondere die Benützung des Grenzüberganges von Semalka (zwischen der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien und der Autonomen Region Kurdistan im Irak), der nicht vom syrischen Regime kontrolliert wird, zur Verfügung, womit ihm die Einreise nach Syrien in das Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung, grundsätzlich möglich ist – auch wenn dieser Grenzübergang nicht permanent passiert werden kann. Dem Beschwerdeführer, dem im Gebiet der kurdischen Selbstverwaltung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit asylrelevante Verfolgung droht, ist eine Fortbewegung durch das kurdische Selbstverwaltungsgebiet in sein unter kurdischer Selbstverwaltung stehendes Herkunftsgebiet möglich, ohne dass ihm dabei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine konkret und gezielt gegen seiner Person gerichtete Verfolgung aufgrund seiner Religion, Nationalität, ethnischen Zugehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung droht.

Zusammengefasst droht dem Beschwerdeführer in Syrien daher keine konkrete Gefährdung aus Gründen der „Rasse“, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 11 vom 27.03.2024, wiedergegeben:

Politische Lage

Letzte Änderung 08.03.2024

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).

Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).

Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).

Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).

Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen(AA 2.2.2024).

Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).

Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien

Letzte Änderung 08.03.2024

2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).

Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).

Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).

Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vergleiche SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).

Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).

Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).

Sicherheitslage

Letzte Änderung 08.03.2024

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023):

Karte mit Einflussgebieten der militärischen Akteure in Syrien UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)

Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:

Kontrollgebiete der einzelnen Akteure farbig dargestellt auf einer Karte von Syrien
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)

Die militärischen Akteure und Syriens militärische Kapazitäten

Die Kämpfe und Gewalt nahmen 2021 sowohl im Nordwesten als auch im Nordosten und Süden des Landes zu (UNHRC 14.9.2021). Der Sondergesandte des Generalsekretärs der Vereinten Nationen (VN) für Syrien Geir O. Pedersen wies am 29.11.2022 vor dem Sicherheitsrat insbesondere auf eine langsame Zunahme der Kämpfe zwischen den Demokratischen Kräften Syriens auf der einen Seite und der Türkei und bewaffneten Oppositionsgruppen auf der anderen Seite im Norden Syriens hin. Er betonte weiter, dass mehr Gewalt noch mehr Leid für die syrische Zivilbevölkerung bedeutet und die Stabilität in der Region gefährden würde - wobei gelistete terroristische Gruppen die neue Instabilität ausnutzen würden (UNSC 29.11.2022). Im Hinblick auf das Niveau der militärischen Gewalt ist eine Verstetigung festzustellen. Auch das Erdbeben am 6.2.2023 hat zu keiner nachhaltigen Verringerung der Kampfhandlungen geführt. In praktisch allen Landesteilen kam es im Berichtszeitraum zu militärischen Auseinandersetzungen unterschiedlicher Art und Ausprägung. Dabei bestanden auch teils erhebliche Unterschiede zwischen Regionen mit einer hohen Zahl gewalttätiger Auseinandersetzungen und vergleichsweise ruhigeren Landesteilen (AA 29.3.2023). Für keinen Landesteil Syriens kann insofern von einer nachhaltigen Beruhigung der militärischen Lage ausgegangen werden (AA 2.2.2024).

Die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) der VN stellte im Februar 2022 fest, dass fünf internationale Streitkräfte - darunter Iran, Israel, Russland, die Türkei und die Vereinigten Staaten von Amerika, sowie nicht-staatliche bewaffnete Gruppen und von den VN benannte terroristische Gruppen weiterhin in Syrien aktiv sind (EUAA 9.2022). Im Mai 2023 begannen zusätzlich dazu die jordanischen Streitkräfte Luftangriffe gegen die Drogenschmuggler zu fliegen (SOHR 8.5.2023). Die USA sind mit mindestens 900 Militärpersonen in Syrien, um Anti-Terror-Operationen durchzuführen (CFR 24.1.2024). Seit Ausbruch des Krieges zwischen der Hamas und Israel begannen die USA mehrere Luftangriffe gegen iranische Milizen in Syrien und dem Irak zu fliegen. Anfang Februar 2024 eskalierten die Spannungen zwischen dem Iran und den USA, nachdem iranische Milizen in Jordanien eine militärische Stellung der USA mit einer Drohne angriffen und dabei mehrere US-amerikanische Soldaten töteten und verletzten. Die USA reagierten mit erhöhten und verstärkten Luftangriffen auf Stellungen der iranischen Milizen in Syrien und dem Irak. In Syrien trafen sie Ziele in den Räumen Deir ez-Zor, Al-Bukamal sowie Al-Mayadeen. Die syrische Armee gab an, dass bei den Luftangriffen auch Zivilisten sowie reguläre Soldaten getötet wurden (CNN 3.2.2024).

Seit dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 intensivierte Israel die Luftangriffe gegen iranische und syrische Militärstellungen CFR 24.1.2024). Infolge der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023, wurde israelisch kontrolliertes Gebiet auch von Syrien aus mindestens dreimal mit Raketen beschossen. Israel habe daraufhin Artilleriefeuer auf die Abschussstellungen gerichtet. Beobachter machten iranisch kontrollierte Milizen für den Raketenbeschuss verantwortlich. Israel soll im selben Zeitraum, am 12.10.2023 und 14.10.2023 jeweils zweimal den Flughafen Aleppo sowie am 12.10.2023 den Flughafen Damaskus mit Luftschlägen angegriffen haben; aufgrund von Schäden an den Start- und Landebahnen mussten beide Flughäfen daraufhin den Betrieb einstellen (AA 2.2.2024).

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention Irans in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung hat derzeit die Kontrolle über ca. zwei Drittel des Landes, inklusive größerer Städte, wie Aleppo und Homs. Unter ihrer Kontrolle sind derzeit die Provinzen Suweida, Daraa, Quneitra, Homs sowie ein Großteil der Provinzen Hama, Tartus, Lattakia und Damaskus. Auch in den Provinzen Aleppo, Raqqa und Deir ez-Zor übt die syrische Regierung über weite Teile die Kontrolle aus (Barron 6.10.2023). Aktuell sind die syrischen Streitkräfte mit Ausnahme von wenigen Eliteeinheiten technisch sowie personell schlecht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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