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L90 RaumordnungNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Aufhebung eines Bebauungsplans der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz; mangelnde Darlegung der Planungsziele im Verordnungsakt betreffend die Festlegung begünstigender Baufluchtlinien entlang einer öffentlich genutzten Seeuferpromenade für Bauten auf bereits bebauten aber nicht für unbebaute Grundstücksbereiche; keine hinreichende Grundlagenforschung betreffend die Festlegung unterschiedlicher Bebauungsdichten für in gleicher Lage befindliche Grundstücke; Verstoß des Bebauungsplans gegen den Flächenwidmungsplan betreffend die Widmung eines Grundstückteils als Grünland statt als VerkehrsflächeRechtssatz
Gesetzwidrigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Seewalchen am Attersee, Bebauungsplan Nr 61 "Promenade", vom 18.10.2018 soweit sie das Grundstück Nr 2036/1, KG Seewalchen, betrifft.
Beschränkung der Bebaubarkeit durch Baufluchtlinien:
Der Bebauungsplan sieht bei den Grundstücken an der Promenade grundsätzlich eine sechs Meter vor der Grenze zu dieser verlaufende Baufluchtlinie vor, sodass vor den Bauplätzen ein entsprechend unbebauter Bereich entlang der Promenade bestehen bleibt. Daraus ist die grundsätzliche Planungsabsicht abzuleiten, dass Gebäude auf den seeseitig "in erster Reihe" gelegenen Grundstücken eher im hinteren, von der Promenade abgewandten Grundstücksbereich situiert sein sollen, um entlang der öffentlich genutzten Promenade am Seeufer einen unbebauten Bereich zu erhalten. Auch die verordnungserlassende Behörde bestätigt in ihrer Äußerung diese Planungsabsicht. Lediglich bei jenen Grundstücken, bei denen dieser Bereich im Zeitpunkt der Planung bereits bebaut war, verläuft die Baufluchtlinie in deutlich geringerem (Bauplatz Nr 12) bzw ohne Abstand (Bauplatz Nr 16) zur Promenade.
Die generelle Vorgabe für die Anordnung der Bebauung an der Promenade entspricht den für die Bebauungsplanung geltenden gesetzlichen Zielen, die zu verfolgen der Verordnungsgeber im Rahmen seines Ermessens frei ist.
Allerdings kann den Verordnungsakten nicht entnommen werden, aus welchen übergeordneten Gründen dieses Planungsziel hinsichtlich einzelner, zum Zeitpunkt der Planung bestehender Gebäude durchbrochen wurde. Deren Bestand ist durch die Rechtskraft bestehender Bewilligungen gesichert. Es bedürfte daher einer besonderen Begründung, weshalb die für die umliegenden Grundstücke geltenden Abstandsvorschriften für eine allfällige neue Bebauung nicht gelten sollen, kommt es dadurch doch im Falle der Neubebauung der Grundstücke zu einer ungleichen Behandlung von Grundeigentümern.
Die verordnungserlassende Behörde begründet diese Abweichungen in ihrer Äußerung ausschließlich damit, dass es (auch) ihre Planungsintention gewesen sei, "die bereits bestehende Bebauung der betroffenen Grundstücke zu berücksichtigen und diese nicht durch Einschränkungen der Bebaubarkeit über das Maß bestehender Bebauung hinaus zu belasten". Ein vorhandener Baubestand vermag aber nichts daran zu ändern, dass nicht erkennbar ist, welche Planungsziele - abgesehen vom Interesse der insofern begünstigten Grundeigentümer - die Durchbrechung der ansonsten festgelegten Baufluchtlinie rechtfertigen.
Der Verordnungsgeber hat damit, wie das antragstellende Gericht zutreffend aufzeigt, bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken einzelne Liegenschaftseigentümer ohne zwingende Gründe gegenüber anderen bevorzugt. Er ermöglicht diesen Eigentümern eine günstigere Bebauung (geringerer Abstand zur Promenade), anderen hingegen hat er den Umfang der Bebaubarkeit stärker beschränkt.
Unterschiedliche Bebauungsdichten der Grundstücke:
Den Verordnungsakten ist auch nicht zu entnehmen, auf Grund welcher planerischen Erwägungen für die vom Bebauungsplan erfassten, in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücke teils stark unterschiedliche Bebauungsdichten (ausgedrückt durch die Grundflächenzahl) festgelegt wurden. Diese reichen von einer Grundflächenzahl von 20 (Bauplatz Nr 14) bis zu einer Grundflächenzahl von 50 (Bauplatz Nr 6).
Die verordnungserlassende Behörde verweist ausschließlich auf die im Zeitpunkt der Planung vorhandene Bebauung der Grundstücke. Die im Bebauungsplan normierten Grundflächenzahlen seien "mittels CAD-Programm" aus den bestehenden Gebäudeflächen "abgegriffen" und übernommen worden. Es mangelt daher hinsichtlich der im Bebauungsplan festgelegten Bebauungsdichten (Grundflächenzahlen) an einer ordnungsgemäßen Grundlagenforschung. Es ist zwar grundsätzlich nicht erforderlich, jede einzelne Festlegung von Bebauungsbestimmungen zu begründen; dies gilt jedoch nur, solange auf Grund einer für ein größeres Gebiet geltenden Anordnung von Bebauungsbestimmungen eine dahinterliegende Planungsabsicht des Verordnungsgebers erkennbar ist. Zudem bevorzugt die verordnungserlassende Behörde damit bezüglich der Bebaubarkeit von in grundsätzlich gleicher Lage befindlichen Grundstücken bestimmte Liegenschaftseigentümer ohne konkrete, bei der Planung offengelegte zwingende Gründe gegenüber anderen.
Verstoß gegen den Flächenwidmungsplan:
Der Bebauungsplan weist auf dem Grundstück Nr 2036/1 einen einen Meter breiten Streifen an der südwestlichen Bauplatzgrenze zur Promenade als Grünland ("Grünzug Gz 5") aus, obwohl dieser Bereich im Flächenwidmungsplan als Verkehrsfläche gewidmet ist. Der Bebauungsplan widerspricht damit dem Flächenwidmungsplan, weil er entgegen §32 Abs1 Z2 Oö ROG 1994 nicht die im Flächenwidmungsplan festgelegten Widmungen ausweist.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Bebauungsplan, Flächenwidmungsplan, Raumplanung örtliche, Planungsakte Verfahren, Grundlagenforschung, Widmung, VfGH / GerichtsantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2024:V22.2024Zuletzt aktualisiert am
21.06.2024