TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/12 95/21/0733

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Veröffentlicht am 12.07.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1993 §18 Abs1;
FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
StGB §142;
StGB §143;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Baur als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des N in G, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 12. April 1995, Zl. Frb-4250/94, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg (der belangten Behörde) vom 12. April 1995 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen bosnischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 und 2 iVm den §§ 19, 20 und 21 des Fremdengesetzes-FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheides lebe der Beschwerdeführer seit ca. 10 Jahren in Österreich. Er habe am 30. November 1994 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet, mit der er ein im selben Jahr geborenes Kind habe.

Mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 26. November 1993 sei der Beschwerdeführer, der zwölf verwaltungsrechtliche Vorstrafen (darunter drei wegen § 64 Abs. 1 KFG) aufweise, wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zugrunde, daß der Beschwerdeführer gemeinsam mit fünf weiteren Tätern (darunter zwei Jugendlichen) einen schweren Raub in Kenntnis des Umstandes geplant habe, daß die Tat unter Verwendung einer Waffe verübt werden sollte, wobei überdies erklärt worden sei, daß man die beiden Opfer (zwei deutsche Staatsangehörige) niederschlagen werde. Dabei habe der Beschwerdeführer als unmittelbarer Täter seine mitgeführte Gaspistole gegen die beiden Opfer gerichtet und der weitere Beteiligte B mit seiner Pistole Marke Dreyse einen Warnschuß abgegeben, um diese zur Herausgabe ihres Geldes zu veranlassen. Der Beschwerdeführer habe schließlich deren Kleidungsstücke nach Wertsachen durchsucht und diese wieder an B weitergegeben. Das Oberlandesgericht Innsbruck habe in der Begründung seiner Entscheidung, mit der die über den Beschwerdeführer verhängte Freiheitsstrafe in Höhe von 2 1/2 Jahren festgesetzt wurde, die Rolle des Beschwerdeführers sowie die mitgeführte geladene Waffe als erschwerend gewertet. Das an zwei offenbar körperlich und geistig unterlegenen Opfern, ("die beiden waren wie kleine Buben") begangene Verbrechen unter Verwendung von zwei Waffen, darunter einer scharf geladenen Pistole, lasse auf eine hohe kriminelle Energie des Beschwerdeführers schließen. Durch das Aufenthaltsverbot werde zweifellos in sein Privat- und Familienleben erheblich eingegriffen. Zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer sowie der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) sei diese Maßnahme aber dringend geboten. Daß das Aufenthaltsverbot in sogar bedeutendem Maß in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers eingreife, zumal er seit seiner Kindheit in Österreich lebe und hier auch ein gemeinsames Kind mit einer österreichischen Staatsbürgerin habe, werde von der belangten Behörde nicht bestritten. Auch seine sonstigen Verwandten hielten sich schon lange in Österreich auf. Allerdings würden die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes immer noch schwerer wiegen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers. So sei der Beschwerdeführer bereits zwölfmal, darunter dreimal wegen des als schweres Delikt zu qualifizierenden Lenkens von Kraftfahrzeugen ohne einer entsprechenden Lenkerberechtigung nach § 64 Abs. 1 KFG, verwaltungsstrafrechtlich verurteilt worden. Im Vordergrund stünden aber die näher aufgezeigten Umstände des strafgerichtlichen Deliktes und die daraus hervorleuchtende kriminelle Energie, die dem Beschwerdeführer zu eigen sei. Der hohe Schuld- und Unrechtsgehalt eines derartigen Verbrechens erfordere die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde bleibt die Ansicht der belangten Behörde, daß aufgrund der - unbestrittenen - maßgeblichen Sachverhaltsfeststellungen der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 und Z. 2 FrG verwirklicht und aus den angeführten Gründen die in § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, unbekämpft. Der Beschwerdeführer macht allerdings geltend, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Grunde des Art. 8 Abs. 2 MRK nicht geboten sei, weil ihm durch Verhängung der Freiheitsstrafe der Unrechtsgehalt seiner Tat vor Augen gehalten worden und er gewillt sei, in Zukunft gesetzestreu zu leben.

Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer aber keine dem angefochtenen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit aufzuzeigen. Die belangte Behörde hatte ohne Bindung an die für die Strafbemessung maßgebenden Erwägungen des Gerichtes zu beurteilen, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1993, Zl. 93/18/0393). Dabei ist der belangten Behörde zuzustimmen, daß mit Rücksicht auf die besondere Schwere der Straftat nach den §§ 142, 143 StGB die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele, nämlich zur Verhinderung strafbarer Handlungen und zum Schutz der Rechte Dritter, im Sinne des § 19 FrG dringend geboten ist. Wenn sich die Behörde derzeit nicht in der Lage sah, zu beurteilen, ob und inwieweit die Verbüßung der Freiheitsstrafe den Beschwerdeführer zu einem Gesinnungswandel und künftigem Wohlverhalten veranlassen wird können, kann darin keine Rechtswidrigkeit gesehen werden.

Die Beschwerde meint weiters, daß das Aufenthaltsverbot im Hinblick auf den damit verbundenen intensiven Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers aufgrund der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung rechtswidrig sei. Die belangte Behörde habe bei ihrer Ermessensentscheidung nicht ausreichend die familiäre Situation des Beschwerdeführers berücksichtigt. Dem Beschwerdeführer ist aber entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde sämtliche für seinen Standpunkt sprechenden Gesichtspunkte berücksichtigte und in Abwägung der im § 20 Abs. 1 FrG angeführten Interessen dennoch zu dem Ergebnis gelangte, daß wegen der besonderen Schwere des vom Beschwerdeführer verübten Raubes und des daraus abgeleiteten hohen Grades der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit den öffentlichen Interessen an der Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes größeres Gewicht als seinen privaten Interessen zukomme. Die belangte Behörde hat dabei berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer im Bundesgebiet angesichts der Dauer seines Aufenthaltes sowie seiner kulturellen Eingliederung weitgehend integriert und überdies mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei und mit dieser ein gemeinsames Kind habe. Insoweit in der Beschwerde die Unterhaltsverpflichtung des Beschwerdeführers gegenüber seinem Kind angesprochen wird, hat bereits die belangte Behörde zutreffend aufgezeigt, daß der Beschwerdeführer dieser Unterhaltspflicht auch vom Ausland aus nachkommen kann. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind die Verhältnisse in seinem Heimatstaat für die Rechtmäßigkeit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes ohne rechtliche Bedeutung. Mit der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wird lediglich das Verbot ausgesprochen, sich weiter in Österreich aufzuhalten. Eine Abschiebung (oder Ausreise) in ein bestimmtes Land wird damit nicht angeordnet. Bei der Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG ist im übrigen nicht gefordert, daß den an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes bestehenden öffentlichen Interessen ein höheres Gewicht zukomme als den gegenläufigen privaten- und familiären Interessen des Beschwerdeführers. Ein Aufenthaltsverbot darf nach der angeführten Gesetzesbestimmung nur dann nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0354). Die belangte Behörde hat zutreffend darauf hingewiesen, daß die näheren Umstände und die besondere Verwerflichkeit dieser Tat (ein von sechs Männern verabredeter, gemeinsam unter Verwendung von zwei Waffen, darunter einer scharf geladenen Pistole, an zwei offenbar körperlich und geistig unterlegenen Opfern begangener schwerer Raub) keineswegs die Wertung als "einmaliger Ausrutscher" zulassen. Hinzu kommt, daß der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Verbrechenstat eine maßgebliche Rolle spielte und selbst eine Waffe mit sich führte. Auch die zwölf verwaltungsrechtlichen Vorstrafen, worunter die drei Verurteilungen nach § 64 Abs. 1 KFG nach ständiger Rechtsprechung als schwer zu qualifizieren sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1995, Zl. 95/18/0085), hat die Behörde mit Recht in ihre Erwägungen mit einbezogen. Wenn also die belangte Behörde bei Gesamtbetrachtung aller Umstände trotz der gewichtigen, für einen (weiteren) Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Interessen den gegenläufigen maßgeblichen öffentlichen Interessen ein größeres Gewicht zugemessen hat, so kann darin kein rechtswidriges Abwägungsergebnis gesehen werden, zumal bereits ein gleichgewichtiges öffentliches Interesse zu seinem Nachteil ausschlagen muß.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen.

Im Hinblick auf die Entscheidung in der Hauptsache erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995210733.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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