Entscheidungsdatum
14.03.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
I405 2272604-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX ), geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2023, zu Recht erkannt:Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch XXXX (alias römisch XXXX ), geb. römisch XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.10.2023, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. A) Der Beschwerde wird gemäß Paragraph 28, Absatz 2, VwGVG stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.römisch eins.1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Diesen begründete er im Rahmen seiner am 29.06.2022 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit, dass sein Heimatort unter Kontrolle der Hisbollah sei, er in Syrien den Militärdienst leisten müsste und ansonsten hingerichtet werden würde.römisch eins.2. Diesen begründete er im Rahmen seiner am 29.06.2022 stattgefundenen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit, dass sein Heimatort unter Kontrolle der Hisbollah sei, er in Syrien den Militärdienst leisten müsste und ansonsten hingerichtet werden würde.
I.3. Am 14.12.2022 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Hierbei gab er an, dass er in Syrien von der Hisbollah bedroht und in einem Camp in Daraa gefangen gehalten worden sei, weil man ihn gemeinsam mit 74 anderen Personen zur Teilnahme am Krieg zwingen habe wollen. Nach 84 Tagen seien sie dann von der russischen Armee nach Idlib gebracht worden. Seit 2014 müsste er auch beim syrischen Militär seinen Wehrdienst ableisten. römisch eins.3. Am 14.12.2022 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Hierbei gab er an, dass er in Syrien von der Hisbollah bedroht und in einem Camp in Daraa gefangen gehalten worden sei, weil man ihn gemeinsam mit 74 anderen Personen zur Teilnahme am Krieg zwingen habe wollen. Nach 84 Tagen seien sie dann von der russischen Armee nach Idlib gebracht worden. Seit 2014 müsste er auch beim syrischen Militär seinen Wehrdienst ableisten.
I.4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.04.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Die Abweisung hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer persönlich nicht glaubwürdig sei und keine spezifischen Angaben betreffend eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung machen habe können. römisch eins.4. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.04.2023 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde dem Beschwerdeführer gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Die Abweisung hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer persönlich nicht glaubwürdig sei und keine spezifischen Angaben betreffend eine persönliche Bedrohung oder Verfolgung machen habe können.
I.5. Gegen Spruchpunkt I. des gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 19.05.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen indessen unangefochten in Rechtskraft. Es wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr die Einberufung zum Militärdienst befürchte und asylrelevante Verfolgung, weil er aus einem ehemaligen Oppositionsgebiet stamme. Ergänzend wurde angeführt, dass dem Beschwerdeführer zudem eine Reflexverfolgung drohe, da er Angehöriger von Personen sei, denen eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werde. Sein Onkel sei aktuell wegen der Teilnahme an Demonstrationen inhaftiert und sein Cousin sei bereits umgebracht worden.römisch eins.5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des gegenständlich angefochtenen Bescheides wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 19.05.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben. Die Spruchpunkte römisch II. und römisch III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen indessen unangefochten in Rechtskraft. Es wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr die Einberufung zum Militärdienst befürchte und asylrelevante Verfolgung, weil er aus einem ehemaligen Oppositionsgebiet stamme. Ergänzend wurde angeführt, dass dem Beschwerdeführer zudem eine Reflexverfolgung drohe, da er Angehöriger von Personen sei, denen eine oppositionelle Gesinnung zumindest unterstellt werde. Sein Onkel sei aktuell wegen der Teilnahme an Demonstrationen inhaftiert und sein Cousin sei bereits umgebracht worden.
I.6. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.05.2023 vorgelegt und langten am 31.05.2023 in der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin ein.römisch eins.6. Beschwerde und Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.05.2023 vorgelegt und langten am 31.05.2023 in der Gerichtsabteilung der erkennenden Richterin ein.
I.7. Am 27.09.2023 und am 20.10.2023 langten Stellungnahmen des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, wonach er palästinensischer Syrer sei und seine gesamte Familie bei UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees) registriert sei. Er brachte eine UNRWA Family Registration Card in Kopie in Vorlage.römisch eins.7. Am 27.09.2023 und am 20.10.2023 langten Stellungnahmen des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein, wonach er palästinensischer Syrer sei und seine gesamte Familie bei UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees) registriert sei. Er brachte eine UNRWA Family Registration Card in Kopie in Vorlage.
I.8. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 24.10.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er fürchte sich vor einer Zwangsrekrutierung und wolle niemanden töten im Wesentlichen aufrecht.römisch eins.8. Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 24.10.2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Arabisch teilnahmen. Das BFA verzichtete auf die Teilnahme. Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er fürchte sich vor einer Zwangsrekrutierung und wolle niemanden töten im Wesentlichen aufrecht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen. Er ist am XXXX geboren und ist syrischer Staatsangehöriger, palästinensischer Abstammung, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch. Seine Identität steht nicht fest.Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen. Er ist am römisch XXXX geboren und ist syrischer Staatsangehöriger, palästinensischer Abstammung, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch. Seine Identität steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer hat in Syrien sechs Jahre lang die Schule besucht und seinen Vater als Pickup-Fahrer mit dem Transport von Obst und Gemüse unterstützt.
Der Beschwerdeführer ist in der Stadt Daraa aufgewachsen und lebte dort in einem Flüchtlingslager für palästinensische Flüchtlinge (Daraa Camp) und wurde dann nach Idlib gebracht, von wo aus er dann Syrien verlassen hat.
Der Beschwerdeführer hat Syrien im August 2021 verlassen. Er reiste zunächst von Syrien in die Türkei, verblieb dort zehn Monate lang und reiste dann über Griechenland, Albanien, Kosovo, Serbien sowie Ungarn nach Österreich ein und stellte am 28.06.2022 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer ist ledig und kinderlos. In Syrien hat der Beschwerdeführer noch seine Eltern, zwei Schwestern und drei Brüder. In Österreich leben vier Cousins des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Die Stadt Daraa, in welcher der Beschwerdeführer aufgewachsen ist, steht unter Kontrolle der syrischen Regierung.
Der fast 25jährige Beschwerdeführer ist wehrpflichtig und hat seinen Militärdienst noch nicht geleistet.
Der Beschwerdeführer will seinen Wehrdienst nicht ableisten. Er will keine Waffen tragen und sich nicht an den von der syrischen Regierung begangenen Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beteiligen.
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter von 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend.
Der Beschwerdeführer würde wahrscheinlich bereits bei der Einreise als Wehrdienstpflichtiger identifiziert und allenfalls für kurze Zeit inhaftiert und dann eingezogen bzw. unmittelbar eingezogen werden. Die Beamten an den Grenzübergängen haben Zugang zu den zentralen Datenbanken mit den Namen der für die Wehrpflicht gesuchten Männer. Zudem ist das „Herausfiltern“ Wehrdienstpflichtiger bei Straßenkontrollen oder an einem der zahlreiche Checkpoints weit verbreitet.
Der Beschwerdeführer wäre als Angehöriger der syrischen Armee gezwungen, zu Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen beizutragen.
Wenn der Beschwerdeführer den Wehrdienst verweigert, würde ihm von der syrischen Regierung eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt. Ihm droht in diesem Fall die Verurteilung vor einem Feldgericht und die Exekution oder die Inhaftierung in einem Militärgefängnis. Dort wäre der Beschwerdeführer von Folter, Misshandlung und unmenschlicher Behandlung betroffen.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Version 9 vom 17.07.2023, das dem Beschwerdeführer auch zur Stellungnahme übermittelt und in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde, (auszugsweise soweit entscheidungsrelevant) wiedergegeben:
1.3.1. Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023).
Interne Akteure haben das Kernmerkmal eines Staates - sein Gewaltmonopol - infrage gestellt und ausgehöhlt. Externe Akteure, die Gebiete besetzen, wie die Türkei in den kurdischen Gebieten, oder sich in innere Angelegenheiten einmischen, wie Russland und Iran, sorgen für Unzufriedenheit bei den Bürgern vor Ort (BS 23.2.2022). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus. In anderen Gebieten ist die zivile Politik im Allgemeinen den lokal dominierenden bewaffneten Gruppen untergeordnet, darunter die militante islamistische Gruppe Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS), die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) und mit dem türkischen Militär verbündete Kräfte (FH 9.3.2023). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vgl. AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum November 2022-März 2023] nicht wesentlich verändert (AA 29.3.2023). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Der Machtanspruch des syrischen Regimes wurde in den Gebieten unter seiner Kontrolle nicht grundlegend angefochten, nicht zuletzt aufgrund der anhaltenden substanziellen militärischen Unterstützung Russlands bzw. Irans und Iran-naher Kräfte. Allerdings gelang es dem Regime nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol in diesen Gebieten durchzusetzen. Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht (AA 29.3.2023). Der von den Vereinten Nationen geleitete Friedensprozess, einschließlich des Verfassungsausschusses, hat 2022 keine Fortschritte gemacht (HRW 12.1.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert (AA 29.3.2023). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell und sorgen dafür, dass diese nicht für ihre Taten verantwortlich gemacht werden (HRW 12.1.2023).
Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).Im Äußeren gewannen die Bemühungen des Regimes und seiner Verbündeten, insbesondere Russlands, zur Beendigung der internationalen Isolation [mit Stand März 2023] unabhängig von der im Raum stehenden Annäherung der Türkei trotz fehlender politischer und humanitärer Fortschritte weiter an Momentum. Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen, wenngleich sich die Bewahrung der EU-Einheit in dieser Sache zunehmend herausfordernd gestaltet (AA 29.3.2023).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (29.3.2023): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: März 2023), https://www.ecoi.net/en/document/2089904.html, Zugriff 23.6.2023
? AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 23.6.2023
? Alaraby - New Arab, the (31.5.2023): Why Syria's Kurds and Hayat Tahrir al-Sham are offering to host refugees, https://www.newarab.com/analysis/why-syrias-kurds-and-hts-are-offering-host-refugees, Zugriff 28.6.2023
? Brookings (27.1.2023): Syria’s dissolving line between state and nonstate actors, https://www.brookings.edu/blog/order-from-chaos/2023/01/27/syrias-dissolving-line-between-state-and-nonstate-actors/, Zugriff 27.6.2023
? BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report Syria, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_SYR.pdf Zugriff 23.6.2023
? CMEC - Carnegie Middle East Center (16.5.2023): An Inauspicious Return, https://carnegie-mec.org/diwan/89762, Zugriff 23.6.2023
? FH - Freedom House (9.3.2023): Freedom in the World 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2088564.html, Zugriff 23.6.2023
? HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2085501.html, Zugriff 23.6.2023
? IPS - Inter Press Service (20.5.2022): What the Russian Invasion Means for Syria, https://www.ipsnews.net/2022/05/russian-invasion-means-syria/?utm_source=rss&utm_medium=rss&utm_campaign=russian-invasion-means-syria, Zugriff 27.6.2023
? SOHR - The Syrian Observatory For Human Rights (7.5.2023): Assad will demand high price for return of refugees, https://www.syriahr.com/en/298175/, Zugriff 23.6.2023
? Spiegel, Der (29.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien, https://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 23.6.2023
? USIP - United States Institute for Peace (14.3.2023): Syria’s Stalemate Has Only Benefitted Assad and His Backers, https://www.usip.org/publications/2023/03/syrias-stalemate-has-only-benefitted-assad-and-his-backers, Zugriff 27.6.2023
? Wilson - Wilson Center (6.6.2023): Syria and the Arab League, h