Entscheidungsdatum
25.03.2024Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15Spruch
I403 2284130-1/19E
I403 2284131-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der 1. XXXX , geb. XXXX , und der 2. minderjährigen XXXX , geb. 13.01.2022, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , beide Staatsangehörige von Syrien und vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 01.12.2023, Zl.en 1366570105/231674314 und 1366543903/231671587, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der 1. römisch XXXX , geb. römisch XXXX , und der 2. minderjährigen römisch XXXX , geb. 13.01.2022, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter römisch XXXX , beide Staatsangehörige von Syrien und vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 01.12.2023, Zl.en 1366570105/231674314 und 1366543903/231671587, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2024 zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX sowie XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX sowie römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX sowie XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX sowie römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführerin) und ihrer minderjährigen Tochter XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) sind gemeinsam als Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 zu führen.Die Verfahren von römisch XXXX (Erstbeschwerdeführerin) und ihrer minderjährigen Tochter römisch XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) sind gemeinsam als Familienverfahren im Sinne des Paragraph 34, AsylG 2005 zu führen.
Die Beschwerdeführerinnen stellten am 28.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer am selben Tag stattfindenden Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit begründete, dass sie nach Österreich zu ihrer Familie wolle, in Syrien gebe es keine Zukunft und habe sie Angst vor dem Krieg.
Am 27.11.2023 wurde die Erstbeschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) einvernommen. Hierbei gab sie im Wesentlichen an, ihr Vater sei bereits verstorben, während ihre Mutter und Geschwister allesamt in Österreich aufhältig seien. Ihr Ehemann sei seit Oktober 2022 verschollen, es habe einen Streit vor ihrer Haustüre in Damaskus gegeben und habe er die Streitparteien auseinanderbringen wollen, daraufhin habe ihn eine Polizeistreife mitgenommen und hätte die Familie bislang nicht herausfinden können, wo er sich befinde. Im März 2023 seien die Beschwerdeführerinnen in der Folge zum Großvater der Erstbeschwerdeführerin nach Deir ez-Zor gezogen, wo es jedoch keine Sicherheit und Krieg zwischen den Kurden und lokalen Stämmen gebe. Aus Angst, entführt zu werden, hätte die Erstbeschwerdeführerin zudem nicht mehr das Haus verlassen, sodass die Beschwerdeführerinnen Syrien letztlich im April 2023 verlassen hätten. Abgesehen von der allgemeinen Sicherheitslage hätten sie keine Probleme gehabt.
Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 01.12.2023 wurden die verfahrensgegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Die Abweisung hinsichtlich des Status von Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerinnen keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung dargelegt hätten. Vielmehr hätten sie Syrien glaubhaft aufgrund des Krieges und der allgemeinen Sicherheitslage verlassen.Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 01.12.2023 wurden die verfahrensgegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Die Abweisung hinsichtlich des Status von Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerinnen keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung dargelegt hätten. Vielmehr hätten sie Syrien glaubhaft aufgrund des Krieges und der allgemeinen Sicherheitslage verlassen.
Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 27.12.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei deren inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA sei sehr kurz gehalten worden und habe der Dolmetscher ihr gegenüber gesagt, dass sie nur die Fragen beantworten solle und nichts zu erzählen brauche, wenn sie nicht gefragt werde, weswegen sie auch nur die Fragen der Amtsleiterin beantwortet habe. Angesichts dessen habe sie jedoch keine Möglichkeit gehabt, detaillierte Angaben zu ihrem leiblichen Vater zu machen. Dieser sei vom syrischen Regime verhaftet, für etwa acht Jahre in einem Gefängnis in Damaskus angehalten und dort schlussendlich getötet worden. Auch ihr Ehemann sei von den syrischen Behörden entführt worden, weswegen die Beschwerdeführerinnen ebenfalls Gefahr liefen, in Syrien getötet zu werden.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieser Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 27.12.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei deren inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA sei sehr kurz gehalten worden und habe der Dolmetscher ihr gegenüber gesagt, dass sie nur die Fragen beantworten solle und nichts zu erzählen brauche, wenn sie nicht gefragt werde, weswegen sie auch nur die Fragen der Amtsleiterin beantwortet habe. Angesichts dessen habe sie jedoch keine Möglichkeit gehabt, detaillierte Angaben zu ihrem leiblichen Vater zu machen. Dieser sei vom syrischen Regime verhaftet, für etwa acht Jahre in einem Gefängnis in Damaskus angehalten und dort schlussendlich getötet worden. Auch ihr Ehemann sei von den syrischen Behörden entführt worden, weswegen die Beschwerdeführerinnen ebenfalls Gefahr liefen, in Syrien getötet zu werden.
Beschwerde und Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 15.01.2024 vorgelegt.
Am 18.03.2023 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerinnen, ihrer Rechtsvertretung sowie eines Bruders und der Mutter der Erstbeschwerdeführerin als Zeugen abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Bei dieser Gelegenheit brachte die Erstbeschwerdeführerin erstmalig vor, von einem Offizier der syrischen Sicherheitskräfte, der sie nach dem Verschwinden ihres Ehemannes mehrfach aufgesucht habe, sexuell misshandelt worden zu sein, was sie zur Ausreise veranlasst hätte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:Die unter Punkt römisch eins. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführerinnen:
Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Syrien. Es handelt sich bei ihnen um eine volljährige Frau (Erstbeschwerdeführerin) und ihre minderjährige Tochter (Zweitbeschwerdeführerin). Sie sind Angehörige der Volksgruppe der Araber und sunnitische Moslems. Ihre Identität steht fest.
Die Familie der Erstbeschwerdeführerin stammt ursprünglich aus Bseireh im Gouvernement Deir ez-Zor, übersiedelte jedoch, als sich diese noch im Kindealter befand, nach Damaskus, wo sie im Bezirk XXXX aufwuchs, für sechs Jahre die Grundschule besuchte und in der Folge auch ihren Ehemann heiratete und mit diesem gemeinsam im Haus der Schwiegereltern wohnte. Ihren Lebensunterhalt bestritt die Erstbeschwerdeführerin durch die finanzielle Unterstützung ihres Mannes und seiner Familie. Im Jänner 2022 brachte sie eine gemeinsame Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, zur Welt. Die Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin leben nach wie vor in XXXX , ihre Großeltern väterlicherseits in Bseireh. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist bereits verstorben, der Aufenthaltsort ihres Ehemannes ist unbekannt. Ihre Mutter, vier Schwestern und zwei Brüder halten sich allesamt als Asylberechtigte in Österreich auf.Die Familie der Erstbeschwerdeführerin stammt ursprünglich aus Bseireh im Gouvernement Deir ez-Zor, übersiedelte jedoch, als sich diese noch im Kindealter befand, nach Damaskus, wo sie im Bezirk römisch XXXX aufwuchs, für sechs Jahre die Grundschule besuchte und in der Folge auch ihren Ehemann heiratete und mit diesem gemeinsam im Haus der Schwiegereltern wohnte. Ihren Lebensunterhalt bestritt die Erstbeschwerdeführerin durch die finanzielle Unterstützung ihres Mannes und seiner Familie. Im Jänner 2022 brachte sie eine gemeinsame Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, zur Welt. Die Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin leben nach wie vor in römisch XXXX , ihre Großeltern väterlicherseits in Bseireh. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist bereits verstorben, der Aufenthaltsort ihres Ehemannes ist unbekannt. Ihre Mutter, vier Schwestern und zwei Brüder halten sich allesamt als Asylberechtigte in Österreich auf.
Anfang des Jahres 2023 zogen die Beschwerdeführerinnen, nachdem der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin von Sicherheitskräften verschleppt und sie selbst an ihrer Wohnadresse von einem Offizier der syrischen Sicherheitskräfte sexuell misshandelt worden war, für etwa einen Monat zu den Großeltern der Erstbeschwerdeführerin nach Bseireh, ehe sie von dort aus schließlich über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn die schlepperunterstützte Ausreise nach Europa antraten, um ihren zum damaligen Zeitpunkt bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen nachzureisen. Am 28.08.2023 stellten sie ihre verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Die Erstbeschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten, während die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin noch nicht strafmündig ist.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerinnen:
Die Erstbeschwerdeführerin wurde im Vorfeld ihrer Ausreise in ihrer Heimatstadt Damaskus Opfer von sexueller Gewalt seitens eines Offiziers der syrischen Sicherheitskräfte. Als alleinstehende Frau, deren Ehemann seit seiner Verschleppung durch Sicherheitskräfte unbekannten Aufenthaltes ist und deren sonstige Kernfamilie Syrien bereits verlassen hat, besteht für sie die reale Gefahr, im Falle ihrer Rückkehr abermals sexueller Gewalt durch Regimekräfte ausgesetzt zu sein.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS (Version 10, 14.03.2024) auszugsweise soweit entscheidungsrelevant wiedergegeben:
Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer w