Entscheidungsdatum
12.04.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
W148 2264803-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, vom XXXX 2022, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2022, Zl. XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch die BBU – Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen, vom römisch XXXX 2022, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2022, Zl. römisch XXXX , zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. römisch eins. Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.römisch II. Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I.1. Verfahrensgang:römisch eins.1. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 16.08.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am selben Tag wurde der BF durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt. Befragt nach seinen Fluchtgründen, führte der BF im Wesentlichen aus, dass er Syrien verlassen habe, weil er als Reservist einberufen worden sei.
3. Am 08.11.2022 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX , Außenstelle XXXX (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. 3. Am 08.11.2022 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion römisch XXXX , Außenstelle römisch XXXX (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte er zusammengefasst aus, er müsse als Reservist einrücken. Dies habe er erfahren, als er einen neuen Reisepass ausstellen wollte. Ferner lebe sein Schwager in Österreich, welcher ein Diplomat gewesen und in Syrien sehr bekannt sei. Deshalb könne auch er Probleme bekommen.
4. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 17.11.2022, Zl. XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkte II. und III.). 4. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 17.11.2022, Zl. römisch XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt (Spruchpunkte römisch II. und römisch III.).
Begründend führte das BFA hinsichtlich Spruchpunkt I. im Wesentlichen aus, dass eine Gefahr der Verfolgung des BF durch die syrische Regierung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne. Begründend führte das BFA hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. im Wesentlichen aus, dass eine Gefahr der Verfolgung des BF durch die syrische Regierung nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne.
5. Gegen Spruchpunkt I. des unter Punkt 4. genannten Bescheides richtet sich die Beschwerde des BF vom XXXX 2022, in der beantragt wurde, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Spruchpunkt zu beheben und zur Verhandlung und neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das BFA zurückzuverweisen. 5. Gegen Spruchpunkt römisch eins. des unter Punkt 4. genannten Bescheides richtet sich die Beschwerde des BF vom römisch XXXX 2022, in der beantragt wurde, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen, dem BF den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Spruchpunkt zu beheben und zur Verhandlung und neuerlichen Erlassung eines Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.
Begründend wird ausgeführt, dass das BFA die aktuellen Länderberichte in seiner Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt habe. Insbesondere wird der Beweiswürdigung des BFA entgegengetreten und zusammengefasst ausgeführt, dass das Vorbringen des BF glaubhaft sei. Dem BF drohe asylrelevante Verfolgung aus Gründen seiner (unterstellten) oppositionellen Gesinnung.
6. Am 29.12.2022 langte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein.
7. Mit Eingabe vom 22.02.2023 sowie vom 24.07.2023 langte eine Stellungnahme sowie jeweils eine Beweismittelvorlage des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der gegenständlichen Rechtssache am 04.01.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seiner Rechtsvertretung persönlich teilnahm. Das BFA erschien nicht zur Verhandlung. Er wurde ausführlich zu seinem Fluchtvorbingen befragt. Durch den erkennenden Richter wurden die aktuelle Country of Origin Information (vormals Länderinformationsblatt), Version 9, vom 17.07.2023, in das Verfahren eingebracht. Der BF und seine Rechtsvertretung verzichteten auf die Ausfolgung von Kopien, gaben keine Stellungnahme ab und verwiesen auf ihr Vorbringen.
9. Am 25.01.2024 wurden dem BF Länderberichte zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm gleichzeitig eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme eingeräumt.
10. Am 05.02.2024 langte eine Stellungnahme des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.
11. Am 11.03.2024 langten (übersetzte) Dokumente des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein.
12. Am 15.03.2024 wurde dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien (vom 14.03.2024, Version 10) zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt und ihm gleichzeitig eine Frist von 14 Tagen zur Stellungnahme eingeräumt. Der BF brachte keine Stellungnahme in Vorlage.
I.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt) römisch eins.2. Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens (Sachverhalt)
Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem, für die Entscheidung maßgebenden Sachverhalt aus:
I.2. a) Zur Person und zum Vorbringen des BFrömisch eins.2. a) Zur Person und zum Vorbringen des BF
1. Der BF führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum, ist syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er ist sunnitischer Moslem. Die Muttersprache des BF ist Arabisch.
2. Der BF wurde in der Stadt XXXX , im Gouvernement XXXX , geboren und ist dort aufgewachsen. Der BF lebte bis zum Jahr 2010 in seiner Heimatstadt. Von 2010 bis 2018 lebte der BF in XXXX . Von 2018 bis 2019 lebte der BF wiederum in seiner Heimatstadt. Anschließend lebte der BF bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Mai 2022 in XXXX . Von XXXX aus reiste der BF illegal und schlepperunterstützt gegen die Zahlung eines Betrags von EUR 12.500 über den Libanon, Griechenland, Albanien, Kosovo sowie unbekannte Länder bis nach Österreich. Nach unrechtmäßiger Einreise stellte der BF am 16.08.2022 den gegenständlichen Antrag. 2. Der BF wurde in der Stadt römisch XXXX , im Gouvernement römisch XXXX , geboren und ist dort aufgewachsen. Der BF lebte bis zum Jahr 2010 in seiner Heimatstadt. Von 2010 bis 2018 lebte der BF in römisch XXXX . Von 2018 bis 2019 lebte der BF wiederum in seiner Heimatstadt. Anschließend lebte der BF bis zu seiner Ausreise aus Syrien im Mai 2022 in römisch XXXX . Von römisch XXXX aus reiste der BF illegal und schlepperunterstützt gegen die Zahlung eines Betrags von EUR 12.500 über den Libanon, Griechenland, Albanien, Kosovo sowie unbekannte Länder bis nach Österreich. Nach unrechtmäßiger Einreise stellte der BF am 16.08.2022 den gegenständlichen Antrag.
Der BF besuchte 12 Jahre eine Schule. Er arbeitete in Syrien als Verkäufer.
3. Die Eltern sowie ein Bruder des BF leben in XXXX . Ein Bruder des BF lebt in Saudi-Arabien.3. Die Eltern sowie ein Bruder des BF leben in römisch XXXX . Ein Bruder des BF lebt in Saudi-Arabien.
Eine Schwester des BF, nämlich XXXX , geboren am XXXX , lebt mit ihrer Familie in XXXX . Der Schwester sowie dem Ehemann und deren Kindern wurde im Jahr 2016 der Status des/der Asylberechtigten gewährt.Eine Schwester des BF, nämlich römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , lebt mit ihrer Familie in römisch XXXX . Der Schwester sowie dem Ehemann und deren Kindern wurde im Jahr 2016 der Status des/der Asylberechtigten gewährt.
Der BF ist seit dem 31.03.2015 verheiratet und hat zwei Söhne. Die Ehefrau und seine Kinder leben in XXXX . Der BF ist seit dem 31.03.2015 verheiratet und hat zwei Söhne. Die Ehefrau und seine Kinder leben in römisch XXXX .
Der BF steht in Kontakt mit seiner Familie.
4. Der BF leidet im Entscheidungszeitpunkt an keinen schwerwiegenden lebensbedrohlichen Erkrankungen. Er befindet sich nicht in psychiatrischer Behandlung oder Therapie. Er nimmt keine Medikamente ein.
5. Der BF ist arbeitsfähig.
6. Die Heimatregion des BF ist die Stadt XXXX , im Gouvernement XXXX , und das unmittelbare Umland. Die Heimatregion des BF steht aktuell unter der Kontrolle der syrischen Regierung.6. Die Heimatregion des BF ist die Stadt römisch XXXX , im Gouvernement römisch XXXX , und das unmittelbare Umland. Die Heimatregion des BF steht aktuell unter der Kontrolle der syrischen Regierung.
7. Zu den Fluchtgründen:
Der Ehemann der Schwester des BF, nämlich XXXX , ist ein ehemaliger Diplomat und Konsul der syrischen Regierung. Der Schwager des BF arbeitete in der syrischen Botschaft in Kuwait und in Serbien. Im XXXX 2012 sprach sich der Schwager des BF in einem Video, welches auch in einer Sendung namens XXXX ausgestrahlt wurde, öffentlich gegen die syrische Regierung aus und desertierte von seiner Tätigkeit als Diplomat. In einem Interview der oben genannten Sendung, legte der Schwager des BF seine politischen Ansichten dar und erklärte, warum er zur Opposition überlief. Der Schwager des BF hat sich der XXXX angeschlossen und ist ein Vertreter der Koalition in der Europäischen Union und Belgien. Die XXXX ist ein Oppositionsbündnis, deren Ziel der Sturz vom Präsidenten Baschar al-Assad ist. Der Schwager des BF ist öffentlich exilpolitisch tätig.Der Ehemann der Schwester des BF, nämlich römisch XXXX , ist ein ehemaliger Diplomat und Konsul der syrischen Regierung. Der Schwager des BF arbeitete in der syrischen Botschaft in Kuwait und in Serbien. Im römisch XXXX 2012 sprach sich der Schwager des BF in einem Video, welches auch in einer Sendung namens römisch XXXX ausgestrahlt wurde, öffentlich gegen die syrische Regierung aus und desertierte von seiner Tätigkeit als Diplomat. In einem Interview der oben genannten Sendung, legte der Schwager des BF seine politischen Ansichten dar und erklärte, warum er zur Opposition überlief. Der Schwager des BF hat sich der römisch XXXX angeschlossen und ist ein Vertreter der Koalition in der Europäischen Union und Belgien. Die römisch XXXX ist ein Oppositionsbündnis, deren Ziel der Sturz vom Präsidenten Baschar al-Assad ist. Der Schwager des BF ist öffentlich exilpolitisch tätig.
Darüber ob und in welchem Ausmaß Familienangehörige von Deserteuren und Überläufern mit Konsequenzen zu rechnen haben, herrscht Uneinigkeit. Die Desertion führt für sich genommen momentan nicht zu Repressalien für die Familienmitglieder der Betroffenen. Anderen Quellen zufolge gibt es Repressalien gegenüber Familienmitgliedern von Deserteuren, wie Belästigung, Erpressung, Drohungen, Einvernahmen und Haft. Eine Quelle berichtete sogar von Folter. Betroffen sind vor allem Angehörige ersten Grades. Allerdings überprüfen die syrischen Behörden bei der Sicherheitsüberprüfung im Falle einer Rückkehr nach Syrien Informationen über den Antragsteller, Familienmitglieder und eventuell auch seine erweiterte Familie.
Es hängt von einer Reihe von Faktoren ab, ob die Familienangehörigen eines Deserteurs mit Konsequenzen rechnen müssen:
Wenn ein Deserteur wegen seiner politischen Aktivitäten gegen die syrische Regierung ein hohes Ansehen genießt, gerät seine Familie in Gefahr. Insbesondere Familienangehörige von Deserteuren müssen mit Konsequenzen rechnen, wenn die Desertion als ein Zeichen des Widerstands gegen die Regierung angesehen wird. Denn die syrischen Behörden verfolgen insbesondere Familienmitglieder politischer Aktivisten. Repressalien gegen Familienmitglieder können insbesondere bei Familien von Deserteuren auftreten, wenn die syrische Regierung die Desertion als einen Akt des Übertritts zur Opposition wertet.
Weitere Einflussfaktoren sind der Rang des Deserteurs, Wohnort der Familie, der für dieses Gebiet zuständige Geheimdienst und zuständige Offizier sowie die Religionszugehörigkeit der Familie. Zum Beispiel müssen Familienangehörige hochrangiger Deserteure/Überläufer oder solche aus von der Opposition kontrollierten Gebieten mit größerer Wahrscheinlichkeit mit Konsequenzen rechnen, als diejenigen mit einem niedrigen Rang oder solche, die aus von der Regierung kontrollierten Gebieten stammen.
Die tatsächliche oder vermeintliche regierungskritische Haltung einer Person wird häufig auch Menschen in ihrem Umfeld zugeschrieben, einschließlich Familienmitgliedern. Für Familienangehörige besteht die Gefahr, dass sie zwecks Vergeltung und/oder mit dem Ziel, tatsächliche oder vermeintliche Regierungskritiker zum Schweigen zu bringen, bedroht, schikaniert, willkürlich verhaftet, gefoltert, zwangsverschleppt und zum Verschwinden gebracht werden.
Was Regierungskritiker betrifft, die in den von der Opposition kontrollierten Gebieten oder im Ausland leben, besteht für ihre Familienangehörigen und manchmal ihre Bekannten die Gefahr, dass sie den vorgenannten Maßnahmen zwecks Vergeltung oder mit der Absicht ausgesetzt werden, die gesuchten Personen dazu zu bringen, ihre Aktivitäten einzustellen oder nach Syrien zurückzukehren.
Der Schwager des BF ist ein Deserteur und Überläufer, der sich der Opposition angeschlossen hat. Als entschiedener Kritiker der syrischen Regierung, ist er exilpolitisch aktiv, insbesondere als Vertreter der Oppositionskoalition. Der Schwager des BF ist unzweifelhaft als Überläufer und Regierungsgegner ins Blickfeld der syrischen Regierung geraten und somit auch seine ganze Familie, vor allem die Ehegattin, nämlich die Schwester des BF. Der BF sowie seine in Österreich asylberechtigte Schwester, tragen den selben Familiennamen. Im Rahmen eines sogenannten „quadruple security check“, also einer Sicherheitsüberprüfung im Falle einer Rückkehr nach Syrien, wird bei einem der zahlreichen Checkpoints der syrischen Regierung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht nur Informationen über den BF, sondern aufgrund der Namensgleichheit mit seiner in Österreich lebenden Schwester, auch jene über seine Familienmitglieder und auch seine erweiterte Familie, wie seinen Schwager, kontrolliert werden.
Bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion in Syrien besteht für den BF daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, dass dem BF durch die syrische Regierung wegen des Überlaufens seines Schwagers zur Opposition und seiner exilpolitischen Aktivitäten gegen die syrische Regierung sowie der illegalen Ausreise des BF aus Syrien, eine gegenüber der Regierung eingenommene kritische Haltung und folglich zumindest eine oppositionelle Einstellung bzw. Gesinnung unterstellt wird.
Bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion ist der BF daher Eingriffen in seine körperliche Integrität, Folter und einer unmenschlichen Behandlung aufgrund einer zumindest unterstellen oppositionellen Gesinnung durch die syrische Regierung ausgesetzt.
I.2. b) Zur Lage im Herkunftsstaatrömisch eins.2. b) Zur Lage im Herkunftsstaat
Das Bundesverwaltungsgericht trifft folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:
1. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat:
1.1. Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11, Datum der Veröffentlichung: 27.03.2024.
[…]
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba’ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016). Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022).
Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 % des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime – unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg, der nun in sein zwölftes Jahr geht, hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon - (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte „Normalisierungsnarrativ“ verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson