Entscheidungsdatum
12.04.2024Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L510 2285156-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2023, Zl: XXXX , zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. INDERLIETH als Einzelrichter über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. am römisch XXXX , StA. Türkei, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2023, Zl: römisch XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang
1. Die beschwerdeführende Partei (bP), ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 09.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Zuge ihrer Erstbefragung am 11.10.2022 gab die bP zum Fluchtgrund an, dass es in der Türkei keinen Job gebe und sie finanzielle Schwierigkeiten habe. Ihre Freiheit sei beschränkt und das Leben in der Türkei sei ungerecht. Es gebe eine hohe Inflation. Im Falle einer Rückkehr in die Türkei befürchte sie keinen Job zu finden.
3. Am 12.10.2022 reiste die bP nach Deutschland weiter. Sie wurde am Tag ihrer Einreise nach Deutschland von der Bundespolizei aufgegriffen und wurde in weiterer Folge ein Dublin IN Verfahren mit Deutschland geführt. An 18.10.2022 stimmte Österreich der Übernahme im Sinne der Dublin Verordnung zu. Am 16.11.2022 wurde die bP von Deutschland nach Österreich überstellt.
4. Am 03.05.2023 wurde die bP von Beamten der Finanzpolizei bei einer Beschäftigung ohne arbeitsmarktbehördliche Bewilligung betreten.
5. Bei der niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 23.11.2023 gab die bP zu ihren Fluchtgründen im Wesentlichen folgendes an:
„…
LA: Bitte nennen Sie Ihre Fluchtgründe? Warum haben Sie Ihr Herkunftsland verlassen und haben in Österreich einen Asylantrag gestellt?
VP: Ich habe im Erdbebengebiet in der Türkei gelebt. Danach ging ich nach XXXX und habe dort eine Bäckerei eröffnet. Von Ende 2015 bis ich die Bäckerei 2020 an jemand anderen die Bäckerei gegeben. Weil ich Zaza bin wurde ich ständig diskriminiert. Man wollte mir in XXXX die Bäckerei „aus der Hand reißen“. Das waren die anderen Bäcker in meinem Viertel. Ich habe ihnen aber meine Bäckerei nicht übergeben. Es gab Streit zwischen uns. Es kam sogar 2- oder 3-mal zu Raufereien. Ich wurde am Kopf verletzt. Ich hatte eine Platzwunde, diese wurde genäht und die Narben sind nach wie vor zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Pandemie. Kurz danach gab es die Pandemie. Meine Konkurrenten des Wohnviertels haben mich nie in Ruhe gelassen. Sie sind ständig vor dem Geschäft auf und ab gegangen und haben mich bedroht. Sie wollten mich nicht dort haben, sie wollten mich zwingen, die Bäckerei ihnen zu verkaufen. Ungefähr zwei Monate nach der Rauferei, bei der ich die Kopfverletzung davongetragen habe, kamen meine Konkurrenten bis vor meine Wohnung und haben mich bedroht. Sie waren zu dritt, ich war allein. Trotzdem ist es mir gelungen, einen von denen ordentlich zu verprügeln. Das war der letzte Tropfen, ich habe gewusst, dass es für mich und für meine Familie gefährlich sein würde, weil sie sich an mir rächen würden. Daraufhin habe ich meine Bäckerei unter Wert jemand anderen verkauft (nicht den Konkurrenten) und ich bin mit meiner Familie nach XXXX umgezogen. Dort waren wir ca. 10 Monate. Sie haben mich aber dort auch gefunden. Sie sind in die Bäckerei gekommen, wo ich gearbeitet habe, und haben mich wieder bedroht. Dann hat mich mein Bruder XXXX aus Deutschland angerufen. Er hat mir geraten, aus der Türkei auszureisen, um den Problemen zu entkommen. Daraufhin habe ich meine Frau und die Kinder nach XXXX gebracht. Dort habe ich für sie eine Wohnung gemietet. Das war ein Monat vor meiner Ausreise. Danach war ich nur mehr einen Monat zu Hause und bin dann ausgereist. Ich möchte eines anmerken, dass ich nicht freiwillig aus der Türkei ausgereist bin, ich musste flüchten.VP: Ich habe im Erdbebengebiet in der Türkei gelebt. Danach ging ich nach römisch XXXX und habe dort eine Bäckerei eröffnet. Von Ende 2015 bis ich die Bäckerei 2020 an jemand anderen die Bäckerei gegeben. Weil ich Zaza bin wurde ich ständig diskriminiert. Man wollte mir in römisch XXXX die Bäckerei „aus der Hand reißen“. Das waren die anderen Bäcker in meinem Viertel. Ich habe ihnen aber meine Bäckerei nicht übergeben. Es gab Streit zwischen uns. Es kam sogar 2- oder 3-mal zu Raufereien. Ich wurde am Kopf verletzt. Ich hatte eine Platzwunde, diese wurde genäht und die Narben sind nach wie vor zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine Pandemie. Kurz danach gab es die Pandemie. Meine Konkurrenten des Wohnviertels haben mich nie in Ruhe gelassen. Sie sind ständig vor dem Geschäft auf und ab gegangen und haben mich bedroht. Sie wollten mich nicht dort haben, sie wollten mich zwingen, die Bäckerei ihnen zu verkaufen. Ungefähr zwei Monate nach der Rauferei, bei der ich die Kopfverletzung davongetragen habe, kamen meine Konkurrenten bis vor meine Wohnung und haben mich bedroht. Sie waren zu dritt, ich war allein. Trotzdem ist es mir gelungen, einen von denen ordentlich zu verprügeln. Das war der letzte Tropfen, ich habe gewusst, dass es für mich und für meine Familie gefährlich sein würde, weil sie sich an mir rächen würden. Daraufhin habe ich meine Bäckerei unter Wert jemand anderen verkauft (nicht den Konkurrenten) und ich bin mit meiner Familie nach römisch XXXX umgezogen. Dort waren wir ca. 10 Monate. Sie haben mich aber dort auch gefunden. Sie sind in die Bäckerei gekommen, wo ich gearbeitet habe, und haben mich wieder bedroht. Dann hat mich mein Bruder römisch XXXX aus Deutschland angerufen. Er hat mir geraten, aus der Türkei auszureisen, um den Problemen zu entkommen. Daraufhin habe ich meine Frau und die Kinder nach römisch XXXX gebracht. Dort habe ich für sie eine Wohnung gemietet. Das war ein Monat vor meiner Ausreise. Danach war ich nur mehr einen Monat zu Hause und bin dann ausgereist. Ich möchte eines anmerken, dass ich nicht freiwillig aus der Türkei ausgereist bin, ich musste flüchten.
LA: Haben Sie sämtliche Fluchtgründe vorbringen können?
VP: ja, das sind meine Fluchtgründe. Ich lebe im Erdbebengebiet. In der Türkei ist das Leben eines Bürgers nie sicher. Es explodieren Bomben und der Grund, den ich ihnen oben erzählt habe. Auch meine wirtschaftliche Lage zuletzt aufgrund meiner Probleme mit meinem damaligen Konkurrenten.
…“
6. Mit Bescheid vom 21.12.2023, Zl: XXXX , wies das BFA den Antrag gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). 6. Mit Bescheid vom 21.12.2023, Zl: römisch XXXX , wies das BFA den Antrag gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) und gemäß Paragraph 8, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt römisch II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde gegen die bP gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt römisch IV.) und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch fünf.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt römisch VI.).
Das BFA gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Ein relevantes, die öffentlichen Interessen übersteigendes, Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen.
7. Gegen den genannten Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
1.1. Zur Person der beschwerdeführenden Partei:
Die bP ist Staatsangehöriger der Türkei, führt den im Spruch genannten Namen und das dort angeführte Geburtsdatum, gehört der kurdischen Volksgruppe (Zaza) an und ist muslimisch-schafiitischen Glaubens. Ihre Identität steht nicht fest.
Im Alter von ungefähr 20 Jahren heiratete die bP eine türkische Staatsangehörige, ließ sich jedoch später wieder scheiden. Der Ehe entsprang eine gemeinsame Tochter, welche aktuell ca. 12 Jahre alt ist. Das Sorgerecht hat die Mutter. Die bP zahlt keinen Unterhalt für ihre Tochter und hat auch keinen Kontakt zu dieser. Im Jahr 2014 heiratete die bP in XXXX die türkische Staatsangehörige XXXX . Der Ehe entsprangen drei gemeinsame Kinder, welche ca. sieben, fünf und vier Jahre alt sind. Die Ehegattin und die Kinder der bP leben im Haus der Eltern der bP, wo auch die bP selbst vor ihrer Ausreise lebte. Die bP steht mit diesen in regelmäßigem telefonischen Kontakt.Im Alter von ungefähr 20 Jahren heiratete die bP eine türkische Staatsangehörige, ließ sich jedoch später wieder scheiden. Der Ehe entsprang eine gemeinsame Tochter, welche aktuell ca. 12 Jahre alt ist. Das Sorgerecht hat die Mutter. Die bP zahlt keinen Unterhalt für ihre Tochter und hat auch keinen Kontakt zu dieser. Im Jahr 2014 heiratete die bP in römisch XXXX die türkische Staatsangehörige römisch XXXX . Der Ehe entsprangen drei gemeinsame Kinder, welche ca. sieben, fünf und vier Jahre alt sind. Die Ehegattin und die Kinder der bP leben im Haus der Eltern der bP, wo auch die bP selbst vor ihrer Ausreise lebte. Die bP steht mit diesen in regelmäßigem telefonischen Kontakt.
Die bP stammt aus der Stadt XXXX , in der gleichnamigen Herkunftsprovinz, zog jedoch später in die Stadt XXXX , in der gleichnamigen Herkunftsprovinz, wo sie ihre eigene Bäckerei eröffnete. Von Ende 2015 bis März 2020 arbeitete die bP in ihrer Bäckerei und verkaufte diese einige Zeit später. Anschließend zog sie mit ihrer Ehegattin und den Kindern nach XXXX , wo sie ungefähr 10 Monate lang lebten. Dort arbeitete die bP als Angestellter in einer Bäckerei. Einen Monat vor ihrer Ausreise zog die bP gemeinsam mit ihrer Familie wieder zurück nach XXXX . Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie besuchte in der Türkei fünf Jahre lang die Schule. Ihre Muttersprache ist Kurdisch/Zazaki, zudem beherrscht sie die türkische Sprache in Wort und Schrift. Ihren Wehrdienst hat die bP in der Türkei bereits abgeleistet. Die bP verfügt noch über einen Teil des Verkaufserlöses ihrer Bäckerei.Die bP stammt aus der Stadt römisch XXXX , in der gleichnamigen Herkunftsprovinz, zog jedoch später in die Stadt römisch XXXX , in der gleichnamigen Herkunftsprovinz, wo sie ihre eigene Bäckerei eröffnete. Von Ende 2015 bis März 2020 arbeitete die bP in ihrer Bäckerei und verkaufte diese einige Zeit später. Anschließend zog sie mit ihrer Ehegattin und den Kindern nach römisch XXXX , wo sie ungefähr 10 Monate lang lebten. Dort arbeitete die bP als Angestellter in einer Bäckerei. Einen Monat vor ihrer Ausreise zog die bP gemeinsam mit ihrer Familie wieder zurück nach römisch XXXX . Die bP war bis zur Ausreise aus der Türkei in der Lage, im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Sie besuchte in der Türkei fünf Jahre lang die Schule. Ihre Muttersprache ist Kurdisch/Zazaki, zudem beherrscht sie die türkische Sprache in Wort und Schrift. Ihren Wehrdienst hat die bP in der Türkei bereits abgeleistet. Die bP verfügt noch über einen Teil des Verkaufserlöses ihrer Bäckerei.
Die bP verfügt im Herkunftsstaat über ein familiäres bzw. verwandtschaftliches Netz. Neben der Ehegattin und den Kindern der bP leben auch die Eltern, fünf Schwestern und zwei Brüder nach wie vor in der Türkei. Zudem leben auch noch drei Onkel sowie drei Tanten der bP im Herkunftsstaat. Der Vater der bP ist derzeit ohne Beschäftigung, er verfügt jedoch neben dem Familienhaus über einige Grundstücke und Felder. Die Mutter der bP ist Hausfrau. Ein Bruder der bP ist Landwirt, der andere ist Lehrer. Eine Schwester der bP ist Apothekenhelferin, die vier anderen sind Hausfrauen. Die bP hat telefonisch Kontakt zu ihren Familienangehörigen in der Türkei.
Aktuell liegen keine relevanten behandlungsbedürftigen Krankheiten vor. Die bP ist gesund und arbeitsfähig.
Die bP reiste am 05.10.2022 legal mit dem Flugzeug aus der Türkei aus und am 09.10.2022 unrechtmäßig in Österreich ein, wo sie am selben Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Wenige Tage nach ihrer Erstbefragung am 11.10.2022 reiste die bP weiter nach Deutschland, wo sie an der Grenze aufgegriffen und in Schubhaft genommen wurde. Ca. ein Monat später wurde die bP nach Österreich rücküberstellt.
Die bP besuchte in Österreich bisher keine Deutsch- oder Integrationskurse und legte auch noch keine Deutschprüfungen ab. Sie geht in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach und war nach ihrer Einreise in Österreich lediglich etwas mehr als drei Monate zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes auf staatliche Zuwendungen angewiesen. Am 09.02.2023 wurde die bP von der Finanzpolizei bei der illegalen Beschäftigung als Essenszusteller betreten und erfolgte eine Anzeige. Dabei handelte es sich um den ersten und einzigen Arbeitstag der bP. Ihren Lebensunterhalt in Österreich bestreitet die bP mit der finanziellen Unterstützung ihrer Brüder, welche ihr von Deutschland aus Geld überweisen.
Die bP verfügt in Österreich über keine familiären Kontakte und befindet sich aktuell in keiner Beziehung. In Deutschland leben zwei Brüder und drei Onkel, ein Onkel der bP lebt in Belgien. Die bP konnte sich in Österreich bereits einen Freundeskreis aufbauen, dabei handelt es sich nach Angaben der bP überwiegend um Türken und Kurden. Die bP verkehrt in Österreich somit überwiegend in türkischen Kreisen. Sie ist weder Mitglied eines Vereins in Österreich, noch ehrenamtlich tätig. Strafrechtliche Verurteilungen liegen in Österreich nicht vor.
1.2. Zu den angegebenen Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates:
Die von der bP vorgebrachten Fluchtgründe werden den Feststellungen nicht zugrunde gelegt.
Die bP ist im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt. Sie hat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt aufgrund ihrer Asylantragstellung im Ausland oder ihres Aufenthaltes in Europa zu rechnen.
Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass die bP in ihrem Herkunftsstaat wegen der Weigerung ihre Bäckerei an eine kurdische Sippe zu verkaufen im Fall einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit willkürlicher Gewaltausübung, willkürlichem Freiheitsentzug oder exzessiver Bestrafung durch staatliche Organe ausgesetzt wäre.
Die bP hat nicht glaubhaft dargelegt und kann auch sonst nicht festgestellt werden, dass sie vor ihrer Ausreise aus ihrer Heimat in dieser einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung ausgesetzt war oder sie im Falle ihrer Rückkehr dorthin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen ausgesetzt wäre oder in eine lebens- bzw. existenzbedrohliche Notlage geraten würde.
1.3. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat:
Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei wird auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Türkei (Version 7, 29.6.2023) verwiesen, in welchem eine Vielzahl von Berichten diverser allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt werden. Das LIB der Staatendokumentation zur Türkei wurde bereits mit dem Bescheid des BFA vom 21.12.2023 in das Verfahren eingebracht. Das BVwG schließt sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde (Bescheid, Seiten 19-178) an und wird konkret auf die insoweit relevanten Abschnitte hingewiesen:
COVID-19-Pandemie
Letzte Änderung 20.06.2023
Zur aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Websites der WHO: https://www.who.int/ emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/ situation-reports. Für historische Daten bis zum 10.3.2023 s. die Datenbank der Johns-Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcg is.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6. Während der Covid-19-Pandemie wurde das staatliche Gesundheitssystem extrem belastet, konnte aber seine Aufgaben bisher weitgehend erfüllen. Es häuften sich Berichte über personelle Erschöpfung und beschränkte Behandlungsmöglichkeiten (AA 28.7.2022, S. 21). Mit Stand Ende Dezember 2022 verzeichnete die Türkei offiziell rund 101.200 Menschen, die an den Folgen von COVID-19 verstarben, wobei für die letzten vier Wochen des Jahres 2022 kein einziger Todesfall verzeichnet wurde (JHU 29.12.2022). Bereits Mitte April 2022 sah die türkische Ärztekammer (TTB) die Zahl der COVID-19-Toten nach zwei Jahren Pandemie, im Widerspruch zu den zu jenem Zeitpunkt offiziell vermeldeten rund 98.000 Verstorbenen (bei insgesamt circa 14,78 Millionen Fällen), bei geschätzten 274.000. Die Berechnungen der Ärztekammer erfolgten anhand der Übersterblichkeitsrate (Ahval 14.4.2022). Angesichts der erneuten Sommerwelle im Juli 2022, zurückzuführen auf das Ende fast aller Maßnahmen, erneuerte die Ärztekammer den Vorwurf falscher COVID-19-Infektionszahlen. Die tatsächliche Infektionszahl wäre mit 235.000 demnach doppelt so hoch wie die vom Gesundheitsministerium angegebene (Ahval 16.7.2022). Beginnend mit 1.6.2022 wurde das Tragen von Masken sowohl im Freien als auch in geschlossenen Räumen sowie im öffentlichen Verkehr aufgehoben. In Gesundheitseinrichtungen wird das Tragen von Masken aber weiterhin empfohlen. Seit 1.6.2022 wird für die Einreise aus Österreich in die Türkei kein Nachweis über eine Impfung oder Genesung bzw. kein negativer PCR-Test oder negativer Antigen-Schnelltest mehr verlangt (WKO 15.2.2023).
Politische Lage
Letzte Änderung 20.06.2023
Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem „Dauerwahlkampf“ sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Unter der Bevölkerung nimmt die Unzufriedenheit mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) zu, insbesondere als Folge der Teuerung und des damit verbundenen Kaufkraftverlustes und der einhergehenden, zunehmenden Verarmung von Teilen der Bevölkerung. Die Opposition versucht, die Regierung in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen, und fördert eine migrantenfeindliche Stimmung. Die einst gegenüber Flüchtlingen mehrheitlich freundlich eingestellte Bevölkerung ist mittlerweile nicht mehr bereit, weitere Menschen aufzunehmen (ÖB 30.11.2022, S. 4). Die Gesellschaft bleibt stark polarisiert (WZ 7.5.2023; vgl. ÖB 30.11.2022, S. 4, EC 12.10.2022, S.11) zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagierten