TE Vfgh Beschluss 1993/3/23 KI-2/93

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Veröffentlicht am 23.03.1993
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art138 Abs1 litb

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags auf Entscheidung eines verneinenden Kompetenzkonflikts zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Landesgericht für ZRS Wien mangels Vorliegen eines Kompetenzkonflikts

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1.1. Im Wege einer beim Landesgericht für ZRS Wien eingebrachten Klage vom 29. September 1992 begehrte der Antragsteller die Fällung des folgenden Urteiles:

"Die beklagte Partei Republik ÖSTERREICH ist schuldig, die klagende Partei Dr.jur. F W K bei sonstiger Exekution aus der mit den Urteilen des Kreisgerichtes KORNEUBURG vom 18.Dezember 1984, GZ. 10 Vr 949/82-570 und des Obersten Gerichtshofes vom 2.Juli 1986, GZ. 9 Os 76/85-27, verhängte(n) lebenslangen Freiheitsstrafe zu entlassen und einen weiteren Vollzug der auf Grund dieser Urteile verhängten Freiheitsstrafe zu unterlassen; weiters wolle die beklagte Partei schuldig erkannt werden, der klagenden Partei die Kosten dieses Rechtsstreites binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen."

1.2. Mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 12. Oktober 1992, Z32 Cg 1027/92-2, wurde die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurückgewiesen.

1.3. Dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs des Klägers wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 10. Dezember 1992, Z14 R 243/92, keine Folge gegeben. In der Begründung dieses Beschlusses wurde u.a. ausgeführt:

    "Der Kläger begehrt seine Haftentlassung und die Unterlassung

seiner neuerlichen Verhaftung. Beides stellt aber hoheitliches

Handeln im Rahmen des Strafvollzuges dar. Damit zeigt sich, daß der

Kläger einen privatrechtlichen Schadenersatzanspruch nur scheinbar

behauptet, in Wahrheit aber in das hoheitliche Handeln der

Beklagten unmittelbar eingreifen will. Wird aber ein

schadenersatzrechtlicher Anspruch behauptet, mit dem auf

hoheitliches Handeln eines Rechtsträgers Einfluß genommen werden

soll, sei es durch Beseitigung der Folgen hoheitlichen Handelns

durch Vornahme oder Rückgängigmachung eines Gerichts- oder

Verwaltungsaktes, sei es durch Untersagung hoheitlichen Handelns, so

ist der Rechtsweg ausgeschlossen ... . Da der Kläger seinen Anspruch

von Anfang an auf Amtshaftung und nicht auf einen anderen

privatrechtlichen Anspruch gestützt hat, hat das Erstgericht die

Klage zu Recht zurückgewiesen und nicht abgewiesen ... .

    ... Der Ausschluß der Naturalrestitution trägt dem

Verfassungsgrundsatz der Gewaltentrennung Rechnung. Das Amtshaftungsverfahren soll zwar für schuldhafte Rechtsverletzungen im Zuge hoheitlichen Handelns im Verwaltungs- und Gerichtsbereich Schadenersatz in Geld gewähren, jedoch einen nachträglichen Eingriff des Amtshaftungsgerichtes in andere Hoheitsbereiche ausschließen."

2.1. Mit einer am 11. November 1992 beim Verfassungsgerichtshof eingereichten, auf Art137 B-VG gestützten Klage begehrte der nunmehrige Antragsteller die Fällung des Urteiles, die beklagte Republik Österreich sei schuldig, die klagende Partei bei sonstiger Exekution aus der mit den Urteilen des Kreisgerichtes Korneuburg vom 18. Dezember 1984 und des Obersten Gerichtshofes vom 2. Juli 1986 verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe zu entlassen und einen weiteren Vollzug der aufgrund dieser Urteile verhängten Freiheitsstrafe zu unterlassen sowie die Kosten dieses Rechtsstreites bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

2.2. Mit Beschluß vom 16. Dezember 1992, A7/92-5, wies der Verfassungsgerichtshof die Klage zurück; da Art137 B-VG die Geltendmachung eines vermögensrechtlichen Anspruches zur Voraussetzung habe, sei die auf Haftentlassung gerichtete Klage mangels Legitimation unzulässig.

3. Mit Eingabe vom 9. Februar 1993 behauptet der Antragsteller das Bestehen eines negativen Kompetenzkonfliktes zwischen dem Verfassungsgerichtshof und dem Landesgericht für ZRS Wien und begehrt, gestützt auf Art138 B-VG, die Aufhebung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1992, A7/92-5, in eventu die Aufhebung der dem zitierten Beschluß entgegenstehenden gerichtlichen Akte.

4. Der behauptete Kompetenzkonflikt liegt nicht vor:

4.1. Gemäß Art138 Abs1 litb B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte "zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten". Da auch der Verfassungsgerichtshof zu diesen "anderen Gerichten" zählt (vgl. VfSlg. 9285/1981 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen), hat er auch über Kompetenzkonflikte zwischen den ordentlichen Gerichten und ihm selbst zu erkennen.

Nach der zitierten Verfassungsbestimmung iVm §46 Abs1 VerfGG liegt ein verneinender Kompetenzkonflikt u.a. dann vor, wenn "in derselben Sache" der Verfassungsgerichtshof und ein ordentliches Gericht die Zuständigkeit abgelehnt haben und diese Ablehnung in einem Fall zu Unrecht erfolgt ist.

4.2. Die Prozeßvoraussetzung der Identität der Sache ist gegeben: sowohl im zivil- als auch im verfassungsgerichtlichen Verfahren war über dasselbe, in der Formulierung wortgleiche Begehren auf Entlassung des Klägers aus der mit näher bezeichneten Urteilen des Kreisgerichtes Korneuburg und des Obersten Gerichtshofes über ihn verhängten lebenslangen Freiheitsstrafe zu erkennen.

4.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat die Klage des Antragstellers mangels Legitimation desselben zur Klagsführung als unzulässig zurückgewiesen. Unbeschadet der Tatsache, daß der Entzug der Freiheit Reflexwirkungen im Bereich des Vermögens nach sich ziehen könne, mache der Kläger mit dem Begehren, die über ihn verhängte Freiheitsbeschränkung zu beseitigen, einen vermögensrechtlichen Anspruch offenkundig nicht geltend; dessen Vorliegen sei jedoch eine grundlegende Voraussetzung für die Klagslegitimation gemäß Art137 B-VG.

4.3.2. Aber auch die Zivilgerichte haben die Klage des Antragstellers zu Recht zurückgewiesen. In Amtshaftungsverfahren sind nämlich Schäden gemäß §1 Abs1 letzter Satz AHG ausschließlich in Geld zu ersetzen. Der als eine der Rechtsgrundlagen des Klagebegehrens auf Entlassung aus der Haft herangezogene §1329 ABGB, der die Verpflichtung desjenigen, der einen anderen "durch Privatgefangennehmung oder vorsätzlich durch einen widerrechtlichen Arrest seiner Freiheit beraubt", statuiert, "dem Verletzten die vorige Freiheit zu verschaffen und volle Genugtuung zu leisten", ist in Amtshaftungsverfahren nicht anzuwenden (Schragel, Kommentar zum Amtshaftungsgesetz2, 1985, Rz 161 und besonders deutlich 515 BlgNR V. GP). Da der Antragsteller aber mit seiner, auf eine solche vom AHG ausgeschlossene Naturalrestitution gerichteten Klage einen Hoheitsakt betreffend seine Entlassung aus der über ihn verhängten Freiheitsstrafe erzwingen wollte, ist seine Klage vom Landesgericht für ZRS Wien wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zu Recht zurückgewiesen worden (vgl. JBl. 1988, 594).

4.4. Da somit weder dem Landesgericht für ZRS Wien noch dem Verfassungsgerichtshof eine Zuständigkeit zukommt, über das Begehren des Antragstellers auf Entlassung aus der mit den Urteilen des Kreisgerichtes Korneuburg vom 18. Dezember 1984, Z10 Vr 949/82-570, und des Obersten Gerichtshofes vom 2. Juli 1986, Z9 Os 76/85-27, zu entscheiden, haben sowohl das Landesgericht für ZRS Wien als auch der Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit zur Entscheidung über dieses Begehren zu Recht abgelehnt.

Das aber bedeutet, daß ein verneinender Kompetenzkonflikt nicht vorliegt. Damit fehlt jedoch eine Prozeßvoraussetzung für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, weshalb der Antrag wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zurückzuweisen war (vgl. VfSlg. 4554/1963 und 6046/1969).

5. Dieser Beschluß konnte gemäß §19 Abs3 Z1 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1993:KI2.1993

Dokumentnummer

JFT_10069677_93K00I02_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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