TE Vwgh Erkenntnis 1995/7/12 95/03/0042

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Veröffentlicht am 12.07.1995
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65007 Jagd Wild Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
JagdG Tir 1983 §31 Abs3;
JagdRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des A in I, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 2. Jänner 1995, Zl. 2560/2, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Bestellung eines Berufsjägers, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung von der Verpflichtung zur Bestellung eines Berufsjägers für die Eigenjagd L gemäß § 31 Abs. 3 TJG 1983 abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde im wesentlichen davon aus, daß die genannte Eigenjagd eine Größe von insgesamt 4238 ha aufweise. Der "Gesamtwildlebensraum" betrage ca. 3000 ha. Hinsichtlich des vorhandenen Gams- und Steinwildes lägen "tatsächliche Großjagdbedingungen" vor. Die Auffassung des Beschwerdeführers, die bisher von Berufsjägern ausgeübten Agenden könnten von den Aufsichtsjägern und den Jagdkartenbesitzern übernommen werden, widerspreche den Ausführungen der Landarbeiterkammer und des Bezirksjagdbeirates. Die Landarbeiterkammer führe aus, daß das gegenständliche Jagdrevier besondere Anforderungen an den Jagdschutz stelle. Das Jagdgebiet sei nur zu einem kleinen Teil durch Wege erschlossen, daher bringe der Jagdschutz einen enormen Zeitaufwand mit sich. Anläßlich der Verhandlung am 14. Juni 1994 sei beispielsweise festgestellt worden, daß vier Fütterungen, ein paar Bodensitze und Hochsitze und ca. 100 Salzlecken vorhanden seien. Die Beschickung dieser Fütterungen sei besonders durch das Fehlen von Fahrwegen sehr erschwert, sodaß das Futter zu drei Futterstellen zugetragen werden müsse. Allein schon aufgrund der Größe des Jagdgebietes könne ein Jagdschutz von einem nebenberuflichen Organ nicht im ausreichenden Maße wahrgenommen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Gemäß § 30 Abs. 1 TJG 1983 obliegt dem Jagdausübungsberechtigten auch der Schutz der Jagd, den er nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen entweder selbst oder durch Jagdaufseher und Berufsjäger zu besorgen hat. Der Jagdschutz umfaßt nach Abs. 2 der genannten Bestimmung den Schutz des Wildes vor Raubwild, Raubzeug und vor Wilderern und die Überwachung der Einhaltung dieses Gesetzes, gemäß Abs. 3 ist er regelmäßig, dauernd und ausreichend auszuüben.

§ 31 Abs. 2 erster Satz TJG 1983 schreibt vor, daß für alle Jagdgebiete über 3000 ha ein Berufsjäger zu bestellen ist.

Gemäß § 31 Abs. 3 TJG 1983 kann die Bezirksverwaltungsbehörde nach Anhören der Sektion Dienstnehmer der Landeslandwirtschaftskammer, der Bezirkslandwirtschaftskammer und des Bezirksjagdbeirates gestatten, daß ein Berufsjäger nicht bestellt werden muß, wenn die Jagd nur eine geringe Einstandsmöglichkeit aufweist, sowie in begründeten Ausnahmefällen dann, wenn der Schutz der Jagd und der Interessen der Landeskultur trotzdem gewährleistet ist, wobei auf die Wildstandsverhältnisse und die bisherige Art der Ausübung der Jagd in dem betreffenden Jagdgebiet Bedacht zu nehmen ist.

Nach Meinung des Beschwerdeführers weise die gegenständliche Jagd - auch hinsichtlich des Gams- und Steinwildes - nur eine geringe Einstandsmöglichkeit auf. Als Einstandsmöglichkeit sei eine Unterstandsmöglichkeit für jegliches Schalenwild, im wesentlichen Wald und Gestrüpp, zu verstehen, so auch für Gamswild; dies im Gegensatz zum "Lebensraum des Wildes", der weiter zu fassen sei, zu dem auch die Almen, Kahlflächen und Gletscher gehörten. Sämtliches Wild, wie Hirsch-, Reh-, Gams- und Steinwild, werde immer wieder seine Einstände verlassen und in die Lebensräume ausstreunen. Deswegen bleibe die Einstandsmöglichkeit jedoch die gleiche, nämlich im Jagdrevier L ca. 280 ha.

Dem ist entgegenzuhalten, daß der Begriff "Einstand" nicht in dem vom Beschwerdeführer verstandenen engen Sinn aufzufassen ist. Die Wildökologie unterscheidet vielmehr Wohnraum- und Deckungseinstände. Wohnraumeinstände dienen dem vertrauten Wild als Aufenthaltsort bei gutem Wetter. Deckungseinstände werden bei Schlechtwetter (Klimaschutzeinstände) oder bei Beunruhigung (Feindschutzeinstände) aufgesucht. Der "Einstand" setzt sich daher aus "Wohnraum" und "Deckung" zusammen (vgl. Der Jagdprüfungsbehelf11, Österreichischer Jagd- und Fischerei-Verlag des N.-Ö. Landesjagdverbandes, Wien, 16f). Ob eine Einstandsmöglichkeit "gering" im Sinn des § 31 Abs. 3 TJG 1983 ist, muß bezogen auf die jeweilige Wildart im Hinblick auf das Erfordernis der Bestellung eines Berufsjägers zum Schutz der Jagd (§ 30 leg. cit.) beurteilt werden. Hiebei handelt es sich um eine jagdfachliche Frage, die anhand entsprechender Sachverständigengutachten von der Behörde geklärt werden muß (vgl. Abart/Lang/Obholzer, Tiroler Jagdrecht, 118).

Trotz der solcherart gegebenen Notwendigkeit der Einholung eines jagdfachlichen Sachverständigengutachtens wurde im Verwaltungsverfahrens - entgegen § 52 Abs. 1 AVG - von der Beiziehung eines entsprechenden Sachverständigen abgesehen. Dieser Verpflichtung wurden die Behörden durch die Stellungnahmen der Landarbeiterkammer und des Bezirksjagdbeirates nicht enthoben.

Auch die Beurteilung, ob - wie der Beschwerdeführer schon im Verwaltungsverfahren vorgebracht hat - die Voraussetzungen des zweiten Tatbestandes des § 31 Abs. 3 TJG 1983 (" ... in begründeten Ausnahmefällen ...") vorliegen, kann im Beschwerdefall nur auf der Grundlage des schlüssigen Gutachtens eines jagdfachlichen Sachverständigen getroffen werden.

Zufolge der Unterlassung der Aufnahme der entsprechenden Sachverständigenbeweise ist das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Stempelgebührenersatz konnte nur im erforderlichen Ausmaß zugesprochen werden.

Schlagworte

Jagdschutz Jagdschutzorgan Jagdaufseher Jagdschutz Jagdschutzorgan Jagdaufsicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995030042.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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