TE Bvwg Erkenntnis 2024/6/3 L519 2142151-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.06.2024
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Entscheidungsdatum

03.06.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art133 Abs4
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


L519 2142151-1/74E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch RA Mag. Lahner, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2016, Zl. 1070647101-150557954, wegen §§ 3, 8, 10 und 57 AsylG und §§ 46, 52 und 55 FPG zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde des römisch XXXX , geboren am römisch XXXX , Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch RA Mag. Lahner, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2016, Zl. 1070647101-150557954, wegen Paragraphen 3,, 8, 10 und 57 AsylG und Paragraphen 46,, 52 und 55 FPG zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und XXXX gemäß § 3 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird Folge gegeben und römisch XXXX gemäß Paragraph 3, AsylG der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG wird festgestellt, dass römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgangrömisch eins. Verfahrensgang

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Türkei, wurde am 05.05.1985 in Istanbul geboren.römisch eins.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Türkei, wurde am 05.05.1985 in Istanbul geboren.

I.2. Der BF brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 26.05.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein. römisch eins.2. Der BF brachte nach nicht rechtmäßiger Einreise am 26.05.2015 bei der belangten Behörde einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

I.3. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. dem BFA brachte der BF im Wesentlichen Folgendes vor:römisch eins.3. Vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes bzw. dem BFA brachte der BF im Wesentlichen Folgendes vor:

Obwohl er lediglich einer Volkstanzgruppe angehört hätte, wäre er – zu Unrecht – beschuldigt worden, Mitglied einer Terrororganisation (DHKP-C) gewesen zu sein. Im Mai 2013 sei er deswegen zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt worden, wobei sein Akt nunmehr beim Kassationsgericht liegen würde. Außerdem sei er alevitischer Kurde und Mitglied in einem entsprechenden Verein. Zuletzt sei er am 27.06.2014 im Rahmen einer Hausdurchsuchung festgenommen worden.

I.4. Mit Eingaben vom 02.09.2015 und 28.09.2015 teilte die seinerzeitige rechtsfreundliche Vertretung mit, dass zwei namentlich angeführten Asylwerbern in ähnlichen Konstellationen internationaler Schutz gewährt worden sei, weswegen Erhebungen in der Türkei, insbesondere unter Einbeziehung des dortigen Anwaltes des BF, notwendig seien.römisch eins.4. Mit Eingaben vom 02.09.2015 und 28.09.2015 teilte die seinerzeitige rechtsfreundliche Vertretung mit, dass zwei namentlich angeführten Asylwerbern in ähnlichen Konstellationen internationaler Schutz gewährt worden sei, weswegen Erhebungen in der Türkei, insbesondere unter Einbeziehung des dortigen Anwaltes des BF, notwendig seien.

I.5. Mit Eingabe vom 12.10.2015 wurde die Kopie einer Entscheidung des türkischen Obersten Gerichtshofes vom 18.06.2015 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass die Beschwerde des BF abgelehnt und die Haftstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten (wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) bestätigt worden sei. römisch eins.5. Mit Eingabe vom 12.10.2015 wurde die Kopie einer Entscheidung des türkischen Obersten Gerichtshofes vom 18.06.2015 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass die Beschwerde des BF abgelehnt und die Haftstrafe von 6 Jahren und 3 Monaten (wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) bestätigt worden sei.

I.6. Mit Eingabe vom 31.10.2016 langte eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein, die bestätigte, dass der vom BF benannte Anwalt tatsächlich in der Türkei als solcher registriert ist und eine Anwaltskanzlei betreibt. römisch eins.6. Mit Eingabe vom 31.10.2016 langte eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein, die bestätigte, dass der vom BF benannte Anwalt tatsächlich in der Türkei als solcher registriert ist und eine Anwaltskanzlei betreibt.

I.7. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 6 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 und 3a AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 5 und 6 FPG wurde gegen den BFA ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt IV.). römisch eins.7. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit im Spruch genannten Bescheid der belangten Behörde gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 6, AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt römisch eins.). Gem. Paragraph 8, Absatz eins und 3a AsylG wurde der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zugesprochen (Spruchpunkt römisch II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß Paragraph 55, AsylG nicht erteilt. Gemäß Paragraph 10, Absatz eins, Ziffer 3, AsylG in Verbindung mit Paragraph 9, BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, Absatz 2, Ziffer 2, FPG erlassen und gemäß Paragraph 52, Absatz 9, FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in die Türkei gemäß Paragraph 46, FPG zulässig sei (Spruchpunkt römisch III.). Gemäß Paragraph 55, Absatz eins bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Gemäß Paragraph 53, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 3, Ziffer 5 und 6 FPG wurde gegen den BFA ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. (Spruchpunkt römisch IV.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Es sei glaubhaft, dass der BF sein Heimatland aufgrund des laufenden Gerichtsverfahrens und Angst vor dem endgültigen Urteil verlassen habe. Nicht glaubhaft sei die Behauptung, dass der BF zu Unrecht verurteilt worden sei. Die Tatsache, dass er auf freiem Fuß angezeigt wurde zeige, dass es sich hier um keine willkürliche Maßnahme gehandelt hat. Nicht nachvollziehbar sei auch die Darstellung, dass ein Zeuge gegen 148 Personen ausgesagt hätte, welche Mitglieder einer Terrororganisation wären, jedoch nur der BF und eine weitere Person angezeigt sowie verurteilt worden wären und alle anderen freigesprochen worden wären. Weil das Gerichtsverfahren zudem mehrere Instanzen durchlaufen habe, ist von einem korrekten Verfahren auszugehen. Im Falle der Rückkehr müsse der BF seine Haftstrafe antreten, die Mitgliedschaft bzw. Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung würde auch in Österreich mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft werden. Bezüglich des Einreiseverbotes hält das BFA fest, dass aufgrund der Verurteilung des BF zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten der weitere Aufenthalt im Bundesgebiet eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde. Aufgrund der begangenen Straftat könne mit gutem Grund davon ausgegangen werden, dass der BF von einer besonders verwerflichen inneren Einstellung geprägt sei. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens und bei Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens könne das BFA keinesfalls eine günstige Zukunftsprognose stellen. Die Verfügung des Einreiseverbots ist aus diesem Grund die einzig adäquate Maßnahme auf die von dem BF ausgehende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit zu reagieren.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Türkei traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam, da einer der Ausschlussgründe vorliege.Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Artikel eins, Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter Paragraph 8, Absatz eins, AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam, da einer der Ausschlussgründe vorliege.

Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar. Das Einreiseverbot sei der Gefährlichkeit des BF geschuldet und sei eine Abschiebung zulässig.Es hätten sich weiter keine Hinweise für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß Paragraph 57, AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Artikel 8, EMRK (Paragraphen 55,, 10 Absatz 2, AsylG 2005) dar. Das Einreiseverbot sei der Gefährlichkeit des BF geschuldet und sei eine Abschiebung zulässig.

I.8. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. römisch eins.8. Gegen diesen Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

Im Wesentlichen wurde neben Wiederholungen und allgemeinen Angaben vorgebracht, dass der BF aufgrund seiner Verurteilung in Verbindung mit den Verhältnissen in der Türkei einer asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat unterliege.

I.9. Die Beschwerdevorlage langte am 15.12.2016 beim BVwG ein. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 11.01.2017 wurde gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.römisch eins.9. Die Beschwerdevorlage langte am 15.12.2016 beim BVwG ein. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 11.01.2017 wurde gegenständliche Rechtssache der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

I.10. Mit Eingabe vom 02.02.2017 langte eine Beschwerdeergänzung der nunmehrigen Vertretung ein und wurden Urkunden vorgelegt.römisch eins.10. Mit Eingabe vom 02.02.2017 langte eine Beschwerdeergänzung der nunmehrigen Vertretung ein und wurden Urkunden vorgelegt.

Vorweg distanzierte sich der BF von den unsachlichen Angaben in der Beschwerde seines damaligen Vertreters. Weiter wird angeführt, dass sich das Bundesamt mit dem Sachverhalt nicht richtig auseinandergesetzt hätte und unrichtigerweise zum Ergebnis gekommen wäre, dass das Verfahren in der Türkei nicht den rechtsstaatlichen Vorgaben entsprochen hätte. Zudem wird auf die Haftbedingungen im Herkunftsstaat und auf die Benachteiligung aller nicht türkischen oder sunnitischen Moslems verwiesen.

I.11. Mit Eingabe vom 19.03.2018 teilte der Rechtsanwalt des BF im Herkunftsstaat mit, dass er gegen das Urteil des Kassationsgerichts vom 18.06.2015 Beschwerde eingebracht hätte. Das ursprüngliche Urteil wäre vom Höchstgericht am 04.10.2017 bestätigt worden. Auch wurde ein Konvolut an Deutschkursbestätigungen vorgelegt. römisch eins.11. Mit Eingabe vom 19.03.2018 teilte der Rechtsanwalt des BF im Herkunftsstaat mit, dass er gegen das Urteil des Kassationsgerichts vom 18.06.2015 Beschwerde eingebracht hätte. Das ursprüngliche Urteil wäre vom Höchstgericht am 04.10.2017 bestätigt worden. Auch wurde ein Konvolut an Deutschkursbestätigungen vorgelegt.

I.12. Am 26.03.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, seinen Standpunkt umfassend darzulegen. römisch eins.12. Am 26.03.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, seinen Standpunkt umfassend darzulegen.

I.13. Mit Schreiben vom 13.04.2018 wurden vom BF diverse Gerichtsunterlagen im Original vorgelegt, welche vom RA in der Türkei übermittelt wurden. Zudem wurden ein Schreiben der KPÖ über die Mitgliedschaft des BF, ein Empfehlungsschreiben eines Gemeinderates der Stadt Graz und eine Einstellungszusage als Küchengehilfe übermittelt. Zudem wurde mitgeteilt, dass eine Beschwerde beim EGMR eingebracht wurde und der „Folkloreverein“ geschlossen worden sei. Beantragt wurde die Beiziehung eins länderkundlichen SV zur Klärung konkreter Fragen hinsichtlich des Vorgehens türkischer Behörden gegen kurdisch-alevitische Sozialisten, der Praxis hinsichtlich konstruierter Terrorvorwürfe und der Rechtsstaatlichkeit in diesem Zusammenhang und der Frage, ob kurdisch-alevitische Sozialisten in der Türkei ein faires Verfahren erwarten können. Beantragt wurde weiter die Einvernahme des Rechtsanwalts des BF in der Türkei und Ermittlungen dazu, ob auch andere Anwälte oder Organisationen in diesem Verfahren, Rechtsverletzungen kritisiert hätten. römisch eins.13. Mit Schreiben vom 13.04.2018 wurden vom BF diverse Gerichtsunterlagen im Original vorgelegt, welche vom RA in der Türkei übermittelt wurden. Zudem wurden ein Schreiben der KPÖ über die Mitgliedschaft des BF, ein Empfehlungsschreiben eines Gemeinderates der Stadt Graz und eine Einstellungszusage als Küchengehilfe übermittelt. Zudem wurde mitgeteilt, dass eine Beschwerde beim EGMR eingebracht wurde und der „Folkloreverein“ geschlossen worden sei. Beantragt wurde die Beiziehung eins länderkundlichen SV zur Klärung konkreter Fragen hinsichtlich des Vorgehens türkischer Behörden gegen kurdisch-alevitische Sozialisten, der Praxis hinsichtlich konstruierter Terrorvorwürfe und der Rechtsstaatlichkeit in diesem Zusammenhang und der Frage, ob kurdisch-alevitische Sozialisten in der Türkei ein faires Verfahren erwarten können. Beantragt wurde weiter die Einvernahme des Rechtsanwalts des BF in der Türkei und Ermittlungen dazu, ob auch andere Anwälte oder Organisationen in diesem Verfahren, Rechtsverletzungen kritisiert hätten.

I.14. Mit Schreiben des BVwG vom 10.09.2018 wurden den Verfahrensparteien ein Bericht des Auswärtigen Amtes mit der Einladung übermittelt, binnen drei Wochen (Einlangen BVwG) eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Die Stellungnahme langte am 26.09.2018 ein. Es wurden diverse Passagen aus dem übermittelten Bericht, insbesondere im Hinblick auf die Gülen-Bewegung, Folgen von Demonstrationsteilnahmen und Folter in Gefängnissen zitiert. In Österreich nehme der BF an Demonstrationen, marxistischen Kongressen und anderen Veranstaltungen der KPÖ teil, rufe dazu auch öffentlich auf und sei bei einer Diskussionsrunde mit einer Oppositionspolitikerin der HDP bei einer KPÖ Veranstaltung in Österreich auf einem Foto erkennbar. Vorgelegt wurden Screenshots aus einem Facebook Account.römisch eins.14. Mit Schreiben des BVwG vom 10.09.2018 wurden den Verfahrensparteien ein Bericht des Auswärtigen Amtes mit der Einladung übermittelt, binnen drei Wochen (Einlangen BVwG) eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Die Stellungnahme langte am 26.09.2018 ein. Es wurden diverse Passagen aus dem übermittelten Bericht, insbesondere im Hinblick auf die Gülen-Bewegung, Folgen von Demonstrationsteilnahmen und Folter in Gefängnissen zitiert. In Österreich nehme der BF an Demonstrationen, marxistischen Kongressen und anderen Veranstaltungen der KPÖ teil, rufe dazu auch öffentlich auf und sei bei einer Diskussionsrunde mit einer Oppositionspolitikerin der HDP bei einer KPÖ Veranstaltung in Österreich auf einem Foto erkennbar. Vorgelegt wurden Screenshots aus einem Facebook Account.

I.15. Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.02.2019 wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. zu lauten hat: „I. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 AsylG abgewiesen. II. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs 2 Z 1 AsylG abgewiesen“, und dabei ausgesprochen, dass die Revision gem. Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei.römisch eins.15. Mit Erkenntnis des BVwG vom 25.02.2019 wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. und römisch II. zu lauten hat: „I. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer 2, in Verbindung mit Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, AsylG abgewiesen. römisch II. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins, AsylG abgewiesen“, und dabei ausgesprochen, dass die Revision gem. Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig sei.

Begründend wurde dabei ausgeführt, dass der BF aufgrund seiner Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation in der Türkei und dem damit gesetztem Verhalten die nationale Sicherheit gefährde und somit ein Ausschlussgrund iSd § 6 AsylG vorliege. Bezüglich des Einreiseverbotes würden stichhaltige Gründe vorliegen, dass der BF eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle. Begründend wurde dabei ausgeführt, dass der BF aufgrund seiner Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation in der Türkei und dem damit gesetztem Verhalten die nationale Sicherheit gefährde und somit ein Ausschlussgrund iSd Paragraph 6, AsylG vorliege. Bezüglich des Einreiseverbotes würden stichhaltige Gründe vorliegen, dass der BF eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle.

I.16. Am 25.03.2019 wurde vom BF gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten Beschwerde gem. Art 144 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhoben und Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und Gewährung der Verfahrenshilfe gestellt. Mit Beschluss des VfGH vom 19.04.2019 wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben. römisch eins.16. Am 25.03.2019 wurde vom BF gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes wegen Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten Beschwerde gem. Artikel 144, Absatz eins, B-VG an den Verfassungsgerichtshof erhoben und Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und Gewährung der Verfahrenshilfe gestellt. Mit Beschluss des VfGH vom 19.04.2019 wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben.

I.17. Mit Beschluss des VfGH vom 11.06.2019 wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen und die Behandlung der Beschwerde abgewiesen. Mit Beschluss des VfGH vom 11.07.2019 wurde die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung abgetreten. römisch eins.17. Mit Beschluss des VfGH vom 11.06.2019 wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen und die Behandlung der Beschwerde abgewiesen. Mit Beschluss des VfGH vom 11.07.2019 wurde die Beschwerde dem VwGH zur Entscheidung abgetreten.

I.18. Am 22.08.2019 wurde von der rechtlichen Vertretung des BF eine außerordentliche Revision gem. Art 133 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 4 B-VG iVm §§ 25a ff VwGG erhoben und Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie Gewährung von Verfahrenshilfe gestellt. Mit Beschluss des VwGH vom 04.10.2019 wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben. römisch eins.18. Am 22.08.2019 wurde von der rechtlichen Vertretung des BF eine außerordentliche Revision gem. Artikel 133, Absatz eins, Ziffer eins, in Verbindung mit Absatz 4, B-VG in Verbindung mit Paragraphen 25 a, ff VwGG erhoben und Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie Gewährung von Verfahrenshilfe gestellt. Mit Beschluss des VwGH vom 04.10.2019 wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben.

I.19. Mit Erkenntnis des VwGH vom 18.05.2020 wurde das Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zudem wurde der Bund zum Kostenersatz verpflichtet. Begründend führte der VwGH aus, dass zwar festgestellt worden wäre, dass der Revisionswerber in Istanbul wegen der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation verurteilt worden sei und er in der Türkei die nationale Sicherheit gefährde, womit ein Asylausschlussgrund iSd § 6 AsylG vorliegen würde. Es wären jedoch keine Feststellungen zur individuellen Verantwortung, welche Handlungen dem Revisionswerber konkret anzulasten sind, getroffen worden. römisch eins.19. Mit Erkenntnis des VwGH vom 18.05.2020 wurde das Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Zudem wurde der Bund zum Kostenersatz verpflichtet. Begründend führte der VwGH aus, dass zwar festgestellt worden wäre, dass der Revisionswerber in Istanbul wegen der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Organisation verurteilt worden sei und er in der Türkei die nationale Sicherheit gefährde, womit ein Asylausschlussgrund iSd Paragraph 6, AsylG vorliegen würde. Es wären jedoch keine Feststellungen zur individuellen Verantwortung, welche Handlungen dem Revisionswerber konkret anzulasten sind, getroffen worden.

I.20. Mit Eingabe vom 21.01.2021 langte eine Stellungnahme der rechtlichen Vertretung des BF ein. Darin wird ausgeführt, dass das Gerichtsverfahren in der Türkei gravierende Verfahrensmängel aufweise, gegen ein gesetzlich geregeltes Beweisverwertungsverbot verstoßen worden wäre und Zeugen nicht dargelegt hätten, inwiefern sich der BF konkret an terroristischen Aktivitäten beteiligt hätte. Zudem wurde ein Wiederaufnahmeantrag des türkischen RA des BF in beglaubigter Übersetzung eingebracht. Des Weiteren wurden Anträge auf Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens, zeugenschaftliche Einvernahme des türkischen RA des BF und zur Integration die Einvernahme von vier Privatpersonen, eingebracht. römisch eins.20. Mit Eingabe vom 21.01.2021 langte eine Stellungnahme der rechtlichen Vertretung des BF ein. Darin wird ausgeführt, dass das Gerichtsverfahren in der Türkei gravierende Verfahrensmängel aufweise, gegen ein gesetzlich geregeltes Beweisverwertungsverbot verstoßen worden wäre und Zeugen nicht dargelegt hätten, inwiefern sich der BF konkret an terroristischen Aktivitäten beteiligt hätte. Zudem wurde ein Wiederaufnahmeantrag des türkischen RA des BF in beglaubigter Übersetzung eingebracht. Des Weiteren wurden Anträge auf Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens, zeugenschaftliche Einvernahme des türkischen RA des BF und zur Integration die Einvernahme von vier Privatpersonen, eingebracht.

I.21. Am 28.01.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, seinen Standpunkt umfassend darzulegen.römisch eins.21. Am 28.01.2021 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des Beschwerdeführers und seiner rechtsfreundlichen Vertretung durchgeführt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer Gelegenheit gegeben, seinen Standpunkt umfassend darzulegen.

I.22. Mit Erkenntnis des BVwG vom 12.05.2021 wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. zu lauten hat: „I. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 AsylG abgewiesen. II. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs 2 Z 1 AsylG abgewiesen“, und dabei ausgesprochen, dass die Revision gem. Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig sei.römisch eins.22. Mit Erkenntnis des BVwG vom 12.05.2021 wurde die Beschwerde mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Spruch hinsichtlich Spruchpunkt römisch eins. und römisch II. zu lauten hat: „I. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. Paragraph 3, Absatz 3, Ziffer 2, in Verbindung mit Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 2 und Absatz 2, AsylG abgewiesen. römisch II. Der Antrag wird bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. Paragraph 8, Absatz 3 a, in Verbindung mit Paragraph 9, Absatz 2, Ziffer eins, AsylG abgewiesen“, und dabei ausgesprochen, dass die Revision gem. Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig sei.

Beweiswürdigend führte das BVwG - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - aus, der Revisionswerber habe zwar behauptet, dass die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei und der Prozess politisch motiviert gewesen sei. Das BVwG habe aber nicht die Möglichkeit, die Beweisführung und Beweiswürdigung eines ausländischen Gerichtes in allen Einzelheiten und auch in seiner Gesamtheit nachzuvollziehen. Bezüglich des Vorgehens der Behörden und Gerichte hätten keine Rückschlüsse auf ein eventuelles Fehlen rechtsstaatlichen Vorgehens oder Verstöße gegen internationale Standards festgestellt werden können. Es würden keine gravierenden Verfahrensmängel, wie etwa ein Ausschluss vom Rechtsmittelverfahren, der Vorenthalt sonstiger grundlegender Parteienrechte oder Ähnliches vorliegen. Beim Strafausmaß seien Milderungsgründe berücksichtigt und die bereits erfolgten Vorhaftzeiten angerechnet worden. Außerdem liege das Strafausmaß im unteren Drittel des dafür vorgesehenen Rahmens. Aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers sei davon auszugehen, dass dieser zu Recht wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden sei. Aufgrund der vorgelegten türkischen Verfahrensunterlagen bestehe der Nachweis, dass der Revisionswerber als Mitglied der DHKP/C zu qualifizieren sei. Der Verein „ XXXX “ sei inzwischen auch geschlossen worden, weil festgestellt worden sei, dass es sich um eine verbotene Vorfeldorganisation der DHKP/C handle. Es sei auch nicht glaubwürdig, dass dem Revisionswerber die Ziele des Vereines „ XXXX “ nicht bekannt gewesen wären, da er ein politisch interessierter Mensch sei, auch im österreichischen Bundesgebiet politisch aktiv sei und für den Verein Schriften verfasst sowie diese unentgeltlich verteilt habe. Bei der DHKP/C handle es sich um eine terroristische Vereinigung, die zu gewalttätigen Protesten und bewaffneten Angriffen aufrufe. Daraus sei ableitbar, dass der Revisionswerber dieses Vorgehen zumindest in Kauf genommen habe.Beweiswürdigend führte das BVwG - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - aus, der Revisionswerber habe zwar behauptet, dass die Verurteilung zu Unrecht erfolgt sei und der Prozess politisch motiviert gewesen sei. Das BVwG habe aber nicht die Möglichkeit, die Beweisführung und Beweiswürdigung eines ausländischen Gerichtes in allen Einzelheiten und auch in seiner Gesamtheit nachzuvollziehen. Bezüglich des Vorgehens der Behörden und Gerichte hätten keine Rückschlüsse auf ein eventuelles Fehlen rechtsstaatlichen Vorgehens oder Verstöße gegen internationale Standards festgestellt werden können. Es würden keine gravierenden Verfahrensmängel, wie etwa ein Ausschluss vom Rechtsmittelverfahren, der Vorenthalt sonstiger grundlegender Parteienrechte oder Ähnliches vorliegen. Beim Strafausmaß seien Milderungsgründe berücksichtigt und die bereits erfolgten Vorhaftzeiten angerechnet worden. Außerdem liege das Strafausmaß im unteren Drittel des dafür vorgesehenen Rahmens. Aufgrund der Unglaubwürdigkeit des Revisionswerbers sei davon auszugehen, dass dieser zu Recht wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung verurteilt worden sei. Aufgrund der vorgelegten türkischen Verfahrensunterlagen bestehe der Nachweis, dass der Revisionswerber als Mitglied der DHKP/C zu qualifizieren sei. Der Verein „ römisch XXXX “ sei inzwischen auch geschlossen worden, weil festgestellt worden sei, dass es sich um eine verbotene Vorfeldorganisation der DHKP/C handle. Es sei auch nicht glaubwürdig, dass dem Revisionswerber die Ziele des Vereines „ römisch XXXX “ nicht bekannt gewesen wären, da er ein politisch interessierter Mensch sei, auch im österreichischen Bundesgebiet politisch aktiv sei und für den Verein Schriften verfasst sowie diese unentgeltlich verteilt habe. Bei der DHKP/C handle es sich um eine terroristische Vereinigung, die zu gewalttätigen Protesten und bewaffneten Angriffen aufrufe. Daraus sei ableitbar, dass der Revisionswerber dieses Vorgehen zumindest in Kauf genommen habe.

I.23. Über Revision des BF wurde dieses Erkenntnis am 29.08.2023 mit Erkenntnis vom VwGH wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, dass für die Annahme eines Asylausschlussgrundes die individuelle Verantwortung des BF in Bezug auf Handlungen der Terrororganisation notwendig sei. Außerdem habe das Gericht die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens nicht ausreichend begründet, zumal es vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des EuGH und der vom BVwG festgestellten Länderberichte keineswegs ausgeschlossen sei, dass ein Sachverständiger zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts beitragen könnte, ob nämlich dem Revisionswerber in der Türkei ein den Anforderungen des Art. 6 EMRK entsprechendes faires Strafverfahren zur Verfügung steht. Hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK aufgrund einer Haft in der Türkei sei dem Gericht ein Begründungsmangel unterlaufen.römisch eins.23. Über Revision des BF wurde dieses Erkenntnis am 29.08.2023 mit Erkenntnis vom VwGH wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, dass für die Annahme eines Asylausschlussgrundes die individuelle Verantwortung des BF in Bezug auf Handlungen der Terrororganisation notwendig sei. Außerdem habe das Gericht die Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens nicht ausreichend begründet, zumal es vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des EuGH und der vom BVwG festgestellten Länderberichte keineswegs ausgeschlossen sei, dass ein Sachverständiger zur Klärung des maßgeblichen Sachverhalts beitragen könnte, ob nämlich dem Revisionswerber in der Türkei ein den Anforderungen des Artikel 6, EMRK entsprechendes faires Strafverfahren zur Verfügung steht. Hinsichtlich einer möglichen Verletzung des Artikel 3, EMRK aufgrund einer Haft in der Türkei sei dem Gericht ein Begründungsmangel unterlaufen.

I.24. Mit Beschluss vom 05.01.2024 bestellte das BVwG daraufhin Dr. Süleyman CEVIZ zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Ländersachverständiger TÜRKEI und ersuchte ihn um die Erstellung eines Gutachtens zu diversen Fragen. Dieses Gutachten langte am 15.03.2024 bei Gericht ein. Über Aufforderung des Gerichts erstattete der Rechtsvertreter des BF eine ergänzende Stellungnahme, welche am 02.04.2024 bei Gericht einlangte.römisch eins.24. Mit Beschluss vom 05.01.2024 bestellte das BVwG daraufhin Dr. Süleyman CEVIZ zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet Ländersachverständiger TÜRKEI und ersuchte ihn um die Erstellung eines Gutachtens zu diversen Fragen. Dieses Gutachten langte am 15.03.2024 bei Gericht ein. Über Aufforderung des Gerichts erstattete der Rechtsvertreter des BF eine ergänzende Stellungnahme, welche am 02.04.2024 bei Gericht einlangte.

I.25. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.römisch eins.25. Hinsichtlich des Verfahrensganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen

Der unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang wird – um Wiederholungen zu vermeiden –als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.Der unter Punkt römisch eins. dargestellte Verfahrensgang wird – um Wiederholungen zu vermeiden –als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt.

Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

A) 1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der in Österreich strafgerichtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist volljährig, ledig und kinderlos, erwerbsfähig, Staatsangehöriger der Türkei, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und er bekennt sich zum alevitischen Glauben. Seine Identität steht fest. Er ist – abgesehen von Depressionen bzw. einer Angststörung, derentwegen er in Therapie ist – körperlich gesund.

Er besuchte in Istanbul nach Abschluss der Schule die Universität. Bis zur Ausreise war er bei einem Buchhändler beschäftigt. Die Familie des BF besitzt ein gesamtes Stockwerk in einem Haus. Der BF lebte vor der Ausreise bei seinen Eltern, er hat keine Geschwister, und die Mutter ist noch in diesem Haus wohnhaft. Daneben wohnen noch eine Tante und zwei Onkeln in der Türkei.

Der BF hat keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Er hat einen Deutschkurs auf dem Niveau B1 absolviert. Er ist Mitglied der KPÖ und besucht ein „Volkshaus“ sowie eine Kirche. Er nimmt an Veranstaltungen der KPÖ und eines alevitischen Kulturvereins sowie an Demonstrationen teil. Er ist seit September 2023 im Ausmaß von 20 Wochenstunden als Abwäscher in einem Gastronomiebetrieb beschäftigt. Er verfügt über einige tiefergehende private Kontakte im Raum Graz.

A) 1.2. Zu den Fluchtgründen:

Der BF wurde in der Türkei strafrechtlich beschuldigt, dass er an der illegalen Terrororganisation DHKP-C in der Region XXXX teilgenommen habe, weshalb er rechtskräftig zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt wurde. In diesem Zusammenhang ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der BF einer nicht den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens genügenden Verfahrensführung durch die türkischen Gerichte unterworfen war, und dass der BF von den zuständigen türkischen Gerichten im Ergebnis einer ungerechtfertigten Bestrafung wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten unterworfen war. Der Grund für diese Bestrafung liegt in erster Linie in der tatsächlichen oder unterstellten politischen Gesinnung des BF. Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr in die Türkei die Verhaftung mit anschließender mehrjähriger ungerechtfertigter Strafhaft droht. Der BF befindet sich demnach im Zweifel aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb der Türkei und kann den Schutz seines Herkunftsstaates aufgrund ebendieser Verfolgung durch die türkischen Behörden nicht in Anspruch nehmen.Der BF wurde in der Türkei strafrechtlich beschuldigt, dass er an der illegalen Terrororganisation DHKP-C in der Region römisch XXXX teilgenommen habe, weshalb er rechtskräftig zu einer Haftstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt wurde. In diesem Zusammenhang ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass der BF einer nicht den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens genügenden Verfahrensführung durch die türkischen Gerichte unterworfen war, und dass der BF von den zuständigen türkischen Gerichten im Ergebnis einer ungerechtfertigten Bestrafung wegen der ihm zur Last gelegten Straftaten unterworfen war. Der Grund für diese Bestrafung liegt in erster Linie in der tatsächlichen oder unterstellten politischen Gesinnung des BF. Es kann nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr in die Türkei die Verhaftung mit anschließender mehrjähriger ungerechtfertigter Strafhaft droht. Der BF befindet sich demnach im Zweifel aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb der Türkei und kann den Schutz seines Herkunftsstaates aufgrund ebendieser Verfolgung durch die türkischen Behörden nicht in Anspruch nehmen.

A) 1.3. Zu den Feststellungen im Herkunftsland:

Die aktuellen Länderinformationen wurden den Verfahrensparteien gleichzeitig mit den Ladungen zur Beschwerdeverhandlung unter Offenlegung der herangezogenen Quellen mit der Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, übermittelt:

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-03-07 13:54

Die politische Lage in der Türkei war in den letzten Jahren geprägt von den Folgen des Putschversuchs vom 15.7.2016 und den daraufhin ausgerufenen Ausnahmezustand, von einem "Dauerwahlkampf" sowie vom Kampf gegen den Terrorismus. Aktuell steht die Regierung wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der hohen Anzahl von Flüchtlingen und Migranten unter Druck. Ein erheblicher Teil der Bevölkerung ist mit Präsident Erdo?an und der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung - Adalet ve Kalk?nma Partisi (AKP) unzufrieden und nach deren erneutem Sieg bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im Mai 2023 desillusioniert. Ursache sind v. a. der durch die hohe Inflation verursachte Kaufkraftverlust, welcher durch Lohnzuwächse und von der Regierung im Vorfeld der Wahlen 2023 beschlossene Wahlgeschenke nicht nachhaltig kompensiert werden konnte, die zunehmende Verarmung von Teilen der Bevölkerung, Rückschritte in Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie die fortschreitende Untergrabung des Laizismus. Insbesondere junge Menschen sind frustriert. Laut einer aktuellen Studie möchten fast 82 % das Land verlassen und im Ausland leben. Während die vorhergehende Regierung keinerlei Schritte unternahm, die Unabhängigkeit der Justizbehörden und eine objektive Ausgabenkontrolle wiederherzustellen, versucht die neue Regierung zumindest im wirtschaftlichen Bereich Reformen durchzuführen, um den Schwierigkeiten zu begegnen. Die Gesellschaft ist – maßgeblich aufgrund der von Präsident Erdo?an verfolgten spaltenden Identitätspolitik – stark polarisiert. Insbesondere die Endphase des Wahlkampfes zu den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2023 war von gegenseitigen Anschuldigungen und Verbalangriffen und nicht von der Diskussion drängender Probleme geprägt. Selbst die wichtigste gegenwärtige Herausforderung der Türkei, die Bewältigung der Folgen der Erdbebenkatastrophe, trat in den Hintergrund (ÖB Ankara 28.12.2023, S. 4f.).

Die Opposition versucht, die Regierung durch Kritik am teilweise verspäteten Erdbeben-Krisenmanagement und in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen und förderte die in breiten Bevölkerungsschichten zunehmend migrantenfeindliche Stimmung. Die Gesellschaft bleibt auch, was die irreguläre Migration betrifft, stark polarisiert (ÖB Ankara 28.12.2023, S. 5; vgl. EC 8.11.2023, S. 12, 54, WZ 7.5.2023), zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022a, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagieren ein "stolzes Türkentum". Islamischen Wertvorstellungen wird zusehends mehr Gewicht verliehen. Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpfen um ihr Dasein (WZ 7.5.2023). Angesichts des Ausganges der Wahlen im Frühjahr 2023 stellte das Europäische Parlament (EP) überdies hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Verfasstheit des Landes fest, dass nicht nur "rechtsextreme islamistische Parteien als Teil der Regierungskoalition ins Parlament eingezogen sind", sondern das EP war "besorgt über das zunehmende Gewicht der islamistischen Agenda bei der Gesetzgebung und in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, unter anderem durch den wachsenden Einfluss des Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Diyanet) im Bildungssystem" und "über den zunehmenden Druck der Regierungsstellen sowie islamistischer und ultranationalistischer Gruppen auf den türkischen Kultursektor und die Künstler in der Türkei, der sich in letzter Zeit darin zeigt, dass immer mehr Konzerte, Festivals und andere kulturelle Veranstaltungen abgesagt werden, weil sie als kritisch oder "unmoralisch" eingestuft wurden, um eine ultrakonservative Agenda durchzusetzen, die mit den Werten der EU unvereinbar ist" (EP 13.9.2023, Pt. 17).Die Opposition versucht, die Regierung durch Kritik am teilweise verspäteten Erdbeben-Krisenmanagement und in der Migrationsfrage mit scharfen Tönen in Bedrängnis zu bringen und förderte die in breiten Bevölkerungsschichten zunehmend migrantenfeindliche Stimmung. Die Gesellschaft bleibt auch, was die irreguläre Migration betrifft, stark polarisiert (ÖB Ankara 28.12.2023, S. 5; vergleiche EC 8.11.2023, S. 12, 54, WZ 7.5.2023), zwischen den Anhängern der AKP und denjenigen, die für ein demokratischeres und sozial gerechteres Regierungssystem eintreten (BS 23.2.2022a, S. 43). Das hat u. a. mit der Politik zu tun, die sich auf sogenannte Identitäten festlegt. Nationalistische Politiker, beispielsweise, propagieren ein "stolzes Türkentum". Islamischen Wertvorstellungen wird zusehends mehr Gewicht verliehen. Kurden, deren Kultur und Sprache Jahrzehnte lang unterdrückt wurden, kämpfen um ihr Dasein (WZ 7.5.2023). Angesichts des Ausganges der Wahlen im Frühjahr 2023 stellte das Europäische Parlament (EP) überdies hinsichtlich der gesellschaftspolitischen Verfasstheit des Landes fest, dass nicht nur "rechtsextreme islamistische Parteien als Teil der Regierungskoalition ins Parlament eingezogen sind", sondern das EP war "besorgt über das zunehmende Gewicht der islamistischen Agenda bei der Gesetzgebung und in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, unter anderem durch den wachsenden Einfluss des Präsidiums für Religionsangelegenheiten (Diyanet) im Bildungssystem" und "über den zunehmenden Druck der Regierungsstellen sowie islamistischer und ultranationalistischer Gruppen auf den türkischen Kultursektor und die Künstler in der Türkei, der sich in letzter Zeit darin zeigt, dass immer mehr Konzerte, Festivals und andere kulturelle Veranstaltungen abgesagt werden, weil sie als kritisch oder "unmoralisch" eingestuft wurden, um eine ultrakonservative Agenda durchzusetzen, die mit den Werten der EU unvereinbar ist" (EP 13.9.2023, Pt. 17).

Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie "nicht frei" ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 8.11.2023, S. 4, 12; vgl. EP 13.9.2023, Pt.9, WZ 7.5.2023).Präsident Recep Tayyip Erdo?an und seine Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP), die die Türkei seit 2002 regieren, sind in den letzten Jahren zunehmend autoritär geworden und haben ihre Macht durch Verfassungsänderungen und die Inhaftierung von Gegnern und Kritikern gefestigt. Eine sich verschärfende Wirtschaftskrise und die Wahlen im Jahr 2023 haben der Regierung neue Anreize gegeben, abweichende Meinungen zu unterdrücken und den öffentlichen Diskurs einzuschränken. Freedom House fügt die Türkei mittlerweile in die Kategorie "nicht frei" ein (FH 10.3.2023). Das Funktionieren der demokratischen Institutionen ist weiterhin stark beeinträchtigt. Der Demokratieabbau hat sich fortgesetzt (EC 8.11.2023, S. 4, 12; vergleiche EP 13.9.2023, Pt.9, WZ 7.5.2023).

Die Türkei wird heute als "kompetitives autoritäres" Regime eingestuft (MEI 1.10.2022, S. 6; vgl. DE/Aydas 31.12.2022, Güney 1.10.2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 1.10.2022, S. 6; vgl.Esen/Gumuscu 19.2.2016).Die Türkei wird heute als "kompetitives autoritäres" Regime eingestuft (MEI 1.10.2022, S. 6; vergleiche DE/Aydas 31.12.2022, Güney 1.10.2016, Esen/Gumuscu 19.2.2016), in dem zwar regelmäßig Wahlen abgehalten werden, der Wettbewerb zwischen den politischen Parteien aber nicht frei und fair ist. Solche Regime, zu denen die Türkei gezählt wird, weisen vordergründig demokratische Elemente auf: Oppositionsparteien gewinnen gelegentlich Wahlen oder stehen kurz davor; es herrscht ein harter politischer Wettbewerb; die Presse kann verschiedene Meinungen und Erklärungen von Oppositionsparteien veröffentlichen; und die Bürger können Proteste organisieren. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch ehedem Risse in der demokratischen Fassade: Regierungsgegner werden mit legalen oder illegalen Mitteln unterdrückt, unabhängige Justizorgane werden von regierungsnahen Beamten kontrolliert und die Presse- und Meinungsfreiheit gerät unter Druck. Wenn diese Maßnahmen nicht zu einem für die Regierungspartei zufriedenstellenden Ergebnis führen, müssen Oppositionsmitglieder mit gezielter Gewalt oder Inhaftierung rechnen - eine Realität, die für die türkische Opposition immer häufiger anzutreffen ist (MEI 1.10.2022, S. 6; vgl.Esen/Gumuscu 19.2.2016).

Trotz der Aufhebung des zweijährigen Ausnahmezustands im Juli 2018 wirkt sich dieser implizit negativ auf Demokratie und Grundrechte aus, denn einige gesetzliche Bestimmungen, die den Regierungsbehörden außerordentliche Befugnisse einräumten, und mehrere restriktive Elemente des Notstandsrechtes wurden beibehalten und ins Gesetz integriert. Einige dieser Bestimmungen wurden um weitere zwei Jahre verlängert, aber die meisten jener sind im Juli 2022 ausgelaufen (EC 8.11.2023, S. 12). Das Parlament verlängerte im Juli 2021 die Gültigkeit dieser restriktiven Elemente des Notstandsrechtes um weitere drei Jahre (DW 18.7.2021). Das diesbezügliche Gesetz ermöglicht es u. a., Staatsbedienstete, einschließlich Richter und Staatsanwälte, wegen mutmaßlicher Verbindungen zu "terroristischen" Organisationen ohne die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung zu entlassen (AI 29.3.2022a). Die Gesetzgebung und ihre Umsetzung, insbesondere die Bestimmungen zur nationalen Sicherheit und zur Terrorismusbekämpfung, verstoßen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) und gegen andere internationale Standards bzw. gegen die Rechtsprechung des EGMR. Der türkische Rechtsrahmen enthält beispielsweise allgemeine Garantien für die Achtung der Menschen- und Grundrechte, aber die Rechtsvorschriften und ihre Umsetzung müssen laut Europäischer Kommission mit der EMRK und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in Einklang gebracht werden (EC 8.11.2023, S. 6).

Das Europäische Parlament kam im September 2023 in Hinblick auf die Beitrittsbemühungen der Türkei zum Schluss, "dass die türkische Regierung kein Interesse daran hat, die anhaltende und wachsende Kluft zwischen der Türkei und der EU in Bezug auf Werte und Standards zu schließen, da die Türkei in den letzten Jahren klar gezeigt hat, dass ihr der politische Wille fehlt, um die notwendigen Reformen durchzuführen, insbesondere im Hinblick auf die Rechtsstaatlichkeit, die Grundrechte und den Schutz und die Inklusion aller ethnischen, religiösen und sexuellen Minderheiten" (EP 13.9.2023, Pt. 21).

Das Präsidialsystem

Die Türkei ist eine konstitutionelle Präsidialrepublik und laut Verfassung ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat. Staats- und zugleich Regierungschef ist seit Einführung des präsidentiellen Regierungssystems am 9.7.2018 der Staatspräsident. Das seit 1950 bestehende Mehrparteiensystem ist in der Verfassung festgeschrieben (AA 28.7.2022, S. 5; vgl. DFAT 10.9.2020, S. 14).Die Türkei ist eine konstitutionelle Präsidialrepublik und laut Verfassung ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat. Staats- und zugleich Regierungschef ist seit Einführung des präsidentiellen Regierungssystems am 9.7.2018 der Staatspräsident. Das seit 1950 bestehende Mehrparteiensystem ist in der Verfassung festgeschrieben (AA 28.7.2022, S. 5; vergleiche DFAT 10.9.2020, S. 14).

Am 16.4.2017 stimmten 51,4 % der türkischen Wählerschaft für die von der regierenden Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) initiierte und von der rechts-nationalistischen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP) unterstützte Verfassungsänderung im Sinne eines exekutiven Präsidialsystems (OSCE 22.6.2017; vgl. HDN 16.4.2017). Die gemeinsame Beobachtungsmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE/OSCE) und der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) kritisierte die ungleichen Wettbewerbsbedingungen beim Referendum. Einschränkungen von grundlegenden Freiheiten aufgrund des Ausnahmezustands hatten negative Auswirkungen. Im Vorfe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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