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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Fegerl, über die Beschwerde des D in M, BRD, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. April 1995, Zl. 11/18-3/1995, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 mit einer Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe vier Tage) bestraft, weil er am 21. Mai 1994 um 16.27 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Motorrades auf der Inntalautobahn A 12 bei km 116,5 im Gemeindegebiet von Silz in Richtung Westen fahrend die auf Autobahnen gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erheblich überschritten habe. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit dem Motorrad auf einer Fahrtstrecke von ca. 1000 m in gleichbleibendem Abstand hinter einem Zivilstreifenfahrzeug nachgefahren sei, welches seinerseits in gleichbleibendem Abstand einem anderen Motorradfahrer nachgefahren sei. Dabei sei von den Straßenaufsichtsorgangen mit der im Zivilstreifenfahrzeug eingebauten geeichten Videoanlage um
16.27 Uhr bei km 116,5 eine - auf die letzten 300 m bezogene durchschnittliche - Geschwindigkeit von mehr als 180 km/h festgestellt worden, welche nicht nur dem vorausfahrenden Motorradfahrer, sondern auch dem Beschwerdeführer als Lenker des nachfahrenden Motorrades zuzurechnen sei. Im Hinblick auf die erhebliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei der Unrechtsgehalt der Übertretung schwerwiegend. Die mit S 4.000,-- bemessene Geldstrafe sei nach Ansicht der belangten Behörde schuld- und tatangemessen und auch bei Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers und bei der Bedachtnahme auf den Milderungsgrund des bisherigen Wohlverhaltens keineswegs überhöht.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer bemängelt, daß sich die belangte Behörde lediglich auf die Aussagen der als Zeugen vernommenen Straßenaufsichtsorgane gestützt habe, die jedoch "auf nicht nachvollziehbare Weise" angeführt hätten, wie sich die Messung der vom Beschwerdeführer eingehaltenen Geschwindigkeit abgespielt haben soll, und rügt in diesem Zusammenhang die Unterlassung der Einholung eines "KFZ-technischen Gutachtens" sowie der Durchführung eines Lokalaugenscheines als wesentliche Verfahrensmängel. Damit ist er nicht im Recht:
Im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/03/0053) besteht kein Einwand, daß die belangte Behörde die in der Begründung ihres Bescheides wiedergegebenen, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Zeugenaussagen der Meldungsleger ihren Feststellungen zugrundegelegt hat. Die Bedenken des Beschwerdeführers, die Zeugen wären zu einer verläßlichen Beobachtung der sich hinter ihrem Fahrzeug abspielenden Ereignisse nicht in der Lage gewesen, weil sie mit einer Geschwindigkeit von mehr als 180 km/h unterwegs und mit dem Lenken des Fahrzeuges bzw. mit der Bedienung des Videogerätes beschäftigt gewesen seien, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Geschulten Organen der Straßenaufsicht sind derartige Wahrnehmungen auch unter den hier vorliegenden Umständen durchaus zuzumuten.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers bedurfte es daher nicht der Aufnahme weiterer Beweise. Der vom Beschwerdeführer erhobene Einwand, die Zeugen hätten gemäß § 48 Z. 1 AVG nicht vernommen werden dürfen, weil sie zur Zeit, auf die sich ihre Aussage beziehen soll, zur Wahrnehmung der zu beweisenden Tatsachen unfähig gewesen seien, ist nicht nur aufgrund der oben dargelegten Erwägungen, sondern auch deshalb unbegründet, weil von einer Wahrnehmungsunfähigkeit im Sinne der genannten Bestimmung (etwa wegen Trunkenheit oder Geistesschwäche - vgl. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, 133) keine Rede sein kann.
Der Beschwerdeführer irrt auch, wenn er meint, es sei generell davon auszugehen, "daß das Vorausfahren kein zulässiges Beweismittel ist, um die Geschwindigkeit eines Fahrzeuges zu messen." Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß das Nachfahren mit dem Dienstfahrzeug und das Ablesen des damit ausgestatteten Tachometers grundsätzlich ein taugliches und zulässiges Beweismittel zur Feststellung einer von einem Fahrzeug eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit darstellt. Voraussetzung hiefür ist jedoch, daß das Nachfahren über eine Strecke und über eine Zeitspanne erfolgt, die lang genug sind, um die Einhaltung etwa derselben Geschwindigkeit wie der des beobachteten Fahrzeuges prüfen und sodann das Ablesen der eigenen Geschwindigkeit ermöglichen zu können. Eine Beobachtungsstrecke von ca. 100 m wird dabei für ausreichend erachtet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0061). Es ist nicht zu erkennen, warum diese Grundsätze nicht auch für den hier vorliegenden Fall gelten sollten, daß das noch zusätzlich mit einem die eingehaltene Durchschnittsgeschwindigkeit ermittelnden Videogerät ausgestattete Dienstfahrzeug dem beobachteten Fahrzeug über eine entsprechende Strecke in gleichbleibendem Abstand vorausfährt.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es bei einer Übertretung nach § 20 Abs. 2 StVO 1960 gemäß § 44a Z. 1 VStG nicht erforderlich, im Spruch das Ausmaß der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit anzuführen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. November 1985, Zl. 85/18/0101).
Auch die gegen die Strafbemessung vorgebrachten Einwände schlagen nicht durch: Wenn der Beschwerdeführer meint, daß die belangte Behörde zu Unrecht davon ausgegangen sei, daß ihm eine "Geschwindigkeitsübertretung von mehr als 50 km/h" vorzuwerfen sei, so scheint er die eingangs wiedergegebenen klaren Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde zu übersehen. Der belangten Behörde kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie das gravierende Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung als erschwerend wertete (vgl. das einen ähnlich gelagerten Sachverhalt betreffende hg. Erkenntnis vom 13. Februar 1991, Zl. 91/03/0014). Die vom Beschwerdeführer vorgebrachte Rüge, die belangte Behörde habe seine Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnisse nur unzureichend ermittelt, entbehrt der Relevanz, weil der Beschwerdeführer selbst nicht dartut, welche konkreten Umstände unberücksichtigt geblieben seien. Inwieweit die Tat nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist im Beschwerdefall für die Strafbemessung nicht entscheidend.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete StVO Beweismittel Zeugenbeweis Zeugenaussagen von Amtspersonen Erschwerende und mildernde Umstände Diverses Feststellen der Geschwindigkeit freie Beweiswürdigung Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995030171.X00Im RIS seit
12.06.2001