Entscheidungsdatum
13.03.2024Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I416 2285015-1/8E
I416 2285020-1/8E
I416 2285018-1/8E
I416 2285019-1/8E
I416 2285017-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerden des XXXX (BF 1), geb. XXXX , StA. Sudan, der XXXX (BF 2), geb. XXXX , StA. Sudan, des mj. XXXX (BF 3), geb. XXXX , StA. Sudan, des mj. XXXX (BF 4), geb. XXXX , StA. Sudan, des mj. XXXX (BF 5), geb. XXXX , StA. Sudan, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter XXXX , alle vertreten durch die BBU - Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 20.12.2023 (BF 1) bzw. vom 21.12.2023 (BF 2-5), Zl. XXXX (BF 1), Zl. XXXX (BF 2), Zl. XXXX (BF 3), Zl. XXXX (BF 4), Zl. XXXX (BF 5), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerden des römisch XXXX (BF 1), geb. römisch XXXX , StA. Sudan, der römisch XXXX (BF 2), geb. römisch XXXX , StA. Sudan, des mj. römisch XXXX (BF 3), geb. römisch XXXX , StA. Sudan, des mj. römisch XXXX (BF 4), geb. römisch XXXX , StA. Sudan, des mj. römisch XXXX (BF 5), geb. römisch XXXX , StA. Sudan, vertreten durch den gesetzlichen Vertreter römisch XXXX , alle vertreten durch die BBU - Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 20.12.2023 (BF 1) bzw. vom 21.12.2023 (BF 2-5), Zl. römisch XXXX (BF 1), Zl. römisch XXXX (BF 2), Zl. römisch XXXX (BF 3), Zl. römisch XXXX (BF 4), Zl. römisch XXXX (BF 5), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.03.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführer reisten im August 2023 gemeinsam legal aufgrund eines Visums in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin bzw. die Zweitbeschwerdeführerin stellvertretend für die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer am 30.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Ihren Asylantrag begründeten die Beschwerdeführer in der Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 31.08.2023 mit dem Umstand, dass im Sudan Krieg herrsche und der Erstbeschwerdeführer politisch verfolgt werde. Er sei einer der Gründer der Lehrergewerkschaft, wobei diese mehr Rechte von der Regierung eingefordert und die Regierung auch kritisiert habe. Aus diesem Grund sei der Erstbeschwerdeführer gekündigt worden und werde nach ihm gefahndet.
3. Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer wurden am 02.10.2023 durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen. Erneut nach dem Fluchtvorbringen befragt, brachte der Erstbeschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er seit seiner Studienzeit politisch aktiv gewesen sei und als Gründungsmitglied eine Vertretung für Lehrer gegründet habe. Die STC sei eine Oppositionspartei und sei öfters von der Polizei und der Regierung überprüft und schikaniert worden bzw. seien Mitglieder kurzzeitig festgenommen und misshandelt worden. Im Falle seiner Rückkehr in den Sudan sei er mit politischer Verfolgung konfrontiert. Auch die Zweitbeschwerdeführerin tätigte im Wesentlichen dieselben Angaben, machte jedoch für sich keine eigenen Fluchtgründe geltend und berief sich auf die Fluchtgründe des Erstbeschwerdeführers. Die einvernommenen Beschwerdeführer gaben beiderseits an, dass die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer keine eigenen Fluchtgründe haben.
4. Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden, jeweils datiert mit 20.12.2023 (BF 1) oder 21.12.2023 (BF 2-5), wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) ab, erkannte ihnen jedoch den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt III.).4. Mit den verfahrensgegenständlichen Bescheiden, jeweils datiert mit 20.12.2023 (BF 1) oder 21.12.2023 (BF 2-5), wies die belangte Behörde die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) ab, erkannte ihnen jedoch den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).
5. Mit Verfahrensordnungen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 10.01.2024 stellte die belangte Behörde den Beschwerdeführern die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Rechtsberatung amtswegig zur Seite.5. Mit Verfahrensordnungen gemäß Paragraph 52, Absatz eins, BFA-VG vom 10.01.2024 stellte die belangte Behörde den Beschwerdeführern die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH – BBU, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, für ein Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht als Rechtsberatung amtswegig zur Seite.
6. Gegen die abweisenden Entscheidungen hinsichtlich der Gewährung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) erhoben die Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 17.01.2024 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierten inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften.6. Gegen die abweisenden Entscheidungen hinsichtlich der Gewährung des Status von Asylberechtigten (Spruchpunkt römisch eins.) erhoben die Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 17.01.2024 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierten inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung von Verfahrensvorschriften.
7. Die Beschwerden und Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 23.01.2024 vorgelegt.
8. Am 11.03.2024 fand in Anwesenheit der Beschwerdeführer sowie eines Dolmetschers für die arabische Sprache eine mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht statt, wobei ein:e Vertreter:in der belangten Behörde sowie ein:e Rechtsvertreter:in entschuldigt nicht erschienen sind. Am Beginn der mündlichen Verhandlung stimmten der BF1 und die BF2 auf Frage des erkennenden Richters einer Verhandlung in Abwesenheit der Rechtsvertretung ausdrücklich zu.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Verfahren der Beschwerdeführer werden im Sinne des § 34 AsylG gemeinsam als Familienverfahren geführt und werden darüber hinaus folgende Feststellungen getroffen:Die Verfahren der Beschwerdeführer werden im Sinne des Paragraph 34, AsylG gemeinsam als Familienverfahren geführt und werden darüber hinaus folgende Feststellungen getroffen:
1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:
Die volljährigen Erst- und Zweitbeschwerdeführer und die minderjährigen Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer sind sudanesische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Araber. Sie sprechen Arabisch als Muttersprache und bekennen sich zum muslimischen Glauben. Ihre Identitäten stehen fest.
Sämtliche Beschwerdeführer leiden an keinen derartigen physischen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat entgegenstehen.
Der Erstbeschwerdeführer wurde in XXXX im Sudan geboren, wuchs dort auf und besuchte insgesamt elf Jahre lang die Schule, welche er mit Matura abschloss. Im Anschluss daran studierte er an verschiedenen Universitäten Lehramt, wobei er ein Magisterstudium sowie das Doktorat absolvierte. Er unterrichtete zwischen 2003 und 2009 an verschiedenen sudanesischen Schulen Geschichte und Geografie. Nach seinem Umzug in den Oman im Jahr 2009 war er dort ebenso als Lehrer tätig.Der Erstbeschwerdeführer wurde in römisch XXXX im Sudan geboren, wuchs dort auf und besuchte insgesamt elf Jahre lang die Schule, welche er mit Matura abschloss. Im Anschluss daran studierte er an verschiedenen Universitäten Lehramt, wobei er ein Magisterstudium sowie das Doktorat absolvierte. Er unterrichtete zwischen 2003 und 2009 an verschiedenen sudanesischen Schulen Geschichte und Geografie. Nach seinem Umzug in den Oman im Jahr 2009 war er dort ebenso als Lehrer tätig.
Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in XXXX im Sudan geboren und wuchs dort auf. Sie verfügt über eine elfjährige Schulbildung und einen Maturaabschluss, woraufhin sie an der Universität XXXX Wirtschaft und internationale Beziehungen sowie Pädagogik studierte. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde in römisch XXXX im Sudan geboren und wuchs dort auf. Sie verfügt über eine elfjährige Schulbildung und einen Maturaabschluss, woraufhin sie an der Universität römisch XXXX Wirtschaft und internationale Beziehungen sowie Pädagogik studierte.
Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer lebten nach ihrer Eheschließung im Sudan im Jahr 2011 gemeinsam im Oman und wurden dort auch ihre gemeinsamen Kinder, die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer, geboren. Die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer wuchsen im Oman auf und lebten mit ihren Eltern in einem gemeinsamen Haushalt.
Zumindest in den Jahren 2020 und 2021 besuchten die Beschwerdeführer gemeinsam zu Urlaubszwecken den Sudan, wobei der Erstbeschwerdeführer bereits im Jahr 2017 zur Verteidigung seiner Dissertation und dem Abschluss seines Doktoratsstudiums in den Sudan einreiste.
Der Erstbeschwerdeführer reiste erstmals im Jahr 2022 legal für kurze Zeit nach Österreich, wobei die Beschwerdeführer am 14.08.2023 schließlich gemeinsam auf legalem Weg per Flugzeug nach Österreich gelangten und am 30.08.2023 den verfahrensgegenständlichen Asylantrag im Bundesgebiet stellten.
Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtmotiven und der Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführer:
Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Sudan aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung existenzbedrohenden Verfolgungshandlungen seitens der dem Staat zurechenbaren Organen oder Privaten ausgesetzt waren bzw. im Fall ihrer Rückkehr in den Sudan der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein würden.
Die von den Beschwerdeführern behauptete Bedrohung/Verfolgung durch die sudanesische Regierung aufgrund der Mitgliedschaft des Erstbeschwerdeführers im Sudanesischen Lehrerkomitee (STC) konnte mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden. Die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer machten letztlich keine eigenen Fluchtgründe geltend und droht ihnen im Sudan keine asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
Im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat Sudan werden die Beschwerdeführer daher mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt sein.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Zur vorherrschenden Situation im Sudan wurden auf Basis des aktuellen Länderinformationsblattes und von Berichten von EASO und UNHCR folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär-islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 – Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärischer Übergangsrat (Transitional Military Council – TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change – FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vgl. BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär-islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vergleiche AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 – Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärischer Übergangsrat (Transitional Military Council – TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change – FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vergleiche BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).
Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council – SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council – SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vergleiche AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).
Unter al-Baschir waren Präsidentschaftswahlen wie auch die zur Nationalversammlung alle fünf Jahre vorgesehen. Im Rahmen der 2019 unterzeichneten Abkommen waren Wahlen für 2022 vorgesehen, aber durch die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Juba (Dschuba) im Oktober 2020 und eine Änderung des Verfassungsrahmens wurden sie um 39 Monate ab Unterzeichnung verschoben, wodurch sich die geplanten Wahlen auf Anfang 2024 verschoben (USDOS 20.3.2023). Das Friedensabkommen von Juba wurde von der sudanesischen Übergangsregierung mit drei bewaffneten Darfur-Gruppen, vertreten durch die sog. Revolutionäre Front (Revolutionary Front – RF), geschlossen, um den seit Jahren schwelenden Konflikt in Darfur zu beenden. Das Abkommen garantiert den Anführern der Gruppen einen Sitz im SC und den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile Autonomie. Überdies soll die RF in die nationale Armee integriert werden. Zwei größere bewaffnete Gruppierungen – das Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A) sowie die Sudan People’s Liberation Army (SPLA-North) sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten (BS 23.2.2022).
Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich, befeuert durch u. a. die Blockade des Seehafens in Port Sudan durch Angehörige der Beja. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung (AA 1.6.2022). Nicht nur Premierminister Hamdok wurde seines Amtes enthoben und unter Arrest gestellt, sondern auch mehrere hochrangige Beamte verhaftet, das Kabinett entlassen und der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 20.3.2023). Kurz darauf wurde der SC aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces – SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta (HBS 17.7.2023).
Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vgl. EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vgl. FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De-facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vergleiche EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vergleiche FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De-facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).
Die interne Spaltung, in Verbindung mit erheblichem internationalem Druck, führte schließlich dazu, dass sich die beiden Führer auf einen Übergang zu einer zivil-geführten Regierung Anfang April 2023 einigten. Aufgrund erneuter Spannungen zwischen den zwei militärischen Fraktionen verzögerte sich die Umsetzung ebenjener Vereinbarung. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich aus dem Vorstoß der SAF-Führung, die RSF in die nationale Armee zu integrieren, was die Kontrolle der RSF über profitable Aktivitäten wie den Goldabbau bedrohen würde. Mitte April eskalierte die Situation und weitete sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (HBS 17.7.2023).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
- BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report - Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069719/country_report_2022_SDN.pdf, Zugriff 2.11.2023
- EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023
- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
- HBS - Heinrich Böll Stiftung (17.7.2023), Der Krieg im Sudan: Schon vergessen?, https://www.boell.de/de/2023/07/17/der-krieg-im-sudan-schon-vergessen, Zugriff 23.10.2023
- UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093601/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 2.11.2023
- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Sicherheitslage
Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.4.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vgl. AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.4.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vergleiche AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vergleiche BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).
Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Port Sudan operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023).Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vergleiche BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Port Sudan operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023).
Strom sowie Internet- und Telefonverbindungen können zeitweise ausfallen (BMEIA 3.5.2023). Es kommt verbreitet zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Hausbesetzungen. Auch Minen werden eingesetzt (EDA 19.12.2023).
Es wird von schwerem Beschuss und Luftangriffen berichtet. Mehrere von beiden Seiten vereinbarte Waffenstillstände wurden gebrochen. Die Armee schloss Verhandlungen mit der RSF aus und gab an, nur deren Kapitulation zu akzeptieren. Vorherige Vermittlungsversuche durch die Präsidenten Kenias, Dschibutis und Südsudans sind gescheitert (BAMF 24.4.2023). Um eine Einigung für eine Waffenruhe zu erreichen, wurden am 14.5.2023 die Gespräche in Jeddah aufgenommen. Nichtsdestotrotz intensivierten sich die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien. Da die Polizei aufgrund der anhaltenden Kämpfe ihren Aufgaben nicht mehr nachkomme, sei vielerorts ein Vakuum in der Sicherheitslage entstanden (BAMF 15.5.2023).
Medienberichten zufolge wurde am Abend des 20.5.2023 eine siebentägige Waffenruhe vereinbart, die ab dem 22.5.2023 um 21:45 Uhr Ortszeit beginnen sollte. Anders als bei vorherigen Waffenruhen haben beide Parteien, die sudanesische Armee (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), das Abkommen unterzeichnet (BAMF 22.5.2023).
Die BBC berichtete, dass die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfanden und Khartum zu einem Kriegsgebiet wurde. Die Kämpfe breiteten sich schnell auf angrenzende Städte und Provinzen aus. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2023 steuert der Sudan auf ein Staatsversagen hin und die Kämpfe erstrecken sich auf verschiedene Teile des Landes. Im Juli 2023 setzten sich die Kämpfe in Khartum sowie in den Bundesstaaten Darfur, Kordofan und Blue Nile fort. Zu diesem Zeitpunkt war Khartum weitgehend unter Kontrolle der RSF (EUAA 11.8.2023).
Im Juli 2023 kontrolliert die Sudanesische Armee die Außenbezirke der Hauptstadt sowie den größten Teil von Omdurman und den östlichen und nördlichen Teil des Landes. Laut dem UNHCR gibt es neben den bewaffneten Kämpfen auch eine Zunahme der Kriminalität und einen allgemeinen Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Land. Insbesondere Khartum ist stark von Gewalt betroffen. Die Kämpfe zwischen der Armee und der Sudan People's Liberation Movement North (SPLM-N) haben sich auch auf die Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile ausgeweitet. In Khartum kommt es weiterhin zu Plünderungen, Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und der Besetzung von Privathäusern. Die heftigsten Kämpfe fanden in Omdurman statt, wo die Sudanesische Armee massive Luftangriffe und Beschuss einsetzte, um die Rapid Support Forces (RSF) aus Teilen der Stadt zu vertreiben (EUAA 11.8.2023). Laut Amnesty International sind in den letzten 6 Monaten mindestens 5.000 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 verletzt und über 5,7 Millionen Menschen vertrieben worden (AI 15.10.2023).
Am 7.12.2023 teilte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) mit, dass seit Ausbruch der Kämpfe Mitte April 2023 mehr als 12.190 Menschen getötet und mehr als 6,6 Mio. Menschen vertrieben wurden (BAMF 11.12.2023).
Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vgl. RW 13.12.2023).Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vergleiche RW 13.12.2023).
Ferner kam es in Kosti (Kusti), Hauptstadt des Bundesstaat White Nile zu tagelangen Kämpfen der Volksgruppen Hausa uns Nuba. Demnach seien am 6.5.2023 die Kämpfe ausgebrochen und bis zu 25 Menschen getötet und ca. 50 verletzt worden. Am 10.5.2023 hätten sich die Führer der jeweiligen Volksgruppen auf einen Waffenstillstand geeinigt (BAMF 15.5.2023).
Zudem ist ein Wiederaufflammen von Spannungen und Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu verzeichnen. Im Juni 2023 waren die Auswirkungen der interkommunalen Gewalt in West-Darfur deutlich zu spüren. Mehrere Berichte wiesen auf eine Kampagne gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit hin, welche u. a. von einigen bewaffneten Männern in RSF-Uniformen durchgeführt wurden. Am 12.9.2023 kam es in der Nähe des Dorfes Anjemei südöstlich der Stadt El Geneina zu einem tödlichen Angriff mit 5 getöteten Männern (darunter drei Kinder) und einen Verletzten. Da die Täter in den Tschad flohen, kam die Befürchtung auf, dass der Vorfall eine Eskalation der Spannungen zwischen den Stämmen auslösen, bzw. zu einem Übergreifen des Konflikts führen könnte (UNHCR 10.10.2023a).
Seit Beginn der Regenzeit im Juli 2023 sind laut dem Sudan Floods Dashboard 2023 rund 89.000 Menschen in 22 Orten in neun Bundesstaaten von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Berichten zufolge sind mindestens 8.227 Häuser zerstört und 7.540 beschädigt worden. Im Jahr 2022 waren in 16 der 18 Bundesstaaten des Sudan 349.000 Menschen von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Mindestens 24.860 Häuser wurden zerstört und 48.250 weitere beschädigt (RW 9.2023a).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/203266#content_5, Zugriff 2.2.2024
- AI - Amnesty International (15.10.2023): Sudan: Civilians still being killed and displaced after six months of conflict, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/10/sudan-civilians-still-being-killed-and-displaced-after-six-months-of-conflict/, Zugriff 23.10.2023
- BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (3.5.2023): Reiseinformation Sudan (Republik Sudan), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/sudan, Zugriff 2.2.2024
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw21-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 2.2.2024
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw20-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=2, Zugriff 2.2.2024
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.4.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw17-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 2.2.2024
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.12.2023) [Deutschland]: Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Zugriff 13.12.2023
- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (19.12.2023): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/sudan/reisehinweise-fuerdensudan.html#eda0326b6, Zugriff 2.2.2024
- EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Sudan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023
- RW - ReliefWeb (13.12.2023): Regionale Sudan-Reaktion Lagebericht, 12. Dezember 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/regional-sudan-response-situation-update-12-december-2023, Zugriff 13.12.2023
- RW - ReliefWeb (9.2023a): Sudan: Überschwemmungen - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/fl-2023-000199-sdn, Zugriff 13.12.2023
- UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.10.2023a): Protection Brief Dafur Region, October 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098689/Protection+Brief+-+Darfur+-+October+2023.pdf, Zugriff 13.12.2023
Rechtsschutz/Justizwesen
In der Verfassungserklärung und den einschlägigen Gesetzen ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 20.3.2023). Sie ist formal unabhängig und nicht weisungsgebunden, aber der Sudan ist kein Rechtsstaat. Der institutionell schwachen Verwaltung fehlt es häufig an Kompetenz und Mitteln, aber auch am Willen, Zuständigkeiten, Gesetze und Verordnungen transparent auszulegen und anzuwenden. Es gibt weiterhin keine funktionierende Gewaltenteilung. Die Rechtsprechung ist zwar formell nicht an politische Vorgaben gebunden, aber die Besetzung der Richterstellen unterliegt politischem Einfluss (AA 1.6.2022).
Die Übergangsverfassung von 2019 gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte, darüber hinaus hat Sudan eine Reihe von internationalen Konventionen ratifiziert. Die praktische Umsetzung lief jedoch schleppend und wird angesichts des Militärputsches und dem seither verhängten Ausnahmezustand noch stärker infrage gestellt (AA 1.6.2022).
Die Interimsverfassung beabsichtigte die politisch beeinflusste Justiz der Ära al-Baschir durch eine unabhängige Richterschaft zu ersetzen. Im Mai 2021 setzte der Souveränitätsrat (SC) den Obersten Richter Nemat Abdullah Khair ab und akzeptierte den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Taj al-Ser Ali al-Hebr, der sich über die mangelnde Unabhängigkeit beklagt hatte. Im selben Monat wurden zudem mehr als 20 Staatsanwälte aus ihrem Amt entlassen. Nach dem Coup vom Oktober 2021 ersetzte General Burhan den amtierenden Generalstaatsanwalt wie den Obersten Richter durch ehemalige Funktionäre der Nationalen Kongresspartei (National Congress Party – NCP) [die Partei al-Baschirs, Anm.]. Der neue Oberste Richter, Abdulaziz Fath al-Rahman Abdeen, ordnete im Dezember 2021 die Wiedereinsetzung aller zuvor entlassenen Richter an (FH 2023), wodurch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz untergraben wurde, so das US-amerikanische Außenministerium (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
- FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
- USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Sicherheitsbehörden
Bis Oktober 2021 trug das Innenministerium die Hauptverantwortung für die innere Sicherheit. Das Innenministerium hatte die Aufsicht über die Polizeibehörden, das Verteidigungsministerium und den Allgemeinen Nachrichtendienst. Zu diesen Polizeibehörden gehören die Sicherheitspolizei, die Polizeispezialeinheiten, die Verkehrspolizei und die kampferprobte sog. Zentrale Reservepolizei. Verschiedene Kräfte dieser Polizeieinheiten waren im ganzen Land präsent. Das Verteidigungsministerium beaufsichtigt alle Sicherheitsdienste, einschließlich der SAF, der RSF, des Grenzschutzes und der Verteidigungs- und militärischen Nachrichtendienste. Sie sind auch für den Schutz kritischer Infrastruktur zuständig (USDOS 20.3.2023).
Die Polizei zeichnet sich durch einen Mangel an Personal, Fachkenntnissen und Ausstattung aus. Ein häufiger Wechsel auf Leitungspositionen beeinträchtigt außerdem die Formulierung und Umsetzung strategischer Ziele. Aufgrund geringer Gehälter sind viele Polizisten auf Nebeneinkünfte angewiesen, wodurch sich die Korruptionsgefahr erhöht. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Polizei immer wieder wegen exzessiver Gewaltanwendung. Auf Demonstrationen erleiden Protestierende nicht selten Verletzungen durch Polizisten, in einigen Fällen wurde auch von Vergewaltigungen und Todesfällen berichtet. Angesichts der Vielfalt an Sicherheitskräften kann allerdings nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob Täter zur Polizei gehören. Grundsätzlich genießt die sudanesische Polizei kein großes Vertrauen oder hohes Ansehen in der Bevölkerung, weshalb oft keine Strafanzeigen gestellt werden (AA 1.6.2022).
Die SAF sind das Militär des Sudan. Sie bestehen aus Armee, Marine, Luftwaffe und den Grenzschutztruppen. Seit der Unabhängigkeit 1956 ist das sudanesische Militär ein dominanter Akteur im Land. Darüber hinaus spielen die SAF, wie die Sicherheitskräfte im Allgemeinen, eine wichtige Rolle in der sudanesischen Volkswirtschaft, da sie Berichten zufolge mehr als 200 Handelsunternehmen kontrollieren, darunter solche, die im Goldabbau, der Kautschukproduktion, der Landwirtschaft oder dem Fleischexport tätig sind (UKHO 6.2023; vgl. CIA 23.10.2023). Die Armee und pro-demokratische Gruppen haben die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte gefordert, allerdings hat sich die RSF der Integration in die Armee widersetzt, um ihre Macht nicht zu verlieren(AJ 16.4.2023) Die SAF konzentrieren sich in erster Linie auf die innere Sicherheit, Grenzfragen und potenzielle Bedrohungen von außen durch die Nachbarländer (CIA 23.10.2023). Da es nicht gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung in der Peripherie, insbesondere in Darfur, sicherzustellen, geraten die Sicherheitskräfte häufig in Kritik. Auch der Aufbau der im Friedensabkommen von Juba vereinbarten integrierten Sicherheitskräfte für Darfur („joint forces“) verläuft schleppend (AA 1.6.2022). Die SAF sind das Militär des Sudan. Sie bestehen aus Armee, Marine, Luftwaffe und den Grenzschutztruppen. Seit der Unabhängigkeit 1956 ist das sudanesische Militär ein dominanter Akteur im Land. Darüber hinaus spielen die SAF, wie die Sicherheitskräfte im Allgemeinen, eine wichtige Rolle in der sudanesischen Volkswirtschaft, da sie Berichten zufolge mehr als 200 Handelsunternehmen kontrollieren, darunter solche, die im Goldabbau, der Kautschukproduktion, der Landwirtschaft oder dem Fleischexport tätig sind (UKHO 6.2023; vergleiche CIA 23.10.2023). Die Armee und pro-demokratische Gruppen haben die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte gefordert, allerdings hat sich die RSF der Integration in die Armee widersetzt, um ihre Macht nicht zu verlieren(AJ 16.4.2023) Die SAF konzentrieren sich in erster Linie auf die innere Sicherheit, Grenzfragen und potenzielle Bedrohungen von außen durch die Nachbarländer (CIA 23.10.2023). Da es nicht gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung in der Peripherie, insbesondere in Darfur, sicherzustellen, geraten die Sicherheitskräfte häufig in Kritik. Auch der Aufbau der im Friedensabkommen von Juba vereinbarten integrierten Sicherheitskräfte für Darfur („joint forces“) verläuft schleppend (AA 1.6.2022).
Die RSF sind eine halbautonome paramilitärische Truppe, die 2013 gegründet wurde, um bewaffnete Rebellengruppen im Sudan zu bekämpfen. Ihr Befehlshaber ist der als Hemeti bekannte General Dagalo. Die RSF waren zunächst dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst unterstellt, kamen dann aber unter das direkte Kommando des damaligen Präsidenten al-Baschir, der sie als seine persönliche Leibgarde aufbaute (CIA 23.10.2023; vgl. AA 1.6.2022), wobei Hemeti mit al-Baschir bei dessen Sturz brach. Die RSF gingen aus den sog. Janjaweed-Milizen hervor, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005-2008) verantwortlich gemacht werden. Sie werden des Weiteren als an der gewaltsamen Auflösung der Proteste vom 3.6.2019 beteiligt angesehen (AA 1.6.2022). Die RSF rekrutiert aus allen Teilen des Sudan, nicht nur wie ursprünglich aus arabischen Darfuri-Gruppen. In der Vergangenheit kämpfte diese paramilitärische Miliz sowohl im Jemen als auch gegen Aufständische in Darfur sowie den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile (CIA 23.10.2023). Überdies schützte sie die Grenze zu Libyen (AA 1.6.2022; vgl. CIA 23.10.2023) und war an der zur Zentralafrikanischen Republik aktiv. Ökonomisch gesehen sind die RSF Berichten zufolge an einigen Wirtschaftsunternehmen beteiligt, vornehmlich am Goldabbau,(CIA 23.10.2023). Hemeti ist seit der Revolution jedenfalls ein Machtfaktor im Sudan (AA 1.6.2022). Seit der Entmachtung al-Baschirs waren die RSF in mehr als 155 Vorfälle verwickelt, die auf Zivilisten abzielten und über 300 zivile Todesopfer forderten. Ferner wurde ihr vorgeworfen, Zivilisten willkürlich festzunehmen (ACLED 14.4.2023; vgl. UKHO 6.2022).Die RSF sind eine halbautonome paramilitärische Truppe, die 2013 gegründet wurde, um bewaffnete Rebellengruppen im Sudan zu bekämpfen. Ihr Befehlshaber ist der als Hemeti bekannte General Dagalo. Die RSF waren zunächst dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst unterstellt, kamen dann aber unter das direkte Kommando des damaligen Präsidenten al-Baschir, der sie als seine persönliche Leibgarde aufbaute (CIA 23.10.2023; vergleiche AA 1.6.2022), wobei Hemeti mit al-Baschir bei dessen Sturz brach. Die RSF gingen aus den sog. Janjaweed-Milizen hervor, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005-2008) verantwortlich gemacht werden. Sie werden des Weiteren als an der gewaltsamen Auflösung der Proteste vom 3.6.2019 beteiligt angesehen (AA 1.6.2022). Die RSF rekrutiert aus allen Teilen des Sudan, nicht nur wie ursprünglich aus arabischen Darfuri-Gruppen. In der Vergangenheit kämpfte diese paramilitärische Miliz sowohl im Jemen als auch gegen Aufständische in Darfur sowie den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile (CIA 23.10.2023). Überdies schützte sie die Grenze zu Libyen (AA 1.6.2022; vergleiche CIA 23.10.2023) und war an der zur Zentralafrikanischen Republik aktiv. Ökonomisch gesehen sind die RSF Berichten zufolge an einigen Wirtschaftsunternehmen beteiligt, vornehmlich am Goldabbau,(CIA 23.10.2023). Hemeti ist seit der Revolution jedenfalls ein Machtfaktor im Sudan (AA 1.6.2022). Seit der Entmachtung al-Baschirs waren die RSF in mehr als 155 Vorfälle verwickelt, die auf Zivilisten abzielten und über 300 zivile Todesopfer forderten. Ferner wurde ihr vorgeworfen, Zivilisten willkürlich festzunehmen (ACLED 14.4.2023; vergleiche UKHO 6.2022).
Auch aufgrund des im April 2023 ausgebrochenen Konflikts zwischen SAF und RSF leidet die Zivilbevölkerung in Darfur weiterhin unter dem Versagen der sudanesischen Behörden, für Sicherheit zu sorgen. Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen haben wiederholt Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch sudanesische Regierungstruppen dokumentiert, u. a. rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen, rechtswidrige Zerstörungen von zivilem Eigentum, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, gewaltsame Vertreibungen von Zivilpersonen, ethnische Säuberungen und Einsätze chemischer Waffen (AI 24.4.2023).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_%28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
- ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.4.2023): Sudan: Political Process to Form a Transitional Government and Shifting Disorder Trends, https://acleddata.com/2023/04/14/sudan-situation-update-april-2023-political-process-to-form-a-transitional-civilian-government-and-the-shift-in-disorder-trends/, Zugriff 31.10.2023
- AI - Amensty International (24.4.2023): Sudan: Kein Ende