Entscheidungsdatum
25.03.2024Norm
AsylG 2005 §11Spruch
I403 2284130-1/19E
I403 2284131-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der 1. XXXX , geb. XXXX , und der 2. minderjährigen XXXX , geb. 13.01.2022, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , beide Staatsangehörige von Syrien und vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 01.12.2023, Zl.en 1366570105/231674314 und 1366543903/231671587, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2024 zu Recht:Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde der 1. römisch XXXX , geb. römisch XXXX , und der 2. minderjährigen römisch XXXX , geb. 13.01.2022, gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter römisch XXXX , beide Staatsangehörige von Syrien und vertreten durch die "BBU GmbH", Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 01.12.2023, Zl.en 1366570105/231674314 und 1366543903/231671587, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.03.2024 zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX sowie XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.Der Beschwerde wird stattgegeben und römisch XXXX sowie römisch XXXX gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX sowie XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.Gemäß Paragraph 3, Absatz 5, AsylG 2005 wird festgestellt, dass römisch XXXX sowie römisch XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:
Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführerin) und ihrer minderjährigen Tochter XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) sind gemeinsam als Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 zu führen.Die Verfahren von römisch XXXX (Erstbeschwerdeführerin) und ihrer minderjährigen Tochter römisch XXXX (Zweitbeschwerdeführerin) sind gemeinsam als Familienverfahren im Sinne des Paragraph 34, AsylG 2005 zu führen.
Die Beschwerdeführerinnen stellten am 28.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den die Erstbeschwerdeführerin im Rahmen ihrer am selben Tag stattfindenden Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit begründete, dass sie nach Österreich zu ihrer Familie wolle, in Syrien gebe es keine Zukunft und habe sie Angst vor dem Krieg.
Am 27.11.2023 wurde die Erstbeschwerdeführerin niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA / belangte Behörde) einvernommen. Hierbei gab sie im Wesentlichen an, ihr Vater sei bereits verstorben, während ihre Mutter und Geschwister allesamt in Österreich aufhältig seien. Ihr Ehemann sei seit Oktober 2022 verschollen, es habe einen Streit vor ihrer Haustüre in Damaskus gegeben und habe er die Streitparteien auseinanderbringen wollen, daraufhin habe ihn eine Polizeistreife mitgenommen und hätte die Familie bislang nicht herausfinden können, wo er sich befinde. Im März 2023 seien die Beschwerdeführerinnen in der Folge zum Großvater der Erstbeschwerdeführerin nach Deir ez-Zor gezogen, wo es jedoch keine Sicherheit und Krieg zwischen den Kurden und lokalen Stämmen gebe. Aus Angst, entführt zu werden, hätte die Erstbeschwerdeführerin zudem nicht mehr das Haus verlassen, sodass die Beschwerdeführerinnen Syrien letztlich im April 2023 verlassen hätten. Abgesehen von der allgemeinen Sicherheitslage hätten sie keine Probleme gehabt.
Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 01.12.2023 wurden die verfahrensgegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Zugleich wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihnen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.). Die Abweisung hinsichtlich des Status von Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerinnen keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung dargelegt hätten. Vielmehr hätten sie Syrien glaubhaft aufgrund des Krieges und der allgemeinen Sicherheitslage verlassen.Mit den im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde vom 01.12.2023 wurden die verfahrensgegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt römisch eins.). Zugleich wurde den Beschwerdeführerinnen gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt römisch II.) und ihnen gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt römisch III.). Die Abweisung hinsichtlich des Status von Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerinnen keine Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung dargelegt hätten. Vielmehr hätten sie Syrien glaubhaft aufgrund des Krieges und der allgemeinen Sicherheitslage verlassen.
Gegen Spruchpunkt I. dieser Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 27.12.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei deren inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA sei sehr kurz gehalten worden und habe der Dolmetscher ihr gegenüber gesagt, dass sie nur die Fragen beantworten solle und nichts zu erzählen brauche, wenn sie nicht gefragt werde, weswegen sie auch nur die Fragen der Amtsleiterin beantwortet habe. Angesichts dessen habe sie jedoch keine Möglichkeit gehabt, detaillierte Angaben zu ihrem leiblichen Vater zu machen. Dieser sei vom syrischen Regime verhaftet, für etwa acht Jahre in einem Gefängnis in Damaskus angehalten und dort schlussendlich getötet worden. Auch ihr Ehemann sei von den syrischen Behörden entführt worden, weswegen die Beschwerdeführerinnen ebenfalls Gefahr liefen, in Syrien getötet zu werden.Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieser Bescheide wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 27.12.2023 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben und hierbei deren inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften moniert. Es wurde im Wesentlichen vorgebracht, die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA sei sehr kurz gehalten worden und habe der Dolmetscher ihr gegenüber gesagt, dass sie nur die Fragen beantworten solle und nichts zu erzählen brauche, wenn sie nicht gefragt werde, weswegen sie auch nur die Fragen der Amtsleiterin beantwortet habe. Angesichts dessen habe sie jedoch keine Möglichkeit gehabt, detaillierte Angaben zu ihrem leiblichen Vater zu machen. Dieser sei vom syrischen Regime verhaftet, für etwa acht Jahre in einem Gefängnis in Damaskus angehalten und dort schlussendlich getötet worden. Auch ihr Ehemann sei von den syrischen Behörden entführt worden, weswegen die Beschwerdeführerinnen ebenfalls Gefahr liefen, in Syrien getötet zu werden.
Beschwerde und Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 15.01.2024 vorgelegt.
Am 18.03.2023 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung in Anwesenheit der Beschwerdeführerinnen, ihrer Rechtsvertretung sowie eines Bruders und der Mutter der Erstbeschwerdeführerin als Zeugen abgehalten und hierbei die gegenständliche Beschwerdesache erörtert. Bei dieser Gelegenheit brachte die Erstbeschwerdeführerin erstmalig vor, von einem Offizier der syrischen Sicherheitskräfte, der sie nach dem Verschwinden ihres Ehemannes mehrfach aufgesucht habe, sexuell misshandelt worden zu sein, was sie zur Ausreise veranlasst hätte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:Die unter Punkt römisch eins. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführerinnen:
Die Beschwerdeführerinnen sind Staatsangehörige von Syrien. Es handelt sich bei ihnen um eine volljährige Frau (Erstbeschwerdeführerin) und ihre minderjährige Tochter (Zweitbeschwerdeführerin). Sie sind Angehörige der Volksgruppe der Araber und sunnitische Moslems. Ihre Identität steht fest.
Die Familie der Erstbeschwerdeführerin stammt ursprünglich aus Bseireh im Gouvernement Deir ez-Zor, übersiedelte jedoch, als sich diese noch im Kindealter befand, nach Damaskus, wo sie im Bezirk XXXX aufwuchs, für sechs Jahre die Grundschule besuchte und in der Folge auch ihren Ehemann heiratete und mit diesem gemeinsam im Haus der Schwiegereltern wohnte. Ihren Lebensunterhalt bestritt die Erstbeschwerdeführerin durch die finanzielle Unterstützung ihres Mannes und seiner Familie. Im Jänner 2022 brachte sie eine gemeinsame Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, zur Welt. Die Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin leben nach wie vor in XXXX , ihre Großeltern väterlicherseits in Bseireh. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist bereits verstorben, der Aufenthaltsort ihres Ehemannes ist unbekannt. Ihre Mutter, vier Schwestern und zwei Brüder halten sich allesamt als Asylberechtigte in Österreich auf.Die Familie der Erstbeschwerdeführerin stammt ursprünglich aus Bseireh im Gouvernement Deir ez-Zor, übersiedelte jedoch, als sich diese noch im Kindealter befand, nach Damaskus, wo sie im Bezirk römisch XXXX aufwuchs, für sechs Jahre die Grundschule besuchte und in der Folge auch ihren Ehemann heiratete und mit diesem gemeinsam im Haus der Schwiegereltern wohnte. Ihren Lebensunterhalt bestritt die Erstbeschwerdeführerin durch die finanzielle Unterstützung ihres Mannes und seiner Familie. Im Jänner 2022 brachte sie eine gemeinsame Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, zur Welt. Die Schwiegereltern der Erstbeschwerdeführerin leben nach wie vor in römisch XXXX , ihre Großeltern väterlicherseits in Bseireh. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist bereits verstorben, der Aufenthaltsort ihres Ehemannes ist unbekannt. Ihre Mutter, vier Schwestern und zwei Brüder halten sich allesamt als Asylberechtigte in Österreich auf.
Anfang des Jahres 2023 zogen die Beschwerdeführerinnen, nachdem der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin von Sicherheitskräften verschleppt und sie selbst an ihrer Wohnadresse von einem Offizier der syrischen Sicherheitskräfte sexuell misshandelt worden war, für etwa einen Monat zu den Großeltern der Erstbeschwerdeführerin nach Bseireh, ehe sie von dort aus schließlich über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn die schlepperunterstützte Ausreise nach Europa antraten, um ihren zum damaligen Zeitpunkt bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen nachzureisen. Am 28.08.2023 stellten sie ihre verfahrensgegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
Die Erstbeschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten, während die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin noch nicht strafmündig ist.
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerinnen:
Die Erstbeschwerdeführerin wurde im Vorfeld ihrer Ausreise in ihrer Heimatstadt Damaskus Opfer von sexueller Gewalt seitens eines Offiziers der syrischen Sicherheitskräfte. Als alleinstehende Frau, deren Ehemann seit seiner Verschleppung durch Sicherheitskräfte unbekannten Aufenthaltes ist und deren sonstige Kernfamilie Syrien bereits verlassen hat, besteht für sie die reale Gefahr, im Falle ihrer Rückkehr abermals sexueller Gewalt durch Regimekräfte ausgesetzt zu sein.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS (Version 10, 14.03.2024) auszugsweise soweit entscheidungsrelevant wiedergegeben:
Politische Lage
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Ba'ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weitverbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 29.8.2016).
Die Entscheidung Moskaus, 2015 in Syrien militärisch zu intervenieren, hat das Assad-Regime in Damaskus effektiv geschützt. Russische Luftstreitkräfte und nachrichtendienstliche Unterstützung sowie von Iran unterstützte Milizen vor Ort ermöglichten es dem Regime, die Opposition zu schlagen und seine Kontrolle über große Teile Syriens brutal wiederherzustellen. Seit März 2020 scheint der Konflikt in eine neue Patt-Phase einzutreten, in der drei unterschiedliche Gebiete mit statischen Frontlinien abgegrenzt wurden (IPS 20.5.2022). Das Assad-Regime kontrolliert rund 70 Prozent des syrischen Territoriums. Seit dem Höhepunkt des Konflikts, als das Regime - unterstützt von Russland und Iran - unterschiedslose, groß angelegte Offensiven startete, um Gebiete zurückzuerobern, hat die Gewalt deutlich abgenommen. Auch wenn die Gewalt zurückgegangen ist, kommt es entlang der Konfliktlinien im Nordwesten und Nordosten Syriens weiterhin zu kleineren Scharmützeln. Im Großen und Ganzen hat sich der syrische Bürgerkrieg zu einem internationalisierten Konflikt entwickelt, in dem fünf ausländische Streitkräfte - Russland, Iran, die Türkei, Israel und die Vereinigten Staaten - im syrischen Kampfgebiet tätig sind und Überreste des Islamischen Staates (IS) regelmäßig Angriffe durchführen (USIP 14.3.2023). Solange das militärische Engagement von Iran, Russland, Türkei und USA auf bisherigem Niveau weiterläuft, sind keine größeren Veränderungen bei der Gebietskontrolle zu erwarten (AA 2.2.2024).
Der Machtanspruch des syrischen Regimes wird in einigen Gebieten unter seiner Kontrolle angefochten. Dem Regime gelingt es dort nur bedingt, das staatliche Gewaltmonopol durchzusetzen. Im Gouvernement Suweida kommt es beispielsweise seit dem 20.8.2023 zu täglichen regimekritischen Protesten, darunter Straßenblockaden und die zeitweise Besetzung von Liegenschaften der Regime-Institutionen (AA 2.2.2024). In den vom Regime kontrollierten Gebieten unterdrücken die Sicherheits- und Geheimdienstkräfte des Regimes, die Milizen und die Verbündeten aus der Wirtschaft aktiv die Autonomie der Wähler und Politiker. Ausländische Akteure wie das russische und das iranische Regime sowie die libanesische Schiitenmiliz Hizbollah üben ebenfalls großen Einfluss auf die Politik in den von der Regierung kontrollierten Gebieten aus (FH 9.3.2023). In den übrigen Landesteilen üben unverändert de facto Behörden Gebietsherrschaft aus. Im Nordwesten kontrolliert die von der islamistischen Terrororganisation Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) gestellte Syrische Errettungsregierung (SSG) weiterhin Gebiete in den Gouvernements Idlib, Lattakia, Hama und Aleppo. In Teilen des Gouvernements Aleppo sowie in den von der Türkei besetzten Gebieten im Norden beansprucht weiterhin die von der syrischen Oppositionskoalition (SOC/Etilaf) bestellte Syrische Interimsregierung (SIG) den Regelungsanspruch. Die von kurdisch kontrollierten Kräften abgesicherten sogenannten Selbstverwaltungsbehörden im Nordosten (AANES) üben unverändert Kontrolle über Gebiete östlich des Euphrats in den Gouvernements ar-Raqqah, Deir ez-Zor und al-Hassakah sowie in einzelnen Ortschaften im Gouvernement Aleppo aus (AA 2.2.2024). Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen bleibt Syrien, bis hin zur subregionalen Ebene, territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Im syrischen Bürgerkrieg hat sich die Grenze zwischen Staat und Nicht-Staat zunehmend verwischt. Im Laufe der Zeit haben sowohl staatliche Akteure als auch nicht-staatliche bewaffnete Gruppen parallele, miteinander vernetzte und voneinander abhängige politische Ökonomien geschaffen, in denen die Grenzen zwischen formell und informell, legal und illegal, Regulierung und Zwang weitgehend verschwunden sind. Die Grenzgebiete in Syrien bilden heute ein einziges wirtschaftliches Ökosystem, das durch dichte Netzwerke von Händlern, Schmugglern, Regimevertretern, Maklern und bewaffneten Gruppen miteinander verbunden ist (Brookings 27.1.2023).
Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vgl. AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vgl. IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).Die politische Gesamtlage in Syrien zeigt sich [im Berichtszeitraum März 2023 - Oktober 2023] nicht wesentlich verändert (AA 2.2.2024). Der Konflikt in Syrien befindet sich in einer Patt-Situation mit wenig Aussicht auf eine baldige politische Lösung (USIP 14.3.2023; vergleiche AA 29.3.2023). Eine realistische Perspektive für eine Veränderung des politischen Status Quo in den Regimegebieten, etwa zugunsten oppositioneller Kräfte, ob auf politischem oder militärischem Wege, besteht aktuell nicht. Auch der politische Prozess für eine von den Konfliktparteien verhandelte, inklusive Lösung des Konflikts gemäß Sicherheitsratsresolution 2254 der Vereinten Nationen (VN) (vorgesehen danach u. a. Ausarbeitung einer neuen Verfassung, freie und faire Wahlen unter Aufsicht der VN und unter Beteiligung der syrischen Diaspora) unter Ägide der VN stagniert. Ausschlaggebend dafür bleibt die anhaltende Blockadehaltung des Regimes, das keinerlei Interesse an einer politischen Lösung des Konflikts zeigt und vor diesem Hintergrund jegliche Zugeständnisse verweigert. Alternative politische Formate unter Führung verschiedener Mächte haben bislang keine Fortschritte gebracht (AA 2.2.2024). Letztlich ist es das Ziel der Assad-Regierung, die Kontrolle über das gesamte syrische Territorium wiederzuerlangen (Alaraby 31.5.2023; vergleiche IPS 20.5.2022). Russland, die Türkei, die Vereinigten Staaten und Iran unterstützen die Kriegsparteien weiterhin militärisch und finanziell (HRW 11.1.2024).
Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vgl. SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vgl. Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).Im Äußeren gelang es dem syrischen Regime, sich dem Eindruck internationaler Isolation entgegenzusetzen (AA 2.2.2024). Das propagierte "Normalisierungsnarrativ" verfängt insbesondere bei einer Reihe arabischer Staaten (AA 29.3.2023). Im Mai 2023 wurde Syrien wieder in die Arabische Liga aufgenommen, von der es im November 2011 aufgrund der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste ausgeschlossen worden war (Wilson 6.6.2023; vergleiche SOHR 7.5.2023). Als Gründe für die diplomatische Annäherung wurden unter anderem folgende Interessen der Regionalmächte genannt: Rückkehr von syrischen Flüchtlingen in ihr Heimatland, die Unterbindung des Drogenschmuggels in die Nachbarländer - insbesondere von Captagon (CMEC 16.5.2023; vergleiche Wilson 6.6.2023, SOHR 7.5.2023), Ängste vor einer Machtübernahme islamistischer Extremisten im Fall eines Sturzes des Assad-Regimes sowie die Eindämmung des Einflusses bewaffneter, von Iran unterstützter Gruppierungen, insbesondere im Süden Syriens. Das syrische Regime zeigt laut Einschätzung eines Experten für den Nahen Osten dagegen bislang kein Interesse, eine große Anzahl an Rückkehrern wiederaufzunehmen und Versuche, den Drogenhandel zu unterbinden, erscheinen in Anbetracht der Summen, welche dieser ins Land bringt, bislang im besten Fall zweifelhaft (CMEC 16.5.2023). Am 3.7.2023 reiste erneut der jordanische Außenminister Ayman Safadi nach Damaskus, um Bemühungen zur Schaffung von Bedingungen für die Rückkehr von syrischen Geflüchteten aus Jordanien zu intensivieren (AA 2.2.2024). Die EU-Mitgliedsstaaten in ihrer Gesamtheit und die USA stellen sich den Normalisierungsbestrebungen politisch unverändert entgegen (AA 2.2.2024).
Regional positionierte sich das Regime seit Ausbruch der kriegerischen Kampfhandlungen zwischen Israel und der Hamas in und um Gaza seit dem 7.10.2023 öffentlich an der Seite der Palästinenser und kritisierte Israel, mit dem sich Syrien formell weiterhin im Kriegszustand befindet, scharf (AA 2.2.2024).
Syrische Arabische Republik
Die Familie al-Assad regiert Syrien bereits seit 1970, als Hafez al-Assad sich durch einen Staatsstreich zum Herrscher Syriens machte (SHRC 24.1.2019). Nach seinem Tod im Jahr 2000 übernahm sein Sohn, der jetzige Präsident Bashar al-Assad, diese Position (BBC 2.5.2023). Die beiden Assad-Regime hielten die Macht durch ein komplexes Gefüge aus ba'athistischer Ideologie, Repression, Anreize für wirtschaftliche Eliten und der Kultivierung eines Gefühls des Schutzes für religiöse Minderheiten (USCIRF 4.2021). Das überwiegend von Alawiten geführte Regime präsentiert sich als Beschützer der Alawiten und anderer religiöser Minderheiten (FH 9.3.2023) und die alawitische Minderheit hat weiterhin einen im Verhältnis zu ihrer Zahl überproportional großen politischen Status, insbesondere in den Führungspositionen des Militärs, der Sicherheitskräfte und der Nachrichtendienste, obwohl das hochrangige Offizierskorps des Militärs weiterhin auch Angehörige anderer religiöser Minderheitengruppen in seine Reihen aufnimmt (USDOS 15.5.2023). In der Praxis hängt der politische Zugang jedoch nicht von der Religionszugehörigkeit ab, sondern von der Nähe und Loyalität zu Assad und seinen Verbündeten. Alawiten, Christen, Drusen und Angehörige anderer kleinerer Religionsgemeinschaften, die nicht zu Assads innerem Kreis gehören, sind politisch entrechtet. Zur politischen Elite gehören auch Angehörige der sunnitischen Religionsgemeinschaft, doch die sunnitische Mehrheit des Landes stellt den größten Teil der Rebellenbewegung und hat daher die Hauptlast der staatlichen Repressionen zu tragen (FH 9.3.2023).
Die Verfassung schreibt die Vormachtstellung der Vertreter der Ba'ath-Partei in den staatlichen Institutionen und in der Gesellschaft vor, und Assad und die Anführer der Ba'ath-Partei beherrschen als autoritäres Regime alle drei Regierungszweige (USDOS 20.3.2023). Mit dem Dekret von 2011 und den Verfassungsreformen von 2012 wurden die Regeln für die Beteiligung anderer Parteien formell gelockert. In der Praxis unterhält die Regierung einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat, um Oppositionsbewegungen zu überwachen und zu bestrafen, die Assads Herrschaft ernsthaft infrage stellen könnten (FH 9.3.2023). Der Präsident stützt seine Herrschaft insbesondere auf die Loyalität der Streitkräfte sowie der militärischen und zivilen Nachrichtendienste. Die Befugnisse dieser Dienste, die von engen Vertrauten des Präsidenten geleitet werden und sich auch gegenseitig kontrollieren, unterliegen keinen definierten Beschränkungen. So hat sich in Syrien ein politisches System etabliert, in dem viele Institutionen und Personen miteinander um Macht konkurrieren und dabei kaum durch die Verfassung und den bestehenden Rechtsrahmen kontrolliert werden, sondern v. a. durch den Präsidenten und seinen engsten Kreis. Trotz gelegentlicher interner Machtkämpfe stehen Assad dabei keine ernst zu nehmenden Kontrahenten gegenüber. Die Geheimdienste haben ihre traditionell starke Rolle seither verteidigt oder sogar weiter ausgebaut und profitieren durch Schmuggel und Korruption wirtschaftlich erheblich (AA 29.3.2023).
Dem ehemaligen Berater des US-Außenministeriums Hazem al-Ghabra zufolge unterstützt Syrien beinahe vollständig die Herstellung und Logistik von Drogen, weil es eine Einnahmemöglichkeit für den Staat und für Vertreter des Regimes und dessen Prof