TE Bvwg Erkenntnis 2024/4/15 W280 2278475-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.04.2024
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Entscheidungsdatum

15.04.2024

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
  1. B-VG Art. 133 heute
  2. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  3. B-VG Art. 133 gültig ab 01.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 133 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  5. B-VG Art. 133 gültig von 01.08.2014 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 164/2013
  6. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2014 bis 31.07.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  7. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  8. B-VG Art. 133 gültig von 01.01.1975 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  9. B-VG Art. 133 gültig von 25.12.1946 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  10. B-VG Art. 133 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  11. B-VG Art. 133 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Spruch


W280 2278475-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .1990, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 08.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.02.2024 zu Recht: Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von römisch XXXX , geb. römisch XXXX .1990, StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt römisch eins. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom römisch XXXX 08.2023, Zl. römisch XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.02.2024 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abgewiesen. A) Die Beschwerde wird gemäß Paragraph 3, Absatz eins, AsylG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig. B) Die Revision ist gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:römisch eins. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend als BF bezeichnet), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am XXXX .06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. 1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend als BF bezeichnet), ein syrischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am römisch XXXX .06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Am XXXX .06.2022 wurde der BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei insbesondere an, dass er Syrien verlassen habe, weil dort Krieg herrsche. Er müsste zum Militär, wolle jedoch nicht kämpfen und töten. Er sei dann ins Gefängnis gesperrt und misshandelt worden. Die Narben seien noch zu sehen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben und um das seiner Familie sowie eine Gefängnisstrafe.Am römisch XXXX .06.2022 wurde der BF vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und gab dabei insbesondere an, dass er Syrien verlassen habe, weil dort Krieg herrsche. Er müsste zum Militär, wolle jedoch nicht kämpfen und töten. Er sei dann ins Gefängnis gesperrt und misshandelt worden. Die Narben seien noch zu sehen. Weitere Fluchtgründe habe er nicht. Im Falle einer Rückkehr fürchte er um sein Leben und um das seiner Familie sowie eine Gefängnisstrafe.

Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt gab der BF zusammengefasst an, dass er aus der syrischen Stadt XXXX stamme, der Volksgruppe der Araber zugehörig sei und sich zum Islam bekenne. In Syrien würden sich seine Eltern, drei Brüder und drei Schwestern sowie seine Ehefrau und die beiden Töchter aufhalten.Zu seinen persönlichen Verhältnissen befragt gab der BF zusammengefasst an, dass er aus der syrischen Stadt römisch XXXX stamme, der Volksgruppe der Araber zugehörig sei und sich zum Islam bekenne. In Syrien würden sich seine Eltern, drei Brüder und drei Schwestern sowie seine Ehefrau und die beiden Töchter aufhalten.

2. Am XXXX 05.2023 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder belangte Behörde) statt. In dieser gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2011, 2013 und 2014 verhaftet worden sei. 2011 sei er für ca. 2 Monate in Haft gewesen, 2013 für 3 Monate und 10 Tage und 2014 für 2 Monate – konkret von XXXX .2014 bis XXXX .2014. Er sei in der Haft geschlagen und gefoltert worden. Auch habe er Angst, dass er einberufen werde. Er wolle nicht mitkämpfen und niemanden töten. Wenn er nach Syrien zurückkehren müsse, so werde er getötet oder eingesperrt werden. Nachgefragt gab er an, dass er im November 2014 einen ersten Einberufungsbefehl als Reservist erhalten habe. Einen zweiten habe er am XXXX 2015 bekommen und einen dritten am XXXX .2015. Diese seien seinem Bruder zu Hause durch die Polizei zugestellt worden. Die Demonstrationen an denen er teilgenommen habe, seien gegen das Regime gerichtet und immer friedlich gewesen und hätten Tausende daran teilgenommen. Im XXXX 2011 sei er im Anschluss an eine Demonstration zu Hause festgenommen worden. Nach XXXX Tagen sei er durch die Zahlung von Lösegeld freigekommen. Insgesamt sei er 2011 XXXX Mal inhaftiert worden. 2014 habe sein Vater dann mit der Polizei eine Vereinbarung getroffen wonach diese ihn im Gegenzug zu einem Grundstück, das er ihnen gegeben habe, nicht mehr inhaftiert worden sei und legal in den Libanon ausreisen habe können was auch funktioniert habe. Auf die Frage, ob der BF immer zu Hause festgenommen worden sei gab dieser an, dass er im XXXX 2011 bei einer Kontrolle in XXXX , 2013 im benachbarten Ort XXXX und 2014 bei einer Kontrolle in XXXX festgenommen worden sei. Im Rahmen der Einvernahme legte der BF ein Konvolut an Unterlagen vor.2. Am römisch XXXX 05.2023 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder belangte Behörde) statt. In dieser gab der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen an, dass er wegen seiner Teilnahme an Demonstrationen im Jahr 2011, 2013 und 2014 verhaftet worden sei. 2011 sei er für ca. 2 Monate in Haft gewesen, 2013 für 3 Monate und 10 Tage und 2014 für 2 Monate – konkret von römisch XXXX .2014 bis römisch XXXX .2014. Er sei in der Haft geschlagen und gefoltert worden. Auch habe er Angst, dass er einberufen werde. Er wolle nicht mitkämpfen und niemanden töten. Wenn er nach Syrien zurückkehren müsse, so werde er getötet oder eingesperrt werden. Nachgefragt gab er an, dass er im November 2014 einen ersten Einberufungsbefehl als Reservist erhalten habe. Einen zweiten habe er am römisch XXXX 2015 bekommen und einen dritten am römisch XXXX .2015. Diese seien seinem Bruder zu Hause durch die Polizei zugestellt worden. Die Demonstrationen an denen er teilgenommen habe, seien gegen das Regime gerichtet und immer friedlich gewesen und hätten Tausende daran teilgenommen. Im römisch XXXX 2011 sei er im Anschluss an eine Demonstration zu Hause festgenommen worden. Nach römisch XXXX Tagen sei er durch die Zahlung von Lösegeld freigekommen. Insgesamt sei er 2011 römisch XXXX Mal inhaftiert worden. 2014 habe sein Vater dann mit der Polizei eine Vereinbarung getroffen wonach diese ihn im Gegenzug zu einem Grundstück, das er ihnen gegeben habe, nicht mehr inhaftiert worden sei und legal in den Libanon ausreisen habe können was auch funktioniert habe. Auf die Frage, ob der BF immer zu Hause festgenommen worden sei gab dieser an, dass er im römisch XXXX 2011 bei einer Kontrolle in römisch XXXX , 2013 im benachbarten Ort römisch XXXX und 2014 bei einer Kontrolle in römisch XXXX festgenommen worden sei. Im Rahmen der Einvernahme legte der BF ein Konvolut an Unterlagen vor.

3. Mit dem oben angeführten, nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX .08.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). 3. Mit dem oben angeführten, nunmehr angefochtenen Bescheid vom römisch XXXX .08.2023 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß Paragraph 3, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 2, Absatz eins, Ziffer 13, AsylG 2005 ab (Spruchpunkt römisch eins.), erkannte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz eins, AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt römisch II.) und erteilte ihm gemäß Paragraph 8, Absatz 4, AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt römisch III.).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF aufgrund seiner oberflächlichen und objektiv nicht nachvollziehbaren Angaben keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen habe können. Der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ca. 33-jährige BF habe als einfacher Soldat seinen Wehrdienst abgeleistet gehabt. Ausweislich der Länderberichte bestehe in Syrien die Möglichkeit Reservisten (abseits des Vorliegens von besonderen Qualifikationen des Reservisten) bis zum Erreichen des 42-Lebensjahres in den aktiven Dienst einzuberufen. Vornehmlich würden jedoch Männer bis zum Alter von 27 Jahren zum Reservedienst einberufen. Aus der vom BF innegehabten Funktion bei seiner Ableistung des Wehrdienstes respektive seiner Berufstätigkeit als Staplerfahrer und Hausmeister könne eine besondere - für eine neuerliche Musterung attraktive – Qualifikation nicht abgeleitet werden. Untermauert werde dies durch den Umstand, dass sein 1987 geborener Bruder nach wie vor gefahrlos und ohne Einberufung zum Reservedienst in XXXX leben und arbeiten könne. Ebenfalls ein Indiz für eine nicht bestehende Verfolgung wertete das BFA auch den Umstand, dass der BF seine Familie nach Verlassen des Libanon in seine Heimatregion Daraa in Sicherheit gebracht hätte. Dies hätte er – so das BFA – der Familie nicht zugemutet, wenn er vom syrischen Regime gesucht werden würde und in diesem Zusammenhang Repressalien gegen seine Ehefrau und seine Kinder zu befürchten wären.Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF aufgrund seiner oberflächlichen und objektiv nicht nachvollziehbaren Angaben keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen habe können. Der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung ca. 33-jährige BF habe als einfacher Soldat seinen Wehrdienst abgeleistet gehabt. Ausweislich der Länderberichte bestehe in Syrien die Möglichkeit Reservisten (abseits des Vorliegens von besonderen Qualifikationen des Reservisten) bis zum Erreichen des 42-Lebensjahres in den aktiven Dienst einzuberufen. Vornehmlich würden jedoch Männer bis zum Alter von 27 Jahren zum Reservedienst einberufen. Aus der vom BF innegehabten Funktion bei seiner Ableistung des Wehrdienstes respektive seiner Berufstätigkeit als Staplerfahrer und Hausmeister könne eine besondere - für eine neuerliche Musterung attraktive – Qualifikation nicht abgeleitet werden. Untermauert werde dies durch den Umstand, dass sein 1987 geborener Bruder nach wie vor gefahrlos und ohne Einberufung zum Reservedienst in römisch XXXX leben und arbeiten könne. Ebenfalls ein Indiz für eine nicht bestehende Verfolgung wertete das BFA auch den Umstand, dass der BF seine Familie nach Verlassen des Libanon in seine Heimatregion Daraa in Sicherheit gebracht hätte. Dies hätte er – so das BFA – der Familie nicht zugemutet, wenn er vom syrischen Regime gesucht werden würde und in diesem Zusammenhang Repressalien gegen seine Ehefrau und seine Kinder zu befürchten wären.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Darin wird zusammengefasst vorgebracht, dass der BF sich ab dem Jahr 2011 an einer Vielzahl von Demonstrationen gegen das syrische Regime beteiligt und sich dabei öffentlich als Regimekritiker bekannt habe. Er sei folglich mehrmals – 2011, 2013 sowie 2014 – verhaftet, inhaftiert und zum Teil in der Haft gefoltert als auch einmal wegen der Teilnahme an illegalen Demonstrationen verurteilt worden. Die Daten des BF seien dem syrischen Regime bekannt und werde er als Regimekritiker gesehen. In der Abwesenheit des BF habe dessen Bruder mehrere Einberufungsbefehle erhalten. Nach der Bestechung eines Polizeioffiziers sei der BF 2014 legal in den Libanon ausgereist und sei sodann im XXXX 2021 für einen kurzen Zeitraum unter Umgehung der Grenzkontrollen und ohne Kontakt zum syrischen Regime in die Provinz XXXX zurückgekehrt, um seine Reise nach Europa mit Hilfe von Schleppern durchzuführen. Im Falle einer hypothetischen Rückkehr drohe dem BF in seinem fortgeschrittenen Alter die Einziehung als Reservist und liefe dieser Gefahr sich u.a. unter Zwang an schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beteiligen zu müssen.4. Gegen Spruchpunkt römisch eins. dieses Bescheides erhob der BF fristgerecht Beschwerde. Darin wird zusammengefasst vorgebracht, dass der BF sich ab dem Jahr 2011 an einer Vielzahl von Demonstrationen gegen das syrische Regime beteiligt und sich dabei öffentlich als Regimekritiker bekannt habe. Er sei folglich mehrmals – 2011, 2013 sowie 2014 – verhaftet, inhaftiert und zum Teil in der Haft gefoltert als auch einmal wegen der Teilnahme an illegalen Demonstrationen verurteilt worden. Die Daten des BF seien dem syrischen Regime bekannt und werde er als Regimekritiker gesehen. In der Abwesenheit des BF habe dessen Bruder mehrere Einberufungsbefehle erhalten. Nach der Bestechung eines Polizeioffiziers sei der BF 2014 legal in den Libanon ausgereist und sei sodann im römisch XXXX 2021 für einen kurzen Zeitraum unter Umgehung der Grenzkontrollen und ohne Kontakt zum syrischen Regime in die Provinz römisch XXXX zurückgekehrt, um seine Reise nach Europa mit Hilfe von Schleppern durchzuführen. Im Falle einer hypothetischen Rückkehr drohe dem BF in seinem fortgeschrittenen Alter die Einziehung als Reservist und liefe dieser Gefahr sich u.a. unter Zwang an schweren Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen beteiligen zu müssen.

Darüber hinaus fürchte er eine politische Verfolgung aufgrund seiner Teilnahme an Demonstrationen gegen das syrische Regime zur Zeit seines Aufenthaltes in Syrien. Auch werde ihm durch das Stellen eines Asylantrages im Ausland eine oppositionelle Gesinnung unterstellt.

Ergänzend und konkretisierend zu seinem bisherigen Vorbringen verwies der BF in seinem Beschwerdeschriftsatz auf stattgefundene Misshandlungen und Folterungen während seiner Inhaftierung und beantragte dieser die Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Beweise dafür, dass die vom BF geschilderten Narben tatsächlich auf die Foltererfahrungen des BF im Rahmen der Gefangenschaft in Haft durch das syrische Regime stammten.

5. Am 29.02.2024 fand vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung im Beisein des BF sowie dessen gewillkürter Vertretung statt, in welcher der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen und seinem Aufenthalt in Österreich befragt wurde. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:römisch II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Personen des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX .1990; seine Identität steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache ist Arabisch. Der BF führt den Namen römisch XXXX und das Geburtsdatum römisch XXXX .1990; seine Identität steht nicht fest. Er ist Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Der BF wurde in der Stadt XXXX im Gouvernement XXXX im Süden Syriens geboren, wo er bis zu seiner Ausreise in den Libanon im Jahre 2014 lebte. Der BF wurde in der Stadt römisch XXXX im Gouvernement römisch XXXX im Süden Syriens geboren, wo er bis zu seiner Ausreise in den Libanon im Jahre 2014 lebte.

Am XXXX .10.2014 reiste der BF legal von Syrien nach dem Libanon aus, wo dieser bis XXXX .12. 2022 aufhältig war. Am römisch XXXX .10.2014 reiste der BF legal von Syrien nach dem Libanon aus, wo dieser bis römisch XXXX .12. 2022 aufhältig war.

In Syrien besuchte der BF bis zur neunten Schulstufe die Schule und arbeitete folglich als Staplerfahrer und half dieser auch in der familieneigenen Landwirtschaft mit. Während seines Aufenthaltes im Libanon arbeitete der BF in einem Hotel.

Sowohl die Eltern des BF, als auch seine drei Brüder im Alter von XXXX , XXXX und XXXX Jahren sowie drei Schwestern, alle sind verheiratet und haben Kinder, leben im Herkunftsstaat. Der BF, der am XXXX .2016 seine Ehefrau im Libanon traditionell und auch standesamtlich geheiratet hat, hat mit dieser zwei Töchter und einen Sohn im Alter von XXXX , XXXX und XXXX Jahren. Sowohl die Eltern des BF, als auch seine drei Brüder im Alter von römisch XXXX , römisch XXXX und römisch XXXX Jahren sowie drei Schwestern, alle sind verheiratet und haben Kinder, leben im Herkunftsstaat. Der BF, der am römisch XXXX .2016 seine Ehefrau im Libanon traditionell und auch standesamtlich geheiratet hat, hat mit dieser zwei Töchter und einen Sohn im Alter von römisch XXXX , römisch XXXX und römisch XXXX Jahren.

Von 2016 bis Dezember 2022 lebte die Ehefrau des BF, unterbrochen von einer auf einer Erkrankung an Brustkrebs fußenden temporären Rückkehr nach XXXX , zusammen mit ihrem Mann im Libanon. Von 2016 bis Dezember 2022 lebte die Ehefrau des BF, unterbrochen von einer auf einer Erkrankung an Brustkrebs fußenden temporären Rückkehr nach römisch XXXX , zusammen mit ihrem Mann im Libanon.

Seit XXXX 2022 lebt die Ehefrau mit den Kindern wiederum gänzlich im Heimatort des BF und wird deren Lebensunterhalt von einem Bruder des BF sowie den in Großbritannien lebenden Geschwistern der Ehefrau getragen. Alle 6 Monate muss diese wegen ihrer Krebserkrankung zu Kontrolluntersuchungen ins Krankenhaus nach XXXX . Seit römisch XXXX 2022 lebt die Ehefrau mit den Kindern wiederum gänzlich im Heimatort des BF und wird deren Lebensunterhalt von einem Bruder des BF sowie den in Großbritannien lebenden Geschwistern der Ehefrau getragen. Alle 6 Monate muss diese wegen ihrer Krebserkrankung zu Kontrolluntersuchungen ins Krankenhaus nach römisch XXXX .

Der BF reiste spätestens am XXXX .06.2022 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an letztgenanntem Datum einen Antrag auf internationalen Schutz; seither ist er durchgehend im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Mit oben angeführtem Bescheid vom XXXX .08.2023 wurde ihm in Österreich subsidiärer Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Der BF reiste spätestens am römisch XXXX .06.2022 unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte an letztgenanntem Datum einen Antrag auf internationalen Schutz; seither ist er durchgehend im österreichischen Bundesgebiet aufhältig. Mit oben angeführtem Bescheid vom römisch XXXX .08.2023 wurde ihm in Österreich subsidiärer Schutz in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Der BF leidet an keiner lebensbedrohlichen Krankheit, ist arbeitsfähig und in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Heimatort des BF, welches ca. 60 km südwestlich von der Stadt Damaskus unweit der syrisch – libanesischen Grenze liegt, befindet sich im Einfluss und Kontrollbereich des syrischen Regimes.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der BF hat seinen Herkunftsstaat wegen des dort herrschenden Krieges und der allgemeinen schlechten Sicherheitslage verlassen. Ihm droht in Syrien keine Verfolgung aufgrund der vorgebrachten Teilnahme an Demonstrationen in den Jahren 2011, 2013 und 2014.

Im Zeitraum vom XXXX .2009 bis XXXX .2011 leistete der BF seinen Wehrdienst. Er erlangte während desselben keine militärische Spezialausbildung, sondern wurde lediglich an der Standardinfanteriewaffe AK-47 Kalaschnikow ausgebildet und mit Wach- und anderweitigen Aufgaben in der Kaserne betraut. Im Zeitraum vom römisch XXXX .2009 bis römisch XXXX .2011 leistete der BF seinen Wehrdienst. Er erlangte während desselben keine militärische Spezialausbildung, sondern wurde lediglich an der Standardinfanteriewaffe AK-47 Kalaschnikow ausgebildet und mit Wach- und anderweitigen Aufgaben in der Kaserne betraut.

Auch droht ihm weder mit der maßgeblichen Wahrscheinlichkeit eine Einberufung zum Reservedienst noch eine Verfolgung aufgrund (unterstellter) politischer Gesinnung, weil er im Ausland einen Asylantrag gestellt hat.

Dem BF droht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch den syrischen Staat oder durch Mitglieder regierungsfeindlicher oder –freundlicher (bewaffneter) Gruppierungen.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Syrien einer konkreten Verfolgung oder Bedrohung aus anderen in der Genfer Flüchtlingskonvention enthaltenen Gründen ausgesetzt ist oder eine solche zu befürchten hätte.

1.3. Zur maßgeblichen, entscheidungsrelevanten Situation in Syrien

Die Feststellung der maßgeblichen Situation in Syrien basiert auf den vom BVwG in das Verfahren eingeführten Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11 vom 27.03.2024 und den diesen zugrundeliegenden Quellen, sowie dem Themenbericht des Danish Immigration Service (DIS) zum Thema: Syria – Military service vom Jänner 2024.

1.3.1. Auszug aus den Länderinformationen der BFA-Staatendokumentation zu Syrien aus dem COI-CMS, Version 11, 27.03.2024:

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-03-08 11:17

Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf fast eine halbe Million geschätzt (USIP 14.3.2023). Die Zahl der zivilen Kriegstoten zwischen 1.3.2011 und 31.3.2021 beläuft sich laut UNO auf 306.887 Personen - dazu kommen noch viele zivile Tote durch den Verlust des Zugangs zu Gesundheitsversorgung, Lebensmittel, sauberem Wasser und anderem Grundbedarf (UNHCHR 28.6.2022).

Überlappende bewaffnete Konflikte und komplexe Machtverhältnisse

Der Konflikt in Syrien seit 2011 besteht aus einem Konvolut überlappender Krisen (ICG o.D.). Die Suche nach einer politischen Beilegung verlief im Sand (USIP 14.3.2023). Im Wesentlichen gibt es drei Militärkampagnen: Bestrebungen durch eine Koalition den Islamischen Staat zu besiegen, Kampfhandlungen zwischen der Syrischen Regierung und Kräften der Opposition und türkische Militäroperationen gegen syrische Kurden (CFR 24.1.2024). Dazu kommt das bestehende Informationsdefizit. Obwohl der Syrien-Konflikt mit einer seit Jahren anhaltenden, extensiven Medienberichterstattung einen der am besten dokumentierten Konflikte aller Zeiten darstellt, bleiben dennoch eine Reihe grundlegender Fragen offen. Angesichts der Vielschichtigkeit des Konflikts ist es auch Personen, die in Syrien selbst vor Ort sind, oft nicht möglich, sich ein Gesamtbild über alle Aspekte zu verschaffen. Das Phänomen des Propagandakrieges besteht auf allen Seiten und wird von allen kriegsführenden Parteien und ihren Unterstützern gezielt und bewusst eingesetzt, sodass sich das Internet, soziale und sonstige Medien angesichts der Verzerrungen der Darstellungen nur bedingt zur Informationsbeschaffung eignen. Darüber hinaus sind offiziell verfügbare Quellen (Berichte, Analysen etc.) aufgrund der Entwicklungen vor Ort oft schnell überholt (ÖB Damaskus 1.10.2021). In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v.a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Die militärische Landkarte Syriens hat sich nicht substantiell verändert. Das Regime kontrolliert weiterhin rund 60 Prozent des syrischen Staatsgebiets, mit Ausnahme von Teilen des Nordwestens, des Nordens und des Nordostens (AA 2.2.2024). United Nations Geospatial veröffentlichte eine Karte mit Stand Juni 2023, in welcher die wichtigsten militärischen Akteure und ihre Einflussgebiete verzeichnet sind (UNGeo 1.7.2023): UNGeo 1.7.2023 (Stand: 6.2023)

Die folgende Karte zeigt Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure in Syrien, wobei auch Konvoi- und Patrouille-Routen eingezeichnet sind, die von syrischen, russischen und amerikanischen Kräften befahren werden. Im Nordosten kommt es dabei zu gemeinsam genutzten Straßen [Anm.: zu den Gebieten mit IS-Präsenz siehe Unterkapitel zu den Regionen]:
CC 13.12.2023 (Stand: 30.9.2023)

"Versöhnungsabkommen" (auch "Beilegungsabkommen")

Letzte Änderung 2024-03-08 11:22

Die syrischen Behörden nutzen sogenannte "reconciliation agreements" [in anderen Quellen auch als "settlement agreements" - Beilegungsabkommen - bezeichnet] seit Beginn des Konfliktes (NMFA 5.2022). Die Evakuierung der von Rebellen gehaltenen Gemeinde Daraya im August 2016 markierte dabei einen Wendepunkt in der Nutzung von Versöhnungsabkommen durch die syrische Regierung als Strategie zur Rückeroberung der von Rebellen gehaltenen Gebiete. Bis zur Vereinbarung in Daraya waren in verschiedenen Gemeinden in ganz Syrien örtlich begrenzte Waffenstillstände eingesetzt worden. Sowohl die lokalen Waffenstillstände als auch die Versöhnungsvereinbarungen sind eine militärische Strategie, mit der Rebellengebiete entweder sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt zum Einlenken gezwungen werden sollen, um Menschen und Gebiete in den Staat wiedereinzugliedern (MEE 28.3.2018). Das Verfahren ist grundsätzlich für Personen gedacht, die im Sicherheitsapparat aktenkundig sind oder die von den Behörden im Zusammenhang mit einer offenen Angelegenheit gesucht werden. Sowohl Kombattanten als auch Zivilisten können Versöhnungsvereinbarungen unterzeichnen. Es gibt lokale und individuelle Versöhnungsabkommen (NMFA 5.2022).

Lokale Versöhnungsabkommen in ehemaligen Oppositionsgebieten

Die "Versöhnungsprozesse" scheinen ad hoc durchgeführt zu werden, was bedeutet, dass sie variieren und keine eindeutige Beschreibung des Prozesses gegeben werden kann. Für die praktische Umsetzung der Vereinbarungen ist ein "Versöhnungsausschuss" zuständig. Dieses Gremium ist kein Gericht. Es gibt kein materiell-rechtliches Verfahren und das Justizministerium ist nicht beteiligt. Das Ergebnis ist kein Urteil, sondern eine Sicherheitserklärung. Der Inhalt des Abkommens kann nicht angefochten werden. Die betreffende Person gibt ihre leichten Waffen ab und erklärt schriftlich, dass sie von Widerstandstätigkeiten absehen wird. Im Gegenzug verspricht die syrische Regierung, die Vorwürfe aus dem Strafregister zu streichen und den Namen der Person von den Fahndungslisten zu entfernen. Männer, die noch ihren Militärdienst ableisten müssen, haben sechs Monate Zeit, sich beim Rekrutierungsbüro zu melden. Es gibt Quellen, die berichten, dass diejenigen, die freigelassen werden, ein Dokument erhalten (NMFA 5.2022).

Der Abschluss der "Versöhnungsabkommen" folgt in der Regel einem Muster, das mit realer Versöhnung wenig gemeinsam hat. Die Vereinbarungen mit Rebellentruppen werden meist am Ende einer Belagerung durch Regierungstruppen abgeschlossen (ÖB Damaskus 12.2022). Laut der Syrian Association for Citizen's Dignity (SACD), eine 2018 gegründete zivilgesellschaftliche Basisbewegung aus Syrien, gehörten zu den Taktiken bisher auch Belagerungen, bei denen das Regime die Menschen in diesen Gebieten nicht nur der Grundversorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten beraubte, sondern sie auch mit Luftangriffen und Granaten beschoss, die Infrastruktur zerstörte und Zivilisten tötete, um das Gebiet schließlich zur Kapitulation und zur Unterzeichnung eines Versöhnungsabkommens zu zwingen (SACD 8.11.2021). Im Allgemeinen bieten die Versöhnungsverfahren zwei Möglichkeiten: eine Versöhnungsvereinbarung zu unterzeichnen und weiterhin im Regierungsgebiet zu leben oder in das Oppositionsgebiet im Nordwesten Syriens zu ziehen (NMFA 5.2022). Die Vereinbarungen beinhalten oft die Evakuierung der Gebiete von Rebellenkämpfern und deren Familien, die dann in andere Regionen des Landes (zumeist im Norden) verbracht werden (ÖB Damaskus 12.2022). Sie werden also auch dazu benutzt, Bevölkerungsgruppen umzusiedeln (ÖB Damaskus 12.2022; vgl. OFPRA 13.12.2022) und sind de facto Kapitulationsvereinbarungen (NMFA 5.2022; vgl. SACD 8.11.2021, TIMEP 15.10.2021). Weiters dienen die Versöhnungsabkommen der Syrischen Regierung zur Rekrutierung von Wehrpflichtigen, die dann entweder in der regulären Armee oder regierungsnahen Milizen dienen müssen (EUAA 10.2023).Der Abschluss der "Versöhnungsabkommen" folgt in der Regel einem Muster, das mit realer Versöhnung wenig gemeinsam hat. Die Vereinbarungen mit Rebellentruppen werden meist am Ende einer Belagerung durch Regierungstruppen abgeschlossen (ÖB Damaskus 12.2022). Laut der Syrian Association for Citizen's Dignity (SACD), eine 2018 gegründete zivilgesellschaftliche Basisbewegung aus Syrien, gehörten zu den Taktiken bisher auch Belagerungen, bei denen das Regime die Menschen in diesen Gebieten nicht nur der Grundversorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten beraubte, sondern sie auch mit Luftangriffen und Granaten beschoss, die Infrastruktur zerstörte und Zivilisten tötete, um das Gebiet schließlich zur Kapitulation und zur Unterzeichnung eines Versöhnungsabkommens zu zwingen (SACD 8.11.2021). Im Allgemeinen bieten die Versöhnungsverfahren zwei Möglichkeiten: eine Versöhnungsvereinbarung zu unterzeichnen und weiterhin im Regierungsgebiet zu leben oder in das Oppositionsgebiet im Nordwesten Syriens zu ziehen (NMFA 5.2022). Die Vereinbarungen beinhalten oft die Evakuierung der Gebiete von Rebellenkämpfern und deren Familien, die dann in andere Regionen des Landes (zumeist im Norden) verbracht werden (ÖB Damaskus 12.2022). Sie werden also auch dazu benutzt, Bevölkerungsgruppen umzusiedeln (ÖB Damaskus 12.2022; vergleiche OFPRA 13.12.2022) und sind de facto Kapitulationsvereinbarungen (NMFA 5.2022; vergleiche SACD 8.11.2021, TIMEP 15.10.2021). Weiters dienen die Versöhnungsabkommen der Syrischen Regierung zur Rekrutierung von Wehrpflichtigen, die dann entweder in der regulären Armee oder regierungsnahen Milizen dienen müssen (EUAA 10.2023).

Die von der Regierung angebotenen Versöhnungsabkommen sind an verschiedene Bedingungen geknüpft (STDOK 8.2017). Die Wehrpflicht war bisher meist ein zentraler Bestandteil der Versöhnungsabkommen (AA 13.11.2018). Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt werden, sondern stattdessen bei der örtlichen Polizei eingesetzt werden (STDOK 8.2017), oder den Männern im wehrpflichtigen Alter wird eine sechsmonatige Schonfrist zugesichert (AA 2.2.2024; vgl. EB 14.6.2023; vgl. SD 9.6.2023). Einem von EUAA interviewten Experten zufolge können Deserteure oder Wehrdienstverweigerer durch ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung Strafen entgehen. Teilweise treten sie im Rahmen dieser Abkommen Milizen bei oder formen neue, welche mit der syrischen Armee oder dem Geheimdienst zusammenarbeiten (EUAA 10.2023). Im Rahmen von Versöhnungsabkommen gemachte Garantien der Regierung werden jedoch nicht eingehalten. Die syrischen Behörden haben Einzelpersonen verhaftet, nachdem ihnen die Freilassung zugesichert wurde, und Vereinbarungen über die Freistellung von der Wehrpflicht, über den Dienstort neuer Wehrpflichtiger (BS 23.2.2022) oder zur Schonfrist vor dem Einzug zum Militärdienst wurden gebrochen (AA 2.2.2024). Es wird von willkürlichen Verhaftungen von Personen berichtet, die sich zuvor mit der syrischen Regierung "versöhnt" hatten (UNHRC 7.2.2023; vgl. HRW 12.1.2023; vgl. UNHRC 24.8.2023) und es kommt trotz Abkommen zu Verhaftungen und dem Verschwinden von früheren Kämpfern in deren Häusern oder an Checkpoints. Es gibt Berichte über die gezielte Tötung von ehemaligen Kämpfern, die sich nunmehr den syrischen Streitkräften angeschlossen haben (ÖB Damaskus 12.2022). Auch werden manche Personen, die einen Versöhnungsprozess durchlaufen haben, von ihren Nachbarn früherer Vergehen beschuldigt und bekommen dadurch Probleme mit dem Geheimdienst (EUAA 10.2023). Der Abschluss von "Versöhnungsabkommen" in bestimmten Gebieten schützt die dortige Bevölkerung nicht vor dem willkürlichen, rücksichtslosen Verhalten der dort präsenten regierungsfreundlichen Milizen (OFPRA 13.12.2022). Diese Menschenrechtsverletzungen decouragieren auch die Rückkehr von geflüchteten Personen. Durch mehrere Gesetzeserlässe wurde die Regierung 2019 zur Konfiskation des Eigentums von "Terroristen" ermächtigt. Als Terroristen werden vor allem auch viele Oppositionelle gelistet (ÖB Damaskus 12.2022). Die von der Regierung angebotenen Versöhnungsabkommen sind an verschiedene Bedingungen geknüpft (STDOK 8.2017). Die Wehrpflicht war bisher meist ein zentraler Bestandteil der Versöhnungsabkommen (AA 13.11.2018). Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt werden, sondern stattdessen bei der örtlichen Polizei eingesetzt werden (STDOK 8.2017), oder den Männern im wehrpflichtigen Alter wird eine sechsmonatige Schonfrist zugesichert (AA 2.2.2024; vergleiche EB 14.6.2023; vergleiche SD 9.6.2023). Einem von EUAA interviewten Experten zufolge können Deserteure oder Wehrdienstverweigerer durch ein Versöhnungsabkommen mit der Regierung Strafen entgehen. Teilweise treten sie im Rahmen dieser Abkommen Milizen bei oder formen neue, welche mit der syrischen Armee oder dem Geheimdienst zusammenarbeiten (EUAA 10.2023). Im Rahmen von Versöhnungsabkommen gemachte Garantien der Regierung werden jedoch nicht eingehalten. Die syrischen Behörden haben Einzelpersonen verhaftet, nachdem ihnen die Freilassung zugesichert wurde, und Vereinbarungen über die Freistellung von der Wehrpflicht, über den Dienstort neuer Wehrpflichtiger (BS 23.2.2022) oder zur Schonfrist vor dem Einzug zum Militärdienst wurden gebrochen (AA 2.2.2024). Es wird von willkürlichen Verhaftungen von Personen berichtet, die sich zuvor mit der syrischen Regierung "versöhnt" hatten (UNHRC 7.2.2023; vergleiche HRW 12.1.2023; vergleiche UNHRC 24.8.2023) und es kommt trotz Abkommen zu Verhaftungen und dem Verschwinden von früheren Kämpfern in deren Häusern oder an Checkpoints. Es gibt Berichte über die gezielte Tötung von ehemaligen Kämpfern, die sich nunmehr den syrischen Streitkräften angeschlossen haben (ÖB Damaskus 12.2022). Auch werden manche Personen, die einen Versöhnungsprozess durchlaufen haben, von ihren Nachbarn früherer Vergehen beschuldigt und bekommen dadurch Probleme mit dem Geheimdienst (EUAA 10.2023). Der Abschluss von "Versöhnungsabkommen" in bestimmten Gebieten schützt die dortige Bevölkerung nicht vor dem willkürlichen, rücksichtslosen Verhalten der dort präsenten regierungsfreundlichen Milizen (OFPRA 13.12.2022). Diese Menschenrechtsverletzungen decouragieren auch die Rückkehr von geflüchteten Personen. Durch mehrere Gesetzeserlässe wurde die Regierung 2019 zur Konfiskation des Eigentums von "Terroristen" ermächtigt. Als Terroristen werden vor allem auch viele Oppositionelle gelistet (ÖB Damaskus 12.2022).

Generell lässt sich seitens der Regierung das Bestreben feststellen, möglichst schnell wieder staatliche Strukturen in den eroberten Gebieten zu etablieren. Allerdings gibt es offenbar große Herausforderungen für die syrische Regierung, dieses Bestreben flächendeckend umzusetzen (ÖB Damaskus 12.2022).

Individuelle Versöhnungsabkommen

Soweit bekannt, gibt es auch individuelle Versöhnungsabkommen für Syrer, die aus dem Ausland nach Syrien zurückkehren wollen, bzw. für Vertriebene, die in ein Gebiet unter der Kontrolle der Behörden zurückkehren. Der Abschluss eines individuellen Versöhnungsabkommens ist auch hier kein genau definiertes Verfahren und kann von Person zu Person und von Botschaft zu Botschaft variieren; in der Regel beinhaltet es jedoch die Unterzeichnung eines Dokuments in einer Botschaft, in dem die Person ihre "Straftat" zugibt. Versöhnungsabkommen bieten allerdings keinen Schutz vor Menschenrechtsverletzungen (NMFA 5.2022). Eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums gibt an, dass der individuelle Versöhnungsprozess entweder aus dem Ausland oder aus einem Gebiet, das nicht unter Regierungskontrolle steht, begonnen werden kann, aber der Abschluss in einem Gebiet unter Regierungskontrolle erfolgen muss. Das Dokument zur Bestätigung dieses individuellen Versöhnungsprozesses kann nur in einem Gebiet unter der Kontrolle der syrischen Regierung ausgestellt werden. Dieselbe Quelle merkt an, dass Personen, die einen solchen individuellen Versöhnungsprozess beginnen, erst recht die Aufmerksamkeit der syrischen Behörden auf sich ziehen (NMFA 8.2023).

Anmerkung: Für weitere Informationen sowie zusätzliche Genehmigungsverfahren siehe Kapitel Rückkehr, Unterkapitel "Administrative Bedingungen für eine Rückkehr sowie Möglichkeit der Rückkehr an den Herkunftsort".

Quellen:

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.2.2024): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien (Stand: Ende Oktober 2023), https://milo.bamf.de/OTCS/cs.exe/app/nodes/29884854, Zugriff 15.2.2024

?        AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (13.11.2018): Bericht über die Lage in der Arabischen Republik Syrien, https://www.ecoi.net/en/file/local/1451486/4598_1542722823_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-lage-in-der-arabischen-republik-syrien-stand-november-2018-13-11-2018.pdf, Zugriff 3.7.2023

?        BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): Syria Country Report 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069699/country_report_2022_SYR.pdf, Zugriff 4.7.2023

?        EB - Enab Baladi (14.6.2023): New security settlement to enhance regime grip on Daraa: activists, displaced, https://english.enabbaladi.net/archives/2023/06/new-security-settlement-to-enhance-regime-grip-on-daraa-activists-displaced/, Zugriff 24.1.2024

?        EUAA - European Union Asylum Agency (10.2023): Syria: Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098437/2023_10_EUAA_COI_Report_Syria_Country_focus.pdf, Zugriff 11.1.2024

?        HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Syria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085501.html, Zugriff 4.7.2023

?        MEE - Middle East Eye (28.3.2018): Besiege, bombard, retake: Reconciliation agreements in Syria, https://www.middleeasteye.net/opinion/besiege-bombard-retake-reconciliation-agreements-syria, Zugriff 3.7.2023

?        NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (8.2023): Country of Origin Information Report on Syria, https://open.overheid.nl/documenten/ronl-e07a04cd19e3da2dac1adebf7a36701e6aee7e7d/pdf, Zugriff 11.12.2023

?        NMFA - Netherlands Ministry of Foreign Affairs [Niederlande] (5.2022): Country of origin information report Syria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2081724/Country+of+origin+information+report+Syria.pdf, Zugriff 3.7.2023

?        ÖB - Österreichische Botschaft Damaskus [Österreich] (12.2022): Asylländerbericht Syrien 2022, Antwortschreiben per E-Mail [liegt im Archiv der Staatendokumentation auf]

?        OFPRA - Office français de protection des réfugiés et apatrides [France] (13.12.2022): Syrie : Situation dans les zones reconquises par les forces pro-régime depuis 2020, https://www.ofpra.gouv.fr/libraries/pdf.js/web/viewer.html?file=/sites/default/files/ofpra_flora/2212_syr_zones_reconquises_par_le_regime_156325_web.pdf, Zugriff 4.7.2023

?        SACD - Syrian Association for Citizen's Dignity (SACD) (8.11.2021): Did Daraa mark the end of reconciliation agreements in Syria?, https://syacd.org/did-daraa-mark-the-end-of-reconciliation-agreements-in-syria/, Zugriff 3.7.2023

?        SD - Syria Direct (9.6.2023): Wave of new Daraa settlements amid Arab normalization efforts, https://syriadirect.org/wave-of-new-daraa-settlements-amid-arab-normalization-efforts/, Zugriff 24.1.2024

?        SHRC - Syrian Human Rights Committee, the (26.1.2023): Car Trader assasinated in Daraa, https://www.shrc.org/en/?p=34054, Zugriff 4.7.2023

?        SNHR - Syrian Network for Human Rights (17.1.2023); Most Notable Human Rights Violations in Syria in 2022, https://snhr.org/wp-content/uploads/2023/01/R221213E.pdf, Zugriff 4.7.2023

?        STDOK - Staatendokumentation of the BFA [Österreich] (8.2017): Fact Finding Mission Bericht Syrien – mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/file_upload/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 3.7.2023

?        TIMEP - The Tahrir Institute for Middle East Policy (15.10.2021): Daraa: Another Example of the Regime’s Failure of Reconciliation, https://timep.org/commentary/analysis/daraa-another-example-of-the-regimes-failure-of-reconciliation/, Zugriff 3.7.2023

?        UNHRC – United Nations Human Rights Council (14.8.2023): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097210/G2315549.pdf, Zugriff 24.1.2024

?        UNHRC - United Nations Human Rights Council (7.2.2023): Report of the Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic*, **, https://www.ecoi.net/en/file/local/2088857/G2301021.pdf, Zugriff 4.7.2023

?        USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Syria, https://www.ecoi.net/en/document/2089061.html, Zugriff 4.7.2023

Gebiete unter Regierungskontrolle inkl. Damaskus und Umland, Westsyrien

Letzte Änderung 2024-03-08 19:46

Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vgl. GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vgl. CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vgl. SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) (Anm.: siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage). Folgende Karte mit Stand 23.5.2023 veranschaulicht diese territoriale nominelle Dominanz der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten und das komplexe Verhältnis zum selbsternannten Autonomiegebiet im Nordosten, das hier als "halbautonome kurdische Zone" bezeichnet wird:Mittlerweile hat das Assad-Regime, unterstützt von Russland und Iran, unterschiedlichen Quellen zu Folge zwischen 60 Prozent (INSS 24.4.2022; vergleiche GIS 23.5.2022) und 70 Prozent des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle gebracht (USCIRF 11.2022; EUAA 9.2022; vergleiche CFR 24.1.2024). Ausländische Akteure und regierungstreue Milizen üben erheblichen Einfluss auf Teile des Gebiets aus, das nominell unter der Kontrolle der Regierung steht (AM 23.2.2021; vergleiche SWP 3.2020, FP 15.3.2021, EUI 13.3.2020) Anmerkung, siehe dazu auch das Überkapitel Sicherheitslage). Folgende Karte mit Stand 23.5.2023 veranschaulicht diese territoriale nominelle Dominanz der syrischen Regierung und ihrer Verbündeten und das komplexe Verhältnis zum selbsternannten Autonomiegebiet im Nordosten, das hier als "halbautonome kurdische Zone" bezeichnet wird:

Die zivilen Behörden haben nur begrenzten Einfluss auf ausländische militärische oder paramilitärische Organisationen, die in Syrien operieren, darunter russische Streitkräfte, die libanesische Hizbollah, die iranischen Revolutionswächter (IRGC) und regierungsnahe Milizen wie die Nationalen Verteidigungskräfte (National Defence Forces - NDF), deren Mitglieder zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen haben (USDOS 20.3.2023). Für alle Regionen Syriens gilt dabei, dass eine pauschale ebenso wie eine abschließende Lagebeurteilung nicht möglich ist. Auch innerhalb der verschiedenen Einflussgebiete unterscheidet sich die Lage teilweise von Region zu Region und von Ort zu Ort (AA 2.2.2024).

Die Sicherheitslage zwischen militärischen Entwicklungen und Menschenrechtslage

Ungeachtet der obigen Ausführungen bleibt Syrien bis hin zur subregionalen Ebene territorial fragmentiert. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023). Die Regierung ist nicht in der Lage, alle von ihr kontrollierten Gebiete zu verwalten und bedient sich verschiedener Milizen, um einige Gebiete und Kontrollpunkte in Aleppo, Lattakia, Tartus, Hama, Homs und Deir ez-Zor zu kontrollieren (DIS/DRC 2.2019). Die Hizbollah und andere von Iran unterstützte schiitische Milizen kontrollieren derzeit rund 20 P

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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